Bin jetzt auch durch.
Da kamen noch einige heftige Szenen.
Der Puff-Besuch. Hier erlebt man wie der Kommandant in der Öffentlichkeit tickt. Ein Angeber, Machtmensch, der eine ganz spezielle Lebensweise führen möchte. Es gibt da eine Diskrepanz zwischen seinem häuslichen Leben voller sittenstrenger Regeln und Pflichten und dann die Ausschweifungen jenseits des erlaubten und auch von ihm selbst getragenen gesellschaftlichen Rahmens. Im Zentrum stehen aber auch hier die Frauen. Durch Moira erfahren wir, dass sich die Frauen hier ein paar Jahre erkaufen. Als Alternative gibt es nur tödliche Zwangsarbeit, gesellschaftliche Unterdrückung oder Tod. Diese Gesellschaft ist für Frauen in höchstem Grade toxisch.
Da kommen wir zur zweiten üblen Szene. Die Errettung ist eine Zeremonie in der Frauen hingerichtet werden, die die Regeln brachen. An sich schon eine bitterböse Sache, die an die öffentlichen Selbsterniedrigungen während der Kulturrevolution erinnert (nachzulesen in Cixin Lius Drei Sonnen). Atwood setzt noch eins drauf. Die unter hohem psychischen Druck stehenden Mägde zerreißen einen Mann, der ihnen als Vergewaltiger präsentiert wird. Das System macht die Frauen nun zu Henkerinnen, aus den Opfern werden Täterinnen. Das ist jetzt mehr als Mitlaufen, Mitmachen, weil die Alternativen zu schrecklich sind. Eine ziemlich perfide Strategie.
Dazu kommt die Erkenntnis, dass die Tochter der Magd schon bald zu jenen Frauen gehört, die sich kaum noch an eine andere Welt erinnern. Die nur noch das System aus Dienen und Gebären kennen. Kein Wunder, dass Atwood ihre Hauptfigur trotz der kuscheligen Liebesaffäre mit Nick immer wieder an Selbstmord denken lässt.
Das Ende ist offen mit leicht hoffnungsvoller Tendenz. Aber nach all dem Schrecken, den wir mit ihr erleben mussten, kommt kein Aufatmen zustande.
Und was macht Atwood dann? Sie springt weit in die Zukunft und lässt einen Historikerkongress die Glaubwürdigkeit des Berichts untersuchen. Was für ein Kontrast. Da siitzen ein paar Männer zusammen, machen pubertäre Witze, lachen in lockerer Runde und betrachten das ganze mit nüchterner Analyse-Brille. Von Empathie ist nichts zu spüren.
Atwood wirft uns nach ihrer grauenvollen Dystopie mal eben ganz locker in einen Debatierclub, der nur scheinbar in der Zukunft tagt. Denn eigentlich beschreibt sie da die Gegenwart. Genauso würde über den Bericht einer Sklavin aus dem 18. Jahrhundert geredet werden.
Eine sehr interessante Art, diesen Roman enden zu lassen.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Stilistisch ist das schon sehr weit oben, Helga Pfetsch als Übersetzerin hat da Großartiges geleistet.
Es war eine gute Idee, sich endlich an das Buch zu wagen. Es erweitert den dystopischen Blick Orwells um die Sicht auf die Rolle der Frauen in totalitären Regimen.
Und wie der IS bewies, tun sich Menschen soetwas wirklich an. Man muss sich stets bewusst machen, dass aus der Einschrenkung von Menschrechten aus welchen Gründen auch immer, Verbrechen hervorgehen.