Messe, Leipzig 2015, Tag 1 (Die Idee von der mathematischen Gerechtigkeit)
Dietmar Dath
(12. März 2015)
Nun also mein erster Buchmesse / „Leipzig liest“-Event. Wenn ich das mal schon so verraten darf: Diesmal wird es ziemlich Dietmar-Dath-lastig. Der Autor hat zur Messe ja auch 2 Bücher am Start. Mein Vorab-Eindruck war: Ein politisches und ein SF-Buch; wie sich dann herausstellte, sind es ein politisches und ein politisches SF-Buch.
Am Donnerstagabend wurde in der Bibliotheca Albertina Dietmar Daths Buch „Deutsche Demokratische Rechnung“ vorgestellt. Den Ort kannte ich von einer anderen Lesung schon: damals füllte Christian Kracht den großen Saal. Das Haus ist imposant, der große Saal auch; diesmal fand die Lesung in einem kleineren Saal statt, aber auch der war angenehm gefüllt; schätze so 120 Personen (?).
Wer fehlte, war der Verleger. (Das Buch erschien im Eulenspiegel Verlag.) Nun, Dietmar ist Profi und Entertainer genug, dass ihn das nicht weiter störte. Er legte pünktlich los.
Zunächst zur Entstehungsgeschichte des Buches: Eigentlich wurde er gebeten, eine Erzählung zu einer Anthologie beizusteuern, die Walter Ulbricht gewidmet war. Es sollte um einen Mathematiker gehen, der die neue ökonomische Politik unter Ulbricht wissenschaftlich-mathematisch begleitete. Dazu erfand D.D. eine Rahmenerzählung, in der eine Enkelin aus der heutigen Sicht das „Erbe“ beleuchtet.
Weiß gar nicht, was aus der Antho bzw. dem Beitrag wurde; aber die Rahmenerzählung weitete sich mächtig aus und nun gibt es also diesen Roman.
Die „Erbin“ des ulbricht†™schen Vermächtnisses hat ein Faible für Mathematik, das teilt sie offensichtlich mit dem Autor. (Dies hat er ja bereits in anderen Schriften ausführlich dokumentiert.) Am Ende verriet er uns auch, warum das so ist. Bemerken möchte ich, dass seine persönliche Erzählung fast ein bisschen interessanter und flüssiger war als die Lesung selbst. Wobei so ein „Urteil“ sicher unfair ist, denn was soll bei einer kurzen Lesung eines Abschnitts aus einem Roman schon vom Großen-Ganzen hängen bleiben? Auch wenn er in seiner Einführung und den Zwischenkommentaren einen sehr schön Überblick gab, worum es ihm in dem Roman geht.
Also, er erzählte aus seiner verkorksten Schulzeit, in der er Strafarbeiten anderer Schüler erledigte. Dabei stellte er fest, dass in Fächern wie Deutsch oder Englisch durchaus Willkür bei der Bewertung durch die Lehrer herrschte. Es gab halt nur ein Fach, das „gerecht“ ist: Mathe!
D.D. leitet von diesem interessanten Umstand ein gesellschaftlich-utopisches Konzept ab. Dabei scheint es in der Ideen-Geschichte und Philosophie durchaus etwas Ähnliches schon zu geben; zumindest in ihrer negativen Ausformung. Konservativen und reaktionären Leuten war das Kalkulieren eher suspekt; D.D. nennt z.B. Heidegger, deutsche Romantiker, die gern das Kalkulieren als verdammungswürdige Eigenschaft bei ihren Gegner kritisierten; quasi als Illustration beschrieb er eine Propaganda-Flugschrift mit Bild gegenrevolutionärer Kräfte zur Zeit der französischen Revolution, auf dem Revolutionäre mit den Schädeln ihrer toten Feinde „kalkulierten“†¦
Zur Lesung noch eines, was auch einen relevanten Eindruck über das Buch selbst enthält: Er las u.a. eine Passage, in der 2 Protagonistinnen miteinander telefonieren. Da zeigte sich, wie gut und witzig und unterhaltsam D.D. schreiben kann. Ansonsten sind seine Sätze ja eher überkopflastig-relevant- gewichtig. Ihnen zu folgen fällt schon beim Selberlesen schwer (mir zumindest, mittlerweile), zum Vorlesen mögen sie sich u.U. nur bei 110%iger Konzentration eignen. - Wie auch immer, ich war vom Gesamtvortrag durchaus begeistert; ein guter Start!
Den Darth Dath hab ich verpasst, aber Du bist ja ein guter Berichterstatter!