Wolfgang Jeschke - Dschiheads
#1
Geschrieben 23 August 2013 - 12:04
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#2
Geschrieben 02 September 2013 - 10:59
Bearbeitet von Amtranik, 02 September 2013 - 11:02.
#3
Geschrieben 03 September 2013 - 18:53
#4
Geschrieben 05 September 2013 - 07:01
Das sehe ich genauso! Jeschke findet auch immer wieder überraschende Bilder, z.B. für Landung eines Shuttles: "Das Shuttle ... wirbelte Sandwolken auf und flocht Zöpfe hinein." Das ist originell formuliert und lässt plastische Bilder im Kopf entstehen.Die Sprache ist unheimlich klar und atmosphärisch.Die Beschreibungen toll, in genau der richtigen länge, weder ausschweifend oder verspielt, noch zu knapp oder telegraphisch.
Dieses Prinzip des "Nicht-zu-viel-und nicht-zu-wenig" wendet er u.a. auch bei der Beschreibung der Lebewesen auf Hot Edge an: Ausgewählte Organismen wie die "Listening Ladies", die "Gefährtinnen des Flusses" oder die "Walker" sind so treffend skizziert, dass ich sie als Tier-Pflanzen-Mischformen quasi vor mir sehe, ohne mit Details erschlagen zu werden.
Geschickt ist auch die Wahl zweier Erzähstränge: Einerseits schildert der junge Suk die Dschihead-Gesellschaft von innen, sieht seine Umgebung allerdings äußerst kritisch, so daß man sich als Leser sofort mit ihm identifizieren kann. Auf der anderen Seite kommen die beiden Exobiologen inklusive "Sir Jonathan Swift" von New Belfast hinzu und beschreiben die Zustände aus der Außenperspektive.
Ich habe auch den Eindruck, daß Jeschke bei der Beschreibung der Dschiheads und insbesondere des pädophil-sadistischen Großarchons zu satirischen Stilelementen greift - Satire nicht im Sinne von "Neues aus der Anstalt" sondern eher die dunkle und sardonische Variante von "1984" (Orwell hat seinen Roman ja mal Satire bezeichnet). Um ein Beispiel zu nennen: Die Bösartigkeit mit der der Großarchon in Kapitel 8 die völlig absurde Behauptung aufstellt, das Wort "Nase" werde schon immer mit zwei "a" geschrieben, ließ mir das Lachen im Halse stecken bleiben. Auch die Benennung des intelligenten Berner Sennenhundes (mit eingebauter KI!) nach dem Autor von Gullivers Reisen "Sir Jonathan Swift" könnte man als Hinweis in diese Richtung deuten. Insofern wäre "Dschiheads" - zumindest auf einer Ebene - die satirisch überspitzte, bissige Kritik an religiösen Fanatismus jeglicher Coleur. (Viele andere Szenen des Romans sind allerdings sehr "realistisch" geschildert, so daß der Roman insgesamt keinesfalls als Satire bezeichnet werden kann.)
Hier würden mich die Ansichten der Mitleser interessieren!
Nicht zu letzt weist der Roman zwei gelungene Spannungsbögen auf: Ich will unbedingt wissen, wie es mit Suk und Anzo weitergeht und ob Ailif, Maurya und Jonathan Swift mehr über die Dongos herausfinden - daher beende ich nun meinen Eintrag um weiterzulesen!
#5
Geschrieben 05 September 2013 - 07:59
#6
Geschrieben 08 September 2013 - 09:03
Um mit dem Positiven anzufangen:
Sehr gut hat mir die Beschreibung der Hot-Edge-Biologie gefallen: Exotische Wesen, treffend beschrieben, sehr stimmig in den Details und völlig überzeugend! Äußerst spannend war für mich die Mission der beiden Exobiologen, die nach und nach herausfinden, was es mit den mysteriösen Kunstwerken - die Dschiheads nennen sie verächtlich "Kritzeleien" - auf sich hat - klasse! (Liegt vielleicht daran, dass ich selbst Biologe bin).
Jeschke hat den Roman meines Erachtens auch recht geschickt aufgebaut: In der ersten Hälfte dominieren Dialoge, Rückblenden und Alltagsbeschreibungen, bevor in der zweiten Hälfte die "eigentliche" Handlung zunehmend in Gang kommt. Gerade den ersten Teil, in dem man Vieles über die Entstehung der Dschiheads, die Vergangenheit der beiden Wissenschaftler und die Gesellschaft auf New Belfast erfährt, fand ich ausgesprochen anregend. Hier legt Jeschke die Grundlagen dafür, dass der Leser später in den "Actionszenen" gebannt mitfiebert.
Wobei mich die beiden Extreme nicht gleichermaßen überzeugen, und damit komme ich zum einzigen wirklichen Schwachpunkt des Romans: der viel zu eindimensionalen Darstellung der Welt des Großarchons und seiner Gehilfen. "Seine Heiligkeit" ist nichts weiter als ein lila geschminktes, degeneriertes, sadistisches Monstrum, eher eine Karikatur als ein lebensechter Charakter. Und dies trifft in unterschiedlichem Grad auch auf andere Angehörige der Dschihead-Gemeinschaft zu (z.B. die "Erzengel" oder Suks Mutter). Wohlwollend könnte man dies als satirisch-bissiges Zerrbild interpretieren; da der Roman als solcher aber "realistisch" angelegt ist, hat es mich gestört.Hier wird die Beschreibung einer religiös-fanatischen Gesellschaft sicherlich auf die Spitze getrieben, glaube aber das Jeschke dies absichtlich so angelegt hat. Die Gegenüberstellung der extreme in den beiden Handlungssträngen Dschiheads-Wissenschaftler habe ich sehr genossen und macht für mich den Hauptreiz des Romanes aus. Für mich überwiegt der Religionskritische Blick bei Jeschke, wobei er sich auch die Mühe macht das andere Extrem in einer Rückblende des Lebens eines der Wissenschaftler zu beleuchten.
Die Gegenspieler Ailif, Maurya & Co. treten dem Leser hingegen als plastische und dreidimensionale Charaktere entgegen, und auch deren Herkunftswelt New Belfast schildert Jeschke recht ambivalent:
Fazit: Das Bild des säkularen, anti-religiösen "New Belfast" ist sicherlich extrem, weist aber durchaus ambivalente und differenzierte Züge auf, während die Gegenseite leider völlig eindimensional daherkommt. Offenbar projiziert Jeschke all seine Wut und Frustration über sämtliche religös verbrämten Gräueltaten in Geschichte und Gegenwart auf die Dschihead-Fanatiker (was ich durchaus nachvollziehen kann).
In der Gesamtschau überwiegt jedoch eindeutig das Positive, so dass ich das Buch trotz einiger Schwächen weiterempfehlen kann! Den Leser erwartet ein großartig geschriebener, atmosphärisch dichter Roman und nicht zuletzt - wie Ailif auf Seite 214 sagt: "Jede Menge Stoff zum Nachdenken!"
Bearbeitet von Shevek, 02 November 2013 - 17:04.
#7
Geschrieben 08 September 2013 - 10:56
Wobei mich die beiden Extreme nicht gleichermaßen überzeugen, und damit komme ich zum einzigen wirklichen Schwachpunkt des Romans: der viel zu eindimensionalen Darstellung der Welt des Großarchons und seiner Gehilfen. "Seine Heiligkeit" ist nichts weiter als ein lila geschminktes, degeneriertes, sadistisches Monstrum, eher eine Karikatur als ein lebensechter Charakter. Und dies trifft in unterschiedlichem Grad auch auf andere Angehörige der Dschihead-Gemeinschaft zu (z.B. die "Erzengel" oder Suks Mutter). Wohlwollend könnte man dies als satirisch-bissiges Zerrbild interpretieren; da der Roman als solcher aber "realistisch" angelegt ist, hat es mich gestört.
Tja, so in etwa hatte ich das vorhergesehn. Ich finde das ja überhaupt nicht ärgerlich oder störend. Allmacht korumpiert und man glaube nicht das genau solche Wesen auch im realen existiert haben und hier auf unsrer Welt gerade in diesem Moment existieren. Religion vor allem als Gefahr der Unterdrückung und Verdummung darzustellen mag nicht en vogue sein - mir hat es gefallen und ich halte es für völlig korrekt. Wie gesagt denke ich das Jeschke die Dschiheads bewußt aus einem extrem gezeigt hat.
#8
Geschrieben 08 September 2013 - 13:34
Tja, so in etwa hatte ich das vorhergesehn. Ich finde das ja überhaupt nicht ärgerlich oder störend. Allmacht korumpiert und man glaube nicht das genau solche Wesen auch im realen existiert haben und hier auf unsrer Welt gerade in diesem Moment existieren. Religion vor allem als Gefahr der Unterdrückung und Verdummung darzustellen mag nicht en vogue sein - mir hat es gefallen und ich halte es für völlig korrekt. Wie gesagt denke ich das Jeschke die Dschiheads bewußt aus einem extrem gezeigt hat.
Okay, das kann ich nachvollziehen, mir persönlich war es einfach etwas "too much", gerade weil Jeschke die szientistische Gegenposition ja recht differenziert zeichnet. Religion wird mit mit absoluter Sicherheit AUCH zur Unterdrückung und Verdummung missbraucht, aber eben nicht nur.
Ansonsten stimmen wir in der positiven Bewertung des Romans ja durchaus überein. Die Lektüre hat bei mir jedenfalls dazu geführt, dass ich "Der letzte Tag der Schöpfung" wieder aus dem Regal geholt und die dreibändige Ausgabe von Jeschkes Erzählungen beim Shayol-Verlag geordert habe.
#9
Geschrieben 13 September 2013 - 10:48
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."
(James Corey, Calibans Krieg)
"Sentences are stumbling blocks to language."
(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)
"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"
(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")
#10
Geschrieben 14 September 2013 - 10:49
#11
Geschrieben 16 September 2013 - 18:34
Stimmt, Großarchon & Co. sind nicht gerade Glanzpunkte der Charakterzeichnung - Abziehbilder trifft es ganz gut. Und Suk scheint eher eine Projektionsfläche für den Leser zu sein als eine als eine eigenständige Figur.Aber die Figuren bleiben bisher sehr flach. Daran ändern auch die "Familiengeschichten" nichts. Und manche Figuren scheinen mir nur Abziehbilder (Archon und seine Erzengel).
Die beiden Exobiologen finde ich hingegen treffend skizziert: Sicher, sie sind in allererster Linie Handlungsträger und Repräsentanten bestimmter "Ideologien": Ailif als Gottektomie-Fan, Maurya hingegen als gemäßigte Stimme, die das Verfahren recht kritisch sieht. Jeschke leitet diese Ansichten meines Erachtens jedoch überzeugend aus ihrer jeweiligen Lebensgeschichte her. Tiefschürfende Charakterstudien sind dies sicherlich nicht, im Rahmen eines recht kurzen exotischen Abenteuerromans stattet Jeschke die beiden jedoch mit genügend Eigenheiten aus, so dass sie für mich lebendig wirken.
Bearbeitet von Shevek, 16 September 2013 - 22:49.
#12
Geschrieben 17 September 2013 - 08:15
#13
Geschrieben 18 September 2013 - 07:07
R. Scott Bakker
"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama
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#14
Geschrieben 18 September 2013 - 07:57
- tatsächlich findet die vielschichtige Auseinandersetzung mit Religion eher anhand der Figuren von Ailif und Maurya statt, die Dschiheads sind da nur die Folie, auf der die beiden auf ihre Haltungen reflektieren. Mit den beiden Figuren deckt Jeschke auch ein durchaus breites Spektrum möglicher Anschauungen ab. Unterm Strich blieb bei mir die recht deutliche Aussage hängen, dass Religion als Privatangelegenheit legitim ist (und die Gottektomie entsprechend problematisch), als Institution (noch dazu mit gesellschaftlichem Machtansprach) dagegen tendenziell immer tyrannisch. Da ich diese Einstellung weitgehend teile, ist mir das Buch erstmal ganz sympathisch.
Sehr gut beobachtet. Das sehe ich ganz genauso. Hey - wow. Wir sind mal einer Meinung.
Das starke ethische Empfinden des jungen Protagonisten in "Dschiheads" erscheint mir etwas zu unbegründet - warum ist da so ein kleiner kritischer Geist in dieser engstirnigen Mikorgesellschaft herangewachsen? Dieser Umstand hat tatsächlich etwas jugendbuchmäßiges; in Jugendbüchern akzeptiert man oft einfach, dass die Protagonisten einen funktionierenden moralischen Kompass haben, ohne, dass es dafür eine große Erklärung bräuchte.
In der Tat war das auch für mich die einzige bittere Pille an dem Roman. Das ganze wirkt zu Plotdriven - man verzeiht es einem Jugendroman. Von Jeschke darf man da aber gerne mehr erwarten.
Die Ausarbeitung der Dongos fand ich sehr gelungen, das ist wirklich ein interessantes Alien-Konzept - erst dachte ich, da kommt noch die große Paukenschlag-Enthüllung über diese Wesen am Ende, aber die war gar nicht nötig. Das (provisorische) Wissen, dass sich Ailif und Maurya stetig erarbeiten, ist schon spannend genug.
Zustimmung
Die Handlung ist für mein Gefühl etwas versandet, gerade entscheidende Momente (die Konfrontation mit dem Großarchon, der Angriff der "Würmer") wurden doch allzu lapidar abgehandelt. Machte ein wenig den Eindruck, als hätte Jeschke einfach keine Lust gehabt, diese Passagen richtig auszuerzählen.
Hier bin ich etwas anderer Meinung. Es muss nicht immer alles ausdiskutiert und lang und breit ausgebreitet werden. Manchmal ist weniger mehr. Die Kürze paßt zum locker unbeschwerten Stil indem der Roman insgesamt daherkommt.
Innerlich etwas zusammengekrampft habe ich mich bei Ailifs Erklärungen über "Farbige", die auf mich wirken wie gewollte politische Korrektheit, die leider völlig an jedem vernünftigen antirassistischen Selbstverständnis vorbeischießt ... und die enge Kopplung von religiösem Fundamentalismus/Perversion/Homosexualität, die mich als Klischee einfach nervt. Wennn alle Figuren in einem Buch, die homosexuelle Handlungen ausüben, total widerwärtig sind und alle sympatischen Figuren sich heterosexuell gebärden, empfinde ich das als störend (auch, wenn Ailif irgendwann mal eine lustlos-tolerante Bemerkung von wegen "jeder möge nach seiner Facon glücklich werden" macht). Ich weiß, ich mache hier wieder die PC-Polizei, aber das sind halt Kleinigkeiten, bei denen ich mich frage, warum das sein muss. Ist vielleicht auch eine Generationenfrage ...
Hier würde ich das ganze einfach rumdrehen. Der Roman ist erwachsen und frei von Zwang, alles immer politisch korrekt ausdrücken zu müssen. Das wird irgendwann auch langweilig. Ich will damit sagen, nicht jeder Roman muss nun wirklich explicit herausheben das Homosexualität als normale 'Schattierung des Menschlichen Spektrums dazugehört. Ich glaube ein erwachsenes und mündiges Lesepublikum ist in der Lage hier zu differenzieren und wird nicht gleich jeden Homosexuellen mit Perversionen und Religiösem Fundamentalismus gleichsetzen. Es kommt aber dort genauso vor, ( eventuell herrscht je nach rigididät der Gesellschaftsordnung und Unterdrückungsgrad dort sogar ein idealerer Nährboden als anderswo ) wie überall sonst. Die Darstellung der Dschiheads ist auffallend einseitig und legt den Finger ausschliesslich auf die extremst negativen Auswüchse solch religiösen Wahns, keine Frage. Man kann das kritisieren - mich hat es nicht gestört.
#15
Geschrieben 18 September 2013 - 08:50
Hier würde ich das ganze einfach rumdrehen. Der Roman ist erwachsen und frei von Zwang, alles immer politisch korrekt ausdrücken zu müssen.
Da finde ich aber gerade, dass die Erklärung zu den "Farbigen" so extrem verkrampft politisch korrekt daherkommt. Das ist doch ein extrem gewundenes Gerede, was Ailif da von sich gibt, als müsste er jetzt ein ganz diffiziles, kitzeliges Thema erläutern. Mir ist gar nicht klar, wozu es das überhaupt braucht, und es wirkt halt aus dem Mund von Ailif für mich so extrem unglaubwürdig - warum bezieht der sich so stark auf Afrika als Heimat? Das ergibt nach allem, was man sonst über die Figur erfährt, nicht den geringsten Sinn. Auf mich hat das den Eindruck gemacht, dass hier noch mal auf einer anderen Ebene die multikulturelle, aufgeklärte Planetengesellschaft der Gemeinde der Dschiheads gegenübergestellt werden soll, der Versuch aber irgendwie voll nach hinten losgeht.
Für mich hätte es irgendwie glaubwürdiger geklungen, wenn Ailif einfach gesagt hätte: "Ich bin halt schwarz", und dass es auf anderen Planeten Menschen mit ganz verschiedenen Hautfarben gibt.(Exkurs: Dass sich jemand selbst als "farbig" oder "coloured" bezeichnet, habe ich übrigens selten gehört. Diese Bezeichnung wird auch schon seit Langem kritisiert, weil die Entgegensetzung weiß/farbig nur die Dichotomie von Norm/Abweichung zementiert: Weiße sind "normal", sie haben keine "Farbe"; alle anderen sind durch eine spezille Farbe gekennzeichnet. Die Kritik am Colored-Begriff wird sehr lustig in dem Gedicht "And you've got the nerve to call me colored" auf den Punkt gebracht, hier vertont zu genießen: http://www.youtube.com/watch?v=BWLvw5FVnGk).
Das mit der Homosexualität kann man dem Roman jetzt so direkt nicht vorwerfen; mich nervt es halt einfach. Ich glaube, dieser Darstellung liegt eine Sichtweise zugrunde, in der die in religiös-fundamentalistische Benutzung von Sexualität als Herrschaftsmittel immer sofort auch mit normabweichender Sexualität in Verbindung gebracht wird, um so die nach außen hin normkonformen Fundamentalisten als Heuchler zu entlarven. Dabei wird in meinen Augen schlicht zu viel vermischt; das Skandalöse ist ja nicht, dass religiöse Fundamentalisten von der von ihnen nach außen vertretenen Norm abweichen, indem sie sich beispielsweise mit Angehörigen des eigenen Geschlechts vergnügen, sondern dass sie Sexualität (in Form ihrer Unterdrückung und Ausübung) als Machtmittel missbrauchen.
Gerade in der Szene, wo die beiden Erzengel Sex haben, kippt die Darstellung für mich aber in dieses unterschwellig Homophobe, von wegen "Ah, nach außen die Tugendapostel, und insgeheim treiben es bei denen sogar die Männer miteinander"; dabei ist ja eigentlich nichts Schlimmes dabei, dass die beiden Kerle es offenbar einvernehmlich miteinander treiben, wenn gerade keiner zuschaut.
Ich finde das jetzt nicht politisch skandalös, sondern nur ganz persönlich doof. Es ist halt so ein Motiv, das mich nervt, und bei dem ich mich frage, ob das sein muss. (Also bitte beachten: Das ist mein persönliches Empfinden und nicht ein Antrag bei der obersten Zensurbehörde der PC-Republik Deutschland, alle Exemplare von "Dschiheads" zu beschlagnahmen und zu vernichten und dem Autor den Prozess zu machen. Bitte auch so verstehen und nicht gleich wieder Shitstürme entfachen.)
Bearbeitet von Jakob, 18 September 2013 - 08:51.
R. Scott Bakker
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#16
Geschrieben 19 September 2013 - 14:15
R. Scott Bakker
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#17
Geschrieben 19 September 2013 - 18:17
Habe das Buch jetzt auf dem Otherland-Blog rezensiert: http://otherland-ber...Dschiheads.html
Ich finde, deine Rezension liest sich weit positiver als deine Kritik hier im thread.
#18
Geschrieben 19 September 2013 - 20:37
Bearbeitet von Mammut, 19 September 2013 - 20:30.
#19
Geschrieben 19 September 2013 - 21:29
Das muss nicht sein. Auch als 150 %iger Hetero kann man die Homosexualität als "Nicht mein Ding, aber wenn's gefällt ..." beschreiben. Siehe dazu etwa Heinleins "Lazarus Long".Das mit der Homosexualität kann man dem Roman jetzt so direkt nicht vorwerfen; mich nervt es halt einfach. [...] Ich finde das jetzt nicht politisch skandalös, sondern nur ganz persönlich doof. Es ist halt so ein Motiv, das mich nervt, und bei dem ich mich frage, ob das sein muss.
#20
Geschrieben 19 September 2013 - 22:17
Interessant finde ich, dass die Passagen um die jugendliche Hauptfigur (ich habe das Buch gerade nicht zur Hand und erinnere mich beim besten Willen nicht an den Namen) jugendbuchflair hatten und mich an die Abenteuer von Tom Sawyer erinnerten - auch wegen der Floßfahrt und der Abenteuerromanhaften erzählweise, aber nicht nur. In Tom Sawyer geht's ja auch um einen intelligenten und empathischen Jungen, der in einer rassistischen Umgebung lebt und deren Ungerechtigkeit und Grausamkeit (mit der Zeit immer stärker) wahrnimmt.
Da das sowohl hier als auch in Deiner Blog-Rezension steht: Ich kenne Jeschkes Roman zwar nicht, aber die Charakterisierung von Tom Sawyer resp. Huckelberry Finn ist nicht zutreffend. Keine der beiden Figuren ist in keinem der Romane gegen den allgemeinen Rassismus und die Ungerechtigkeit immun. Im Gegenteil. Der Schwarze Jim ist zwar ein Freund, es steht aber ausser Frage, dass Niggers grundsätzlich ein bisschen dämlich sind. Twains Umgang mit Rassismus ist diesbezüglich ziemlich komplex. Es gibt keine klar etablierte Gegenposition, die von vorne herein klar machen würde, was richtig und was falsch ist; weder von Erzählerseite her (besonders beim zweiten Buch, wo Huck selbst als Erzähler fungiert), noch bei den Figuren. Selbst die Schwarzen haben die rassistischen Stereotypen übernommen und in der Handlung werden diverse Klischees genüsslich ausgeweidet. Twain erhebt nicht den Zeigefinger, sondern führt die Klischees eher durch Übertreibung ad absurdum.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.
Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.
Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
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#21
Geschrieben 20 September 2013 - 07:51
Da das sowohl hier als auch in Deiner Blog-Rezension steht: Ich kenne Jeschkes Roman zwar nicht, aber die Charakterisierung von Tom Sawyer resp. Huckelberry Finn ist nicht zutreffend. Keine der beiden Figuren ist in keinem der Romane gegen den allgemeinen Rassismus und die Ungerechtigkeit immun. Im Gegenteil. Der Schwarze Jim ist zwar ein Freund, es steht aber ausser Frage, dass Niggers grundsätzlich ein bisschen dämlich sind. Twains Umgang mit Rassismus ist diesbezüglich ziemlich komplex. Es gibt keine klar etablierte Gegenposition, die von vorne herein klar machen würde, was richtig und was falsch ist; weder von Erzählerseite her (besonders beim zweiten Buch, wo Huck selbst als Erzähler fungiert), noch bei den Figuren. Selbst die Schwarzen haben die rassistischen Stereotypen übernommen und in der Handlung werden diverse Klischees genüsslich ausgeweidet. Twain erhebt nicht den Zeigefinger, sondern führt die Klischees eher durch Übertreibung ad absurdum.
Stimmt, das habe ich wohl nicht so treffend dargestellt. Ich habe Twain halt erst im Erwachsenenalter durch die Brille der Rassismuskritik gelesen, deshalb habe ich Tom Sawyer in erster Linie als eine Figur empfunden, die in Anbetracht ihres alters um Umfelds verblüffend antirasssistisch denkt und handelt. Aber ganz so einfach und eindeutig lässt sich das sicher nicht behaupten ...
Ich finde, deine Rezension liest sich weit positiver als deine Kritik hier im thread.
Im Forum arbeite ich mich halt auch an den Details ab, die in einer Gesamtrezension nicht so sehr von Interesse sind. Letztere soll ja eher meinen positiven Grundeindruck von dem Buch schildern und außerdem auch nicht so viel von der Geschichte wegnehmen.
R. Scott Bakker
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#22
Geschrieben 20 September 2013 - 10:49
Dann kannst du ja im Forum sozusagen ausgleichsweise, wenn alle Arbeit getan ist, ein wenig Dinge oder Leute loben! )Im Forum arbeite ich mich halt auch an den Details ab
/KB
Yay! KI-generiertes SF-Zitat Ende November...
"In the sprawling city forums of the galaxy, where chaos reigns and time flows differently, true power is found not in dominance, but in moderation. The wise use their influence to temper ambition with reason, and chaos with order."
(auf Bing.de generierter Monolog von der Copilot-S/W - die ich hiermit NICHT bewerbe! - nach Aufforderung nach einem "s.f. quote" mit einem bestimmten Wort darin; ich ersetzte nur das 4. Wort mit "city forums")
#23
Geschrieben 09 Oktober 2013 - 19:23
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."
(James Corey, Calibans Krieg)
"Sentences are stumbling blocks to language."
(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)
"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"
(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")
#24
Geschrieben 28 Oktober 2013 - 20:30
Bearbeitet von Uwe Post, 28 Oktober 2013 - 20:31.
#25
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 07:47
Ich verrate niemandem ein Geheimnis, wenn ich sage, dass die Ursache für diese Mängel mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Wolfgang Jeschkes Gesundheitszustand zu tun hat. Wer ihm auf dem MucCon begegnet ist, nickt jetzt sicher mit dem Kopf.
Man muss kein Prophet sein, um die traurige Befürchtung zu äußern, dass es sich bei "Dschiheads" wohl leider um den letzten Roman von Wolfgang Jeschke handelt.
Also mir als Leser aus dem stillen Kämmerlein der nie einen Con besucht schon. Das sind traurige Nachrichten.
Ansonsten, Zustimmung zu deiner Einschätzung. Gerade der Beginn des Romans, wo es um die Beschreibung des Planeten geht, prägten für mich die positiven Leseempfindungen am intensivsten. Da sich ansonsten meine Einstellung zu Religion und Glauben vermutlich recht deutlich mit denen von Wolfgang Jeschke decken ist mir die Kritik an eindimensionalen Charakteren, speziell des Großarchons, die man sicherlich haben kann, nicht so wichtig. Ich brauchte im Roman nicht noch zusätzlich explizit ausdifferenzierte Protagonisten um den Roman sehr gut zu finden und gerne zu lesen. Für mich ist das derzeit ein heißer Kandidat für eine Nominierung zum DSFP.
Bearbeitet von Amtranik, 29 Oktober 2013 - 07:50.
#26
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 08:37
Also mir als Leser aus dem stillen Kämmerlein der nie einen Con besucht schon. Das sind traurige Nachrichten.
Ansonsten, Zustimmung zu deiner Einschätzung. Gerade der Beginn des Romans, wo es um die Beschreibung des Planeten geht, prägten für mich die positiven Leseempfindungen am intensivsten. Da sich ansonsten meine Einstellung zu Religion und Glauben vermutlich recht deutlich mit denen von Wolfgang Jeschke decken ist mir die Kritik an eindimensionalen Charakteren, speziell des Großarchons, die man sicherlich haben kann, nicht so wichtig. Ich brauchte im Roman nicht noch zusätzlich explizit ausdifferenzierte Protagonisten um den Roman sehr gut zu finden und gerne zu lesen. Für mich ist das derzeit ein heißer Kandidat für eine Nominierung zum DSFP.
Also preiswürdig finde ich den Roman in keinster Weise. Was wäre denn deine Begründung für eine Nominierung?
#27
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 08:50
Neu: Armin Rößler - Die Nadir-Variante
Armin Rößler - Entheete (Neuauflage) +++ Armin Rößler - Cantals Tränen +++ Hebben/Skora/Rößler (Hrsg.) - Elvis hat das Gebäude verlassen
Das Argona-Universum
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#28
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 11:37
Das deckt sich ziemlich genau mit meinen eigenen Lese-Eindrücken, wobei mir der Roman insgesamt trotz seiner offenkundigen Schwächen großen Spaß gemacht hat. Nicht zuletzt hat die Lektüre dazu geführt, daß ich gleich im Anschluß seine Frühwerke wiederentdeckt und "Der letzte Tag der Schöpfung" sowie einige der Erzählungen nochmals gelesen habe. Aber gerade im direkten Vergleich fällt "Dschiheads" leider doch sehr ab.Erstens: An Fantasie und Kreativität bei der Schilderung der natürlichen Gegebenheiten auf Hot Edge fällt mir kein zeitgenössischer Autor ein, der dagegen anstinken könnte. Daher: Pflichtlektüre für alle Autoren, die mal einen Roman schreiben wollen, der auf einem wirklich exotischen Planeten spielt.
Zweitens: Viele Figuren sind ziemlich eindimensional geraten. Das gilt in erster Linie für den Großarchon, der über keinerlei positive Eigenschaften verfügt und von vorne bis hinten abartig und eklig ist. So eine "rechtschaffen böse" Figur findet man sonst eher in der Trivial-Fantasy, von der sich die SF doch gerne abheben würde. Einen fruchtbaren Diskurs über das Für und Wider von Glauben kann man anhand einer solchen Figur eher schlecht führen.
Ich war auch auf dem MucCon und kann in der Tat leider nur betroffen mit dem Kopf nicken. Immerhin hatte ich die Ehre, im Anschluß an die Podiumsdiskussion (mit Jürgen vom Scheidt und Heinz Zwack), einige Worte mit Wolfgang Jeschke zu wechseln, der mir freundlicherweise seine Erzählungsbände signiert hat. Auch von mir daher: Gute Besserung!!Ich verrate niemandem ein Geheimnis, wenn ich sage, dass die Ursache für diese Mängel mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Wolfgang Jeschkes Gesundheitszustand zu tun hat. Wer ihm auf dem MucCon begegnet ist, nickt jetzt sicher mit dem Kopf.
Bearbeitet von Shevek, 29 Oktober 2013 - 18:53.
#29
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 12:50
Also preiswürdig finde ich den Roman in keinster Weise. Was wäre denn deine Begründung für eine Nominierung?
Zunächst einmal. Es erscheint mir doch wieder mal als typisch Deutsches Phänomen die Haare in der Suppe suchen zu müssen. Ein Roman muss nicht immer und zwangläufig ausführliche Charakterzeichnungen beinhalten um gut, unterhaltsam und Preiswürdig zu sein. Von daher sind einige Aussagen für mich die in diese Richtung deuten schon mal ziemlich uninteressant. Man erinnere sich an so manchen SF Roman der 50er,60er und auch noch 70er der heute als Klassiker gilt. Es finden sich reihenweise Romane mit eher dünnen Personenbeschreibungen und viele Romane wären sicherlich ansonsten auch bedeutend länger geworden. Wäre der Roman von Jeschke also ein 500+ Seiten Wälzer, ja dann würde ich zustimmen, aber nur dann, weil eben die Qualität von Dschiheads eine andere ist. Hier vor allem die von Uwe Post dargelegten Stärken der Fremdartigen Flora/Fauna des Planeten Hot Edge, die wunderschönen Wortbilder, die leichtigkeit mit der jeder Satz daherkommt. Ich erwähnte es schon, in genau der richtigen exaktheit und länge die Sätze. Nicht zu viel und nicht zu knapp. Wenn ich zb, Dathsche Satzmonster gegenlese, dann weiß ich welchen Schriftsteller ich bevorzuge. Das muss erstmal einer in der deutschen SF Szene nachmachen. Und Armin, der Roman ist ein 350 Seiten Büchlein in kleinem Format und großer Schrift. Der hat gar nicht genug Raum um mich da lange zu langweilen oder zu ärgern. Da kenne ich ganz anderes das gut ist, aber eben auch durchaus mit ganzen Passagen versehn, die sich langweilig hinziehn und mehr Energie in Anspruch nehmen als den Jeschke durchzuhalten, selbst wenn man ihn jetzt nicht für den großen Wurf hält, wie zb, der Hyperion-Zyklus von Simmons.
Es ist so typisch. Da kommt ein Roman heraus mit wunderschöner Exotik und wirklich ansprechender Sprache. Allenthalben wird sich immer über die so inhaltlosen dicken Wälzer die heut so in Mode zu sein scheinen beschwert und dann kommen die Leuts mit dem Zeigefinger um die Ecke und sagen..ja ja ist ja alles toll aaaber da ist ja gar keine ausreichende Charakterentwicklung. Erstmal würde ich gerne besser geschriebene Romane aus deutscher Feder genannt bekommen.
Um zu Mammut zurück zu kommen. Zunächst mal würde ich ihn heute nominieren weil ich da noch nix besseres für 2014 relevantes gelesen habe. Ich halte Dschiheads für besser als alles was letzjährig nominiert wurde.
Bearbeitet von Amtranik, 29 Oktober 2013 - 12:54.
#30
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 13:51
Um zu Mammut zurück zu kommen. Zunächst mal würde ich ihn heute nominieren weil ich da noch nix besseres für 2014 relevantes gelesen habe. Ich halte Dschiheads für besser als alles was letzjährig nominiert wurde.
Okay, das Argument kann ich nachvollziehen. Danke für deine Rückmeldung.
Auch mit einem oder mehreren dieser Stichwörter versehen: Lesezirkel, Neuerscheinung, September, 2013
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