So, jetzt habe ich mich - teils wegen der technischen Probleme des SFN, teils aus purer Faulheit - leider während der Lektüre kaum aktiv am Lesezirkel beteiligt, daher nun also nur noch ein Rückblick.
(Enthält übrigens Spoiler)
Der Reihe nach:
Die in der letzten Szene erwähnte "Sperre", die bei den Ewigen die Erinnerung an den eigenen Tod verhindert, erschließt sich mir noch nicht ganz. Müsste eine Marlene Dietrich sich dann nicht wundern, warum sie im Jahr 2044 noch lebt?? Aber gut, das wird vielleicht ja noch näher erläutert, daher will ich noch nicht meckern.
-> Ja, es wurde schnell klar, wie das genau funktioniert. Kein Problem also.
Persönlich macht mir der Name "Kari" ein paar Probleme, irgendwie verbinde ich damit immer einen weiblichen Vornamen und beim Lesen wird dann für einen kurzen Augenblick eine Frau aus dem Handlungsträger. Vielleicht gewöhne ich mich bis zum Schluss noch daran.
-> Das hat mich wiederum überhaupt nicht gestört. Ich empfand dadurch auch keine besondere Distanz zur Hauptfigur.
Ich glaube, Menschen sind bereit, sehr viel dafür zu tun, ein Vermächtnis zu hinterlassen - selbst wenn es nur ein statisches Hologramm ist. [...]
Das ist der Egozentrismus auf der einen Seite, die Jagd nach dem ultimativen Selfie.
Auf der anderen Seite sind auch Menschen, die jemanden Geliebten verloren haben, nach meiner Überzeugung auch bereit, sehr viel dafür zu tun, um den Status Quo zu erhalten. Trauernde können ganz extreme Formen der Realitätsverweigerung annehmen. Sie klammern sich an alles Mögliche, das der Verstorbene hinterlassen hat: Briefe, Filme, Fotos, Audio, Kleidung, Spielsachen. Manche Menschen richten sogar eine Art Museum für den Verstorbenen ein, mumifizieren das Zimmer, die Wohnung des Toten mit all den Hinterlassenschaften regelrecht, indem sie nichts mehr daran verändern. Ich bin überzeugt, dass viele Menschen in Trauer eine solche Technologie in Anspruch nehmen würden.
-> In diesen beiden Punkten stimme ich - im Widerspruch zu Uwe Post - 100%ig zu! Genau so sehe ich das auch.
1. Ist es plausibel, dass viele Menschen einen Ewigen von sich selbst hinterlassen wollen? Obwohl das ja nur ein "Abbild" wäre und man alles, was dieses Abbild dann in Zukunft noch tun bzw. "erleben" sollte, gar nicht mehr selbst bewusst mitbekommt?
Aber ja! Natürlich! Diese Art von Narzissmus ist doch auch heute schon selbstverständlich. Alles, was irgendjemand "für die Nachwelt hinterlassen" möchte, bekommt er selbst nicht mehr mit - das fällt doch damit unter genau diese Kategorie.
Wenn - spontanes Beispiel, weil in dem Buch mehrfach Queen zitiert wird - ein todkranker Freddy Mercury in seinen letzten Monaten noch ganz schnell möglichst viele Songs einspielen möchte... dann ist das ja letztlich nichts anderes.
2. Ich erlebe in meinem privaten Umfeld, wie eine verwitwete Frau auch nach Jahren in jedem dritten Satz erwähnt: "Er hätte jetzt dieses gesagt oder jenes getan" oder "Das mochte er auch immer sehr gerne". Sie spricht grundsätzlich noch immer von unserer Wohnung, unserem Auto oder unseren Nachbarn. Einen letzten Blick in den Sarg ließ sie sich am Tag der Beerdigung nicht nehmen, um ihm wirklich bis zum allerletzten möglichen Moment nahe zu sein (obwohl das leider wirklich, WIRKLICH keine gute Idee war). Bei ihr zuhause brennt stets eine Kerze, die seine Anwesenheit symbolisiert. Ich könnte noch weitere Punkte nennen...
Will sagen: Es besteht überhaupt kein Zweifel, dass sie die in diesem Roman beschriebene Möglichkeit eines Ewigen mit Freuden und ohne zu Zögern in Anspruch nehmen würde!
Das wären dann vielleicht nur noch 50%, die ihr vom geliebten Menschen blieben oder sogar nur 20%, und er könnte nicht mehr berührt werden und keine Nudeln kochen. Aber auf jeden Fall sehr viel mehr als 0%. Gar keine Frage, dass sie diese Chance nutzen würde.
(Natürlich würden nicht ALLE so denken - das ist im Roman ja auch nicht so. Aber eben doch viele, da bin ich mir absolut sicher.)
Traurig finde ich, dass die Haupthandlungsträger am Ende alle gestorben sind.
-> offener Lesezirkel hin oder her... das nenne ich mal die Mutter aller Spoiler! Gut, dass ich das erst im Nachhinein gelesen habe...
Ich meine, wenn ich jemandem mitteilen will, was er tun muss, um das Böse zu besiegen, sollte ich mich nicht klar ausdrücken? Sicherheitshalber? Die kryptische Nachricht tut in Wahrheit nur eins: Die Spannung aufrecht erhalten.
-> Das ist mir auch aufgefallen. So etwas ist ja ein relativ häufig angewandtes Prinzip und ich ärgere mich jedesmal darüber.
Auch Eva ist nicht mehr als ein Sidekick.
-> Habe ich nicht so empfunden. Ich fand sie sogar ziemlich interessant und glaubwürdig charakterisiert.
[...] was wäre ein Helmut Schmidt als Bundeskanzler wert der in einer Situation, wie er sie bei der Flugzeugentführung der Landshut erlebt hat, wenn er nicht über den Tod nachdenken könnte?
-> guter Punkt...
Ja, mir ging's nicht um Hard Sci-Fi sondern um ebendiese Fragen: Was wollen wir vom Leben, wer sind wir? Was werden wir hinterlassen? Die Technik kann und soll man schon hinterfragen, weil ich überzeugt bin, dass sie kommen wird bzw. ja schon daran gearbeitet wird. Die Welt des Romans sollte plausibel wirken, ich finde es nur selbst immer ermüdend, alles in technischen Details zu ersticken, das hemmt einfach den Storyfluss, das Lesevergnügen und den Blick für das Kernthema.
-> kann ich nachvollziehen. Hier ging es in erster Linie um die IDEE, und weniger um deren technische Ausführung. Das finde ich - solange es nicht von vorneherein und grundsätzlich vollkommen unsinnig ist - absolut legitim.
Womit ich hingegen die größten Probleme hatte, war folgendes:
Der Grund für Karis "Seitenwechsel" - und überhaupt die ganze weltumspannende Verschwörung hinter der Geschichte - liegt ja in der schockierenden Erkenntnis, dass Immortal die Ewigen, allen voran die der Politiker, manipuliert und ihnen nach eigenem Gutdünken gewisse Charktereigenschaften verpasst (oder eben auch nicht).
Das finde ich für "den ganz großen Clou" viel zu schwach. Denn mal ehrlich: Wenn die Ewigen eine dermaßen zentrale Rolle in der Welt einnehmen und es genau eine einzige Firma gibt, die sie erschaffen kann - dann würde ich doch ohne jeden Zweifel davon ausgehen, dass diese Firma die Ewigen exakt so erschafft, wie es ihr passt. Etwas anderes zu denken bzw. die Vorstellung, dass die Idee bisher kaum jemandem gekommen sein soll, erscheint mir so dermaßen naiv, dass ich es einfach extrem unglaubwürdig finde. An der Stelle hakt die ganze Geschichte dann irgendwie, finde ich.
Mein Fazit:
Eine hochinteressante Grundidee, ein packender Thriller, eine spannende Welt.
Aber leider auch einige Ungereimtheiten, Logiklöcher und eine manchmal etwas zu konstruiert wirkende Handlung.
Trotzdem ein unterhaltsamer Roman, den ich gerne gelesen habe.