Von einer Autorin, die einfach so den amerikanischen Markt eroberte
Lesung und Gespräch im Haus des Buches zu Leipzig am 7. Dezember 2017
Es moderierte Sabine Seyfarth
Gleich vorweg eine Manöverkritik: Sabine hat sich mächtig ins Zeug gelegt. Sie hat einen sehr langen Artikel über das Leben und Schaffen der Autorin geschrieben und diesen - exklusiv - dem NEUEN STERN angeboten. Dort erschien er auch rechtzeitig. Möglicher Weise ist der NEUE STERN nicht wirklich das richtige Podium für massenwirksame Werbung, andererseits wegen seiner regionalen Ausrichtung (SF-Fans aus Mittelerde...- äh, -Deutschland) durchaus geeignet. Sabine hat in Eigenregie einen Stapel NEUE STERNE mit ihrem Text in der Leipziger Buchhandelsszene verteilt.
Und sonst? Die Veranstaltung wurde vom Haus des Buches auf deren normalen Wegen (Aushang, Flyer) bekannt gegeben. - Am Ende kamen ca. 12 Besucher. Immerhin. Das kann auch berühmteren, bekannteren, populäreren Leutchen passieren. Ist aber sicher zu wenig. Doch was kann man besser machen, um mehr Leute hinter dem Ofen hervorzulocken, an einem winterlichen Wochentag, mitten im Vorweihnachtsstress?
Ist die Autorin nicht populär? Nun, vor Sabines Ankündigung kannte ich sie, zugegebener Maßen, nicht. Auf Deutsch sind ihre viktorianischen Kimis erschienen, ihre SF gar nicht. Trotzdem hat sie gut lachen, denn sie ist durchaus populär - als deutsche Autorin in Amerika! Also, nicht als deutschsprachige Autoren. Das ist der Unterschied.
Aber sie kann es auch: So gut Englisch, dass sie auf Englisch besser schreibt als auf Deutsch.
Als Wissenschaftlerin hat sie in den USA gearbeitet, viel auf Englisch publiziert, hat aber gleich dazu gemeint, dass das akademische Englisch nicht geeignet ist, ein literarisch interessiertes Publikum zu erreichen: Das Zeug verstehen nur die Wissenschaftler (der jeweiligen Disziplin, hier: Umweltmikrobiologie), Außenstehende nicht. Nun wollte sie aber Krimis schreiben, die im viktorianischen England spielen, zu Zeiten von Sherlock Holmes und Jack The Ripper. DAS könne sie sich, so die Autorin, ausschließlich auf Englisch vorstellen! Die Übertragung ihrer Bücher ins Deutsche hat dann auch jemand anderes vorgenommen; das könne sie nicht!
Sie recherchierte dafür altertümliche Begriffe, die durchaus für heutige Ohren kurios klingen, also, wenn sie z.B. darüber schreibt, dass ein Mann aufgeregt einer Frau hinterherruft, was - übersetzt - „ejakuliert“ bedeutet. Das kann man so heute wohl nicht mehr sagen / schreiben†¦
Auch ihre SF nutzt eine spezielle Ausdrucksweise. In ihren Büchern geht es um die Folgen der Umweltkatastrophe, in der wir derzeit stecken. Aus ihre Sicht - als Biologin und engagierte Wissenschaftlerin - hat das, was gerade mit unserem Planeten passiert, gravierende Folgen. Sie führt das ziemlich lakonisch, mit einem Lachen, vor. Einem bitteren Lachen, will ich meinen.
Es war auch sehr interessant, was sie über Pandemien und Krankheiten in der Neuzeit erzählte. Wir erleben gerade, fast unmerklich für uns, große Pandemien, u.a. die Cholera, die grassiert. Tatsächlich hört und liest man davon nur wenig. Interessant für sie - mal so nebenbei - dass diese Krankheit, die uns so weit weg vorkommt, immer näher rückt, auch dank der Klimaveränderung / -Erwärmung. Cholera bevorzugt warme, Gebiete, na ja, und es wird ja bei uns wärmer†¦
Ihre Fiktion ist dann fast wertfrei: Wir, unsere Nachfahren, werden damit leben müssen und das Leben wird anders sein als heute. Auch die Sprache. Das scheint sie sehr gut umgesetzt zu haben. Das Publikum ihrer im Selfpublishing hergestellten und vertriebenen Bücher weiß das offensichtlich zu würdigen. Sie kann inzwischen vom Schreiben leben, hat ihren gutdotierten Beamtenprofessuren-Arbeitsplatz aufgegeben, sich aufs Land zurückgezogen, züchtet nebenbei Ziegen und lässt ihre Kinder im Grünen aufwachsen. Das Schreiben ernährt die Familie in Deutschland; ihre SF-Bücher kann man auch in D. kaufen und lesen, halt eben nur auf Englisch.
Die Frau fetzt! Sie hat viel zu erzählen, mixte Anspruch mit interessanten Weltsichten und Humor. Ob das Vorlesen in Englisch bei dieser Lesung in Leipzig so der Bringer war, wage ich zu bezweifeln, war aber nur eine kurze Passage.
Großen Dank an Sabine für diese Empfehlung! Ich würde mir natürlich die SF von A. Wendeberg auf Deutsch wünschen - das darf man ja, ist ja Weihnachtszeit.