Hofmann las im März...
Hubbard George Langelaan Bernhard Kempen Greedy Ursula K. Le Guin Lupoff
Leseliste im März. Ist ziemlich lang geworden. Aber das trügt etwas, da die Bücher meist keinen großen Umfang haben und das Hörbuch habe ich schon vor dem März begonnen.
15 - Richard A. Lupoff: „Vorstoß in den Äther“
Da ist Ende 2020 ein SF-Autor verstorben, den ich bis dahin gar nicht kannte. Die Nachrufe auf ihn, z.B. in dem Fanzine BWA vom Dezember 2020, haben mich aber sehr neugierig auf ihn gemacht.
Hier also meine Erstlesung des Autors. Und? Oh ja, hat mir sehr gefallen!
Es ist ein Vorläufer des Steampunks (1974 geschrieben). Ende des 19. Jahrhunderts erfindet ein mad scientist ein Äthermobil und begibt sich mit Schüler und Diener auf große Fahrt. Das Gefährt wird mit Kohle und Wärme angetrieben; wie es funktioniert? Wird nicht verraten. Allerdings lernen die Ätherargonauten später andere Äther-Raumfahrer kennen: vernunftbegabte Katzen. Die erklären dem Professor die Funktionsweise ihres Ätherantriebes, der - ganz im Gegensatz zu dem des Professors - mit Kälte funktioniert.
Aber wissenschaftliche Korrektheit sollte man hier ohnehin nicht erwarten. Sie gelangen zunächst auf den Mond, und dort über eine Wunde in der Brust der riesigen Mondkönigin in eine Art inner-selenischen Ätherraum.
Dorthin hat es auch schon eine spanische Galeone verschlagen, die im Jahre 1492 losfuhr. Bei dem Jahr klingest es sicher. Aber es ist nicht Columbus, denn sie stammt aus einem Paralleluniversum, in dem Spanien von russischen Zaren regiert wird.
Die Story lebt von ihren Verrücktheiten und einem bunten Haufen kurioser Figuren. Dazu ist alles in einem bewusst altertümlichen, lustigen Slang verfasst. Wenn man sich mit dem erst einmal angefreundet hat, macht die Lektüre einen Riesen-Fetz. Ich war ziemlich angetan.
9 / 10 Punkte
16 - George Langelaan: „Die Fliege. Erzählungen aus der phantastischen Wirklichkeit“
Das Bändchen ist voller SF & Phantastik-Klassiker. Die bekannteste Story ist sicher „Die Fliege“. Es wurden 5 bis 6 Stories aus dem Band verfilmt. 5 bis 6 - je nach Ausgabe; in meinem dtv-Taschenbuch fehlt eine.
Die anderen Verfilmungen sind nicht so berühmt wie „Die Fliege“, aber mit „Schach dem Roboter“ und „Eurydike“ zumindest noch 2, die deutschen Zuschauern bekannt sein könnten.
Die Stories erinnerten mich im Stil an Roald Dahl, vielleicht auch ein wenig an Sheckley. Sie unterhalten mit schwarzem Humor.
Was haben wir da alles? Das mit der Fliege, die in den Teleporter gerät, kennt man ja. Dann versucht ein unzufriedener Ehemann, der des Mordes an seiner Frau angeklagt wird, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen, indem er sagt, dass er sie nicht vergiftet habe, sondern allein ihr Gedanke daran, gerade Gift zu sich genommen zu haben, brachte sie um (daher die Nähe zu Dahl).
„Das Mädchen aus nirgendwo“ ist fast schon eine archetypische Erzählung. Die Story wurde viermal verfilmt. Es geht um die Kontaktaufnahme mit Menschen in einer Anti-Welt, die dort durch die Atombombenexplosion in Nagasaki hingeraten sind. Der Kontakt über Fernsehapparat ist dann für die Beiden, die sich ineinander verliebt haben, unbefriedigend.
Ein Mann kann Tiere mental beeinflussen, aber nicht verhindern, dass so ein Tiger, dem er zeigte, wie er sich aus dem Zoo befreien kann, ihn zu fressen.
Ein Verstorbener kann sich selbst wiedergebären und ein Versicherungsbetrüger hofft auf ein Wunder, an das er nicht glaubt, das aber eintritt und seine unlauteren Hoffnungen zunichtemacht.
Wenn die eigene Hand etwas tut, was man eigentlich nicht will (und verbrecherisch ist), dann ist man entweder schizophren, oder das ist gar nicht die eigene Hand.
Ein Mann schließt einen Pakt mit dem Teufel, aber am Ende verliert er dennoch den geliebten Hund und die gar nicht so sehr geliebte Frau ein zweites Mal.
Zum Schluss besteht ein Pilot seinen letzten Überseeflug, der fast in die Hosen ging. Aber ein großer Vogel weist ihm den Weg aus der Misere, obwohl es so einen Vogel gar nicht geben dürfte.
Sehr kurzweilige Stories zwischen Horror, urbaner Fantasy und SF. Bin sehr froh, dieses fast vergessene Talent für mich entdeckt zu haben; da werde ich wohl mehr von ihm lesen müssen.
10 / 10 Punkte
17 - Bernhard Kempen: „ARKADIA. Ein Greedy-Roman aus dem Xenosys-Universum“
Das Buch wurde vom Autor als was Besonderes für SF-Freunde angepriesen, „besonders“, weil es die eher konservativen SF-Lesegewohnheiten nicht bedient werden.
Nun ja, wie soll ich es sagen? Von alten SF-Fans weiß ich, dass die sexuelle Revolution auch am SF-Fandom nicht spurlos vorbeiging, damals so in den 70ern. Es gab da wohl Tendenzen, SF und Sex zusammen zu bringen. Zudem locken ja viele SF- und vor allem Fantasy-Cover-Bilder mit mindestens halbnackten Schönheiten. Vor allem sollen damit heterosexuelle männliche Leser angelockt werden.
Das alles täuscht natürlich nicht darüber hinweg, dass SF auch sehr prüde sein kann.
Was ist nun an diesem Roman besonders?
Zum einen zielt es auf den Zeitgeist, möchte ich behaupten. Das Thema Divergenz, vor allem im sexuellen Bereich, wird thematisiert. Dazu wird eine sehr gehörige Portion Freizügigkeit hinzugetan. Das „Thema Nr. 1“ ist dann auch Hauptthema des Buches.
Arkadia ist die Verwirklichung einer Utopie der Nudisten. Alle laufen nackt herum. Es gibt keine sexuellen Tabus - natürlich immer unter der Maßgabe: Was den Beteiligten Spaß und Freude macht, und wenn niemand dabei beschädigt wird, ist gut. Diese utopische Menschengemeinschaft gilt daher auch als absolut friedfertig. Es gibt keine gesellschaftlichen Konflikte.
D.h., wenn alle nackt sein dürfen und zudem auch keine sexuellen Bedürfnisse unbefriedigt bleiben müssen, dann haben wir eine ideale Gesellschaftsordnung? Es gibt keine Unterdrückung, keinen Krieg etc.
Ob das so verkürzt dargestellt wirklich eine ernst zu nehmende Alternative ist?
Die Arkadier berufen sich auf die Nudisten-Bewegung der Erde. Aber, das frage ich mich, der ich mich da nicht so auskenne: Sind die Nudisten, nur weil sie nackt in der Natur leben wollen, gleichzeitig so dermaßen promiskuitiv, bzw. sexuell freizügig? Hat da wirklich das Eine mit dem Anderen zu tun?
Na gut, nehmen wir mal an, das funktioniert so.
Den Leser oder die Leserin erwarten also ziemlich deftige, freizügige Szenerien. Wir betrachten sie mit den Augen eines irdischen Reporters, der von dem utopischen Gemeinwesen berichten soll. Selbst kann er sich nicht so leicht entblößen. Dass er angezogen viel mehr unter den Nackten auffällt, muss er dann halt akzeptieren.
Greedy ist eine Bewohnerin des Planeten. Sie besitzt besondere Fähigkeiten, die mit dem direkten Kontakt mit anderen Menschen zu tun hat. Will nicht zu viel verraten, aber das dürfte auch in kommenden Romanen noch eine große Rolle spielen. Hier erst einmal auch.
Es gibt dann doch ein Verbrechen in dieser anarchischen, utopischen Friedens- und Liebes-Welt. Unser Erdenreporter steht sogar in Verdacht, der Übeltäter zu sein.
So richtig 100%ig hat mich der Roman nicht überzeugt. Die Figuren wachsen einem schon ans Herz. Die Story ist aber nicht so spektakulär. Die einschlägigen Schilderungen nutzen sich dann auch schnell ab, finde ich. Mir reicht diese dann nicht als tragendes Element. Und dass Das immer und überall die Hauptrolle im Leben der Arkadier spielt, halte ich auch für etwas zu viel des Guten. Dem Autor ging es dabei sicher auch darum, einige Gedanken, die mit sexueller Selbstbestimmung, Geschlechtlichkeit etc. zu tun haben, zu diskutieren. Das konnte mich aber nicht so richtig überzeugen, bleib für mich zu sehr an der Oberfläche und wurde von der sexuell aufgeladenen Stimmung, die mit Worten erzeugt wird, überdeckt.
Trotzdem bin ich mal auf die Fortsetzung neugierig, denn Greedy werden wir wohl noch einmal begegnen, dann aber nicht auf Arkadia? Und dann wohl auch nicht nackt, oder?
8 / 10 Punkte
18 - L. Ron Hubbard: „Fear“ (Das Grauen, Opfer der Dämonen)
Jetzt wollte ich es mal wissen: Wie weit geht denn so eine Kürzerei in den alten Heftromanen. Der Zufall half mir dabei, denn ich habe bei meiner Suche nach den alten Schmökern von Hubbard beide Ausgaben von Fear erwischt: Als Vampir Horror-Roman von 1974 und als Hardcover aus dem Jahre 1993.
Mein Fazit: Das mit der Kürzung ist enorm! Im Heftroman wurde viel weggelassen. Aber ein Vergleich mit dem Original zeigt, dass auch in der Hardcover-Ausgabe etwas fehlt. Interessanter Weise fehlen da Sätze, wörtliche Rede, die keiner näher benannten Person zuzuordnen sind, die aber den Leser in eine bestimmte Denkrichtung lenken. Warum wurden sie in der - nur scheinbaren - vollständigen Übersetzung weggelassen?
Das Buch an sich hat mich ziemlich beeindruckt. Eine interessante Story, von der man meint, dass es sich um eine Dämonen- und übernatürliche Horror-Story handelt, ist es aber am Ende nicht. Die Original-Story in UNKNOWN vom Sommer 1940 nennt die Story aus „psychologische Fantasy“; das trifft es.
Ein Professor für Ethnologie, der auch oft auf abenteuerliche Forschungsreisen geht und seine junge Frau im Uni-Städtchen zurücklässt, wird nun aufgrund eines Artikels in einer Zeitschrift entlassen, in dem er darüber schreibt, dass der Aberglaube alter Zeiten an Dämonen und Geister bei der angewandten Medizin Unsinn gewesen ist. Dem Institutsleiter passt die Form (populäre Zeitschrift) nicht und will auch nicht, dass der Glauben an sich in Misskredit gebracht wird - wobei: diese Aussage fehlt im Heftroman (mal so nebenbei).
Zudem hat er aus den Tropen Malaria mitgebracht. Dann kommt noch eine gehörige Portion Eifersucht dazu, denn sein bester Freund kümmert sich für seine Geschmack etwas zu viel um seine Frau.
Und nun sieht er sich in albtraumartigen Zuständen von Dämonen verfolgt - oder?
Großartig erzählt, packend, einfühlsam.
9 / 10 Punkte
19 - William S. Burroughs: „Ali†˜s Smile & Naked Scientology“
Nach so viel Hubbard muss ich auch mal die andere Seite zu Worte kommen lassen. - Nee, so funktioniert das auch nicht, denn die Sachen, die ich von Hubbard gelesen habe, haben mit der späteren Religion / Lehre von ihm nichts zu tun, und ob Burroughs wirklich die andere Seite verkörpert?
Literarisch natürlich schon. Der Text hier ist allerdings sehr konventionell. Es sind ohnehin eher Briefe und Artikel aus Zeitschriften, in denen sich B. mit Scientology beschäftigt.
B. war ja auch mal „dabei“, hat aber eher schlechte Erfahrungen gemacht und ist wieder ausgestiegen. Darüber berichtet er und setzt sich mit S. auseinander.
Interessant für mich war dabei, dass offensichtlich das Thema Psychotherapie in den USA eine sehr große Rolle spielt. In Burroughs Reflexionen spielt auch die Auseinandersetzung mit den Psychotherapeuten eine sehr große Rolle. B. War gegen beide, aber da S. wohl auch ein Gegengewicht, oder Gegenangebot für Suchende in Sachen psychologische Betreuung darstellte, geriet B. nicht nur in den Verdacht, S., sondern auch die P. zu unterstützen; je nachdem, wer ihn kritisierte†¦ So erklären sich für mich seine teilweise harschen Worte, die er beißreflexartig vorträgt.
Ansonsten ist das Ganze keine tiefsinnige Auseinandersetzung mit Hubbard, oder mit Dianetik etc. Auch die kurze Story, die S. thematisiert, gab mir im Grunde gar nichts. Ich werde wohl doch kein B.-Fan.
6 / 10 Punkte
20 - Ursula K. LeGuin: „Rocannons Welt“
Der erste Hainish-Roman der Autorin (und wohl ihr erste Roman überhaupt). Für mich ein Wiedersehen nach über 31 Jahren. Das war eines meiner ersten „Nach-Wende-West-Bücher“, das ich mir gekauft hatte. Die Autorin „gab†™s“ ja auch in der DDR, und hatte mich schon vorher begeistert. Na ja, ich glaube, nach dieser Zweitlesung muss ich die anderen wohl auch...
Ihre Schreibe kann mich nach wie vor begeistern, obwohl die Story ja gar nicht so besonders ist. Vor allem fasst sie sich mitunter sehr kurz und entscheidende Dinge passieren in wenigen Sätzen. Das traut sich heute kein Autor mehr, befürchte ich. Ich finde das ja gut, auch wenn es mir hier fast zu kurz war.
Rocannon ein Vertreter der Liga, eines Bundes humanoid besiedelter Welten. Prähistorisch sind diese Welten alle mal von Hainish aus besiedelt worden, auch die Erde z.B. Aber irgendwie haben sie den Kontakt verloren und dann wiedergefunden. Allerdings ist dieser Kontakt nicht sehr intensiv, da es keinen licht- oder gar überlichtschnellen Transport von Lebewesen gibt. Nur Maschinen können das überstehen.
Er ist auf einer bisher der Liga unbekannten Welt. Dort existieren gleich mehrere vernunftbegabte Arten; die Autorin schreibt von „Rassen“. Wobei biologisch wohl beides gemeint sein kann, denn einige der Lesewesen scheinen miteinander verwandt, andere eher nicht. Aber egal. Faszinierend ist halt hier einfach der Umstand, dass mehrere verschiedene vernunftbegabten Arten nebeneinander, auch noch in unterschiedlichen Entwicklungsstadien existieren.
Leider haben sich die Gegner der Liga auf dem Planeten breit gemacht. Irgendwie ist die Liga auch kein Gutmenschenverein. Sie sind sehr technisch - technokratisch? - orientiert und übersehen andere Zivilisationen, Vernunftbegabte, die nicht so technik-affin sind.
Auf dieser Welt gibt es Zivilisationen, die zwischen Bronzezeit und früher Industrialisierung stehen. Die Liga unterstützt gern aufstrebende Zivilisationen, um sie als Hilfs-Welten für ihren bevorstehenden großen Krieg (gegen wen?) fit zu machen. Ist ja auch kein sehr humanistisch-selbstloser Zweck.
Rocannons Truppe ist aber auf friedlicher Mission, sie wollen die Vernunftbegabten hier nur kennen lernen. Leider werden sie von den Rebellen getötet, nur Rocannon bleibt übrig, er schwört Rache und Vergeltung. Die kriegt er auch†¦
Mich fasziniert der Mix aus Hard-SF und astreiner Fantasy. Magie postuliert die Autorin nicht explizit, aber es gibt halt Telepathie, die Rocannon vom Hüter des Brunnens lernt. Und die Errungenschaften der Liga müssen den weniger entwickelten Einheimischen wie Magie vorkommen.
9 / 10 Punkte
21 - Virginia Woolf: „Orlando“
Hörbuch, ungekürzte Lesung mit Sissy Höffner
Darauf war ich jetzt einfach mal neugierig. Sicher auch wegen der rhetorischen Drama-Comedy-Nachfrage: „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“; „Orlando“, weil es ja ein phantastisches Grundthema besitzt.
Aber nun frage ich mich: Was habe ich da gehört? (Hätte ich es selber lesen „müssen“, hätte ich zwischendurch aufgegeben.) Die Idee, dass ein Mensch Jahrhunderte lebt und durch so einige Zeitalter kommt, ist faszinierend. Aber was macht Orlando draus?
Auch die Idee, dass jemand im Laufe seines Lebens das Geschlecht wechselt, vom Mann zur Frau wird, ist faszinierend, aber was macht die Autorin daraus?
Orlando will nur eine tolle Dichterin werden. Okay, steht ihr zu, aber es war für mich als Zuhörer nicht sehr erfüllend.
Dann habe ich versucht, mich über den Film „Freak Orlando“ an das Thema ranzutasten. Na, das war ein Irrweg für mich, um es mal so zu formulieren. Mit dem Kunst-Film kann ich noch weniger anfangen als mit dem Original-Werk.
Es gäbe da noch den Film mit Tilda Swinton. Leider habe ich ihn bisher nicht gesehen, nur Ausschnitte. Die waren für mich insofern interessant, als dass ich die Szenen wiedererkannte. Also hat der Text zumindest einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Aber ob der Film in Gänze mir das Werk dann auch insgesamt besser erschließt? Ich ließe es gern auf einen Versuch ankommen; wird sicher mal klappen†¦
Ist auf jeden Fall ein toll ausgestatteter Film, und Tilda Swinton übt eine große Faszination in ihre Rolle aus, keine Frage.
Okay, ein Stück Weltliteratur (?) abgehakt, leider kein Supererlebnis, wie ich doch erwartet habe (ja, mein Problem).
keine Wertung
Ich hatte mit Orlando meinen spaß;
https://fantasyguide...inia-woolf.html