Leseliste 2019 - Sommerupdate
Arnolt Bronnen Edgar Allan Poe
28 - Arnolt Bronnen: „Aisopos“
Eine Jugend-Erinnerungs-Auffrischung. Dieser historische Roman hatte mich in jungen Jahren mächtig beeindruckt, weniger wegen des Plots - der auch - vielmehr wegen des Schreibstils. Der Expressionismus des Theater-Skandal-Autors der frühen 20er schimmert ja noch durch, auf jeden Fall geht der Autor frisch und frech an den altehrwürdigen Stoff ran. Und so ein Fabeldichterleben ist gar nicht langweilig.
Sicher, es war nicht mehr dasselbe, inzwischen kann ich meine frühe Über-Begeisterung nicht so ganz nachvollziehen, aber immerhin:
8 / 10 Punkte
29 - Joel Rose: „Kein Rabe so schwarz“
Ein Roman mit und über Edgar Allan Poe. Allerdings beginnt er als geradliniger historischer Krimi, der authentische Mord-Fälle im New York der 40er Jahre des 19. Jh. aufgreift. Bei der Darstellung der Fälle, aber auch der Lebensumstände der Menschen in dieser Stadt, der teilweise anarchistischen Zustände dort, des Elends und der Kriminalität, besticht der Roman für meine Begriffe durch große Authentizität.
Der Roman verquickt sehr geschickt Realität und Fiktion. Poe wird dorrt nicht mehr zum Beobachter und literarischen Kommentator, sondern scheinbar auch direkt in die Kriminalfilme verwickelt.
9 /10 Punkte
30 - Kersten Knipp: „Die Kommune der Faschisten“
Nachdem ich den Autor des Buches auf der LBM 2019 erleben durfte und er mich mit seiner eloquenten und charmanten Art faszinierte, aber auch durch das Thema seines Buches, habe ich nun das besagte Buch auch gelesen. Zur LBM siehe hier: http://www.scifinet....ericht-lbm2019/
Bei der Faszination ist es geblieben. Darf man davon fasziniert sein? Sind ja immerhin „Faschisten“! Na ja, da fängt es schon an: Im Grunde sind es vom Krieg entwurzelte Männer, die nach den Fronterfahrungen nicht mehr so richtig ins normale zivile Leben zurückfanden. Dazu kam eine Portion überzogenen Patriotismus und Nationalismus. Es waren aber auch revolutionäre Romantiker, Futuristen, Abenteuer, die sich von dem Super-Dichter Gabriele D'Annunzio angesprochen fühlten. Die waren nicht mal alle „rechts“, manche sogar explizit links, oder anarchistisch (man hat z.B. Schiffe überfallen, die Material nach Russland bringen sollten, die die Konterrevolutionäre dort unterstützen sollten; man tat dies natürlich, um sich selbst zu versorgen, aber auch, um den Revolutionären in Russland zu helfen). D'Annunzio führte sie nach Fiume, einem Hafenstädtchen an der kroatischen Adria-Küste, das nach Vorstellung nationalistischer Italiener zu Italien gehören sollte.
Das Buch erzählt eher die Biografie, den Charakter und den ideologisch-künstlerischen Werdegang des Dichters; der Teil, der Fiume behandelt, also die „Kommune der Faschisten“, ist mir dann fast zu kurz. In seiner Veranstaltung auf der LBM hat der Autor dem viel mehr Platz eingeräumt.
Interessant war das allemal, als der Faschismus in seiner äußeren Erscheinungsform (Uniformen, kultische Dinge, Massen-Aufmärsche, Redenschwingerei) quasi erfunden wurde.
8,5 / 10 Punkte
Abgerundet habe ich den Ausflug nach Fiume durch den Comic:
David B.: „Auf dunklen Pfaden“
Interessanter Weise scheinen die Leute in dieser Geschichte, die es in die Republik Fiume verschlagen hat, weit weniger begeistert von dem Brimborium des überkandidelten Dichters begeistert zu sein. Es gab Kriminalität, Straßenschlägereien, von dem las ich in dem Buch von Knipp nichts. Nun ja†¦
31 - Rudy Rucker: „Hohlwelt“
Im Zuge meiner „Zu Ehren Edgar Allen Poes Lektüre Exkursion“ las ich dieses Buch ein 2. Mal. Damals, Ende der 90er, fand ich es nicht so pralle. Auch diesmal erinnerte mich die Lektüre daran, was mir wohl damals auch nicht so gefiel: Es wird viel erzählt, aber das Ganze wirkt irgendwie beliebig und austauschbar. - Aber nicht alles!
Es erzählt ein junger weißer Farmer. Im Ersten Teil muss er zusammen mit einem Sklaven und seinem Hund in die Stadt, um Whiskey zu verkaufen. Das geht schief und er begibt sich auf die Flucht.
Als Leseratte und Fan von Edgar Allan Poe ist er begeistert, diesen in Richmond zu treffen und eine Anstellung beim Southern Literary Messenger zu erhalten, wo Poe als Redakteur arbeitet.
Poe bereitet mit einem gewissen Mr. Reynolds eine Reise zum Südpol vor. Dabei werden unlautere Mittel eingesetzt. Ziel ist es, die Passage ins Innere der Erde zu finden. Eine gewaltige Eismauer hindert einen dran, so hörten sie. Die Lösung? Ein Ballon. Ist ja einfach.
Die Geschichte in der realen Welt der 30er Jahre des 19. Jh. erinnerte vom Flair an Mark Twain und hat mir erst einmal sehr gefallen, auch die leichten Andeutungen ins Geheimnisvolle und die Vorbereitung der Expedition. Man erfährt viel von dem - gelinde gesagt - schrägen Charakter des großen dunklen Dichters.
Die Abenteuer in der Edre - also der Gegen-Erd-Seite im Inneren unseres Planeten - sind bunt und exotisch und voller physikalischer Wundersamkeiten, aber eben auch beliebig und austauschbar. Zum Ende dieses 2. Teils wird es noch mal spanend, nämlich dann, wenn die Geheimnisse der Inneren Anomalie, also des wahren Kerns der Erde, erkundet werden. Über diesen gelangen die Helden auch wieder an die Erd-Oberfläche. Doch besagte Anomalie ist eben nicht normal und mit etwas einsteinscher Physiktrickserei sind wir in einer Parallel-Erde. Nur weiß man schon vorher, was unsere und was wirklich die Spiegel-Erde ist.
Der 3. Teil ist dann wieder „realistischer“, der hat mich dann auch gepackt und erschien mir relevant. Insgesamt habe ich mich doch recht gut unterhalten. Daher†¦
7 / 10 Punkte