Wolfgang Jeschke - Dschiheads
#31
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 14:03
Es ist dir ja unbenommen, gelungene Figuren nicht für ein wichtiges Kriterium für einen gelungenen Roman zu betrachten. Ich finde auch, dass gerade in der SF oberflächliche Protagonisten noch kein KO-Kriterium sind und fand Dschiheads ja auch im Großen und Ganzen sehr nett.
Aber jetzt zu behaupten, dass interessante Figuren nur gingen, wenn man 800-Seiten-Schmöker schreibt ist gelinde gesagt völliger Blödsinn. Vielschichtige, interessante und glaubwürdige Figuren lassen sich auch in einer 20-Seiten-Kurzgeschichte entwickeln. Ein Buch wie "Waiting for the Barbarians" von J.M. Coetzee hat keine 200 Seiten und so greifbare, komplexe, bewegende Figuren, dass man heulen möchte. Die Briefnovelle "Purple & Black" von K.J. Parker entwickelt auf gut 100 Seiten hochinteressante Hauptfiguren, und zwar trotz der formalen Hürden der Briefform. Und wenn du wirklich mal ein Beispiel für die Entwicklung von fünf(!) glaubwürdigen, faszinierenden und ungewöhnlichen Figuren auf engem Raum lesen willst, darf ich dir (vorsicht, Eigenwerbung) Eva Strassers Novelle "Mary" ans Herz legen, die gerade in unserem Verlag erschienen ist.
Dschiheads war locker lang genug, um auf gleichem Raum interessantere Figuren entstehen zu lassen. Die Entscheidung, auf die es da ankommt, ist in der Regel nicht, wie viel geschrieben wird, sondern was. Hätte Jeschke sich einfach ein paar der Perversionen und Widerwärtigkeiten des Großarchons geschenkt, dann wäre schon mal eine Menge Platz freigeworden ...
R. Scott Bakker
"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama
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#32
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 16:04
Ich denke nicht, dass das mit der Länge zusammenhängen muss. Um bei Jeschke zu bleiben: Der letzte Tag der Schöpfung hat mir sehr gut gefallen. Auch Midas und Meamones Auge habe ich gerne gelesen. Das wesentlich dickere Cusanus-Spiel war dagegen nicht mein Fall. Dschiheads hat mir am Anfang richtig Spaß gemacht, aber es ging halt leider nicht weiter. Das ist meines Erachtens den blassen Figuren geschuldet - und ich denke, ein Wolfgang Jeschke in Bestform hätte da mehr rausholen können. (Mir geht's nicht darum, das Buch schlecht zu machen. Ich habe ebenfalls schon schlechtere Romane gelesen.)Und Armin, der Roman ist ein 350 Seiten Büchlein in kleinem Format und großer Schrift. Der hat gar nicht genug Raum um mich da lange zu langweilen oder zu ärgern. Da kenne ich ganz anderes das gut ist, aber eben auch durchaus mit ganzen Passagen versehn, die sich langweilig hinziehn und mehr Energie in Anspruch nehmen als den Jeschke durchzuhalten, selbst wenn man ihn jetzt nicht für den großen Wurf hält, wie zb, der Hyperion-Zyklus von Simmons.
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#33
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 16:24
@Amtranik:
Es ist dir ja unbenommen, gelungene Figuren nicht für ein wichtiges Kriterium für einen gelungenen Roman zu betrachten. Ich finde auch, dass gerade in der SF oberflächliche Protagonisten noch kein KO-Kriterium sind und fand Dschiheads ja auch im Großen und Ganzen sehr nett.
Aber jetzt zu behaupten, dass interessante Figuren nur gingen, wenn man 800-Seiten-Schmöker schreibt ist gelinde gesagt völliger Blödsinn. Vielschichtige, interessante und glaubwürdige Figuren lassen sich auch in einer 20-Seiten-Kurzgeschichte entwickeln. Ein Buch wie "Waiting for the Barbarians" von J.M. Coetzee hat keine 200 Seiten und so greifbare, komplexe, bewegende Figuren, dass man heulen möchte. Die Briefnovelle "Purple & Black" von K.J. Parker entwickelt auf gut 100 Seiten hochinteressante Hauptfiguren, und zwar trotz der formalen Hürden der Briefform. Und wenn du wirklich mal ein Beispiel für die Entwicklung von fünf(!) glaubwürdigen, faszinierenden und ungewöhnlichen Figuren auf engem Raum lesen willst, darf ich dir (vorsicht, Eigenwerbung) Eva Strassers Novelle "Mary" ans Herz legen, die gerade in unserem Verlag erschienen ist.
Dschiheads war locker lang genug, um auf gleichem Raum interessantere Figuren entstehen zu lassen. Die Entscheidung, auf die es da ankommt, ist in der Regel nicht, wie viel geschrieben wird, sondern was. Hätte Jeschke sich einfach ein paar der Perversionen und Widerwärtigkeiten des Großarchons geschenkt, dann wäre schon mal eine Menge Platz freigeworden ...
Genaugenommen habe ich nirgendwo behauptet es gingen interessante Figuren nur in dicken Büchern, sondern, das ich es in einem kurzen Roman für eher entschuldbar, bzw unter umständen gar für völlig unrelevant halte, nämlich dann, wenn er anderes zu bieten hat. Daher auch mein Vergleich zu SF der früheren Epochen, die doch durch die Bank eher dünner waren und teilweise auch mit sehr geringer Charakterentwicklung auskamen. Dennoch gelten so einige als Meilensteine der SF. Und deine Beispiel sind total am Thema vorbei, denn hier bewegen wir uns wieder in Richtung der Geschmäckerfrage. Und was Du als interssant erachtest, mit Verlaub, das haben so einige frühere Buchbesprechungen bewiesen, würde mich wahrscheinlich schreiend gegen die Wand laufen lassen. Manche Romane sind gut so wie sie sind. Jedes Buch hätte wahrscheinlich noch besser sein können ausser der Bibel natürlich ..hüstel. Wer weis wie Simulacron 3 gewesen wäre mit 200 Seiten mehr Umfang und mehr Raum für Charakterbildung, wer weiß - es wäre ein anderes Buch.
Ich lese gern von interessanten Figuren, lese gerne Actionromane, Liebesbeziehungen, politischer Verflechtungen, Ideenroman, was auch immer - aber es muss nicht alles immer in jeden Roman reingepackt werden. Dschiheads ist so wie es ist gut.
#34
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 16:28
Ich denke nicht, dass das mit der Länge zusammenhängen muss. Um bei Jeschke zu bleiben: Der letzte Tag der Schöpfung hat mir sehr gut gefallen. Auch Midas und Meamones Auge habe ich gerne gelesen. Das wesentlich dickere Cusanus-Spiel war dagegen nicht mein Fall. Dschiheads hat mir am Anfang richtig Spaß gemacht, aber es ging halt leider nicht weiter. Das ist meines Erachtens den blassen Figuren geschuldet - und ich denke, ein Wolfgang Jeschke in Bestform hätte da mehr rausholen können. (Mir geht's nicht darum, das Buch schlecht zu machen. Ich habe ebenfalls schon schlechtere Romane gelesen.)
Der letzte Tag der Schöpfung ist vermutlich ein gutes Beispiel. Ist zwar schon ein paar Tage her das ich das Teil gelesen habe, aber wenn ich nicht ganz falsch liege, dann ist dieser in erster Linie ein Ideenroman wo die Charaktere nicht so wichtig sind. Jedenfalls sind mir diese da nicht explicit im Gedächtnis geblieben, die Handlung jedoch schon. Und schlecht machen, so hab ich das auch nicht verstanden. Ich denke ich bezog mich da innerlich mehr auf das "nicht nominierungswürdig", obwohl das nicht von Dir kam. Du hast schon schlechtere Romane gelesen kann ich mir gut vorstellen - ich sicherlich auch aber ich finde den Roman ja auch ziemlich gut. Was mich dann aber viel mehr interessieren würde. Welche besseren Romane aus gleichem Zeitraum aus Deutschland hast Du denn gelesen?
Bearbeitet von Amtranik, 29 Oktober 2013 - 16:30.
#35
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 16:50
Darauf kann ich dir leider keine gute Antwort geben, da ich momentan alles andere als up to date bin. Die van den Booms, Haubolds, Kruschels usw. stapeln sich hier meterhoch, da müsste ich mal dringend Abhilfe schaffen ... Aber ich muss ja glücklicherweise nicht für irgendwelche Preise lesen, sondern nur zu meinem Vergnügen.Welche besseren Romane aus gleichem Zeitraum aus Deutschland hast Du denn gelesen?
Ein halbwegs aktueller Roman, den ich zuletzt gelesen habe, war Bacigalupis Schiffsdiebe - zwar kein deutscher Autor, aber ein Roman von ähnlichem Umfang. Der hat mir besser gefallen als Dschiheads. Die Fortsetzung fand ich dann aber schon nicht mehr so toll.
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#36
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 18:17
Ein halbwegs aktueller Roman, den ich zuletzt gelesen habe, war Bacigalupis Schiffsdiebe - zwar kein deutscher Autor, aber ein Roman von ähnlichem Umfang. Der hat mir besser gefallen als Dschiheads. Die Fortsetzung fand ich dann aber schon nicht mehr so toll.
Die habe ich auch beide noch ungelesen im Regal stehn. Nach Biokrieg hatte ich noch die Kurzgeschichten von ihm gelesen die ebenfalls sehr gut sind.
#37
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 20:54
Und deine Beispiel sind total am Thema vorbei, denn hier bewegen wir uns wieder in Richtung der Geschmäckerfrage. Und was Du als interssant erachtest, mit Verlaub, das haben so einige frühere Buchbesprechungen bewiesen, würde mich wahrscheinlich schreiend gegen die Wand laufen lassen.
Immer schön, wie man sich hier im Forum gleich wieder willkommen fühlt, wenn man zufällig nicht deine Meinung teilt ...
und Tschüss!
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#38
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 22:30
Davon gesehen: Alles Gute an Wolfgang Jeschke, vor allem gesundheitliche Besserung. Ich habe einst in Mühltal (war das 2005?) ein paar Sätze mit ihm wechseln dürfen, das war eine sehr spannende Plauderrunde (Helmuth Mommers und Michael Iwoleit saßen noch mit am Tisch und wohl noch ein paar andere ...) Gute Besserung!
Ja, das war 2005.
(Ich war auch dort und erinnere mich auch an dich. -Umgekehrt ist das wahrscheinlich nicht so, jedenfalls haben wir nicht miteinander gesprochen und im SFN war ich damals auch noch nicht....)
Jaktusch
#39
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 22:36
Immer schön, wie man sich hier im Forum gleich wieder willkommen fühlt, wenn man zufällig nicht deine Meinung teilt ...
und Tschüss!
Mimöschen
#40
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 22:47
Wenn wir uns das nächste Mal über den Weg laufen, sagst du bitte "Hallo, ich bin der Andreas", und dann weiß ich, wie das umgekehrt aussieht ...(Ich war auch dort und erinnere mich auch an dich. -Umgekehrt ist das wahrscheinlich nicht so, jedenfalls haben wir nicht miteinander gesprochen und im SFN war ich damals auch noch nicht....)
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#41
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 22:56
Wenn wir uns das nächste Mal über den Weg laufen, sagst du bitte "Hallo, ich bin der Andreas", und dann weiß ich, wie das umgekehrt aussieht ...
Zu Befehl! (aber bestimmt nicht mit genau diesen fünf Worten...)
Jaktusch
#42
Geschrieben 29 Oktober 2013 - 23:00
Wie auch immer. Ich gelobe auch wieder mehr Präsenz.Zu Befehl! (aber bestimmt nicht mit genau diesen fünf Worten...)
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#43
Geschrieben 03 November 2013 - 14:20
Richtig ist, dass mehr Raum (also ein fetterer Roman) mehr Details in Figuren ermöglicht. Richtig ist aber sicher auch, dass in kurzen Romanen starke Figuren vorkommen können. Ja, sogar von der einen oder anderen Kurzgeschichte kann man das wohl behaupten
Im Fall von Dschiheads bin ich zwiegespalten. Da gibt es scharf gezeichnete und interessante Figuren wie die beiden Jungs und die beiden "Forscher", und eine ganze Reihe farbiger Nebenfiguren.
Aber ein paar Figuren finde ich einfach misslungen. Der eindimensionale Großarchon als Ekel-Antagonist vorneweg, der Stationskommandant, die Mutter, und nicht zuletzt die "Engel", die nur ungefähr dreimal vorkommen, und einmal vögeln sie sich dabei gegenseitig. Sprich: Ausgerechnet die Handlanger des Erzfundamendalisten sind schwul. Was soll das? Wenn da wenigstens der Konflikt herausgearbeitet würde, da Homophobie selbstverständlich auch zum Repertoire der Dschiheads zählt, okay. Aber so wirkt das wie "die Kerle sind genauso eklig wie ihr Boss, und guckt, sie f*cken sich auch noch gegenseitig!".
Die Figuren bieten eine Menge Potenzial, das aber im letzten Drittel verschenkt wird. Spannung fehlt völlig. Selbst die Konfrontation mit dem Archon wirkt harmlos. Vermutlich, weil sie mit einer vergleichsweise harmlose Stichwaffe ausgetragen wird - der Archon aber deutlich wirksamere Waffen besitzt. Eine davon: Absolute Macht.
#44
Geschrieben 17 Dezember 2013 - 19:12
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."
(James Corey, Calibans Krieg)
"Sentences are stumbling blocks to language."
(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)
"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"
(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")
- • (Buch) gerade am lesen:Ich lese zu schnell, um das hier aktuell zu halten.
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• (Film) gerade gesehen: Umbrella Academy (finale Staffel)
#45
Geschrieben 17 Dezember 2013 - 21:12
#46
Geschrieben 19 Mai 2014 - 07:51
Die Exotik hat er für mich bisher gut versteckt. Hinter Infodumps und langatmigen Rückblenden.
Ich kann ja nachvollziehen, dass Jeschke das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten will, aber seine Technik ist sehr unglücklich gewählt. In der Handlungsgegenwart agieren die perversen Gläubigen, in den Rückblenden wird Verständnis anhand der perfekten Familie erfleht.
Sehr billige Demagogie.
Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
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