Massaraksch!
Strugazki
Habe nämlich ein neues Hobby: Die Strugazkis
32) A. u. B. Strugazki: „Ein Gott zu sein ist schwer“
Der Entschluss, diesen Roman wieder einmal zu lesen, kam spontan. Ich wollte mich auf den Film von Aleksei German vorbereiten; der steht nämlich in dem Ruf, ohne Kenntnis des Romans (Powest) unverständlich zu sein. Andererseits stehen die Strugazkis schon lange auf meiner Wieder-Lese-Liste. Die Zeit war nun reif...
Natürlich hatte ich das Buch schon mal gelesen, aber in den 80er Jahren. Insofern war die Lektüre fast völlig neu für mich.
Und es hat sich gelohnt! Bin jetzt im Strugazki-Fieber; mache gleich mit der Maxim-Kammerer-Trilogie weiter. Was soll man schreiben? Es ist schon eine ganz eigene Klasse, was die Sturgazkis geschrieben haben, absolut. Dabei ist der Roman recht alt, genau so alt wie ich, wie ich feststellen konnte. Trotz der kommunistischen Zukunfts-Ideale wirkt er aber gar nicht angestaubt oder überholt. Interessanter Weise halten sich die Autoren auch mit einer Lobpreisung der strahlenden, kommunistischen Zukunft zurück. Ganz im Gegenteil: Die Ideale erblassen ja vor dem real-existierenden Fascho-Mittelalter Arkanars. vor allem die Theorie der Historiker über den Feudalismus. - Hmm, kann mich gar nicht mehr daran erinnern, was ich damals drüber gedacht habe, denn das ist ja im Grunde damals „mein“ Thema gewesen, so als Student der Geschichte...
Wie frisch der Roman wirkt; die Fragen, die aufgeworfen werden, sind so aktuell. Wer hätte das gedacht? - Wie soll man sich verhalten in so einer verflixten (will keine schlimmeren Wörter benutzen) Welt? Muss man nicht scheitern mit den besten Absichten, vor den Dilemmata der Welt? Was sind überhaupt „gute Absichten“? Gibt es allgemein gültige?
Und wie die Sturgazkis das machen: Große Sachen werden so nebenbei erwähnt, damit öffnen sie Horizonte im Kopf, lassen sich nicht dazu herab, sie auszuwalzen (und dadurch eventuell am Ende kleinzuschreiben). Ich denke da an die Erwähnung der „Sprinter“, also von irdischen Beobachtern, die eben nicht still halten konnten, und aktiv ins Geschehen auf der fremden Welt eingriffen - uns scheiterten, oder die Geschichte Aratas, des „Berufsmeuterers“ - was für eine Figur, und eben auch so „aktuell“ - ach, ich bin einfach baff und fasziniert.
11 / 10 Punkte
33) Strugazki: „Die bewohnte Insel“
April 2012 habe ich den Film „Dark Planet“ gesehen und kurz darüber geschrieben. Der Film hatte mir damals nicht so dolle gefallen. Damals hatte ich aber bemerkt, dass ich das Buch doch mal wieder lesen müsste. Ja, das müsste ich - nach wie vor; dachte ich mir, als ich kürzlich das andere Buch von den Brüdern Strugazki las, „Ein Gott zu sein ist schwer“, dies in Vorbereitung auf den Film, der nun 3 Stunden lang Zuschauer in ausgewählten Kinos quält. So sagt man zumindest...
Ich hatte die Bücher ja schon alle mal gelesen, vor ziemlich langer Zeit und frage mich nun, warum ich sie nicht viel früher wieder gelesen habe. Welch ein Frevel!
Nun also die Maxim Kammerer-Trilogie. Zur Verfügung stehen mir die DDR-Ausgaben, mit den schönen surrealistischen Covern von Carl Hoffmann, die allerdings nur mit sehr viel gutem Willen passend erscheinen. Aber das kann auf gut so sein, denn sie lenken dadurch nicht ab.
Ein paar subjektive Bemerkungen zur erneuten Lektüre; wirklich nur ein paar Gedanken, keine richtige Rezension.
Ich war von der ersten Zeile an sofort begeistert. Die Strugazkis sind eine Liga für sich, kaum erreichbar; das war mir vielleicht damals, als ich sie das erste Mal las und immer schon etwas neidisch auf „den Westen“, wo es ja die geliebte SF zuhauf gab, aber eben nicht für mich. Nun, inzwischen konnte ich ja dieses Manko ausgleichen - und siehe da: So gut wie diese Russen konnte mich selten ein Autor in Begeisterung versetzen.
Wie schaffen die das? Da ist z.B. die kompakte Erzählweise. Hier im Roman wird die Erzählperspektive immer wieder vertauscht, der Leser sieht das Geschehen aus der Sicht verschiedener Protagonisten, zudem auch zeitlich versetzt - meine damit: Mal erleben wir das Geschehen live mit, mal wird es aus der Erinnerung (oder einer Akte z.B.) rekapituliert; das ermöglicht den Autoren, zu verknappen, zu verdichten.
Ich machte den Fehler und sah mir den o.g. Film, „Dark Planet“, noch einmal an, zudem zu einem Zeitpunkt, als ich noch nicht fertig mit dem Buch war. Jetzt erst erkannte ich, dass der Film ziemlich nahe am Buch war - und dennoch Meilen weit davon entfernt.
Interessanter Weise scheint der Film ähnlich verknappt zu erzählen, d.h., Szenen werden schnell aneinander geknallt dargeboten. Wenn man das Buch gerade gelesen hat, erkennt man sie sofort wieder, keine Frage, aber ohne diesen Hintergrund muss das Ganze zusammenhanglos und zusammen gestückelt erscheinen.
„Meilenweit weg“ will heißen, dass grundlegende Aussagen im Film völlig anders rüber kommen als im Buch, meist simpler, auf ein unqualifiziertes Gut-Böse-Schema reduziert. DAS ärgerte mich dann beim 2. Sehen wirklich. Ich denke allerdings, dass dieses Gefühl, dass hier Szenen aneinander gereiht wurden, ohne nennenswerten Zusammenhang, oder dramaturgische Verknüpfung, liegt auch daran, dass ich ja nur die Kurzfassung des Filmes gesehen habe; die lange, zweiteilige Fassung ist irgendwie schwer zu beschaffen.(1) Weiß aber nicht, ob ich die wirklich sehen will.
Im Buch erzeugen die Autoren Spannung eben auch dadurch, dass sie mal verkürzt, mal sehr ausführlich erzählen, mal den Leser quasi nur in Kenntnis über etwas setzen (was mitunter ziemlich wichtig ist, wird dann fast nur mal so nebenbei gesagt), mal ihn richtig ins Geschehen hineinziehen. Diese abwechslungsreiche Erzählweise hält auch das Leseinteresse wach - und man ist auch gut beraten, wenn man sich konzentriert, denn in Nebensätzen werden sozusagen ganze Welten generiert (oder Kreaturen eingeführt, denen man in anderen Romanen dann auch wieder begegnet).
Die Hexenmeister-Szene im Film fand ich ja recht gelungen, wobei hier die Filmmacher vielleicht sogar zu viel machten, denn wie sie im Buch steht, ist es auch ziemlich eindrucksvoll, aber gut, da haben sie mal was geschafft, was auch im Gedächtnis bleiben wird. - Wobei: Könnte man auch als plakativ bezeichnen: Im Buch „spricht“ der Hexenmeister, ohne seine Lippen zu bewegen, im Film hat man aus ihm ein Kind auf der Schaukel gemacht, das keinen Mund hat.
Warum Fehler, den Film so dazwischen geschoben zu haben? Na, ich brauchte dann für das letzte Viertel des Buches relativ viel Kraft, die Bilder des Filmes aus dem Kopf zu bekommen, denn sie gefielen mir ja nicht. Allerdings schafften es die Autoren dann doch; zumal sie mich mit Szenen belohnten, die im Film nicht vorkamen - und so nebenbei konnte ich gut verfolgen, wie die Filmemacher des tolle Buch simplifizierten, ach, schrecklich...
In meiner Filmrezi bemängelte ich etwas die Wahl des Schauspielers - blonder Schönling - musste aber beim Lesen feststellen, dass der durchaus passte, also, außer dass er blond ist, denn im Roman wird er mit schwarzen Haaren vorgestellt. Aber er ist ein Superheld, der dies zwar nicht herauskehrt, da er sich dessen auch kaum bewusst ist, schließlich fühlt er sich als ganz normaler Mensch, ist aber den Einwohnern des Planeten haushoch physisch, psychisch mental, auch sozusagen gsundheitstechnisch überlegen. Das hilft mächtig seine Nachteile in der Kenntnis des Lebens auf diesem Planeten auszugleichen. Am Ende könnte er durchaus eine Art Gott werden oder sein; ein Revolutions-Gott. Interessanter Weise bleibt ja das Ende offen - Ihr könnt Euch vielleicht vorstellen, wie neugierig ich nun an die Fortsetzung, „Ein Käfer im Ameisenhaufen“, herangehe, denn Mak Sims Aufenthalt auf Saraksch muss ja ein Ende finden.
Inzwischen habe ich das Comic gefunden, das ich in meinem alten Artikel zum Film erwähnte. Allerdings nicht in meinem „Archiv“, sondern im Netz - siehe Referenz unten. Maxim ist dort übrigens wirklich blond, und auch sehr heldenhaft dargestellt; ansonsten ist das Comic mieser, als ich es in Erinnerung habe - dies mag der Grund dafür gewesen sein, dass ich es dann doch nicht aufgehoben habe. Na, wer will, kann ja gucken.
11 / 10 Punkte (für das Buch natürlich)
Referenz:
Meine alte Rezi zu Dark Planet
Der Comic "Die bewohnte Insel" aus Sputnik 1-5/1986
...ach so, was das "Massaraksch!" heißen soll? - das ist das Standard-Schimpfwort der Saraksch-Bewohner; heißt so viel wie "Mist!", oder "Verdammt nochmal!"
(1) Nachtrag: Die lange Version (220 min) gibt es doch zu kaufen, ist in einer Packung mit der kürzeren Kinofassung - hmm, aber doch irgendwie keine Lust drauf...
2. Nachtrag vom 11.3.22: Inzwischen habe ich längst die lange Version gesehen und kann sagen: Nur die sehen! Der Film ist ein ganz anderer in der Langversion, viel besser!
Noch ein Nachtrag: Vielleicht ist es doch gut, die Langversion von Dark Planet zu sehen; wenn ich den Worten hier trauen kann:
http://www.lifeinthe...ark-planet.html
Ohnehin eine tolle Quelle zu Strugazki und zur (vor allem osteuropä.) SF...