Der esoterische Matheson - Leseliste März 2015, Anfang
Kehlmann Daniel Kehlmann Richard Matheson
Gibt es einen kürzeren Titel für einen Roman? Dabei sagt dieser eine Buchstabe viel aus, bzw. kann man viel damit verbinden, nach der Lektüre...
Es ist ein Familienroman, d.h., eigentlich eine Erzählungssammlung um die Mitglieder einer Familie. Jedes Kapitel = Erzählung dreht sich um eine Person, ein paar Kapitel sind aber übergreifender Natur. Obwohl der Autor sich auf die Söhne eines Mannes konzentrierte, der einst die Familie verließ und seine Leutchen irgendwie im Stich ließ (oder doch nicht? - wie ist das mit der Freiheit und der eigenen Entfaltung?), wird die Geschichte der Familie bis zurück zum 30jährigen Krieg skizziert.
Nun, das klingt alles noch nicht so spannend, oder? Fakt ist aber, dass das Buch jetzt schon zu meinen Favoriten 2015 gehört! Das Buch ist der Hammer: Facettenreich, geheimnisvoll, hintergründig, einfach toll erzählt, spannend (warum eigentlich?), ein Pageturner.
So ganz nebenbei stellt der Autor ganz große Fragen und findet so leicht Antwort (habe ich mal wieder ein Buch mit dem Bleistift in der Hand lesen müssen).
Ich bin begeistert.
11 / 10 Punkte
12) Richard Matheson: „Das Ende ist nur der Anfang“
Was habe ich lange auf dieses Buch gewartet! Es gibt ja nicht so unendlich viele Bücher in Deutsch von Matheson. Leider! Die, die es gibt, sind allesamt ziemlich große Titel, zumindest die Romane, denn sie wurde teilweise mehrmals verfilmt. Ebenso einige Stories. Irgendwie könnte man meinen, dass Hollywood ohne Matheson kaum denkbar wäre. - Nun ja, sicher eine etwas zu euphorische Einschätzung.
Dieses Buch hier wurde auch verfilmt, als „Hinter dem Horizont“, mit Robin Williams.
Nun, mit dem Film tat ich mich auch schon schwer: Beim ersten Versuch, ihn zu sehen, brach ich ab: war mir zu langatmig. Ja, schöne bunte Jenseitswelt. Ein guter Mensch wird im Himmel aufgenommen. Und dann?
Dass es „dort drüben“ nicht nur rosig ist, es gibt ja noch die Hölle, erfuhr ich erst, als ich mir den Film dann doch noch einmal in Gänze ansah. War schon besser. Aber ein dritter Versuch, zur Wiederholung, war dann wieder: Na ja...
Aber das Buch: Als Fan des Autors wollte ich es auch lesen. Na, versucht das mal! Das Goldmann-TB gibt es antiquarisch, leider lange Zeit nur ziemlich überteuert (da ich diese Zeilen schreibe, kann man es erstaunlicher Weise aber für einen geringeren Preis bekommen, als noch vor einigen Wochen.., allerdings sollte man dann kein supergut erhaltenes Ex erwarten, nehme ich mal an).
Als es mal für einen mir akzeptabel erscheinenden Preis angeboten wurde, war kein Halten! Und nun habe ich es auch gelesen --- und bin enttäuscht.
Im Grunde ist der Film in weiten Teilen eine sehr werkgetreue Umsetzung. Natürlich spielt der Film mit seinen Möglichkeiten, also dem, was der im Jenseits Angekommene mit seiner Phantasie so machen kann, lässt sich sicher besser zeigen als nur beschreiben. Aber das ist etwas Budenzauber - und was kommt dann?
Das Buch erinnert mich an eine klassische Utopie: Ein Reisender kommt unverhofft und ungläubig in eine utopische Welt, und wird von einem Utopianer herum geführt, in die Welt eingeführt und soll von deren Vorzügen überzeugt werden. Der Leser dieser Berichte soll ein möglichst umfassendes Bild der Wunsch-Welt erhalten; nicht durch überbordende Spannung und Nervenkitzel seine Nägel zerkauen. Aber genau dieser Umstand machte für mich sowohl den Film, als auch das Buch ziemlich langatmig.
Ein Spannungselement gibt es im Roman, der den ganzen Roman trägt: Der frisch Verstorbene will seine über alles gelebte Frau wiedersehen. Da diese Selbstmord begibt nach seinem Unfalltod, kommt sie nicht ins utopisch-paradiesische Sommerland, wie er, sondern in ihre eigene Hölle, einer finsteren Version ihrer häuslichen Umwelt, die sie durch ihren Freitod gerade verlassen hat. Da sie im Grunde alles schlecht sehen will, sieht sie auch alles schlecht, und kann natürlich nicht glauben, dass sie nun die Chance hat, mit ihrem Mann wieder vereint im Glück und für alle Zeiten zusammen zu sein.
Im Ende unterscheiden sich Roman und Film wesentlich. Der Film geht da mehr auf Nr. Sicher und bringt ein eindeutiges Happy End, das Buch macht es etwas komplizierter, zeigt perspektivisch ein versöhnliches Ende an.
Also, ich habe das Buch anders als den Film auf einen Ritt bis zum Ende durchgehalten, hatte mir aber immer wieder die Frage gestellt, warum ich das mache. Im Vorwort erwähnt der Autor, dass er sich sehr intensiv vorbereitet hatte, bevor er mit dem Schrieben des Romans begann. Am Ende findet man auch eine umfangreiche Bibliografie. Nun, ich dachte, dass er sich vielmehr mit der Frage Tod, Jenseitsvorstellungen der Religionen, meinetwegen auch parawissenschaftlich auseinandersetzt. Da hätte ich ihm auch lange essayistische Passagen gern nachgesehen. Darauf war ich gefasst und gespannt. Leider fand ich davon eigentlich so gut wie gar nichts, nichts, was man mit etwas Allgemeinwissen ohnehin von dem Thema weiß. Dazu lässt er sein fiktives Jenseits Spielball der persönlichen Phantasie sein: Damit ist alles möglich - und eigentlich alles beliebig - plus etwas vertrackte Psychologie (wenn ich im Grunde mies drauf bin, dann lande ich eben in der Hölle...)
Vielleicht, möge man meinen, bin ich hier aber auch nur Opfer meiner Erwartungen geworden? Das ist ja etwas, was Autoren ihren Rezensenten gern unter die Nase reiben: Man solle seine Wunschvorstellung von einem Buch über das Buch stülpen. Ist ja richtig... Wird aber trotzdem nicht mein Lieblingsbuch.
6 / 10 Punkte
Abbruch des Monats:
Kelly Link: „Die Elbenhandtasche“
Kurz: Geschwurbel.
Sorry, mehr fällt mir nicht ein zu dem Buch.
Neil Gaiman (u.a.) loben auf dem Backcover das Buch und die Autorin. - Es ist irgendwie auch das gleiche Genre, in dem sich Gaiman tummelt mit seinen Geschichten. Aber ich bin so froh, dass er es doch anders macht.
Die Ideen mögen ja toll sein (eine Handtasche, in die ein Mann hineingeht und nach 10 Jahren herauskommt; ein 24-Stunden-laden, in dem auch mal Zombies vorbeikommen... und so weiter). Das ist so die Phantastik, die im Alltag beginnt. Ich mag das ja (Gaiman, der frühe Dath, Ralph Dörge, Jakob Schmidt), doch hier fand ich nichts, was mich ansprach, was mich betraf, mir relevant erschien. Irgendwie gibt es auch keine richtige Story, keine wirkliche Handlung, nur so Eindrücke, Episoden, die haarscharf am Realen vorbeischrammen.