Ein erste Hauptgewinn beim Lesen 2015: "Chlorofilija"
Die Leseliste 2015
1) Andrej Rubanov: „Chlorofilija“
Ein Hit! Großartig! Ein erstes richtig tolles Buch in 2015!
Der Russe schreibt über ein Russland der nahen Zukunft. Russland ist im Grunde nur noch ein Moskau mit riesigen Hochhäusern und 40 Mill. Einwohnern, die sich im Müßiggang ergehen. Dieses Leben in dem Paradies haben sie dem Umstand zu verdanken, dass sie Sibirien an China vermietet haben, die da alles rausholen, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Miete wird jedem russischen Bürger direkt überwiesen. Keiner braucht mehr wirklich arbeiten, niemand schuldet irgend jemand etwas.
Na ja, so einfach ist das aber auch nicht. Da gibt es schon noch Unterschiede im Leben der Leute. Die Stadt wurde nämlich auch von seltsamen riesigen Pflanzen heimgesucht, die da schon mal 300 Meter groß werden können. Die kann man sogar essen, ihr „Fleisch“ wirkt wie eine Droge („Gras“) - und macht auch was mit den Menschen...
Wer weiter oben wohnt in den 100stöckigen Häusern, ist privilegiert. Ganz unten wohnen die Blassen, Leute, die sich meist dem „Gras“ ergeben haben und wegen des Pflanzenbewuchses kaum Sonne abbekommen.
Oben ist zwar der Konsum von Gras verpönt, wird aber dennoch gemacht, nur in Form stark konzentrierter Pillen, deren Wirkung dann auch noch potenziert wurde.
Alles läuft schon seit so einigen Generationen, kaum noch jemand, der sich an die Zeit davor (Putin) erinnert. Aber leider kommt was dazwischen. Na ja, will mal nix verraten. Ist auf alle Fälle ein faszinierender, stimmiger Zukunftsentwurf, der ein paar Verrücktheiten enthält, die aber plausibel geschildert werden und auch zeigt, wie die Menschen in dieser Neuen Welt so zurecht kommen. Zudem gibt es eine vielleicht nicht gar so spannende Erzählung um einen Reporter, seine Zeitung und seine Freunde. Dabei wird auch aufgezeigt, was aus dem übrigen Russland wurde, außerhalb von Moskau.
Ein ziemlich starker Roman, mit neuen, frischen Ideen, der auch gern einfach über die Lebensumstände der Zukunftswelt schreibt, dabei aber nie langweilig wird.
9 / 10 Punkte.
2) Colin MacInnes: „Absolute Beginners“
Nach der David-Bowie-Ausstellung im Sommer 2014 in Berlin „musste“ ich eines der Inspirationsquellen für den Meister des Glam Rock mir näher ansehen. Ich kann ja noch entscheiden, ob ich es bei dem Buch belasse, oder mir auch noch den Musical-Film aus den 80er reinziehe, bei dem David Bowie ja sogar mitwirkte und zu dem er den Soundtrack beisteuerte, u.a. den titelgebenden Song. Nur hat der Film nicht gerade einen guten Leumund, mal sehen...
Tja ,das Buch... Dass es ein paar Jahre auf dem Buckel hat, sollte mich nicht abschrecken. Dass es stilistisch nich auf der Höhe der Zeit ist, ist ja ok. Allerdings bemühte sich der Autor, als er es Ende der 50er schrieb, wohl um eine eigene Sprache, die vielleicht etwas jugendlich wirken sollte(?), die aber bei einigen Rezensenten gekünstelt rüberkam. Bei mir streckenweise auch. Auf jeden Fall wirkt die Erzählung, die dem Protagonisten in den Mund gelegt wurde, weit artifizieller und intellektueller, als er eigentlich erscheinen will - so kam es mir zumindest vor.
Inhaltlich war ich auch nicht gebannt; Plot und Figuren sprachen mich nicht an. Vielleicht ist das alles zu weit weg, für mich und heute nicht relevant. Interessant war allerdings schon, wie eine erste Jugend-Subkultur entstand und auch schnell kommerzialisiert wurde.
Und ja, war schon interessant, mal zu lesen, wie einer mittendrin die Notting Hill Riots erlebte, aber er wirkt mitunter zu unbeteiligt; vielleicht ist das so, wenn man bei einem Ereignis dabei ist, das sich später als wichtig und einschneidend erweist? Auch das modische und musikalische Umfeld konnte mir der Erzähler nicht so wirklich näher bringen; das mag aber auch so sein, dass mit Teds und Mods nie nahe waren (die damals ihre Wurzeln hatten).
5 / 10 Punkte
3) Blessing, Manteuffel: „Joachim Gauck. Der richtige Mann?“
Wie ich zu dem Buch komme? Ein Weihnachtsgeschenk. Ich war erst mal geschockt: Was, ich soll eine Gauck-Biografie lesen? Warum denn das?
Na ja, ist ja dünn, kann man ja mal reinlesen. Und dann? Im Nu durch! Das Buch ist eine sehr kritische Sicht auf den ersten Mann im Staate. Ich denke, die Darstellung ist nicht frei von Absichten und sicher auch einseitig. Aber interessant und wenn man genügend Abstand hat auch amüsant. (Ich weiß aber nicht, ob ich da immer den genügenden Abstand habe.)
Die Frage im Titel verneinen die Autoren - wird jetzt sicher keinen verwundern. Ob das so stimmt?
- ohne Wertung -
Das erste Buch wäre schon was für mich ...