Von Poe und Schenkel
Gunter Böhnke Elmar Schenkel Leipziger Literarischer Herbst Günter Gentsch Edgar Allan Poe
Ist aber nicht immer ganz einfach, wenn man die Brille des Phantasten aufhat.
Ich bin da gar nicht so stur, möchte ich mal behaupten, also es darf ruhig über (meinen) Tellerrand geschaut werden. Ob diesmal was dabei ist? Doch, doch, habe was gefunden. Zu 2 Veranstaltungen hat es „gereicht“.
Am 25. Oktober 2018 war ich in der Stadtbibliothek, wieder ganz oben, im großen Saal. Dort referierte der Leipziger Autor Günter Gentsch über E. A. Poe und den Brückenschlag in die Moderne. Der Mann weiß ja, wovon er spricht, war er doch der Herausgeber der dreibändigen Poe-Ausgabe im Leipziger Insel Verlag, die 1989 erschien (Bd. 1: Erzählungen und Skizzen. Bd. 2: Reflexionen, Essays und Kritiken. Bd. 3: Dichtungen und Briefe).
Um es kurz zu machen: Gentsch las ein Essay, worin er sich primär mit der Biografie Poes befasst. Dies auf hohem Niveau, einem Schriftsteller angemessen wohlfeil formuliert. Interessant waren die Ausführungen zur Rezeption Poes, der auch gerade in seiner Heimat, den USA, ziemlich spät „angekommen“ ist, aber auch in einigen europäischen Ländern, später als es seiner Bedeutung - so Gentsch - entsprochen hätte. In Deutschland gab es erst 1904 eine Gesamtausgabe.
Die Ausnahme war Frankreich, wo der umtriebige Baudelaire sich als Übersetzer und Propagandist für die „Sache Poe“ eingesetzt hat.
In den USA war Poe schon zu Lebzeiten eher gelitten, weil er sich dem korrupten Literaturbetrieb nicht unterwerfen wollte, sich als Kritiker bei seinen „Kollegen“ unbeliebt gemacht hatte und am Ende einen Nachlassverwalter hatte, der ihm mehr Schaden als Nutzen zufügte. Die Story kannte ich ja schon, war aber gut, das noch mal ausführlich dargelegt zu bekommen. Richtig Geld verdiente er nur mit einem Buch über Muschelkunde, für das er das Vorwort verfasste.
Das mit der Moderne bleib für meinen Geschmack etwas unterbelichtet. Der Referent erwähnte durchaus den Einfluss Poes auf die moderne Literatur, auf andere Autoren (dass Jules Verne eine Fortsetzung zu A. G. Pym schreib, erwähnte er ausführlich, Lovecraft hat er noch nicht mal namentlich genannt), insbesondere auf die Symbolisten und Dekadenz-Literatur.
Die Veranstaltung war sehr gut besucht! Hätte ich bei dem Thema nicht vermutet. Der recht große Saal war voll!
Nun zu Professor Schenkel. Es ist ja auch schon fast eine gute Tradition, dass ich mir zumindest 1 Mal im Jahr eine Veranstaltung mit dem Anglisten, Herrn Prof. Elmar Schenkel anschaue. Er ist ja auch ziemlich oft präsent. Das letzte Mal sah und höre ich ihn aber bereits im Frühsommer, als er mit seinen Kollegen und Kolleginnen über Frankenstein sprach.
Diesmal lud das Schumann-Haus ein. Da war ich auch noch nie. Tolles Gebäude, sehr stimmungsvoll. Für gute Stimmung sorgten auch musikalische Einlagen von Schülerinnen der Celloklasse von Prof. Peter Bruns.
Das Thema war aber nix Phantastisches: Brückenschlag. Anlass bot die Edition der englischen Version des Buches „Leipzig and the English-speaking World“ - ah, ist ja Englisch; gab es aber 2 Jahre zuvor schon auf Deutsch, allerdings auch mit teilweise anderem Inhalt. Na ja, das Buch ist so was Touristisches, soll bei Englischsprechenden Lust auf Leipzig machen, bzw. Leuten aus englischsprachigen Ländern, die in Leipzig leben, Anknüpfungspunkte bieten. Die Idee ist nicht übel. Es gab da z.B einen Vortrag über Orte, wie sich die englischsprechende Community in Leipzig trifft, inklusive Theater. Wusste ich vorher nicht†¦
Einer der Referenten war der Komiker Gunter Böhnke - schon seinetwegen hat das Ganze sich gelohnt. Auch wenn er hier nicht zum Spaßmachen hinkam, sondern als Sammler der Tauchnitz Editions -Taschenbücher in Englischer Sprache, die in Leipzig für ein Massenpublikum im 19. u. 20. Jh, gedruckt wurden (mitunter früher als die Originale in England!), konnte er natürlich nicht aus seiner Haut: Sen Vortrag war daher auch sehr unterhaltsam. Dass er als Übersetzer angefangen hatte nach seinem Anglistikstudium war mir unbekannt. Seine Ehefrau machte da weiter, wo er Anfang der 90er aufgehört hatte.
War ein toller Abend, auch ohne Phantastik.
22. Leipziger Literarischer Herbst