Mein Lieblingsbuch 2021
Ina Elbracht Daniel Bechthold 2021
Ina Elbracht: „Pentimenti“, illustriert von Daniel Bechthold
Okay, das Jahr ist gelaufen: Ich habe wohl schon mein Lieblingsbuch in 2021 gefunden.
Dabei wollte es anfangs gar nicht so scheinen. Außerdem wird meine Urteilskraft durch etwas „getrübt“, nämlich durch meinen Stolz. Dabei habe ich gar nichts groß getan, außer etwas Platz im Rundbrief an die Freunde des ASFC, dem NEUEN STERN, zu spendieren. In dessen Ausgabe 43 vom Herbst 2018 erschien nämlich eine Short Story der Autorin - besser: des Autorengespanns - gleichen Titels, die der Nucleus dieses Buches darstellt, erschienen 2020 bei Wurdack in der Edition 100. Aber doch, ein bisschen stolz bin ich schon.
Die Short Story findet sich in einem Erzählstrang des Romans wieder, wird natürlich ausführlicher erzählt. Aber am Ende gilt schon - darauf muss man gefasst sein:
„Ich muss mir eingestehen, dass es Dinge gibt, die bei aller Mühe unerklärbar sind und es auch bleiben.“ (S.162)
Das macht gute Unheimliche Phantastik aus, denke ich: Dass man im Unklaren bleibt, weil man mit etwas konfrontiert wird, was den menschlichen Verstand überfordert, oder untergräbt, oder ad absurdum führt. Genau das schafft das Buch!
Dabei fing es fast zu langsam an. Zunächst werden diesmal zwei Paare eingeführt. Zum einen Adam und Eva aus der Short Story, also Adam, den seltsamen Maler und dessen Frau. Das zweite Paar sind Holly und Paul. Beide Paare sind nicht einfach, bzw. schon besonders. Nun wird auch recht ausführlich auf die beiden Paarbeziehungen eingegangen. Das lullte mich ein. Nun, das las sich nicht schlecht, war interessant und die Autorin ist einfach zu gut, um mich auch bei so einem Thema kalt zu lassen, aber hätte ich dann so euphorisch reagiert, würde es so weitergehen?
Beide Paare erleben wir dabei, wie sie in ihre neuen Domizile einziehen. Adam & Eva weit ab vom Schuss, irgendwo im Wald, wo sie ihre Ruhe haben, wo Adam in Ruhe malen und Eva in Ruhe ihre Pflanzen pflegen kann.
Paul & Holly ziehen auch in so eine Einöde. Holly sucht ein Haus, aus dem sie eine Art grusligen Erlebnispark machen kann. Paul will nur das eine. Aber gut, lest selbst.
Fakt ist, dass es nicht bei Beziehungskram bleibt. Ich habe mich da noch immer gefragt, was beide Erzählstränge verbindet. Dann krachte es bei einem Pärchen. Danach las ich fiebrig weiter und wartete nur darauf, dass es bei den anderen auch kracht.
Es kam auch so und noch heftiger. Wow!
Ja, und wie die beiden Paar-Geschichten zusammenhängen, wird natürlich auch erzählt.
Man soll ja Autoren nicht danach fragen, woher sie ihre Ideen haben. Nun, ich würde das in diesem Falle die Autorin auf keinen Fall fragen, denn ich hätte Angst vor der Antwort. Fakt ist, dass sie mich wieder absolut überrascht und gefesselt hat mit ihrer Schreibe!
Der zweite Autor ist aber Daniel mit seinen Bildern. Für sich genommen erscheinen sie spröde und dunkel. Sie versprechen eine finstere Welt, aus denen sie Ausschnitte zu sein scheinen. Erst mit dem Lesen erkennt man, was man da sieht! Das ist tatsächlich eine Offenbarung. Und man kann sich in ihnen, in ihrem Detailreichtum, verlieren, wie in einem Strudel (oh, war das jetzt ein Spoiler?).
Daniels Stil erinnert mich an die Illustrationen phantastischer Werke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vornehmlich aus dem deutschsprachigen Raum. Sie könnten auch im ORCHIDEENGARTEN abgedruckt worden sein, in den 20er Jahren. Für mich sind sie eine Wohltat in der Flut computergenerierter scheinbarer Perfektion auf dem Illustrationssektor.
Leser*innen: Lest mehr Elbracht / Bechthold! Ina & Daniel: Schreibt / zeichnet mehr!
11 / 10 Punkte