So, jetzt ist ja wirklich viel Zeit vergangen, seitdem ich das Buch zu Ende gelesen habe, bzw. seit diese Lesezirkelrunde aktiv war. Trotzdem würde ich sagen, dass mir die Grundzüge des Romans recht gut in Erinnerung sind und dass sich mein damaliger abschließender Eindruck nicht verflüchtigt hat. Ich räume natürlich ein, dass ich Einiges vergessen und Anderes möglicherweise verzerrt vor Augen habe - man möge es mir nachsehen, jedenfalls werde ich eventuelle Fehler meinerseits nicht dogmatisch verbissen verteidigen
Eines möchte ich gleich vorwegschicken: Das Buch hat mich letzten Endes nicht (voll) überzeugen können, dazu gibt es leider zu viele Aspekte, die, sagen wir mal, bei mir eher Kopfschütteln verursachen. Nichtsdestotrotz bleibt es aufgrund seiner gelungenen Elemente in Erinnerung, und das ist, wie wir alle wissen, allzuoft nicht der Fall.
Zunächst möchte ich zwei, drei Punkte aufgreifen, die ich damals im Thread bereits angesprochen habe und deren Präsenz im weiteren Verlauf des Romans nicht ab- sondern teils leider sogar zunimmt. Einerseits sind da sprachliche Ungenauigkeiten wie z.B. der Begriff "Monozyklop" (Zyklop impliziert ja zumeist Einäugigkeit) oder die Elemente aus den Wortgruppen "minuten-/meterlang, -hoch, -weit", die meist im Sinne von 'genau ein Meter' verwendet werden und extrem häufig auftauchen. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Formulierung "gut drei Meter" u.ä.
Desweiteren negativ aufgefallen ist mir das Bemühen, allzu häufiges Wiederholen der Namen der Protagonisten durch die Erwähnung ihrer Rolle oder ihrer äußeren Charakteristika zu umgehen: "die Wandlerin", "der Schwarzgekleidete" etc. Ganz ehrlich: Auf Seite 600 weiß ich, dass Cutter schwarze Kleidung trägt oder dass Aris Wandler ist. Für mich wirkt das genau so: bemüht, und irgendwie ist das auch ein Stilmittel, das ich eher unerfahrenen Autoren oder Verfassern von Heftromanen zuordnen würde, die die Wirkung von Sprache (noch) nicht richtig einschätzen können.
So hat man manchmal fast das Gefühl, dass der Roman von zwei Personen geschrieben wurde, denn an anderen Stellen wird deutlich, dass viel Mühe, Können und Überlegung hinter den Formulierungen steckt.
Das gilt auch und in besonderem Maße für die Dialoge, die für sich genommen äußerst gelungen sind, aber durch die Inquits allzuoft, gerade gegen Ende des Buchs, regelrecht ruiniert werden. Nicht nur, dass sich viele auffallende Wörter wiederholen ("staunte sie", "erschrak er", "wunderte sie sich" usf.), oft werden ganze Gedankengänge in die Inquits gepackt - und das obwohl die eigentliche Äußerung schon genau aussagt, in welcher Gefühlslage sich die Personen befinden ("bot er ihm Paroli", "ärgerte er sich", "versuchte er sie aus der Reserve zu locken", "bemühte er sich, ihn umzustimmen", "umging er die Frage", "griff Ninive dankbar nach dem Strohhalm", "rechtfertigte er sich").
Ich denke, hier hätte es einen wohlmeinenden und darum beherzt zupackenden Lektor gebraucht, um das, was in der Anlage nicht nur gut, sondern auch tatsächlich bereits vorhanden ist, voll zur Geltung zu bringen.
Dieser hätte dann auch gleich ein paar Rüffel für die Anlage des Plots verteilen können, denn auch hier schwächelt der Roman meiner Meinung nach etwas; wobei ich das nicht als so schwerwiegend wie die stilistischen 'Auffälligkeiten' empfinde, soviel sei gesagt, aber ich war ein wenig enttäuscht.
Die Idee, 'Sidequests' in den Roman einzubauen, bzw. die betreffenden Handlungspassagen als solche zu behandeln, ist nicht schlecht. Aber: Sie bleiben seltsam folgenlos. Was im Rollenspiel funktioniert und meist notwendig ist, um Erfahrungspunkte, Ansehen und Fähigkeiten zu sammeln, verpufft hier einfach ohne Konsequenz. Sie sind eigentlich verzichtbare Umwege, was schade ist.
Ebenso bedauerlich ist, dass die Figuren, allen voran Ninive , anfangs sehr selbstbewusst und eigenbestimmt auftretend, immer mehr an Initiative und Bedeutung (die beseelten Haushaltsgegenstände) verlieren, passiver werden und im Grunde nur noch von äußeren Kräften durch den Roman getrieben werden (die dann auch noch, wie beispielsweise
).
Und das führt auch letzten Endes dazu, dass zum Abschließen des Romans Deus Ex Machinas benötigt werden (
), die in keinster Weise vorbereitet sind. Auch das ist schade, ich hätte mir gewünscht, dass die Handlungen der Protagonisten während des Romans das Ende mehr mitbestimmt hätten. Zugegebenermaßen ist das natürlich nicht immer einfach bei einem 'Reise-Plot', wo vielleicht oft gar keine langfristigen Entscheidungen seites der Figuren getroffen werden können. Sei's drum. Gravierender fand ich allerdings die Auflösung des Rätsels, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass Menschen die Fähigkeit zum Beseelen erhalten haben. Für mich war eben jenes Rätsel eines der spannendsten Fragen des Buches. Klar, man könnte einwenden, dass es hier gewisse religions-philosophische Implikationen gibt, aber naja, das war insgesamt zu wenig, zu dünn und für eine wirkliche Erklärung zu beliebig.
Ich denke, ein Grundkonsens in der Leserschaft ist die positive Bewertung des Phantasiereichtums, der sich im Roman zeigt, und dem schließe ich mich unbedingt an - hier zeigt sich seine große Stärke, die man in der Art selten findet. Gefallen hat mir zudem, dass hier ganz selbstverständlich die Genres SF und Fantasy ineinander übergehen. Das hat durchaus seinen Reiz.
Abschließend würde ich sagen, dass ich das Buch trotz der Kritikpunkte gerne gelesen habe; ich würde es wohl auch weiterempfehlen (falls mal jemand fragen sollte
) - mit dem caveat allerdings, dass es sein Potential leider nicht voll verwirklicht.
Bearbeitet von schilling, 21 Januar 2023 - 12:28.