Der Regenmacher und andere zwielichtige Stories
(Fortsetzung Leseliste 2015)
4) „Zwielicht Classics 8“ Hg.v. Michael Schmidt
Wie ich neulich an anderer Stelle feststellte, bin ich seit einigen Jahren weg vom „Stoff“. Will meinen: Ich war mal ein großer Fan des deutschsprachigen Independent-Horrors, also der Horror / Phantastik-Fanszene deutscher Zunge. „Damals“ erschien das Zeug in Fanzines. Inzwischen hat sich die Szene gemausert. Ich werde auch nicht müde festzustellen, dass mir die oftmals zur Schau gestellte Professionalität etwas anödet: Da geht es oft nur um die Frage, ob die amazon-Rezensionen nun Gefälligkeitsaktionen sind oder doch ernst zu nehmen, es geht um Verkaufszahlen und die Frage, wie man als Autor davon leben kann. Dabei ist die neue elektronische Buchwelt so vielfältig geworden, was mich einfach auch mal zugegebenermaßen überfordert: Wer soll denn da noch durchblicken?
Es ist schön, dass Phantastik, Horror (und die entsprechenden Spielarten) so eine Entwicklung durchgemacht haben. Schön, dass es jetzt so viel Lektüre gibt (eBooks!!!) und es so leicht ist, „richtige“ Bücher zu machen. - Mir wurde es zu viel...
Aber es gibt Perlen - auch fĂĽr mich!
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Eine sind die raren Geschichten von Ralph Doege! Und genau deshalb habe ich jetzt mal diesen einen Band der Zwielicht-Reihe gekauft und gelesen.
Also, muss zugeben: Nicht nur quantitativ hat sich die Horror/Phantastik-Szene entwickelt: Die Stories sind allesamt gut lesbar, die Autorinnen und Autoren können was. Ich habe die Geschichten gern gelesen. Mitunter fehlt mir die Originalität und / oder die Relevanz. Ich denke mal, das Fahrrad wird in der Literatur / im Horror speziell, eben doch immer wieder neu erfunden. Muss so sein - jede Generation hat damit ihre Stars und Helden. Ist schon ok...
Es gibt z.B. so fischige Meeressettings, auch eine ziemlich lange Hommage an Alien/Bladerunner, die sich ein wenig wie ein ĂĽberlanger Voight-Kampff-Test liest.
Dann las ich auch gern mal wieder eine Story von Jörg Kleudgen, die - wie gewohnt - eine wunderschöne, irgendwie entrückte Landschaftsstudie ist, in erster Linie. Jörg Kleudgen, der Marcel Proust der deutschen Phantastik? ...na ja, ist aber auch irgendwie immer dasselbe...
Auf jeden Fall habe ich beim Lesen seiner wohlfeilen Worte immer gleich Landschaften vor dem geistigen Auge, wie sie nur ein Michael Hutter zeichnen kann.
Eher rotzig, filmorientiert geht Torsten Scheib ans Werk, der ein ausgemachtes A.Loch leiden lässt, das kein Respekt vor Frauen hat.
Auch aktuelle, politisch-gesellschaftliche Themen werden mal aufgegriffen., als von einer afrikanischen Flüchlings-Frau erzählt wird, die sich dekadente Westeuropäer als Sex-Sklavin halten, deren atavistischer Zauber denen aber ordentlich die Lust verdirbt. Oder die Story, die in der Nähe eines havarierten japanischen Atomkraftwerkes spielt, in der eine Männerfreundschaft am Erkranken eines der Beiden zerbricht. Die hat mich sehr beeindruckt (von Karsten Beuchert)!
Es werden - sicher typisch für Horror-Stories - innere Seelenzustände eindringlich geschildert, mitunter zunächst weit weg von Ort und Zeit, so dass man erst ein Weilchen braucht, um zu kapieren, wo, wer was da eine Rolle spielen. Ist ok (kann aber auch ermüden).
Dazu gibt es ein paar Rezensionen zu Büchern, die aus dem Mainstream-Blickwinkel des Phantastikinteressierten gerückt sind und an die Eric Hantsch gern wieder erinnert - auch wenn ich ihn etwas bedauere, dass er sich so intensiv mit James Blaylock z.B. beschäftigen musste ( ) - echt, an dessen Werke kam ich nie so richtig ran, und das, wo er ein Seelenverwandter von Tim Powers ist.
In drei Interviews werden drei Autoren aus dem vorliegenden Band vorgestellt.
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Doch der Anreiz, mal zu so einem (8.) Band zu greifen, war die Story von Ralph Doege.
Und das kam so: Vor kurzem sah ich den Film „Der Fall Wilhelm Reich“ mit Klaus Maria Brandauer. Da mich zur Zeit „solche Stoffe“ interessieren, fand ich den Film auch sehr eindrucksvoll - wie auch immer. Im Zusammenhang mit diesem Interesse und im Dialog mit dem Ralph verwies er mich auf diese seine Story.
Nun, ich habe sie mit groĂźem Gewinn gelesen! Vielen Dank dafĂĽr, Ralph!
Er lässt aus der Sicht eines japanischen Jungen, der mit seinem Vater in den USA lebt, und im II.Weltkrieg unter dem Patriotismus der Amerikaner leidet (die in jedem Japaner ihren Feind sahen; Japaner in den USA wurden zu dieser Zeit ziemlich mies behandelt). Die Familie des Jungen lebt in der Nähe von Wilhelm Reich und dessen Sohn Peter. Die Reichs waren ähnlich dumm dran und unter Beobachtung der US-Behörden, wie die Japaner, als „Deutsche“ (die sie nicht mal waren, sondern Österreicher). Zudem beschäftige sich Herr Reich mit seltsamen Dingen, so zum Bsp. dem Cloudbuster, einem Apparat zum Manipulieren der Orgon-Kraft und damit des Wetters, der Wolken, des Regens.
Der Ich-Erzähler (kleiner Japaner) versucht, auf magischem Wege die Tore zu allen Höllen zu öffnen, um sich für die Schmach und schlechte Behandlung zu rächen, die ihm widerfuhren. In den Experimenten Wilhelm Reichs mit der von ihm entdeckten Orgon-Kraft sieht er sozusagen einen Kongruenten, gar Gegner, aber auch Seelenverwandten, da er ja aus seiner Sicht ähnliche Mittel anwandte, um Kräfte, Mächte zu bannen, an die sich der Junge auch wandte.
Wie die Geschichte ausgeht, weiß man, wenn man sich nur etwas mit W. Reich beschäftigt.
Die Story ist großartig, sie schafft es, den okkulten Hintergrund organisch in die realistische Gegenwart der Storyhandlung zu integrieren. Man darf sich sein eigenes Urteil bilden, es wird nichts verlacht, kritisiert oder so. Zudem wird ja aus der Sicht eines sicher naiven, pubertären Jungen erzählt, der gerade dabei ist, ein Weltbild zu entwickeln.
Mich hat die Story fasziniert. Durch sie bin ich auch auf die zu Grunde liegende Buch von Peter Reich über sich und seinen Vater gestoßen. Leider ist das Buch schwer zu kriegen. Dafür kann man sich aber das tolle Video zu dem Song von Kate Bush, die genau dieses Buch ebenso als Grundlage hatte, ansehen und anhören.
"Mammut" hat das da oben u.a. zum Anlass fĂĽr eine Diskussion genommen, kann man hier finden:
http://www.scifinet....5-scheuklappen/