März 2011
Meine Leseliste 2011
Andrej Gelassimow: "Durst" - wieder ein russischer Roman über einen Kriegsveteran. Langsam muss man sich wohl daran gewöhnen, dass in Russland sogar mehr als in den USA ein Thema immer wieder angesprochen wird, einfach weil es allgegenwärtig geworden ist...
Hier geht es um einen jungen Mann, der in Tschetschenien im Gesicht durch eine Brandbombe entstellt wurde. Zuhause flüchtet er sich in den Suff. Aber er bekommt sich in den Griff, dabei - und das ist mir als passionierter Hobbyzeichner sehr sympathisch - hilft ihm sein zeichnerisches Talent.
8 / 10 Punkte
Brian Keene: "Kill Whitey"
Eine einfache Geschichte, einfach erzählt. Für meinen Geschmack etwas ernüchternd einfach. Nun ist Keene sicher kein großer Stilist und Wortakrobat, sondern immer auf eine knackige Story, auf den Plot fixiert. Ist auch gut so; so mag ich ihn! Hier kommt aber für meinen Geschmack etwas zu wenig rüber...
Zunächst der Protagonist: Ein Proletarier, übrigens mit Klassenbewusstsein, so ein bisschen wenigstens. Wo gibt es so was noch? Wahrscheinlich nur im Arbeitermilieu einer Industriestadt in den USA? Keene bezieht an ein paar raren Stellen Postion, hat mir imponiert!
Der Held ist einer wider Willen, und Sch*#@...gesteuert. Na gut, darf er auch. Wenn eine Horrorstory aber eine Botschaft hat, dann ist die hier: Hände weg von leichten Mädchen mit russischem Akzent! Ihr Zuhälter ist nämlich ein zumindest mysteriöses, unkaputtbares Überwesen mit historisch berühmt-berüchtigter Verwandtschaft. Nein, nicht Dracula diesmal, sondern Rasputin. Ja, dieser Scharlatan am Hofe des letzten russischen Zaren.
Hmm, die Amis entdecken den Horror russischer Folklore - hab ich ja schon wohlwollend bei HELLBOY beobachten können.
In irgendwelchen Rezensionen wurde die Härte des Buches warnend erwähnt. Na, konnte ich nicht wirklich nachvollziehen. Vielleicht bin ich einfach schon abgestumpft! Will's mal nicht hoffen... Keene hat einen plastischen, direkten Erzählstil. Da kann es natürlich sein, dass seine splattrigen Schilderungen anatomischer Verwerfungen aufgrund handfester Auseinandersetzungen, nicht nur mit Schusswaffen, eben so kühl und unmittelbar rüber kommen, dass der Schockeffekt flöten geht; wenn er denn beabsichtigt war.
Der Roman war spannend, es gibt viele Opfer, aber auch so etwas wie ein happy end. Ich fühlte mich hinreichend unterhalten, aber nicht nachhaltig hingerichtet... äh, nee, also, es handelt sich aus meiner Sicht nicht um einen Meilenstein der Horrorliteratur.
6,5 / 10 Punkte
Jörg Kleudgen: „Stella Maris“, Goblin Press 2011
Eine „Heimat-Horror-Story“ von der Nordseeküste. Ein Wissenschaftler, der nach einem missglückten Experiment mit einer unheimlicher Substanz aus der Tiefsee in die Einsamkeit eine Küstendorfes flieht, wird mit einem uralten Mythos konfrontiert. Eine schöne Frau, die irgendwie ähnlich einsam und verloren in der Welt wirkt wie er, steht in einer uralten Tradition, die sich alle 30 Jahre in einer Hochzeit mit dem Meer erfüllt. Leider erfüllt sich dadurch nicht seine Liebe zu ihr.
Das Buch ist ein kleines Meisterwerk in interessanter Handarbeit gefertigt, erscheinen in der vor 6 Jahren eingestellten Goblin Press. Demnächst ist mehr aus der Richtung zu erwarten!
7 / 10 Punkte
Jussi Adler-Olsen: "Schändung"
Mein 2. Adler-Olsen! Na ja, mehr gibts ja noch gar nicht. Auch nach dem Band werde ich wohl bei der Stange bleiben, denn es hat mir wieder gefallen.
Zum Titel: Im Dänischen besteht er diesmal auch nur aus einem Wort, das aber wörtlich übersetzt "Fasanenmörder" heißt. "Schändung" klingt ja bestialischer, reißerischer, aber irgendwie austauschbarer. Beide Titel passen durchaus für das Buch.
Diesmal geht es um eine Clique reicher Schnösel, die alle eine Eliteschule besucht haben und schon als Jugendliche in ihrer Freizeit gerne Leute quälten und umbrachten. Unser Team - Dezernat Q - um den etwas aufs Abstellgleis verschobenen Carl Moerck und dessen syrischen Assistenten und eine Neue, eine forsche, unbequeme Dame, sollen sich um ungelöste Fälle kümmern. Hier geht es um einen Mord, der 20 Jahre zurück liegt. Interessanter Weise wurde jemand dafür eingesperrt, aber es gibt Zweifel...
Und natürlich sind diese menschlichen Bestien noch am Wirken...
Nun ja, Adler-Olsen verbindet seinen Krimi mit - sozusagen - Vulgär-Gesellschaftskritik, denn diese unympathischen Mörder gehören zur High Society der Dänischen, bürgerlichen Gesellschaft. Sollten solche Verhaltensweisen, die diese Leute an den Tag legen, stimmen, kann einem Angst und Bange werden. Vielleicht ist das etwas dick aufgetragen, zumal der Umstand, dass die Jahrzehnte unbehelligt so agieren können, nicht sehr glaubhaft ist. Hätte man da nicht längst ganz anders gefahndet?
Nebenbei veranstalten diese Schnösel private Jagden, auf exotische Tiere, oder auch mal auf einen tollwütigen Fuchs, der mit Armbrüste geschossen werden muss, ohne dass man sich von ihm beißen lässt.
8 / 10 Punkte
von Aster / Koch / Hoffmann: "Weihnachten im Stirnhirnhinterzimmer. Bedingt besinnliche Geschichten"
Jau, der Titel sagt das Meiste! Kuriose, schwarze, kurzweilige Unterhaltung - für mich vor allem bei Straßenbahnfahrten. Sicherlich ist es noch amüsanter, die Herren im auch titelgebenden Lokal ihre Geschichten vortragen zu hören, aber so in dieser Buchform war es auch sehr schön. Kann gar nicht sagen, welche Story mir am besten gefiel. Christian v. Aster brilliert wie immer mit angewanntem Wortwitz und skurrilen Ideen, Boris Koch widmet sich dafür intensiver seinen Charakteren und Markloff Hoffmann bringt eine fast ernste Note mit ins Spiel. Eine schöne Sammlung grusliger Bonbons.
8 / 10 Punkte