Wurde hier ein neues Genre erfunden? Nun, das wäre sicher zu weit gegriffen. Aber so wie die Gothic-Literatur sich irgendwie - im besten Falle - im Gothic-Rock wiederfindet, so zieht Michael Tillmann die harten und lauten Klänge des Metal in die Phantastik rein. Die geschilderten Typen sind Metal-Heads, handfeste Arbeiter, die aber mitunter raus wollen aus dem Milieu. Dazu gibt es Horror, etwas Splatter, stimmungsvolle Geistergeschichten...
Die Sammlung ist abwechslungsreich. Es beginnt mit einer japanischen Geistergeschichte. Fast scheint es, als wäre es die Story zum Zeitgeschehen. Die Rahmenerzählung gibt ein Gespräch zwischen einem Deutschen und einem Japaner wider, der gerade in Deutschland weilt. Es geht auch im „typisch Japanisches“, was großartig zur gegenwärtigen Diskussion über das Japan passt. Das ist aber eher ein Zufall. Es wird dabei auch ein Klischee hinterfragt.
Einige Stories waren für meine Begriffe gar keinen richtigen, denn in ihnen hat meiner Meinung nach der Autor den Plot etwas vernachlässigt. Es sind daher eher Momentaufnahmen, über einen Zombiejäger, oder einen Arbeiter, dessen Horrorträume völlig weiß sind und der aus der Enge seines Lebens ausbrechen will; es gibt eine Godzillajade, für die das Titelbild mit den Teufeln im Stahlwerk Pate stand; über die Qualen ganz finsterer Metals-Heads, die vom Geist eines christlichen Mönchs besessen sind. Eine ländliche Hexengeschichte, bis hin zu einem experimentellen Text über Spiegelflächen, die alles sind, auch Gott.
8 / 10 Punkte
Meine Rezi dazu in CTHULHU LIBRIA 32 / April 2011
Elliott Hall: „Den ersten Stein“
Toller, dystopischer Krimi. siehe mehr dazu hier.
10 / 10 Punkte
„Hiroshima soll leben“
Die schönsten Alternativwelt-Geschichte hg. v. Karl Michael Armer
Der Titel klingt zwar sehr aktuell, aber das Buch stammt aus dem Jahre 1990. Ich kann auch nur beteuern, das ich mich nicht durch den Aufmerksamkeitsschub in Sachen A-Kraft derzeit animiert sah, das Buch zu lesen. Mir stand der Sinn - mal wieder - nach alternative history. Kam voll auf meine Kosten, wenn auch nicht bei allen Stories.
Kim Stanley Robinson: „Lucky Strike“
So hieß das Flugzeug, das die erste Atombombe über Japan abwarf, nicht etwa Enola Gay. Hier erfährt man auch, warum die Enoly Gay nicht flog. Das nur nebenbei. Es geht um ein Besatzungsmitglied des Flugzeugs, der ahnte, was er da zu tun hatte und einen Weg suchte, den Befehl nicht auszuführen und damit zum Massenmörder zu werden. Die Story hat kein happy end, aber es gibt trotzdem Hoffnung Absolut stark!
George Alec Effinger: „Ziel: Berlin!“
Ach na ja, verrückte Sache, das.. Also, der 2 Weltkrieg fand nicht in den 40ern statt, wurde dann aber von den Nazi-Opas am Ende des XX. Jh. ausgelöst.
Harry Turtledove: „Das letzte Gebot“
Der Autor ist interessant. Wenn man nach alternative history sucht, stößt man unweigerlich auf diesen Namen. Der Mann scheint nichts anderes zu tun, als die menschliche Geschichte umzuschreiben. Dass so wenig ins Deutsche übersetzt wurde, liegt wohl daran, dass er die Deutschen nicht mag. Ob das stimmt?
Die Story war gut. Die Deutschen haben die UdSSR, England auch besiegt und marschieren jetzt in Indien ein. Ihnen stellt sich Gandhi entgegen und versucht durch passiven Widerstand den Eroberungswillen der Nazis zu brechen. Konsequenter Weise scheitert er.
Kate Wilhelm: „Das Dorf“
Hmm, konnte auch mit dem Roman, „Hier sangen früher Vögel“, nichts anfingen; die Story erschloss sich mir auch nicht so recht. OK, muss wohl um eine Ruflektion des Vietnamkrieges gehen, die Autorin schildert eine US-amerikanische Kleinstadtidylle, die von fremden, brutalen Invasoren heimgesucht wird.
Somtow Suchartikul: „Aquila“
Die Römer haben die Dampfmaschine erfunden und Amerika entdeckt. Indianer helfen dann auch bei den Kämpfen der Römer gegen die Parther. Sehr stimmig und eindrucksvoll, aber nicht so überraschend...
George R. R. Martin: „Belagert“
Das war nun wieder richtig gut! Per Zeitreise soll in bestimmten Schlüsselsituationen der Geschichte eingegriffen werden, um den Lauf derselben zu ändern. Hier nimmt man sich einen Russisch-Schwedischen Krieg vom Beginn des 19. Jahrhunderts vor. Verhindern will man die Dominanz der Russen in der eigenen Gegenwart.
Brian W. Aldiss: „Vorsicht! Religion!“
Da werden Leute verschiedener Realitäten in ein England geholt, in dem es Sklaverei gibt. Die Welten liegen in einer Matrix und man kann zwischen ihnen wechseln, wenn man kann.
Diese Story scheint die älteste (1969) der hier versammelten zu sein. Mitunter brilliert sie durch eine tolle Sprache, auch die Ideen sind großartig, aber der eigentliche Plot it mitunter etwas an den Haaren herbeigezogen; so macht man das heute nicht mehr...
Nebenbei bin ich hier dem Begriff „Subs“ für Sklaven begegnet. Sonst finde ich den Begriff im NETZ immer nur in einem anderen, eher sexuellen Zusammenhang. Mir war er bis dato nicht geläufig; da muss ich doch mal Thor Kunkel fragen, wie er auf den Begriff kam; etwa durch diese Story?
Joe R. Lansdales Story ist die kürzeste, trägt aber den längsten Titel. Die Indianer haben sich gegen die Weißen durchsetzen können, nun haben sie in Nordamerika ziemlich harsche Regimes errichtet, dass mit Andersfarbigen (Schwarzen und Weißen) nicht gut umgeht...
Was will Herr Lansdale damit sagen: Liegt Rassismus in der Luft in Nordamerika?
Stefano Tuvo: „Die wunderbaren Welten des Casy Deiss“
Äh, habe nicht verstanden.
William Gibson: „Das Gernsback-Kontinuum“
Eine Hommage an ein Zeitalter, ganz wunderbar! Der Cyberpunker schwelgt im Art Deco, im optimistischen Futurismus, in einer Welt, wie sie die ersten SF-Autoren der 20er/30er Jahre erträumten.
Lewis Shiner: „Zeit des Zwielichts“
Strafgefangene werden missbraucht für Zeitreiseexperimente. Wichtig ist es, dass man stark emotional an eine Situation gebunden ist, um in der Zeit zurück reisen zu können. Hier reist der Protagonist in seine Kindheit zurück, USA, 50er Jahre. Komischer Weise ist es aber wie eine SF-Variante, wie in einem SF-Movie der 50er Jahre. Und was er dort am Ende veranlasst, hat tatsächlich Einfluss auf seine Gegenwart und zwar zum Guten, denn, wie der Leser erfahren muss, herrscht in den USA eine Art Superpolizei.
Shiner spielt mit den Topoi der trivialen SF seiner eigenen Jugend, aber so toll und spannend; eines der Highlights des Bandes!
Connie Willis: „Chancen“
Genauso langweilig wie ihre Romane. Da geht†™s wieder nur um eine kleine Kleinigkeit, die lang und für mich absolut wenig inspirierend ausgewalzt wird. Was finden die Leute nur an dieser Autorin?
8 / 10 Punkte (wobei einige Stories die 10 voll erreicht haben!)
Robert E. Howard: „Unter schwarzer Flagge“
Untertitel: Abenteuer in der Karibik. In Wirklichkeit sind es 2 Stories: „Die Rote Bruderschaft“ (Swords if the Red Brotherhood) und „Black Vulmeas Rache“ (Black Vulmeas Vengeance)
Eine fast kindliche Freude überfällt mich, wenn ich an diese reißerischen Piratenstories denke. Vielleicht ist das ja ein erster Schritt in die Alters-Infantilität (gibt†™s so was?), jedenfalls habe ich mich beim Lesen in letzter Zeit so wohl gefühlt. Woran liegt das? Hmm, da sind sicher erst einmal die Ingredienzien: Ruchlose Gestalten, Piraten, Bukanier, mit und ohne Kaperbrief aus dem 17. Jh., die sich alle nichts nehmen. Also, so richtig positive Helden gibt es hier gar nicht, auch Black Vulmea ist nicht wirklich ein Engel, dazu Schätze unglaublichen Ausmaßes, Indianer und andere Wilde, die hier in sicher politisch inkorrekter Weise präsentiert werden, aber immer sehr starke und ernst zu nehmende Gegner der weißen Piraten sind, hinreichend exotische Kulissen mit Ruinen und Überresten uralter Kulturen.
Insgesamt hatte ich oft genug Johnny Depp als angetrunkenen Jack Sparrow vor Augen, als ich es las. Ich glaube nicht, dass die Macher des Filmes die Stories von Howard im Sinn hatten, wahrscheinlicher ist, dass Howard hier perfekt den Stil der Abenteuergeschichten aufgriff, die zu seiner Zeit halt in waren und die dann tatsächlich auch zu den Ahnen der „Pirates Of The Carribian“ wurden. Die Vulmea-Stories kommen weitestgehend ohne übernatürliche Elemente aus, aber da die antiken und archaischen Wurzeln allgegenwärtig sind, passen sie trotzdem in den Reigen der phantastischen Welten des Autors.
In der ersten Story ist ein französischer Adliger mit Familie, Hofstaat und Untertanen in die Karibik geflohen. Dort haben sie sich an einer wilden Küste angesiedelt und eine kleine Festung gebaut, die ihnen Schutz vor den Indianer bieten soll. Vor wem er da geflohen ist, ist zunächst ein Geheimnis, aber es dürfte klar sein, dass ihn dieses Geheimnis einholen wird. Allerdings in einer äußerst dramatischen Situation, da der Ort seiner Zuflucht nicht ganz zufällig in der Nähe eines sagenhaften Schatzes liegt, auf die französische und englische Piraten abgesehen haben. Die Indianer lassen auch nicht auf sich warten.
In Story No. 2 wird Vulmea und seine Mannschaft von einem Briten gestellt; die Piratenmannschaft liegt besoffen in den Seilen...
Vulmea kann sich dem Tod durch den Strang nur durch eine Lüge entziehen. Er behauptet, einen Schatzhort zu kennen und den loyalen, aber nicht wohlhabenden Untertanen seiner Majestät dorthin zu führen. Es wird wieder haarig, Eingeborene und entlaufene, schwarze Sklaven sind ihre Gegner.
Für Vulmea wird die Auseinandersetzung mit dem englischen Kapitän auch zu einer Frage der Vergangenheitsbewältigung, daher der Titel „Black Vulmea's Rache“. Doch die Rache fällt anders aus, als es zunächst den Anschein hat.
Howard kann sehr plastisch erzählen, seinen Kampfschilderungen folge ich gerne, seine Personenbeschreibungen sind eindringlich. Mitunter hatte ich wirklich den Eindruck, er schreibt hier für Filme (oder von Filmen ab), was natürlich Unsinn ist; umgedreht wird eher 'n Schuh draus.
9 / 10 Punkte