Ab dem 4. Juli wird hier
Jens Lubbadeh mit Der Klon
gelesen und darüber diskutiert.
Ich wünsche allen viel Spaß.
Geschrieben 03 Juli 2022 - 14:26
Ab dem 4. Juli wird hier
Jens Lubbadeh mit Der Klon
gelesen und darüber diskutiert.
Ich wünsche allen viel Spaß.
Geschrieben 04 Juli 2022 - 08:14
Super, ich habe noch eine Hörstunde Ransmayr übrig, dann lege ich los, hoffentlich heute Abend oder morgen Früh
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 05 Juli 2022 - 05:59
So, ich bin nun in Kapitel 2 (glaube ich, ich höre), Kapitel 1 war aus der Perspektive einer Frau und Kapitel 2 ist nun aus der Perspektive einer anderen Frau, die Journalistin ist. Bisher sind mir beide nicht sehr sympathisch.
Ich hoffe, Lubbadeh gelingt es noch, Figuren zu haben, denen ich Lust habe zu folgen, bei "Neanderthal" sind die ständig gestorben oder waren nicht mehr wichtig, es gab keine durchgehenden Figuren.
Ich bin ganz froh, dass die Story "Minerva" (da war ich Co-Autorin) bereits erschienen ist, sonst würde man mir definitiv sagen, dass dieser Roman unsere Inspiration war. In der Tat ist das nicht so weit hergeholt, das Klonen verstorbener Kinder war ein total leises Nebenthema bei "Neanderthal" und diente (u. a.) tatsächlich als Inspiration für Minerva.
However: Im ersten Kapitel tut mir Arthur (der Klon von Hitler) sehr leid. Ich frage mich, ob es dem Autor gelingen wird, den Moment der Erkenntnis, der ja für Arthur sicher irgendwann kommen wird, gut zu schildern. Stell dir vor, du erfährst eines Tages, dass du Hitlers Klon bist? Das ist schon durchaus eine spannende Frage, ich habe nur nicht so viel Vertrauen darin, dass es hier gelingen wird.
Bisher überzeugt der Roman mich stilistisch nicht so recht. Es wimmelt von Infodump und Erklärungen, die man auch hätte weglassen und später szenisch einbauen können. Es wird komplett versäumt, jemanden sympathisch zu machen.
Kapitel 2 ist etwas besser, weil leise Spannung aufgebaut wird, als die Journalistin den Zwillingen das Foto zeigt.
Es regt mich immer total auf, wenn SF-Autor:innen meinen, es reicht, wenn sie eine interessante Idee oder einen halbwegs guten Plot haben, um die Figuren wird sich nicht gekümmert. Ich hoffe, da geht noch was. Sonst bleibt das eben etwas, das ich mir nebenher beim Autofahren und Kochen anhöre.
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 05 Juli 2022 - 07:53
Okay, Kapitel 3 ist sehr interessant, weil es da direkt um das Klonen geht. Das hat mich sehr interessiert, da ich mich im Hintergrund bei der Recherche für "Minerva" damit beschäftigt hatte und einiges gelesen hatte. Dieser Roman wäre für die Recherche perfekt geeignet gewesen, da er am ehesten (u. a.) die Themen berührt, die uns für die Geschichte wichtig waren.
Kapitel 4 kehrt nun wieder zurück zur Perspektive, die ich schon aus dem ersten Kapitel kenne (ich hoffe, ich sage die Kapitel richtig, ich mache das jeweils am Perspektivwechsel fest, habe das Buch nicht da, nur das Hörbuch). Der Autor konnte der Versuchung nicht widerstehen, Arthur (den Hitler-Klon) zum Schutz einer arabischen Person mit ein paar Rechtsradikalen kämpfen zu lassen. Ziemlich Mainstream, vermutlich hatte Lubbadeh hier eher den Massengeschmack im Sinn.
Ich rechne natürlich damit, dass Arthur mir sympathisch wird und vermute die Prämisse "Es sind deine Taten, die dich auszeichnen, nicht deine Gene". Das ist zwar eine naheliegende Prämisse, extrem naheliegend sogar, so dass zu hoffen ist, dass noch etwas überraschendes kommen wird.
Die Kampfszene ist eher mau. Außerdem wird mit Phrasen gearbeitet "wie ein Blitz" und "wie versteinert". Sprachlich wird der Roman wohl kaum auf mehr als einen Punkt von drei bei mir kommen, wenn nicht noch gründlich etwas passiert.
Also, mir zu mainstreamig, aber immerhin die wissenschaftlichen Dialoge in Südkorea in Kapitel 3 finde ich cool.
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 05 Juli 2022 - 09:17
Hallo zusammen,
mhm, wenn ich nach dem ersten Kapitel weiß (bzw. zu wissen glaube), wie es am Ende um Arthur (und den Plan) steht, dann bin ich entweder überempfindlich in Sachen gestreuter Spur oder aber die Spur ist keine Spur sondern eine Autobahn. Okay, wahrscheinlich ist es nur eine Landstraße, aber auch auf einer Landstraße weiß man ja, wo sie hinführt. Ich glaube, Yvonne meint das mit "naheliegender Prämisse".
Auch sonst schließe ich mich gerne Yvonne an. Mainstream. Sehr viel davon. Und alles möglichst nah angelehnt an unsere Wirklichkeit, damit auch ja jeder sagen kann "Ja, soooo ist das, der ist doch Geschichtslehrer ..." Und das passt für mich dann irgendwie zu meiner Erwartung an das Ende. Es gibt zu wenig Überraschendes. Ach je, alleind er saufende russische Wissenschaftler ... Fand ich das erste Kapitel übrigens sprachlich noch interessant, ging es danach runter auf einen Punkt. Ey, von "Doch da war dieser rote Flagge, die sein Instinkt ihm zeigte." und "Während er rauchte, wirbelten seine Gedanken umher. Aber er konnte sie nicht ordnen." wimmelt es nur so, also ganz viel tell, tell, tell (und das auf sprachlich fast schon plattem Niveau. Was ist denn diese "... rote Flagge, die sein Instinkt ihm zeigte" für ein Bild?!), damit es auch jeder versteht. Da ich dieser Tage - ich musste nur tief genug in meinen SuB gehen - "Die Boys aus Brasilien" als Vorbereitung auf "Der Klon" habe lesen können, weiß ich, dass es auch anders geht. Levin nutzt Dialoge, um die Figuren in all ihren Facetten zu zeigen. Angst, Wut, Humor. Alles drin. Bei Lubbadeh fand ich derlei leider (bislang) nicht.
Zum wissenschaftlichen Dialog. Was Greg Egan in "Teranesia" (dieser Tage mit Genuss gelesen) m.E. zuviel an Wissenschaftlichkeit in die Dialoge packt, packt Lubbadeh zu wenig hinein.
Nee, keine Sorge, ich lese das Buch zu Ende. Ich muss jedoch mein Lesetempo etwas beschleunigen,da wir nicht erst Ende nächster Woche, sondern vielleicht schon Mitte nächster Woche in den Urlaub fahren.
Viele Grüße
Tobias
Geschrieben 05 Juli 2022 - 09:30
Ich bin ein Riesenfan von Greg Egan! Teranesia kenne ich aber noch nicht.
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 06 Juli 2022 - 05:44
Okay, jetzt muss ich mal ein wenig loben und einen weiteren Kritikpunkt loswerden.
Erst das Lob:
Der Roman scheint um Längen besser zu sein als Neanderthal und sich viel besser an das Thema zu halten. Bei dem Roman damals ist er ständig abgedriftet. Ich hatte das in der Rezension auch bemängelt. Dort hatte er bereits eine Klinik erwähnt, in der Eltern ihre verstorbenen Kinder klonen lassen und auch geklonte Mammuts erwähnt. Ich fand das damals so spannend, dass ich daraufhin selbst so eine Geschichte gemeinsam mit Angelika Brox verfasst hatte (über so ein Kind, nicht über ein Mammut, auch wenn das auch nice wäre, aber dazu gab es schon zuviel in der anglo-amerikanischen SF, finde ich jedenfalls). Zu dem anderen Thema haben wir beim Recherchieren erstaunlich wenig gefunden und wenn, war es meist weiter weg (fast immer ersetzte ein künstlicher Mensch die verstorbene Person).
Diese Nebenidee aus Neanderthal hat Lubbadeh hier weitergedacht und mit der Story der Zwillinge auch (beängstigend) nah an dem, was Angelika und ich uns überlegt haben. Nur hat er mehr Platz, das emotional auszuweiten. Und weniger Mühe in die Sprache gesteckt, aber das habe ich ja bereits kritisiert.
Über diesen Handlungsstrang bin ich jedenfalls sehr froh. Ich kann mich sogar halbwegs mit Robin identifizieren, auch Mara ist mir näher gekommen.
Am besten fand ich den Wissenschaftler Moon, nur der ist ja leider nur noch in einer der Zeitlinien aktuell.
Beeindruckend geschildert ist die Szene im Dunkelrestaurant. Da hat er endlich mal alle Sinne angesprochen und beschreibt das so gut, das hat er sicherlich selbst ausprobiert und/oder recherchiert und kann das auch gut vermitteln. Bisher mein Lieblingskapitel (dort bin ich übrigens gerade).
Die wissenschaftliche Erklärung für die Flashbacks der Zwillinge habe ich auch "gekauft", vorher fand ich das ein bisschen zu abgefahren. Jetzt kann ich es akzeptieren.
Sehr interessant finde ich Moons Handlungsstrang in 2007, ich hoffe, dorthin wird zurückgekehrt.
Jetzt mein weiterer, neuer Kritikpunkt: Arthur
Es ist ja schön, dass sich der Autor offenbar von der Faszination Hitler fernhält, jedenfalls als Erzählstimme. Aber muss er den geklonten Kerl so irre langweilig schildern? Ich komme ja sowas von überhaupt nicht an ihn ran bisher. Ich finde ihn nichtmal nachvollziehbar. Irgendwas ist da noch nicht ganz rund.
Na gut, klar, Mainstream, er macht es Lesenden einfach, die noch nie SF in der Hand hatten. "Instatube" ist das Go-To-Medium für Videos. Arthur hat Follower. Macht Videos. Die Zukunft ist nur sanft extrapoliert und nur eine leichte alternative Realität (andere rechte Partei, Klonen geht, aber das weiß ja fast niemand), damit kann man ohne SF-Vorlese-Erfahrungen einsteigen und wird nie Probleme haben, selbst jene nicht, denen Delany attestiert, sie könnten keine SF verstehen.
Aber echt jetzt: Arthur ist die langweiligste Figur des Romans, das muss aber noch anders werden, wenn mehr Kapitel aus seiner Perspektive geschildert werden sollen.
Zwischenfazit: Doch, ist lesenswert. Werde ich zwar sicher nirgends nominieren und vermutlich auch nicht rezensieren (jedenfalls nicht ausführlich), aber kann man lesen. Bzw. hören. Es eignet sich zum Hören sogar sehr gut. Trotz der vielen Perspektiven ist es total einfach, allen Strängen zu folgen, selbst wenn man nur mit halbem Ohr hinhört.
Das war bei Biokrieg anders, da musste ich ständig ein Kapitel zurückspringen. :-)
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 06 Juli 2022 - 07:41
Ok, in dem Kapitel nach dem mit dem Dunkelrestaurant von 2007 / Perspektive Moon kommt es dann zu einer Wendung, die ich doch spannend finde.
Jetzt fällt es mir schwer, an meinen Arbeitstisch zurückzukehren ...
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 06 Juli 2022 - 08:07
Hallo Yvonne,
ha, so unterschiedlich sind Geschmäcker ;-)
Ich fand die Szene im Dunkelrestaurant sterbenslangweilig. Für die Handlung macht sie m.E. auch keinen Sinn. Ach, Madame X möchte nicht gesehen werden? Ja, im Restaurant wird sie nicht gesehen, aber auf dem Weg dorthin kann sie gesehen werden und können auch Mara und die Zwillinge gesehen werden. Gestört haben mich auch die Dialoge, die ja wohl auf Englisch geführt wurden, aber in deutscher Alltagssprache daherkommen ("no problemo ...) - auch in Actionmomenten. In welche Sprache verfällt jemand, der sich in Gefahr wähnt? Ja, schon klar, in Englisch, damit die deutschen Figuren in dem Buch dann auch sofort verstehen, was gesagt wird (so z.B. die Kellnerin, die davor warnt, dass sich Mara ihre Augen ruiniert, wenn sie ****).
Ach so, ich habe natürlich mal das Internet befragt, es gab (gibt?) ein Le Noir (Dunkelrestaurant) in Seoul. Und ich vermute stark, dass Jens Lubbadeh dort mal zu Gast war :-)
Die Weitergabe von Traumata via Keimzelle steht wissenschaftlich auf noch sehr, sehr wackeligen Füßen. Aber nehmen wir an, es ist so, gibt es hinsichtlich der ersten Zwillinge einen weiteren wackeligen Fuß. Bewusste Erinnerungen (also Bilder) werden mit zwei Jahren eigentlich noch nicht so abgespeichert, dass man sich später klar und deutlich erinnern kann. Und diese Bilder sollen dann gleich als Bilder via Keimzellen weitergegeben worden sein? Sehr, sehr wackelig, aber okay, das ist Science-Fiction. Ich bin selbst Traumabetroffener und da spielt sich - bis auf ein detailreich und exakt erinnertes Ereignis als Dreijähriger - alles auf der Gefühlsebene ab. Wäre die Traumata-Weitergabe an die zweiten Zwillinge auf die Gefühlsebene beschränkt worden, hätte ich das entsprechend für glaubhafter gehalten.
Und, ja, ist lesenswert. Und gefällt mir auch besser als "Neanderthal". Könnte ich mir auch gut als Film vorstellen (den ich mir aber wohl nicht anschauen würde). Gerade die Dunkelrestaurant Szene scheint ja wie für einen Film geschrieben ;-)
Viele Grüße
Tobias
Geschrieben 06 Juli 2022 - 08:29
Ach so, ich habe natürlich mal das Internet befragt, es gab (gibt?) ein Le Noir (Dunkelrestaurant) in Seoul. Und ich vermute stark, dass Jens Lubbadeh dort mal zu Gast war :-)
Ah, wie cool! Sehr interessant.
Mit der Sprache gebe ich dir recht und auch mit den wissenschaftlich wackeligen Füßen, ich bin nur froh, dass er sich dabei überhaupt etwas gedacht hat. Erst kam es mir nämlich sehr willkürlich vor und effekthascherisch, aber offenbar hat er sich etwas dabei gedacht.
In dem langweiligen Kapitel über Politik habe ich mich dann doch losgerissen und erstmal zu meiner Arbeit zurückgekehrt, vor heute Nachmittag/Abend geht es also nicht weiter.
Jedenfalls wäre der Roman von Jehanzeb wohl besser gewesen, den habe ich mittlerweile durch und den werde ich auch rezensieren, nicht ganz so enthusiastisch wie Titans Kinder von Aiki Mira, aber durchaus sehr positiv, der hat mir gut gefallen.
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 06 Juli 2022 - 12:05
Habe dann doch beim Joggen weitergehört. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Er bin ich ziemlich beeindruckt von der Szene, in der Mara Fotos von Arthur und Hitler vergleicht und erinnere mich daran, dass ein paar gesichtsblinde Leute bei einer Show mal Hitler ohne Bart nicht erkannt haben.
Dann folgt ein Interview mit Sörensen, das vor Klischees nur so platzt.
Seufz.
Lubbadeh wollte offenbar sichergehen, die Massen zu erreichen. Den Weltenbau um die Corona-Generation finde ich gar nicht so übel, oder zumindest wäre es vielleicht so, wenn er das ein bisschen besser verpackt hätte.
Mein Hirn wird jedenfalls selten gefordert, er buchstabiert ja alles bis ins Kleinste aus.
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 07 Juli 2022 - 05:32
Hm, ich fürchte, wir rennen My hier davon im Lesezirkel. Ich jedenfalls, aber Tobias, du scheinst ja auch eher von der schnellen Sorte zu sein. Ich habe noch zwei Stunden übrig, und da ich heute ins Büro fahre mit dem Auto und auch beim Einkaufen höre, werde ich wohl morgen Abend fertig werden.
Der Plot ist nicht schlecht. Einige Wendungen, die ich natürlich habe kommen sehen (denn so ist das Buch aufgebaut, man soll sich schlau fühlen, schlauer als die Figuren) sind schon passiert, andere sehe ich noch kommen. Immerhin habe ich keine Idee, wie genau er das alles zu einem runden Ende bringen wird.
Es ist spannend, aber wirklich TOTAL mainstream. Als wolle er alle abholen, auch die, die sonst nie SF lesen. Dementsprechend nah am Heute ist die Welt.
Sprachlich, stilistisch ist es eher mau, aufgebaut ist es okay, würde aber besser gehen, wenn er sich den Figuren mit mehr Liebe zum Detail widmen würde. Nehmen wir mal Mara. Da wäre doch mehr drin gewesen, als eine ledige Journalistin mit Dackel, die drei Fehlgeburten hatte (was so lapidar nebenher erwähnt wird, als würde das so gar nichts mit ihr machen, Hallo? Empathie?) und die von der großen Story träumt.
Arthur geht gar nicht, Robin und Friedrich sind etwas besser, die beiden koreanischen Wissenschaftler:innen Moon und Pak hätte ich interessant gefunden, aber die nehmen leider zu wenig Raum ein.
Immerhin, ich muss sagen, er nimmt alle mit. Ich erwähnte es schon, ich kann das in jeder Alltagslage hören und komme mit der Handlung klar. Beim Lesen würde ich mich vielleicht langweilen und etwas schneller lesen.
Eher ein Buch für Leute, die einfach mal vom Alltag abschalten wollen, nicht für welche, die sich nach tiefergehenden Erfahrungen sehnen. Die politischen Kapitel nerven etwas. Das ist mir alles zu oberflächlich. Als gäbe es nur zwei Extreme bei den Leuten.
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 07 Juli 2022 - 08:58
Also typisch Lubbadeh ... geht an mir vorbei und winkt ...
Bin sehr gespannt auf Michaels Meinung!
Bearbeitet von Selma die Sterbliche, 07 Juli 2022 - 08:59.
Geschrieben 08 Juli 2022 - 12:19
Hallo Miteinander,
@Yvonne Ja, man soll sich als Leser schlau fühlen. Und da unterscheidet sich Lubbadeh gewaltig von Levins "Die Jungs aus Brasilien". Bei Levin muss man der Handlung folgen, wenn man wissen will, was Sache ist. Da gibt es keinen Twist mit vorheriger Ansage. Nun ja, Zeiten ändern sich und vielleicht muss man heute ja so schreiben, um gut zu verkaufen. Kurz gesagt: Heyne wird wissen, was eingekauft wurde. Denn Heyne wird wissen, was gekauft wird.
@Selma Siehe letzten Satz des vorherigen Absatz: Ich mag Sätze wie "typisch Lubbadeh" nicht, denn zum einen fand ich "Unsterblich" wesentlich besser als "Neanderthal" (ich vermag da also deiner Einschätzung des "typisch" nicht zu folgen), zum anderen sind Autor*innen ja auch dem unterworfen, was der Markt bzw. Verlage möchte/n. Wenn also etwas typisch ist, dann die vom Verlag angenommene Erwartungshaltung der möglichen Käufer*innen. Und die Verlage werten eben aus, was gut gekauft wird und was nicht. Also uns ;-)
Ja, ich hätte auch gern die Suhrkamp Jahre zurück ... Gar zu vieles, dass im Bereich SF hoch gehandelt und gelobt wird, ist nicht mein Ding. Daran typisch ist aber wohl einzig, dass ich gewisse Ansprüche an Bücher habe und die nicht erfüllt sehe. Das liegt aber an mir und nicht an den Autor*innen. Die liefern nur ...
@Yvonne Da wir fünf Tage früher in Urlaub sausen, muss ich das Lesetempo leider etwas anziehen. Hätte ich geahnt, dass ich früher frei machen kann, hätte ich mich nicht an der Leserunde beteiligt, denn wir haben ja einen Monat Zeit für die Runde, wenn ich da schon vor der Hälfte durch sein muss, halte ich das für respektlos den gemäßigter Lesenden gegenüber. Nun ja, ich kann es nicht ändern.
Noch zum Buch: Arg daneben fand ich das Interview zur Bundestagswahl. Der Ton wird gut getroffen, das hat Spaß gemacht. Da werden die Worthülsen, aus denen derlei Berichterstattung arg zu oft besteht, wunderbar vorgeführt, aber dann die Gedanken zu faltiger Stirn und so einzubauen, halte ich für unnötig. Was hat das mit dem Ton solcher Sendungen zu tun? Da wird einfach nur das Klischee "eitle Medienfrau" verbraten und das auf peinlich plattem Niveau. Damit entwertet Lubbadeh nach meinem Empfinden ja durchaus berechtigte Kritik an unserer Jetztzeit. Bei dem Telefonat in Sachen "Duldung einer Minderheitsregierung" geht das dann auch wieder platt weiter, denn die Vorsitzende einer kleinen Partei wird da als strunznaiv dargestellt ...
Apropos platt: Die DDW wird als Zwei-Personen-Partei dargestellt ... Da fehlt mir dann doch das, was selbst blaune Parteien auszeichnet, interner Streit bzw. der Verweis auf verschiedene Strömungen innerhalb der Partei. Die hatte ja selbst die NSDAP (zumindest bis zum Ende Röhms). Und dann gibt es ja auch selbst in blaunen Parteien immer noch Provinzfürsten, die gerne Kalif wären an Stelle des Kalifen. Bislang findet sich dazu nichts im Buch, obwohl nach der Veröffentlichung in der SZ ja eigentlich parteiinterne Kritiker des Führungsduos mehr als nur die Hand heben sollten, um zu sagen "Moooooment!"
Etwas schwach empfand ich auch die Veröffentlichung. Ach, man hat das besprochen, also im Verlag. Und gesagt, machen wir. Nun ja, sooooo einfach ist das nicht. Wer mag, der/die kann von Yassin Musharbash "Russische Botschaften" lesen. Da geht es wirklich um Investigativjournalismus und darum, wie komplex allein das Drumherum ist, da wird der nicht nur herbei behauptet (wie bei Lubbadeh).
Noch etwas zum Investigativjournalimus: Mara kann kaum ihre Miete bezahlen, aber den Trip den Seoul (den die Redaktion nur teils zahlt) zahlt sie locker ... Hä? Wo kommt das Geld her?
Bitte nicht missverstehen: Das Buch macht wohl alles richtig, was richtig gemacht werden muss. Vor allem trifft es sehr gut den Ton von Medien-, Politik- und Tuber-Sprech. Leider wird daraus für mich zu wenig gemacht. Ein bisserl Action, ein bisserl Verschwörungsgedöns, ein bisserl Wissenschaft, ein bisserl Spekulation. Ach ja, und die Guten sind gut und die Bösen sind böse. Und, huch, dann haben wir ja noch die Sache mit dem *** Denn, schon klar, XY hat ja die Gene von YX, also müsste er/sie/es eigentlich böse sein, ist es aber nicht, denn. Boah, ey, wow. Also, Wahnsinn! Ich schreibe bewusst in Rätseln, weil ich nicht spoilern will. Aber die Landstraße hin zum Boah-Moment ist frisch geteert und führt - zumindest für mich - nur noch geradeaus. Und, äh, mir gibt es nix, wenn ich mich für schlauer als die Protagonisten halten darf. Da bleibt für mich nämlich jegliche Spannung auf der Strecke.
Viele Grüße
Tobias
Geschrieben 08 Juli 2022 - 12:28
Ich wollte das Buch lesen und deshalb habe ich hier nur kurz reigeschaut. Scheint sich zu lohnen.
Geschrieben 09 Juli 2022 - 08:23
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 11 Juli 2022 - 08:05
Ich musste den Klon inzwischen zu Ende hören. Mein Eindruck vom Anfang hat sich verfestigt. Es ist nicht alles schlecht, es gibt eine Menge, bei dem ich die Augen verdreht habe, es ist sehr Mainstream und definitiv keine Literatur für Leute, die gern selbst ein wenig nachdenken wollen.
Perfekte Lektüre fürs Kochen und co..
Ein paar Dinge im letzten Viertel fand ich mies, so Deus Ex Machine mäßig. Das Ende war jetzt nicht schlecht, aber auch nicht irre kreativ.
Insgesamt definitiv besser als Neanderthal, den nächsten Roman von ihm würde ich durchaus kaufen. Vorzugsweise als Hörbuch, denn man kann sehr, sehr leicht folgen
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 11 Juli 2022 - 08:27
Hallo zusammen,
da nahm der Roman für mich dann endlich Fahrt auf (Sörensen wird Kanzler), Arthur ist in Israel (vor Gericht), da stottert der Motor auch sogleich wieder. Denn nun ist in Robin großes Zweifeln und Grübeln angesagt (und natürlich kommt dann jemand daher, der/die ihm sagt "Hey, du bist duhuhuhu ..., sei du selbst ..." Das hat ungefähr das Niveau von deutschen Erfolgsliedern junger, männlicher Sänger). Puh, und die Geschichtsstunde (die war schon etwas früher) vom alten Kumpel von Mara ... Was ist sie? Journalistin? Und muss sich erklären lassen, wie das denn war mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus? Okay, es wird nicht ihr erklärt, es wird den Leser*innen erklärt. Und das ist es, was ich mit stotterndem Motor meine. Zum einen finden sich überall fette Hinweisschilder, wo denn die Straße hinführt, auf der sich die Geschichte bewegt, damit man sich schlauer fühlen kann, als die Figuren, zum anderen wird alles haarklein erklärt, damit man auch ja nix verpasst und damit die Botschaft auch wirklich ankommt. Boah, ey, nee, Israels Ministerpräsident Mordechai will Arthur ja eigentlich Arthur nur vor Gericht stellen, damit er von seinen Affären ablenken kann ... Das wird nicht nur einmal so erklärt. Und dafür paktioert er sogar mit Sörensen! Hach, Danke, jetzt habe ich endlich, endlich verstanden, wie das ist.
Tja, und bei all dem Leser*innen an die Hand nehmen gehen dann für mich zwei Sachen unter. Kloning ist ja eines der Themen des Buches und da nicht unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten, sondern unter psychologischen. Was heißt es für ein Klon, dass er/sie ein Klon ist? Was macht das mit denen? Mehr als Plaudereien auf WG-Küchentisch Niveau (nach dem zweiten Mate Tee) finde ich da in dem Roman nicht. Und dann, ja, Hitler. Da hätte der Roman durchdiskutieren können, was Hitler heute ist. Ja, es gibt Ansätze, aber eben auch nicht mehr. Für Sörensen ist Hitler der Messias, für Talkshows ein tolles Thema (weil man ja widersprüchliche Aussagen bekommt), für Mordechai ein Ablenkungsmanöver, für Arthur und Robin die Frage nach sich selbst, für andere die Frage "Was ist Böse", naja, und dann ist da ja auch die Frage nach der Macht der Gene und der der Sozialisation. Zu alledem gibt es immer nur Häppchen, garniert mit oberflächlichen Häppchen zur Rolle der Medien. Klar, bei all den Twists, die Lubbadeh in den Roman einbaut, kann es auch keine klare Linie geben, da kann nichts ausgeleuchtet werden.
Puh, und ganz schlimm wird es für mich am Ende des Romans: Wroooooom deus ex machina ... Und das gleich zwei Mal, Sörensen ***, der geklonte Hitler ***. Und obenauf gibt es das Sahnehäppchen der versöhnenden Worte. Aber, huch, nee, wie überraschend, wir müssen trotzdem aufpassen, denn zwar sind Sörenson und Alina ***, aber die Partei, die Partei *** ...
Hä? Die Partei ist noch mächtig? Aber was sind Parteien ohne Wähler? Kurz: Was ist mit denen, die DDW gewählt haben? Wo bleiben die in dem Roman? Zwar gibt es vom Geschichtslehrer einen Exkurs über den Aufstieg der NSDAP, aber erklärt das, warum auch heute noch rechtspopulistische Parteien gewählt werden? Und warum sie 2033 gewählt werden würden? Da bietet der Roman nichts bzw. die ach so gute Mär vom verführten Volk. Allein schon, dass die Partei DDW nur aus Sörenson und Schalk zu bestehen scheint, also zwei Führerfiguren, die via Telefonat gleich mal Kanzler stürzen können ... Da machen mich dann die Worte von Sebastian Pirling (Redaktion diezukunft.de und Lektor des Romans) sehr nachdenklich, wenn er schreibt "Wenn Sie in diesem Buch von einem Deutschland im Jahr 2033 lesen, in dem eine rechtsradikale Partei wieder an die Macht kommt, in dem ein Mensch geklont wird und nun mit dem Erbgut eines der größten Menschheitsverbrecher der Welt herumlaufen muss - dann denken Sie bitte daran, wie wenig von alldem reine Fiktion ist. Und wie viel tatsächlich möglich sein könnte. Heute, hier, bei uns." Die Möglichmacher bleiben im Roman unbenannt, also wir Wähler ...
Aber, ach, wie labelt Pirling den Roman? ... "Science-Thriller"? Da ist es wohl mein Fehler, dass ich ein "Etwas mehr" an soziologischer und psychologischer Tiefe erwartet habe.
Sprachlich gibt es Highlights, denn Lubbadeh trifft den Ton von Wahlsendungen und Talkshows sehr, sehr genau, aber sonst ist es gerade mal (nach meinem Empfinden) Durchschnittskost. Und das beschreibt den Roman für mich auch sonst: Durchschnittrskost. Für ein Buch, das uns - Pirling - denken lassen soll, ist mir das zu wenig.
Viele Grüße
Tobias
Bearbeitet von T. Lagemann, 11 Juli 2022 - 08:32.
Geschrieben 11 Juli 2022 - 13:35
"Deus ex machina" waren auch exakt meine Gedanken! Ich habe schon hochgescrollt und war ganz enttäuscht, dass ich das nicht auch geschrieben hatte. :-)
Ich stimme dir da weitgehend (oder sogar in Gänze) zu.
Der Roman ist sicher nicht langweilig, aber tiefgründig ist er leider auch nicht.
Podcast: Literatunnat
Geschrieben 13 Juli 2022 - 14:40
Mea culpa - tatsächlich habe ich nur "Neandert(h)al" von Lubbadeh gelesen. "Unsterblich" wurde auf dem Medicon verschenkt. Ich habe mir kein Exe mitgenommen, weil ich so ein Marketing unmöglich fand .... Und ja, natürlich bin ich neidisch!
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