Der Mai ist weiblich (zumindest auf meiner Leseliste)
Waldtraut Lewin Ina Elbracht Ursula K. Le Guin
Den einen Mann hatte ich ja schon vorab besprochen, Link siehe im Text.
Falls jemand meint, der Hofmann war aber echt faul beim Lesen, so darf ich mich damit herausreden, dass ich ein Mega-Buch begonnen habe - übrigens doch wieder von einem Mann verfasst - das mich an ein Thema heranführen soll, dem ich mich später noch weiter widmen möchte. Dabei geht es quasi um einen "Sehnsuchtsort" und am Ende dann auch um eine historische Gestalt, der ich literarisch, fiktiv gern nachforschen möchte.
Das Buch, von dem ich hier spreche und das ich zumindest begonnen habe, ist "Glastonbury Romance" von John Cowper Powys. Der "Sehnsuchtsort" dürfte damit klar sein? Und wer das Buch kennt, weiß, dass man damit Monate verbringen kann (also, ich brauche die Zeit bestimmt...)
27 - Ina Elbracht: „Klub Tropikal“
Wieder so ein kleiner Schatz, etwas ganz Besonderes, was ich da genießen durfte. Ist ja nur ein „Appetizer“ aus dem Hause KOVD („Meine literarische Zuflucht“) - der Band 2 der kleinen Reihe - und an einem gemütlichen Nachmittag durchgeschnurbst.
Aber was da alles drin steckt! Ist es nun einfach ein mörderisches Familiendrama, eine Art Aufarbeitung eines Gastarbeiter-/Migranten-Schicksals? Der ungewisse Report eines „unzuverlässigen Erzählers“? Gar eine Zeitreisegeschichte?
Aus allem entstand eine Art Reisetagebuch einer Frau, die das letzte Vermächtnis ihres Vaters in dessen ehemaliger Heimat, einer griechischen Insel, erfüllen muss und dabei auf seine Geheimnisse und die ihrer Familie stößt. Das alles ist verstörend und ihre Familie zerstörend. Und alles auf 70 Seiten geballt. Grandios!
Die Gestaltung des kleinen, feinen Hardcovers sei auch besonders hervorgehoben, das aussieht wie ein Notizbuch, so eine Kladde, die man gern als Reisetagebuch nutzt, mit schnell dahin gekritzelten Zeichnungen, die den Text auflockern.
Ja, und dann fühlte ich mich sogar noch dazu angehalten, das Video von Wham! - „Club Tropicana“ mir anzusehen.
10 / 10 Punkte
28 - Nils Wiesner: „Das Gralprogramm“
Richtig gut hat es mir gefallen. Per Computer-Spiel gerät ein junger Mensch in die Welt von Merlin und Artus und muss - na was wohl? - den Gral suchen. Seine Quest führt ihn durch die bekannte Artus-Legendenwelt, dann aber darüber hinaus ins mittelalterliche Frankreich, zur Burg der Katharer, Montségur, wo es unserem Helden nicht sehr gut ergeht, um es mal gelinde auszudrücken, danach in weitere zukünftige, jenseitige Gefilde. Und das Ende ist dann durchaus befriedigend und ein Gewinn.
(Hier ein paar schwärmerische Worte mehr).
29 - Ursula K. LeGuin: „Das zehnte Jahr“
Irdische Kolonisten sind das „10. Jahr“ auf dem Planeten. Wobei hier „1 Jahr“ etwas länger dauert, etwa 1 Generation. Entsprechend sind die Jahreszeiten auch länger. Nach dem langen Sommer kommt der lange Winter.
Auf dem Planeten gibt es noch eine Ur-Bevölkerung, auch Menschen. Doch die Exilanten / Kolonisten können sich in die fremde (Ur-) Gesellschaft nicht integrieren, obwohl sie sich alle Mühe gaben und z.B. auf ihren technologischen Fortschritt verzichteten, um sich anzupassen.
Die Ureinwohner nennen sich selbst „Menschen“, die Fremden sind in ihren Augen keine. Umgedreht verhält es sich mittlerweile auch so; gegenseitiger Rassismus prägt ihr Verhältnis zueinander. Aber es gibt da immer wieder mal so Amouren - Romeos und Julias - mit ähnlich dramatisch-tragischen Geschichten.
Die Geschichte dieses Buches ist aber die des Jahreszeitenwechsels und des damit verbundenen Einfalls von Nomaden aus dem Norden, den Gaal, die vor dem Winter in den Süden fliehen und dabei alles plündern, wessen sie habhaft werden können. Diesmal sind sie besonders gefährlich, da sich die nördlichen Stämme verbündet haben und gemeinsam und geballt angreifen.
Angesichts dieser Bedrohung können die „Ferngeborenen“ und die „Menschen“ ihre Differenzen überwinden und hinfort zusammen leben. Das hat so ca. 600 irdische (oder 10 Planeten-) Jahre gedauert†¦
Tolles, kleines Buch, kein wirklich überraschender Plot, aber mit klarer humanistischer Botschaft, denn der tief verwurzelte Rassismus wird am Ende überwunden. Dieser Prozess wird für die Protagonisten nicht widerspruchsfrei und schmerzvoll dargestellt; aber er ist machbar. Die Gaal als „die Wilden“ aus dem Norden müssen allerdings als Platzhalter für eine außerzivilisatorische Bedrohung herhalten. Die Darstellung ist sicher veraltet und überdenkenswert. Sie bleiben schemenhaft.
9 / 10 Punkte
30 - Waldtraut Lewin: „Artussagen“
Nils Wiesner ist schuld! In seinem „Gralprogramm“ geht es um den Gral, was ja sicher klar ist, also auch um die Artus- und Tafelrundenritter-Sagen. Ja, ja, die kennt man ja. Aber wirklich so genau? Ich wollte mein Wissen wieder auffrischen. Dazu habe ich erst mal John Boormans „Excalibur“ gesehen, sicher auch nach 20 Jahren mal wieder. Doch dann stieß ich bei meinen Recherchen auf dieses Buch - da es von einer meiner absoluten Lieblingsschriftstellerinnen stammt, musste ich ja†¦
Es ist eher für eine jüngeres Publikum geschrieben. Auch hält die Autorin sich etwas zurück, lässt den alten Stoff für sich sprechen. Doch trotz der „Einschränkungen“ hat es mir sehr gut gefallen.
Nun ist es mit diesem Sagenstoff so, dass er von sehr vielen Autor*innen „bearbeitet“ - damit geändert, umgeschrieben, erweitert wurde. In der Rezeption des Stoffes fällt auf, dass nicht nur die mittelalterlichen Autoren herangezogen werden, sondern auch moderne. W. Lewin hat aber - eine Version - unmittelbar und unverändert wiedergegeben. Genau das habe ich auch gesucht.
Für mich eine wichtige Erkenntnis: Es war gar nicht das Schwert Excalibur, das da im Stein (und Amboss) steckte, wie uns John Boorman weismache wollte. Der Regisseur hat sich noch weitere Freiheiten herausgenommen, z.B. was Lancelot anbelangt. Aber - wie schon angedeutet: Was ist denn eigentlich „die richtige“ Version? Kann man das sagen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich dieses Buch hier sehr gern und mit großem Vergnügen und einigen Aha!-Effekten gelesen habe.
9 / 10 Punkte