Auf ein Neues! - nur nicht in der richtigen Reihenfolge
2017 Kehlmann
2 - Daniel Kehlmann: „Du hättest gehen sollen“
Das Buch ist ja - eigentlich - eine (fast hätte ich hier ein unschönes Wort verwendet)! Ein Hardcover für gar nicht mal wenig Geld und nicht mal 100 Seiten! Das ist teuer! Aber Kehlmann!!! (Genug Ausrufezeichen; nicht, dass sich da noch eine 11 einschmuggelt.)
Ja, das muss sein. Prosa von Daniel Kehlmann gehört bei mir zum absoluten Pflichtprogramm; das gönne ich mir. Der Verlag vermutet sicher, dass das vielen Leuten so geht, denn der Stapel, der in der zentralen Buchhandlung bei uns in Halle steht, lässt darauf schließen, dass man einen regen Absatz vermutet. Sei dem Buch gegönnt. Auch entgegen einigen Unkenrufen ist die Story toll!
Es ist eine echte Geisterhaus-Geschichte. Ein junge Familie mietet ein Ferienhaus in den Bergen. Sie fühlen sich aber unwohl darin. Allerdings kriselt es in der Familie, die Frau geht fremd, der Mann ist (alter ego vom Autor) ein frustrierter Schriftsteller, der an einem Drehbuch feilt und nicht vorankommt.
Aber dann schleichen sich Träume ein; Wahnvorstellungen? Die Erscheinungen sind Ich-Projektionen - bzw. ausbleibende Spiegelbilder (Also quasi negative Ich-Projektionen?). Das alles hängt mit dem Haus zusammen und endet wie eine typische Geisterhausgeschichte, auch wenn sich familiär im Grunde ein happy end andeutet. Nützt aber nix†¦
Satte 10 / 10 Punkte
†¦und gleich im Kehlmann-Fieber†¦
3 - Daniel Kehlmann: „Mahlers Zeit“
Ein Wiederlesen mit meinem ersten Kehlmann-Buch. Das hatte mich mal auf den Autor aufmerksam werden lassen, also noch vor „Vermessung der Welt“. Ich staune im Nachgang, dass es so gekommen ist, dass ich also den Wunsch verspürte, mehr vom Autor zu lesen. Das Buch ist zwar auch recht kurz, im Grunde auch nicht mehr, als eine längere Erzählung, erschließt sich aber nicht so leicht. Gerade der surrealistische - traumhafte - Anfang ist schwierig zu lesen, so ein Text Marke: „Worum geht†™s eigentlich?“
Wenn man aber drin ist, kann es einen packen, zumal wenn man SF-Fan ist. Diese Geschichte ist keine Science Fiction, aber eine Geschichte über Wissenschaft. Also wörtlich genommen schon „science fiction“.
Es geht um einen superbegabten Menschen, der zwar das Zeug zum hochdotierten Wissenschaftler hätte aber aus psychologischen, persönlichkeits-technischen Gründen es nicht wurde. Aber er entdeckt etwas; etwas, was unser Wissen über das Universum auf den Kopf stellt. Es betrifft den 2. Satz der Thermodynamik und das Wesen der Zeit. Was genau? Das verrät uns der Text nie - immer nur wird etwas angedeutet. Na ja, DAS ist vielleicht der Unterschied zur „echten“ SF, die gern auch mal etwas darstellt, was wissenschaftlich klingt, aber es eben (noch) nicht ist.
Der Protagonist verrennt sich - für Außenstehende betrachtet - in diese Idee, will seine Theorie seinem großen wissenschaftlichen Idol, einem hochdotierte, und prämierten Physiker, vorstellen - und kommt auf dem Weg zu ihm um.
Inzwischen schafft er es, sich dermaßen daneben zu benehmen und als Un-Wissenschaftler (Para-. Pseudo-) dazustehen, dass es einfach nur noch weh tut - und so nebenher auch ein wenig an der Innovationslust der etablierten Wissenschaft zweifeln lässt. Schlicht: Man hört ihm einfach nicht zu †¦
Beim Wieder-Lesen, im Anschluss an „Du hättest gehen sollen“ fiel mir auf, dass Kehlmann ein Motiv offensichtlich gern nutzt, das der - ich will es mal so bezeichnen - gespenstischen Selbst-Spiegelung. Ist mir jetzt in den anderen Büchern nicht so aufgefallen; wäre mal ein Punkt, dem ich nachgehen könnte.
Ähnlich wie in „Mahlers Zeit“ nutzt Kehlmann in dem Hörspiel „Geister in Princeton“ das Motiv des „verrückten Wissenschaftlers“, das dem SF-Fan ja auch hinreichend bekannt ist. In „Geister†¦“ ist eine reale Figur, Kurt Gödel, dessen Genialität unbestritten ist, aber - nach Kehlmann - mit einer geistigen Ver-Rücktheit einherging. Und: Auch hier begegnet Gödel sich selbst - in der Zeit verloren, seinem alter ego aus der Zukunft. Auch ja: „Zeit“†¦.
„Mahlers Zeit“, auch nach dem 2. Lesen (und den Anfang habe ich jetzt sozusagen 4 mal gelesen†¦):
10 / 10 Punkte, was sonst.
Dass ich „Mahlers Zeit“ wirklich schon mal gelesen habe, kann ich auch beweisen - man beachte den „Kommentar“ zu diesem Eintrag.
Meine Einschätzung von damals ist auch die von heute - ein paar Nuancen / Schwerpunkte habe ich damals anders gesetzt†¦.
Aus SOLAR-X, 175, Oktober 2005