#1
Geschrieben 07 Dezember 2013 - 11:29
#2
Geschrieben 07 Dezember 2013 - 16:40
#no13
- • (Buch) gerade am lesen:Unitall 24: Der Flug der SPACE QUEEN
- • (Buch) als nächstes geplant:Ren Dhark 46: Geheimsache Schweres Wasser
-
• (Buch) Neuerwerbung: RD46 und U24
-
• (Film) gerade gesehen: Quiqueck & Hämat: PROLL OUT
#3
Geschrieben 07 Dezember 2013 - 17:49
@ Schlomo: "Sehr düster" - das macht schon mal neugierig.
----------------------------------
Denkt alle dran, es geht erst ab 10. Dezember los. Der Thread kann ja trotzdem weiterhin offen bleiben - ich erwähn's nur nochmal, damit ihr nicht ohne mich anfangt
"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"
#4
Geschrieben 08 Dezember 2013 - 19:07
(einen gelöschten Beitrag angehend)
Aufgrund eines Beitrags, der einen massiver Story-Spoiler enthielt (und vom Verfasser anscheinend wieder gelöscht wurde) wird dieser Thread bis zum Beginn des Lesezirkels am 10. Dezember vorübergehend geschlossen.
Bitte denkt daran, Spoilertags zu benutzen, um anderen nicht die Freude an einem Lesezirkel zu verderben. Danke!
Als Appetizer eine kleine Tibi-Parade:
Bis Dienstag!
LG
Jakob
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#5
Geschrieben 10 Dezember 2013 - 00:53
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#6
Geschrieben 10 Dezember 2013 - 01:03
#no13
- • (Buch) gerade am lesen:Unitall 24: Der Flug der SPACE QUEEN
- • (Buch) als nächstes geplant:Ren Dhark 46: Geheimsache Schweres Wasser
-
• (Buch) Neuerwerbung: RD46 und U24
-
• (Film) gerade gesehen: Quiqueck & Hämat: PROLL OUT
#7
Geschrieben 10 Dezember 2013 - 01:31
Ja, zugegeben, Schlomo. Ein Klassiker von meschuggener G'schicht.Bist du schon bei der
Spoiler? Ich fand das mit demSpoilerextrem makaber...
Schalom,
Schlomo
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#8
Geschrieben 10 Dezember 2013 - 01:54
#no13
- • (Buch) gerade am lesen:Unitall 24: Der Flug der SPACE QUEEN
- • (Buch) als nächstes geplant:Ren Dhark 46: Geheimsache Schweres Wasser
-
• (Buch) Neuerwerbung: RD46 und U24
-
• (Film) gerade gesehen: Quiqueck & Hämat: PROLL OUT
#9
Geschrieben 10 Dezember 2013 - 03:44
LG
Jakob
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#10
Geschrieben 10 Dezember 2013 - 10:05
Die Vitrifizierung des Piloten wird aber im Detail nicht beschrieben. Lediglich der Vorgang wie das geschieht. Na ja. Das ist eben so, als würde man eine Herztransplantation bei Bewusstsein mitmachen. Nix weiter Tragisches ...
Ich habe gestern abend angefangen und bin gerade dabei wie der Pilot sich an den Diglator anschließt. Diese Großschreiter sind fast exakt die gleichen Geräte, wie sie in Pacific Rim vorkommen. Nur dass die Technik und die Steuerung hier realistischer beschrieben ist. Nix mit dem Mumpitz das zwei Piloten ihre Gehirne zusammenschalten müssen oder dergleichen. Und die Physik (Masse und Trägheit) wird exakt beschrieben.
Ich freue mich jetzt auf den Teil, wenn der Pilot in die Eiswelt des Titan eindringt und Lem die phantastischen Strukturen dort beschreibt, die sich allein durch die Prozesse der Selbstorganisation bilden und wieder vergehen und fast lebendig wirken. Ob das jetzt der Realität entspricht glaube ich auch nicht, aber das ist eigentlich egal. Denn es könnte ja so sein. Aber so bildhaft und phantasievoll gibt es das nirgends sonst in der SF. Von dieser Fabulierkunst kann sich auch ein Robinson noch eine große Scheibe von abschneiden.
LG Trurl
Bearbeitet von Trurl, 10 Dezember 2013 - 10:06.
Wie die Welt noch einmal davonkam, aus Stanislaw Lem Kyberiade
- • (Buch) gerade am lesen:Jeff VanderMeer - Autorität
- • (Buch) als nächstes geplant:Jeff VanderMeer - Akzeptanz
-
• (Buch) Neuerwerbung: Ramez Naam - Crux, Joe R. Lansdale - Blutiges Echo
-
• (Film) gerade gesehen: Mission Impossible - Rogue Nation
#11
Geschrieben 10 Dezember 2013 - 18:15
#12
Geschrieben 11 Dezember 2013 - 09:30
Ja, der Gang über die Titanoberfläche ist wirklich phantastisch, zunächst der erstarrte "Friedhof" und anschließend der sich ständig verändernde "Birnams Wald". Beeindruckt hat mich, wie gekonnt Lem hier zwischen naturwissenschaftlich-technischen Beschreibungen und bildhaften, stimmungsvollen Szenen wechselt und beides zu einer einheitlichen Erzählung zusammenführt. So leitet er die Phänomene auf der Titanoberfläche zunächst rein naturwissenschaftlich und rational durch komprimierte Gase im Mondinnern, Magmaadern, Synklinen und Antisynklinen usw. her, um später dann Parvis Eindrücke, Assoziationen und Gedanken beim Anblick der "phantasmagorischen Formen " zu beschreiben ("eine Zone, in der die Natur träumt"). Psychologisch genau beobachtet sind Parvis´ Reaktionen auf seine bizarre Umwelt, z.B. seinen fast tranceartigen Zustand beim Durchschreiten des "Friedhofs"; richtig unheimlich fand ich hingegen die Stelle, an der Parvis meint, er würde im Diglator einen anderen Menschen atmen hören ...Total begeistert bin ich von dem Stück ab Seite 42ff., wo die Eiswelt beschrieben wird. Ich finde die Beschreibung total faszinierend.
Ein Vitrifizierungs-Rohr kann ich im ersten Kapitel ebenfalls nicht entdecken. Wenn ich es richtig sehe, kommt der Vitrifikator lediglich an zwei Stellen vor: In meiner Suhrkamp-Ausgabe auf S. 38 steht, es "gähnte über ihm wie eine Glocke die Mundöffnung des Vitrifikators", und ganz am Ende des Kapitels beschließt Parvis, "den eingebauten Knopf des Vitrifikators mit aller Kraft tief in die Zukunft zu drücken".Bei der Textstelle mit der Vitrifizierung steht in meiner Ausgabe, dass sich über ihm eine Mundöffnung befindet. Da steht nichts von einem Rohr das eingeführt werden muss.
Das erste Kapitel hat mir jedenfalls schon mal sehr gut gefallen, obwohl ich inhaltlich etwas anderes erwartet hatte - geht es doch laut Klappentext um die Kontaktaufnahme mit einer außerirdischen Zivilisation. Aber das kommt sicherlich noch.
Den Beginn des zweiten Kapitels finde ich hingegen ziemlich merkwürdig. Kaum wurde eine Figur namens "Doktor Gerbert" eingeführt, wechselt die Szenerie zur Simulation einer Tischrunde, an der man sich die Geschichte zweier Spanier im Atztekenreich des 16. Jahrhunderts erzählt. Das ganze ist lebendig und interessant beschrieben, aber der Sinn dieses Einschubs ist mir nicht so recht klar geworden.
Bearbeitet von Shevek, 11 Dezember 2013 - 09:31.
#13
Geschrieben 11 Dezember 2013 - 18:23
#14
Geschrieben 12 Dezember 2013 - 20:08
#15
Geschrieben 12 Dezember 2013 - 20:57
In der ersten Hälfte des Kapitels blieben mir vor allem die Schilderungen des Kompetenzgerangels zwischen dem Gral und dem Roembden-Krater im Gedächtnis. Fand ich zugleich humorvoll und doch durchaus realistisch – Lem spricht ja auch an einer Stelle von den »gewöhnlichen Dummheiten, die den Menschen überall und also auch im Kosmos eigen sind« (S. 62)
Was die zweite Hälfte angeht, kann ich in das Lob bezüglich der Titanbeschreibungen auch nur mit einstimmen. Sehr wortgewaltig und stimmungsvoll geschildert. Diese Stärke von Lem ist mir aus »Solaris« noch in guter Erinnerung.
Allerdings muss ich auch feststellen, dass bisher nun nicht so viel passiert ist. Alles toll beschrieben, keine Frage, aber gerade im Hinblick auf das Ende des Kapitels mit dem Vitrifikator mutet es wie ein sehr langer Prolog an (mal sehen, ob ich da richtig liege). Trotzdem bin ich gespannt wie es weitergeht.
Nicht so gefällt mir etwas Formales (wobei das sicherlich nicht Lem anzulasten ist) – nämlich, dass es keine Einrückungen beim Beginn eines neuen Absatzes gibt. Das finde ich auf Dauer, zumal es auch nur einen einzigen Abschnittswechsel auf über siebzig Seiten gibt, schon etwas anstrengend.
Btw: Da ich die Pirx-Geschichten von Lem nicht kenne, hätte ich dazu mal noch zwei Fragen...
- Ist die Ausbildung von Parvis Bestandteil einer früheren Geschichte?
- Da Schlomo schon sagte, dass dieser Roman sehr düster wäre, hat mich die Erwähnung von Pirx und erst recht sein Verschwinden ein wenig gewundert. Ich dachte bisher eigentlich immer, dass die Abenteuer von Pirx eher die humorvolle Seite Lems darstellten. Oder verwechsle ich das jetzt mit den Robotermärchen, die ich leider (bitte nicht hauen...) auch noch nicht kenne?
"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"
#16
Geschrieben 12 Dezember 2013 - 21:35
Btw: Da ich die Pirx-Geschichten von Lem nicht kenne, hätte ich dazu mal noch zwei Fragen...
- Ist die Ausbildung von Parvis Bestandteil einer früheren Geschichte?
- Da Schlomo schon sagte, dass dieser Roman sehr düster wäre, hat mich die Erwähnung von Pirx und erst recht sein Verschwinden ein wenig gewundert. Ich dachte bisher eigentlich immer, dass die Abenteuer von Pirx eher die humorvolle Seite Lems darstellten. Oder verwechsle ich das jetzt mit den Robotermärchen, die ich leider (bitte nicht hauen...) auch noch nicht kenne?
Über Pirx (als Person) zum jetzigen frühen Zeitpunkt Deiner Lektüre etwas zu sagen oder dies zu kommentieren (zu diesem Roman), würde viel zuviel verraten. Die Sache gestaltet sich in Bälde sehr, sehr schräg bis gaaanz anders ... und auch sehr spannend.
LG
Jakob
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#17
Geschrieben 15 Dezember 2013 - 09:40
#18
Geschrieben 15 Dezember 2013 - 09:54
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#19
Geschrieben 15 Dezember 2013 - 11:43
#20
Geschrieben 15 Dezember 2013 - 15:03
Bearbeitet von Shevek, 18 Dezember 2013 - 15:41.
#21
Geschrieben 16 Dezember 2013 - 20:39
Sehr interessant fand ich die beiden Expeditionen, die in Kapitel 2 & 4 geschildert wurden – also die Höhlenerkundung der Conquistadoren, deren Beschreibung Gerbert als Holofilm ansieht, und die Expedition des namenlosen Professors zu den Termitenhügeln in Afrika, von denen Parvis/Pirx liest. Ich bin ja gespannt, ob und wie sich diese Erzählungen in das Gesamtbild einfügen.*
Übrigens in beiden Fällen geschickt, wie Lem die Grenzen der Realität (bis zur vierten Wand) verwischt: Bei Gerbert weiß man anfangs nicht, dass es nur ein holografischer Film ist. Und danach kann man trotzdem nicht genau sagen, ob Gerbert auch die Expedition selbst als Film sieht, oder diese Bilder sich nur durch die Erzählung in der Hütte, der er beiwohnt, in seinem Kopf bilden. Also genau das, was beim Leser geschieht. Ähnlich dann in der Termitengeschichte, bei der Parvis/Pirx über die Eigentümlichkeit von Büchern und ihre Zugänglichkeit sinniert, während der Leser dies … nun ja liest.
Eine weitere Szene, die mir gut gefallen hat, war das Aufwachen des Verunglückten. Lem beschreibt äußerst anschaulich, wie Parvis/Pirx seine Sinne zurückgewinnt – angefangen bei der elementarsten Frage nach dem eigenen Ich …
… bis hin zu dem darauffolgenden »Durchchecken« seiner Sinnesorgane und Körperfunktionen.Er war wieder bei Bewusstsein, aber blind und ohne Körper. Die ersten Gedanken bestanden nicht aus Worten. Seine Empfindungen waren unsäglich verworren. Er trieb irgendwohin, verlor sich und kehrte zurück. Erst als er die innere Sprache wiedergefunden hatte, konnte er sich Fragen stellen: Wovor bin ich erschrocken? Was ist das für ein Dunkel? Was bedeutet das? Und nachdem er diesen Schritt getan hatte, gewann er das Vermögen zu denken: Wer bin ich? Was ist los mit mir?
Mittlerweile ist auch klar, wohin die Reise geht . Oder zumindest lässt es sich erahnen, da ebenfalls erstmals – auf Seite 157 in der Suhrkamp-Ausgabe – ein mögliches »Fiasko« namentlich erwähnt wird. Womit natürlich noch nicht gesagt ist, ob es auch wie dort beschrieben eintritt und das titelgebende sein wird. Aber irgendetwas wird bei diesem Ausflug nach Quinta wohl schiefgehen.
* Außerdem hab ich festgestellt, dass ich solche phantastischen Expeditionen unglaublich spannend finde. Das fiel mir schon bei Dan Simmons' »Hyperion« auf, wo mich Pater Durés Erforschung der Bikura gefesselt hat, und jetzt wieder. Ich glaube, ich muss mal einen Roman lesen, der sich ausschließlich solch einem Thema widmet.
Bearbeitet von Seti, 16 Dezember 2013 - 20:42.
"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"
#22
Geschrieben 18 Dezember 2013 - 12:01
Die beiden Expeditions-Erzählungen haben es mir auch angetan. Gerade weil sie so unvermittelt im Romangeschehen auftauchen und für den Fortgang der Handlung im Grunde unnötig sind, stellt sich die Frage, was sich Lem dabei gedacht hat. Mein Vorschlag auf dem Stand des 9. Kapitels:Sehr interessant fand ich die beiden Expeditionen, die in Kapitel 2 & 4 geschildert wurden ...
Sowohl die beiden Binnenerzählungen als auch der Roman selbst beschreiben jeweils eine Expedition, bei der die Protagonisten auf Artefakte einer fremden Kultur bzw. Lebensform stoßen:
In der ersten Erzählung untersuchen die Spanier eine Tempelanlage der Atzteken und begegnen Phänomenen, die ihnen unbegreiflich sind. Aus Vantenadas Perspektive lassen sich diese jedoch rational als Prismen und Schallverstärkung deuten.
Der Professor aus der Termiten-Geschichte stößt hingegen auf ein Artefakt einer irdischen nichtmenschlichen Lebensform; diese mysteriöse Kugel ist letztlich für einen Menschen nicht rational erklärbar, es stellt sich sogar die Frage, ob sie überhaupt existiert.
Man kann also eine Steigerung feststellen:
Erste Stufe: Zunächst unverständlich erscheinende Artefakte einer fremden menschlichen Kultur können später auf der Grundlage fortgeschrittener wissenschaftlicher Erkenntnise rational erklärt werden.
Zweite Stufe: Unverständliche Artefakte einer fremden nichtmenschlichen Lebensform sind für den Menschen grundsätzlich nicht rational fassbar.
Die dritte Stufe wäre dann der Roman "Fiasko" selbst: Hier versuchen Menschen die Artefakte einer fremden, nichtmenschlichen, extraterrestrischen Lebensform zu verstehen. Dieser Versuch wäre demnach von vornherein zum Scheitern verurteilt und müsste in einem Interpretations-Fiasko enden.
Die beiden Expeditions-Geschichten könnten somit quasi eine Blaupause sein für die Interpretation des Romans selbst. Wie gesagt: Ich bin erst bei Kapitel 9, mal sehn, ob mein Vorschlag im Kontext des gesamten Romans Sinn ergibt.
Das war für mich eigentlich recht eindeutig: Durch Anführungszeichen ist die Expeditions-Erzählung als wörtliche Rede Vantenadas gekennzeichnet (siehe S. 76-80: "Die beiden Spanier ..... Don Estaban ist nie zurückgekehrt."), einen Film sieht Gerbert m.E. nicht. Hier lässt die mündliche Erzählung Vantenadas sowohl bei Gerbert als auch beim Leser entsprechende Bilder im Kopf entstehenBei Gerbert weiß man anfangs nicht, dass es nur ein holografischer Film ist. Und danach kann man trotzdem nicht genau sagen, ob Gerbert auch die Expedition selbst als Film sieht, oder diese Bilder sich nur durch die Erzählung in der Hütte, der er beiwohnt, in seinem Kopf bilden.
Dem kann ich nur zustimmen!Eine weitere Szene, die mir gut gefallen hat, war das Aufwachen des Verunglückten. Lem beschreibt äußerst anschaulich, wie Parvis/Pirx seine Sinne zurückgewinnt – angefangen bei der elementarsten Frage nach dem eigenen Ich …bis hin zu dem darauffolgenden »Durchchecken« seiner Sinnesorgane und Körperfunktionen.
Momentan (9. Kapitel) frage ich mich, ob dies wirklich Kampfschauplätze sind. Die Besatzung der Hermes interpretiert letzlich alle Artefakte der Quintaner auf der Grundlage fragwürdiger anthropozentrischer Voraussetzungen und projiziert auf diese Weise menschliche Denk- und Verhaltensmuster in die extraterrestrische Sphäre:Mir scheint als wären viele der spieltheoretischen Probleme eine Auseinandersetzung mit dem Wettrüsten im Kalten Krieg. Insbesondere die ständige Verlagerung der Kampfschauplätze in andere Region, wie dies bei der Idee der Sphäromachie dargestellt wird und die entsprechende Kritik, scheint mir ein Verweis auf das SDI Programm zu sein.
Die "Viroide" im Satelliten, der "Radiokrieg", die Anlage auf dem Mond "deren Arbeiten mitten im vollen Gange eingestellt" worden sind - letzlich kann man sich keinen Reim darauf machen, beteuert dies auch, spricht von "anthropozentrischem Chauvinismus" (S. 210) und von einem "Rätsel, das sich aus Rätseln zusammensetzt" (S. 219). Und doch: Stets deutet man diese Phänomene sehr schnell als Manifestationen kriegerischer Auseinandersetzungen.
Bearbeitet von Shevek, 21 Dezember 2013 - 09:26.
#23
Geschrieben 18 Dezember 2013 - 16:56
#24
Geschrieben 22 Dezember 2013 - 19:46
1. Also ich finde, dass die Ideen und Theorien, die Lem vertritt, durchaus eine gewisse Faszination haben, aber die Art und Weise, wie sie präsentiert werden, sagt mir nicht wirklich zu. Seit Beginn des fünften Kapitels wird die überwältigende Mehrheit an Ereignissen indirekt und somit völlig unpersönlich geschildert – meist geschieht das dann nach folgendem Muster:
[Name eines Expeditionsteilnehmers] + [nahm an / vermutete / behauptete etc.] + [mehrseitige Zusammenfassung des Gesagten] + [mehrseitige gegenteilige Meinung eines anderen Expeditionsteilnehmers]
Die wenigen Male, wo dieser Ideenaustausch dann tatsächlich in Dialogform stattfindet, sind sogar ganz interessant, aber in der Mehrheit ist es eine sehr lange, für mich sehr anstrengend zu lesende Aneinanderreihung von Informationen.
2. Dass sich Lem für diese Form des Erzählens entschieden hat, führt dann gleich zum nächsten Problem: Seine Wortgewandheit, die eigentlich das Lesen zum Genuss machen sollte, verkehrt sich ins Gegenteil, weil die teilweise ohnehin schon schwerverständlichen Sachverhalte (für mich als nur sporadischen Hard-SF-Leser) durch den gehobenen Ausdruck zusätzlich verkompliziert werden.
Wenn Lem dann noch zusätzlich mit Begriffen der Sideraltechnologie, die eine Erfindung von ihm ist, die quintanische Technologie erklärt, die auch eine Erfindung von ihm ist, dann fühle ich mich schlichtweg überfordert.
Oder um mal eine Analogie zu verwenden: Für mich übersteigt die geballte Masse an vermitteltem Informationen oftmals den Schwarzschildradius der kritischen Wissensaufnahmedichte, stürzt in einen Wortsalat-Kollapsar zusammen, und zieht dabei sogar die leicht verständlichen (weil aus dem Alltagsgebrauch stammenden) Metaphern mit hinein, sodass ich am Ende nur noch die Masse, also die Seitenzahl, des Gelesenen bestimmen kann, aber die eigentlichen Informationen unwiderruflich verloren sind.
3. Ich denke, dass Lem auch viel Potenzial dadurch verschenkt hat. Denn die Zusammenstellung der Gruppe, gerade mit Pater Arago, gäbe einiges an Potenzial für hitzig geführte Debatten her. Auf der EURYDIKE gab es ja auch schon einen Vorgeschmack darauf zwischen Arago und Lauger. Doch stattdessen bekomme ich dann nacherzählt, dass man unterschiedliche Meinungen in diesem oder jenem Punkt vertrat, gefolgt von mehrseitigen Gegenüberstellungen der vertretenen Ansichten. Das ist alles nur leidlich spannend. Außerdem wird von dem mehrmonatigen Zusammenleben an Bord kaum etwas vermittelt.
Dabei steht außer Frage, dass es Lem anders gekonnt hätte. Zum einen sprechen dafür die fantasievollen Beschreibungen im ersten Kapitel und die eingeschobenen Geschichten im zweiten und dritten. Zum anderen die Abschnitte, die in Dialogform verfasst sind, und (besonders hervorzuheben) das Ende des zehnten Kapitels, in dem der Angriff der Quintaner personal aus Sicht von Tempe, Kirsting und Steergard beschrieben wird. Diese Stelle fand ich klasse, und was viel wichtiger war: die Sachverhalte, mit denen sie sich jeweils vor dem Angriff beschäftigten bzw. über die sie nachdachten, waren aus ihrer Perspektive viel greifbarer, weil persönlich »eingefärbt«.
Ich muss also leider feststellen, dass ich doch enttäuscht von dem Verlauf bin, den der Roman genommen hat.
Und dabei hab ich mich noch gar nicht zum gerade gelesenen Kapitel »Der Paroxysmus« geäußert …
*Seufz* Mal schauen, ob mich die letzten hundert Seiten noch irgendwie versöhnen können.
Bearbeitet von Seti, 22 Dezember 2013 - 19:47.
"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"
#25
Geschrieben 22 Dezember 2013 - 22:25
#26
Geschrieben 23 Dezember 2013 - 10:34
Bearbeitet von Shevek, 26 Dezember 2013 - 11:24.
#27
Geschrieben 23 Dezember 2013 - 12:56
Hallo Shevec,Ich bin inzwischen auch durch und mein Fazit lautet: Großartig, allerdings mit einigen Schönheitsfehlern.
"Fiasko" erinnert in gewisser Weise and "The Sixth Sense": Die letzte Szene relativiert all das, was man zuvor erfahren hat und lässt es in völlig neuem Licht erscheinen. Da es somit praktisch unmöglich, etwas über den Roman zu schreiben, ohne zu spoilern, setzte ich vorsichtshalber die kommenden Absätze komplett in Spoiler-Tags!
Spoiler
Lems Roman ist somit für mich eine ätzende Kritik an der menschlichen Vernunft, die - wenn sie ihre eigenen Grundlagen außer Acht lässt - trotz aller hochgelehrten Theoriegebäude letzlich in Unvernuft "umkippt", und dies führt schließlich zu extrem destruktivem Verhalten und dem titelgebenden Fiasko.
ich lese den Roman ja nicht zum ersten Mal und er gehört ohne Zweifel zu Lems besten Werken. Deine Interpretation des Romans, die du ihm Spoiler ausführlich begründest ist eine mögliche und sicher die wahrscheinlichste Deutung, wie man dem Roman lesen kann. Ich würde ihr ebenfalls zuneigen, bin mir aber nicht völlig sicher, ob sie die ganze Wahrheit enthält. Letztlich lässt Lem auch ein endgültiges Urteil nicht zu, da der Schluß offen bleibt.
Vor allem würde ich der Paranoia-These nur bedingt zustimmen, denn die wissenschaftlichen Deutungen, die von GOD und den Wissenschaftlern vorgenommen werden, wurden alle nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen. Anders als die die Besatzung des HERMES vorgegangen ist konnten sich Menschen dem Problem wissenschaftlich nicht annähern. Um das zu zeigen hat Lem auch so ausfürlich alle Theorien und Vermutungen ausgebreitet, die für sich genommen alle sehr vernünftig klingen und die die Beobachtungen und verschiedenen irrational erscheinenden Reaktionen der Quintaner, die man im Zeta-System macht, mit der Theorie einer "kosmischen Sphäromachie" und des hundertjährigen kalten Krieges in ein völlig überzeugendes in sich logisches System fasst.
Insofern ist die Kritik die Lem in dem Roman vornimmt, weniger eine am direkten Verhalten der Menschen, sondern viel grundlegender, eine Kritik an der menschlichen Vernunft und dem wissenschaftlichen Erkenntnisprozess, der notwendig unvollständig ist und immer von unzureichenden Prämissen ausgehen muss. Falls die Prämissen falsch sind, wie es hier der Fall zu sein scheint, weil sich der Untersuchungsgegenstand aufgrund seine Fremdartigkeit einer Analyse nach den wissenschaftlich bewährten Methoden entzieht, haben wir eigentlich keine Möglichkeiten dem Rätsel auf die Spur zu kommen und die einzig moralisch akzeptable Handlungsweise wäre es die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun. Also in diesem Fall wieder abzureisen. Warum dies für die irdischen Kundschafter aber keine Option sein kann, wird von Lem in dem Roman ebenfalls dargelegt. Dann gäbe es keinen Erkenntnisfortschritt und wir würden immer noch in den Höhlen hausen. Handeln bedeutet immer auch das Risiko Fehler zu begehen.
In diesem Fall hier erweist sich das Handeln der Menschen leider als fataler Fehler, aber und das ist für mich der entscheidende Punkt, es ist einen Fehler, den man nur duch Nichthandeln hätte vermeiden können. Also letzlich dadurch, dass man zu Hause geblieben wäre und diese Expedition überhaupt nicht unternommen hätte. Aber das, so sagt Lem, wäre eine Vorgehensweise, die für uns Menschen absolut untypisch wäre.
Der Prolog ist letztlich ein Fremdkörper in dem Roman, zeigt aber welchen Verlauf der Roman hätte nehmen können, wenn er ihn in diesem Stil verfasst hätte. Dann hätte er zum Beispiel Amtranik und Seti auch mehr Freude gemacht.Und nun zu den "Schönheitsfehlern":
So faszinierend das erste Kapitel und die "Auferstehung" von Parvis/Pirx zu lesen sind: Plot-technisch spielt dies später gar keine Rolle mehr. Letztlich hätte Lem auch die ersten anderthalb Kapitel weglassen und stattdessen eine eigenständige Figur namens Mark Tempe einführen können, die nicht auf Parvis/Pirx beruht. Offenbar wollte Lem sein Spätwerk mit den Pirx-Geschichten verknüpfen (die ich allerdings nicht kenne).
Ein zweiter Schwachpunkt des Romans ist meiner Ansicht nach der Punkt "Figuren und Charakterisierung": Sämtliche Personen sind reine Stereotype; man erfährt nichts über ihre Vergangenheit oder ihre Beziehungen zu den anderen Romanfiguren. Daher bleibt der Roman auf dieser Ebene auch sehr blass und distanziert.
Ob man die seitenlangen theoretischen Abhandlungen gelungen findet oder nicht, ist letztlich Geschmackssache, mir persönlich war es an einigen Stellen einfach zu viel: Lem hat das das Gleichgewicht zwischen "Science" und "Fiction" hier leider zu sehr in Richtiung "Science" verschoben und die "Fiction" zu kurz kommen lassen. Und es grenzt schon ein wenig an Frechheit, diverse lateinische Sentenzen in den Text einzustreuen, ohne zumindest eine Fußnote mit der Übersetzung anzufügen - aber das nur am Rande.
Das die Figuren nur Stereotype geblieben sind, stört mich eigentlich nicht. Man hätte auch fragen können, warum an der Expedition keine Frauen beteiligt waren. Schon wäre Raum für vielfältige Beziehungskonstellation da gewesen, die aber den Roman, so behaupte ich, nicht besser, allenfalls vielleicht erzählerisch runder gemacht hätte, oder lesbarer für manch einen, aber an der eigentlichen Aussage nichts geändert hätte. Ich schätze, das ist auch der Grund warum Lem diesen Beziehungskram in dem Roman völlig ausklammert.
Ich lese den Roman ja nicht zum ersten Mal und wenn ich ich das Buch aufschlage, dann interessiere ich mich inzwischen hauptsächlich für die wissenschaftlichen Erörterungen, die durchaus kein "Technobabble" sind, wie man das aus anderen SF-Romanen kennt, sondern fundierte Darstellungen, die man auch in einem wissenschaftlichen Essay wiederfinden könnte. Diese Abschnitte sind schon fordernd und nicht jedermanns Sache. Mir gefällt das. Und da ich diese Angewohnheit Lems kenne, überrascht mich das nicht, sondern erwarte es und es freut mich.
Deshalb ist Fiasko für mich natürlich ein phantastisches Buch über den Versuch einer Kontaktaufnahme mit einer außerirdischen Zivilisation, die sich, was wahrscheinlich ist, von uns Menschen grundlegend unterscheiden wird. Biologisch, geistig und kulturell. Der Roman ist für mich ein in der SF sehr seltenes Beispiel, wo ein derartiger Kontaktversuch in all seinen Aspekten in einem völlig glaubwürdigen, wissenschaftlich authentischen Szenario durchgespielt wird. Wie sehr sich dieser Roman qualitativ von anderen SF-Romanen mit ähnlicher Thematik abhebt, habe ich erst kürzlich feststellen dürfen, als ich den neuen Roman Himmelsjäger der beiden Hard-SF Hasen Benford und Niven gelesen habe, der bis auf ein paar interessante Gedankengänge, gegenüber Fiasko eine absolute Enttäuschung darstellt.
LG Trurl
Bearbeitet von Trurl, 23 Dezember 2013 - 13:01.
Wie die Welt noch einmal davonkam, aus Stanislaw Lem Kyberiade
- • (Buch) gerade am lesen:Jeff VanderMeer - Autorität
- • (Buch) als nächstes geplant:Jeff VanderMeer - Akzeptanz
-
• (Buch) Neuerwerbung: Ramez Naam - Crux, Joe R. Lansdale - Blutiges Echo
-
• (Film) gerade gesehen: Mission Impossible - Rogue Nation
#28
Geschrieben 23 Dezember 2013 - 21:32
Hallo Shevec,
ich lese den Roman ja nicht zum ersten Mal und er gehört ohne Zweifel zu Lems besten Werken. Deine Interpretation des Romans, die du ihm Spoiler ausführlich begründest ist eine mögliche und sicher die wahrscheinlichste Deutung, wie man dem Roman lesen kann. Ich würde ihr ebenfalls zuneigen, bin mir aber nicht völlig sicher, ob sie die ganze Wahrheit enthält. Letztlich lässt Lem auch ein endgültiges Urteil nicht zu, da der Schluß offen bleibt.
Vor allem würde ich der Paranoia-These nur bedingt zustimmen, denn die wissenschaftlichen Deutungen, die von GOD und den Wissenschaftlern vorgenommen werden, wurden alle nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen. Anders als die die Besatzung des HERMES vorgegangen ist konnten sich Menschen dem Problem wissenschaftlich nicht annähern. Um das zu zeigen hat Lem auch so ausfürlich alle Theorien und Vermutungen ausgebreitet, die für sich genommen alle sehr vernünftig klingen und die die Beobachtungen und verschiedenen irrational erscheinenden Reaktionen der Quintaner, die man im Zeta-System macht, mit der Theorie einer "kosmischen Sphäromachie" und des hundertjährigen kalten Krieges in ein völlig überzeugendes in sich logisches System fasst.
Insofern ist die Kritik die Lem in dem Roman vornimmt, weniger eine am direkten Verhalten der Menschen, sondern viel grundlegender, eine Kritik an der menschlichen Vernunft und dem wissenschaftlichen Erkenntnisprozess, der notwendig unvollständig ist und immer von unzureichenden Prämissen ausgehen muss. Falls die Prämissen falsch sind, wie es hier der Fall zu sein scheint, weil sich der Untersuchungsgegenstand aufgrund seine Fremdartigkeit einer Analyse nach den wissenschaftlich bewährten Methoden entzieht, haben wir eigentlich keine Möglichkeiten dem Rätsel auf die Spur zu kommen und die einzig moralisch akzeptable Handlungsweise wäre es die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun. Also in diesem Fall wieder abzureisen. Warum dies für die irdischen Kundschafter aber keine Option sein kann, wird von Lem in dem Roman ebenfalls dargelegt. Dann gäbe es keinen Erkenntnisfortschritt und wir würden immer noch in den Höhlen hausen. Handeln bedeutet immer auch das Risiko Fehler zu begehen.
In diesem Fall hier erweist sich das Handeln der Menschen leider als fataler Fehler, aber und das ist für mich der entscheidende Punkt, es ist einen Fehler, den man nur duch Nichthandeln hätte vermeiden können. Also letzlich dadurch, dass man zu Hause geblieben wäre und diese Expedition überhaupt nicht unternommen hätte. Aber das, so sagt Lem, wäre eine Vorgehensweise, die für uns Menschen absolut untypisch wäre.
Der Prolog ist letztlich ein Fremdkörper in dem Roman, zeigt aber welchen Verlauf der Roman hätte nehmen können, wenn er ihn in diesem Stil verfasst hätte. Dann hätte er zum Beispiel Amtranik und Seti auch mehr Freude gemacht.
Das die Figuren nur Stereotype geblieben sind, stört mich eigentlich nicht. Man hätte auch fragen können, warum an der Expedition keine Frauen beteiligt waren. Schon wäre Raum für vielfältige Beziehungskonstellation da gewesen, die aber den Roman, so behaupte ich, nicht besser, allenfalls vielleicht erzählerisch runder gemacht hätte, oder lesbarer für manch einen, aber an der eigentlichen Aussage nichts geändert hätte. Ich schätze, das ist auch der Grund warum Lem diesen Beziehungskram in dem Roman völlig ausklammert.
Ich lese den Roman ja nicht zum ersten Mal und wenn ich ich das Buch aufschlage, dann interessiere ich mich inzwischen hauptsächlich für die wissenschaftlichen Erörterungen, die durchaus kein "Technobabble" sind, wie man das aus anderen SF-Romanen kennt, sondern fundierte Darstellungen, die man auch in einem wissenschaftlichen Essay wiederfinden könnte. Diese Abschnitte sind schon fordernd und nicht jedermanns Sache. Mir gefällt das. Und da ich diese Angewohnheit Lems kenne, überrascht mich das nicht, sondern erwarte es und es freut mich.
Deshalb ist Fiasko für mich natürlich ein phantastisches Buch über den Versuch einer Kontaktaufnahme mit einer außerirdischen Zivilisation, die sich, was wahrscheinlich ist, von uns Menschen grundlegend unterscheiden wird. Biologisch, geistig und kulturell. Der Roman ist für mich ein in der SF sehr seltenes Beispiel, wo ein derartiger Kontaktversuch in all seinen Aspekten in einem völlig glaubwürdigen, wissenschaftlich authentischen Szenario durchgespielt wird. Wie sehr sich dieser Roman qualitativ von anderen SF-Romanen mit ähnlicher Thematik abhebt, habe ich erst kürzlich feststellen dürfen, als ich den neuen Roman Himmelsjäger der beiden Hard-SF Hasen Benford und Niven gelesen habe, der bis auf ein paar interessante Gedankengänge, gegenüber Fiasko eine absolute Enttäuschung darstellt.
LG Trurl
Diese Wertung von Dir ist für mich nachvollziehbar. Paßt ziemlich zu deinen Einschätzungen bei zb Rajaniemi und Embassytown. Das meiste was mir irgendwie vor langeweile die Füße einschlafen läßt, scheint bei Dir Beigeisterungsstürme auszulösen. Ich bin übrigens auch so gar nicht der Meinung das es sich um ein sehr glaubwürdiges Szenario handelt, halte es eher für Lemschen Zynismus. Inwieweit das wissenschaftlich so authentisch und korrekt ist wie Du sagst, kann ich dagegen nicht sagen, dazu fehlt mir die wissenschaftliche Bildung. Dieser Punkt ist für mich als Laien im übrigen auch gar nicht wichtig. Eher schon wie die Technik oder eben erfundene Technik sich ins Szenario einfügt. Tote Dinge wie Maschinen oder wissenschaftliche Theoreme sind für mich seltenst mitreißend unterhaltsam an sich. Das muss sich schon gut in die Geschichte einfügen. Für mich war das hier nicht der Fall. Es wirkte zu sehr wie ein Vortrag. Ein weiterer Kritikpunkt für mich sind auch die Charaktere. Die finde ich nicht sehr gut gelungen und eher eindimensional und ohne tiefe. Das ist mir besonders stark aufgefallen als ich direkt im Anschluss einen von meinen so geliebten Star Trek Romanen las. Die Menschen und Aliens dort, leben und haben Gefühle. Man nimmt Anteil an dem was Sie denken und erleben. Das war bei Lems Buch leider nicht vorhanden. Bei aller Sprachlichen Brillianz und seinem Talent. Irgendwie fehlte dem Roman die Seele, die menschiche Gefühlsmäßige Ebene. Das ist alles ein rein, nüchternes Berichten. Wie anders kommt da Solaris daher, oder die humorvollen Kurzgeschichten der Sterntagebücher, ganz zu schweigen vom Futurologischen Kongreß. Die Idee scheint mir indes, sehr gut und interessant. Die Umsetzung hat mir nicht gefallen.
#29
Geschrieben 01 Januar 2014 - 19:14
Daher sei an dieser Stelle nochmal ausdrücklich betont: "Fiasko" ist ein großartiger und faszinierender Roman und die mit Abstand überzeugendste Darstellung eines Erstkontakts, die ich bislang gelesen habe. Angesichts der Brillanz, mit der Lem sein Hauptthema behandelt, sind die von mir angeführten "Schönheitsfehler" im Grunde nicht so wichtig; daher kommt für mich auch nur die Wertung "fantastisch" in Frage!
@ Trurl:
Hallo Trurl,
Das stimmt natürlich. Streng logisch betrachtet, widerlegt die Tatsache, dass die Hermes-Crew eine falsche Prämisse in ihre Hypothesen investiert hat, nicht unbedingt das Ergebnis. Es könnte durchaus einen hundertjährigen kalten Krieg und eine kosmische Sphäromachie geegeben haben, die auf anderen Ursachen beruht. Letztlich sind die Quintaner nicht in menschliche Denkkategorien einzuordnen, und daher kann mein Interpretations-Vorschlag auch nur eine von mehreren möglichen, zwansgsläufig aber unzulänglichen Deutungen sein.Deine Interpretation des Romans, die du ihm Spoiler ausführlich begründest ist eine mögliche und sicher die wahrscheinlichste Deutung, wie man dem Roman lesen kann. Ich würde ihr ebenfalls zuneigen, bin mir aber nicht völlig sicher, ob sie die ganze Wahrheit enthält. Letztlich lässt Lem auch ein endgültiges Urteil nicht zu, da der Schluß offen bleibt.
Das ist meines Erachtens gerade das Tragische an Lems Roman: Die menschlichen Kundschafter beginnen ihr Unternehmen optimistisch und voller Neugier auf die außerirdische Zivilisation und analysieren alle fremden Artefakte und Phänomene nach besten Wissen und Gewissen. Und im 15. Kapitel sieht ihre Gedankenwelt dann so aus: "Der Erste Pilot hingegen dachte nicht daran, ein Hehl aus seiner haßerfüllten Genugtuung zu machen, daß dieser kriegerischen planetaren Bestie das Genick gebrochen werden sollte". Selbst Mark Tempe denkt: "Ja, auch er sah in dieser Zvilisation bereits einen Feind, das absolute Böse, das schon durch sein Wesen jede ihrer Maßnahmen rechtfertigte" und stellt sich die Frage "Oder waren sie schon alle miteinander verrückt geworden?" Vielleicht sind die Begriffe "paranoid" und "psychotisch" etwas überzogen, aber als agressiv, destruktiv und irrational kann man die Crew hier meiner Ansicht nach schon bezeichnen. Arago bringt dies auf den Punkt, wenn er sagt: "Unter der Maske des Kontakts um jeden Preis aber verbirgt sich nicht der Wissensdurst sondern die Rachsucht" und Steegard vorwirft: "Sie begründen einen Völkermord auf einer Hypothese?"Vor allem würde ich der Paranoia-These nur bedingt zustimmen, denn die wissenschaftlichen Deutungen, die von GOD und den Wissenschaftlern vorgenommen werden, wurden alle nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen.
Von einem bestimmten Punkt an ist die Rationalität der Hermes-Besatzung nach und nach ins Irrationale "umgekippt" - was Lem schon relativ früh andeutet, indem er ein Besatzungsmitglied der Eurydike ausführen lässt: "Ich glaube, dass nichts sich unvernünftiger verhalten kann als die Vernunft (S. 188)
Dem würde ich zustimmen. Ich hatte mal kurz überlegt, ob der Hermes-Besatzung nicht eine weniger anthropozentrische Theorie offengestanden hätte. Sie hätte beispielsweise von der Prämisse ausgehen können, dass der Eisring absichtlich so angelegt wurde, dass er das Klima auf Quinta in einer bestimmten Weise beeiflusst. Daraus hätte GOD dann eine mögliche nicht-menschliche Biologie der Quintaner abgeleitet und diese als Grundlage für eine alternative Interpretation der übrigen Phänomene verwendet. Aber dort hätten sich dann notwendigerweise ebenfalls wieder etliche anthropozentrische Vorannahmen "eingeschlichen".Anders als die die Besatzung des HERMES vorgegangen ist konnten sich Menschen dem Problem wissenschaftlich nicht annähern. Um das zu zeigen hat Lem auch so ausfürlich alle Theorien und Vermutungen ausgebreitet, die für sich genommen alle sehr vernünftig klingen und die die Beobachtungen und verschiedenen irrational erscheinenden Reaktionen der Quintaner, die man im Zeta-System macht, mit der Theorie einer "kosmischen Sphäromachie" und des hundertjährigen kalten Krieges in ein völlig überzeugendes in sich logisches System fasst.
Insofern ist die Kritik die Lem in dem Roman vornimmt, weniger eine am direkten Verhalten der Menschen, sondern viel grundlegender, eine Kritik an der menschlichen Vernunft und dem wissenschaftlichen Erkenntnisprozess, der notwendig unvollständig ist und immer von unzureichenden Prämissen ausgehen muss.
(...) und die einzig moralisch akzeptable Handlungsweise wäre es die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun. Also in diesem Fall wieder abzureisen. Warum dies für die irdischen Kundschafter aber keine Option sein kann, wird von Lem in dem Roman ebenfalls dargelegt. Dann gäbe es keinen Erkenntnisfortschritt und wir würden immer noch in den Höhlen hausen. Handeln bedeutet immer auch das Risiko Fehler zu begehen.
In diesem Fall hier erweist sich das Handeln der Menschen leider als fataler Fehler, aber und das ist für mich der entscheidende Punkt, es ist einen Fehler, den man nur durch Nichthandeln hätte vermeiden können. Also letzlich dadurch, dass man zu Hause geblieben wäre und diese Expedition überhaupt nicht unternommen hätte. Aber das, so sagt Lem, wäre eine Vorgehensweise, die für uns Menschen absolut untypisch wäre.
Hier würde ich eine andere Sichtweise vorschlagen:
Die Abreise war bis zum Ende des 10. Kapitels durchaus eine Option. Da es in Steegards Augen zu diesem Zeitpunkt gleich starke Argumente für das Risiko einer "Demonstration der Stärke" und für einen Rückzug gibt, entschließt er sich ein Münze zu werfen - mit dem Ergebnis "Abreise". Ausgerechnet in diesem Moment erfolgt jedoch der Angriff der Quintaner, auf den den Steergard mit dem Gedanken reagiert: "Rückzug kam nun nicht mehr infrage". Hätten die Quintaner also nicht genau in diesem Moment angegriffen, wäre die Expedition beendet worden!
Dies ist in meinen Augen der Wendepunkt in "Fiasko", die Stelle, an der die ursprüngliche Besonnenheit der irdischen Kundschafter allmählich in Agressivität und Irrationalität umschlägt. Und schließlich fällt die Hermes-Crew in infantile Denkmuster zurück: Sie hält die Quintaner für "das absolut Böse" (s.o.) und argumentiert mit Extremen wie "Steinzeit oder Fortschritt". Und gerade weil die Wissenschaftler hier lediglich solch extreme Alternativen und keine Zwischenlösungen mehr sehen, kommt es m.E. zur Katastrophe.
(Interessanterweise ist es gerade der Dominikanermönch Arago, der Anhänger eines völlig irrationalen Weltbilds, der in Fiasko als mäßigende und mahnende Stimme der Vernunft auftrtitt, sich aber gegen die Übermacht der anderen Wissenschaftler nicht durchsetzen kann.)
Lems Kritik zielt daher meiner Ansicht nach auch auf die Gefahr ab, dass die menschliche Vernunft, wenn sie an ihre Grenzen stößt, in Unvernunft und Agression umschlägt. Aber, und das ist für mich ein wichtiger Punkt, dies ist nicht unvermeidbar! Die irdischen Kundschafter hätten durchaus anders handeln können! Sie hätten das Rätsel der Quintaner zwar nicht gelöst, wären aber auch nicht für einen Genozid verantwortlich.
Dem kann ich nur zustimmen!!Deshalb ist Fiasko für mich natürlich ein phantastisches Buch über den Versuch einer Kontaktaufnahme mit einer außerirdischen Zivilisation, die sich, was wahrscheinlich ist, von uns Menschen grundlegend unterscheiden wird. Biologisch, geistig und kulturell. Der Roman ist für mich ein in der SF sehr seltenes Beispiel, wo ein derartiger Kontaktversuch in all seinen Aspekten in einem völlig glaubwürdigen, wissenschaftlich authentischen Szenario durchgespielt wird.
Bearbeitet von Shevek, 09 Januar 2014 - 19:45.
#30
Geschrieben 09 Januar 2014 - 16:20
Bearbeitet von Seti, 09 Januar 2014 - 18:00.
Quellenangabe hinzugefügt
Auch mit einem oder mehreren dieser Stichwörter versehen: Lesezirkel, Klassiker, Dezember 2013
Besucher die dieses Thema lesen: 0
Mitglieder: 0, Gäste: 0, unsichtbare Mitglieder: 0