Kurze Führung durch die neue bulgarische Phantastik
Kurze Führung durch die neue bulgarische Phantastik
Reiseleiter: Erik Simon
Zeit: 17. Januar 2019
Ort: Haus des Buches Leipzig
Gastgeber: FKSFL
Zum ersten Termin des Jahres 2019 beim Freundeskreis wurde Erik Simon eingeladen. Er hatte ein Thema im Gepäck, das ihn schon ein Weilchen umtreibt - im Grunde schon sehr lange: Seine Liebe zur bulgarischen SF & Phantastik.
In der DDR erschienen 2 Anthologien mit bulgarischen Erzählungen, die er herausbrachte:
„Kontaktversuche“ (1978)
„Kontakte mit dem Unbekannten“ (1989)
(Beide hatten als Hardcover ca. 20.000, das erste als TB noch mal 60.000 Auflage)
Und nun also eine dritte Anthologie, nicht so sehr SF-orientiert, aber durchaus auch, eher Phantastik:
„Sternmetall“ im Verlag Torsten Low.
Der NEUE STERN hat sich auch dem Thema gewidmet. An der Ausgabe war rein zufällig - nee, natürlich nicht, sondern sehr beabsichtigt - Erik Simon beteiligt. Eine ausführliche Rezi zu „Sternmetall“ befindet sich darin auch. (#41)
Das Thema lockte 15 Leute an, immerhin, muss man dazu sagen. Die Resonanz unserer Veranstaltungsreihe ist ja durchwachsen. Ich finde 15 unter winterlichen Bedingungen nicht mal so schlecht, zudem es ja auch um ein ziemlich spezielles, nerdiges Thema handelt.
Erik ist ein Vortragsprofi. Er ermahnte uns gleich eingangs, lieber beizeiten Fragen zu stellen, sonst würde er von sich aus Unsinn reden. Nee, hat er nicht, kann ich so sagen: Kein Unsinn.
Ein wissenschaftlicher Vortrag, so führte er aus, würde Bekanntes, Neues und Unverständliches enthalten. Das Unverständliche ließe er weg, denn es sei ja auch kein „wissenschaftlicher“ Vortrag.
Ich darf für meinen kleinen Bericht hinzufügen: Die Namen der genannten Autoren und Autorinnen lasse ich dafür lieber weg, denn ich würde sie nach dem Gehör aufschreiben, und das wäre garantiert falsch. Es ist nun auch leider so, dass das Gros der Genannten im deutschsprachigen Raum eher unbekannt ist. Bis auf die Ausnahmen in der Anthologie „Sternmetall“ und dem NEUEN STERN 41.
Erik bereitet übrigens eine weitere Anthologie vor; das dauert aber noch und wird dann wohl mehr in Richtung SF gehen.
Es kam natürlich die Frage auf, was denn das Besondere an bulgarischer SF sei; es wurde hier ja auch oft von Phantastik, nicht SF, geredet. Diese Unterscheidung scheint aber in Bulgarien nicht so strikt angewendet zu werden wie bei uns. Typisch für bulgarische SF / Phantastik sei ein Hang zum Magischen Realismus, oder, wie Erik meinte, die SF dort sei weniger rational. Damit wäre sie eher vergleichbar mit typischer französischer und spanischer SF.
Er zeigte einige Beispiele, vor allem von mehr oder weniger aktuellen Anthologien (also so ab den 90er Jahren, aber auch ein paar Beispiele aus den 80ern). Die machen rein äußerlich schon mal einen guten Eindruck.
Um 2000 gab es eine Hochzeit der SF / Phantastik in Bulgarien. Es gab viele Sachen, die „westliche“ (also vornehmlich amerikanische) SF und Fantasy nacheiferten, aber auch eigenständige Fantasy und recht viel Horror. Eine führende Anthologie damals war eine Reihe, die mit „Horizonte“ betitelt war.
Erstaunlich - für mich als DDR-Aufgewachsener - war der Umstand, dass es in Bulgarien vor der „Wende“ schon ein SF-Magazin gab. Das widmete sich zwar offiziell der Prognostik und Fantastik, da ein reinweg literarisches SF-Mag den Behörden nicht genehm wäre, aber die populärwissenschaftlichen Anteile konnte man wohl vernachlässigen.
Die Sf-(Buch/Autoren) -Szene verglich Erik mit der hiesigen: Sie findet auch vor allem in Klein- und Fan-Verlagen statt. Das Fandom ist ähnlich dem deutschen schon etwas ältlich (ich darf das so schreiben, denn ich gehöre dazu, zum Fandom und zu den Ältlichen). Aber so 3-4 Cons im Jahr kriegen sie auch zusammen.
Im zweiten Teil las Erik frisch übersetze, auf Deutsch noch nirgends erschienene Stories:
„Der Mann, eine Gebrauchsanweisung“ - von einer Autorin. Die Story erinnerte mich sehr an diesen polnischen SF-Film „Sexmission“ aus dem Jahre 1984. Ist das Verschwinden der Männer, bzw. deren Haltung als Lustobjekte und Samenspender ein (teils lustiges, teils dystopisches) „Ost-Thema“? In der Story werden Männer auch in so einem Vergnügungsetablissement gehalten, gern aber auch in einem Institut als Besamer.
„Kielwasser“ - eine richtig schöne Hard SF Story im Geiste eines A.C. Clark, mit einer zentralen wissenschaftlichen Idee. Der Autor ist ein renommierter Astrophysiker, beschäftigt sich beruflich viel mit braunen Zwergen. Hier geht es um ein in den USA stattfindendes landesweites Schulprojekt zur Messung der Lichtgeschwindigkeit - es werden Anomalien festgestellt.
Wieso Ost-Thema? Merle war Franzose und bei ihm habe ich das Thema zuerst gelesen.