Ab dem 3. Juli wird hier
Kazuo Ishiguro mit Klara und die Sonne
gelesen und darüber diskutiert.
Ich wünsche allen viel Spaß.
Geschrieben 30 Juni 2021 - 14:49
Ab dem 3. Juli wird hier
Kazuo Ishiguro mit Klara und die Sonne
gelesen und darüber diskutiert.
Ich wünsche allen viel Spaß.
Geschrieben 04 Juli 2021 - 09:26
Habe bis Seite 70 gelesen.
Der Blick dieses kindlichen und künstlichen Wesens auf die Welt ist schön geschrieben. Ich musste dabei relativ schnell an den Film A. I. (Link zum Wikipedia Eintrag) denken. Und vielleicht gerade wegen der gut gemachten Beschreibungen der Welt und was Klara wahrnahm, zog sich ab und an auch mein kleines Kinderherz zusammen, in der vagen Ahnung der noch kommenden dunklen Schatten, die sich aktuell noch außerhalb des Sichtfelds und Wahrnehmungsbereichs von Klara verbargen. Für mich schwingt immer eine potentielle Traurigkeit bei den Beobachtungen von Klara mit. Dass das so transportiert wird, spricht für die Fähigkeit des Autor aber es ängstigt mich auch wenn ich daran denke, was da noch kommt.
Geschrieben 04 Juli 2021 - 10:53
ERSTER TEIL
Ishiguro erzählt die Geschichte aus der Perspektive von Klara, wählt also als Ich-Erzähler ein unschuldiges Wesen, das versucht seine zunächst sehr beschränkte Welt zu begreifen. Klara benutzt "Managerin" ohne Artikel, also wie einen Namen, alltägliche Begriffe beziehen sich auf spezielle Dinge, wie das "Gestreifte Sofa". Ein Streit zwischen zwei Taxifahrern, der in eine Prügelei mündet, nimmt sie stark mit, ebenso wie eine Baumaschine, die Rauch ausstößt und die Sonne verdunkelt. Dies trägt, ebenso wie das sparsam eingesetzte Foreshadowing ("damals wusste ich noch nichts von Josies Krankheit"), zur von Trace erwähnten dunklen Vorahnung bei.
Die Maschine wird von Klara Cootings-Maschine genannt, aufgrund des angebrachten Schriftzugs. Hat das eine besondere Bedeutung?
Und was hat es mit der "Segmentierung" zu tun, die Klara zweimal beschreibt, einmal beim Blick auf die Straße, ein andermal beim Blick in den Laden?
Geschrieben 04 Juli 2021 - 16:23
Die Maschine wird von Klara Cootings-Maschine genannt, aufgrund des angebrachten Schriftzugs. Hat das eine besondere Bedeutung?
Ich habe mir eine Asphaltiermaschine darunter vorgestellt oder es ist der Name des Unternehmens. Auch wenn mir gerade erst auffällt, dass es "Cootings" und nicht "Coatings"heißt. Mit "a" liegt Asphaltiermaschine näher, da es Beschichtung heißt. Ich denke, nicht das es eine besondere Bedeutung hat.
Und was hat es mit der "Segmentierung" zu tun, die Klara zweimal beschreibt, einmal beim Blick auf die Straße, ein andermal beim Blick in den Laden?
Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Das kommt auch später in ähnlicher Form wieder. Ich denke, dass es einfach nur Stellen sind, die unterschiedlich viel (Sonnen)-Licht bekommen oder dass es Schatten von Fenstersprossen oder Rahmen sind.
Total niedlich finde ich auch immer wenn sie sagt, dass die Menschen auf ihre Rechtecke schauen. Herrlich.
Geschrieben 04 Juli 2021 - 16:56
Habe das Buch bereits gelesen und werde mich wohl erst zu Wort melden, wenn die Diskussion weiter fortgeschritten ist. Im Wesentlichen gebe ich Adam Roberts recht, dass sich der Roman zwar gut liest, aber ein fundamentales Problem hat, das in gewisser Weise damit zusammenhängt, dass Ishiguro letztlich kein SF-Autor ist (im Sinne von: er schreibt zwar immer mal wieder SF, ist im Genre aber nicht wirklich zu Hause).
Signatures sagen nie die Wahrheit.
Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.
Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.
Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
Geschrieben 05 Juli 2021 - 07:24
Hab' das Buch auch gerade zu packen und bin zufällig auf diesen Lesezirkel gestoßen. Wenn's recht ist, sage ich auch ab und an was dazu. Ist mein erster Lesezirkel, wenn ich also mal ins Fettnäpfchen trete, gebt mir einfach einen Schubs und ich werde mich bessern
Habe gestern Teil 1 und 2 gelesen, also die ersten knapp 130 Seiten.
Der Einstieg im Shop war für mich schon recht starker Tobak. Managerin ist sich offenbar darüber im klaren, empfindungsfähige Maschinen zu verkaufen. Das scheint mir nicht ohne und hat was von moderner Sklaverei. Einerseits will sie zwar ihren KF gerecht werden, andererseits muss sie aber wohl auch ihr vorgegebene Umsätze erzielen. Sie ist ja nur Managerin, nicht die Besitzerin des Ladens. Und so stehen die Interessen der KF dann im Zweifelsfall hinter den eigenen zurück.
Die Naivität, mit der die jungen KF ins "Leben" geschickt werden und ihre Welt nach und nach entdecken, hatte für mich etwas rührendes. Klara wird von Managerin schon mal vorsichtig darauf vorbereitet, dass Kinder mitunter ungewollt grausam sein können, mit dem Kauf durch Josies Mutter scheint sich aber zunächst alles zum Guten zu wenden. Dass Josie krank ist, wird gleich am Anfang klar.
Im Haus von Josie, ihrer Mutter und Melania Haushälterin angekommen, beginnt eine neue Lernphase für Klara und die Leser. Ich denke, mit Kommentaren dazu warte ich aber noch.
Die Cootings-Maschine hat im Netz übrigens zahlreiche Leser zu Spekulationen darüber angeregt, was das ist, unter anderem Christopher Priest. Allgemeiner Tenor scheint zu sein, dass es sich um eine generische Straßenbaumaschine handelt.
Geschrieben 05 Juli 2021 - 08:30
Ich bin auch grad zufällig dabei, dieses Buch zu hören. Mein Eindruck der ersten Seiten und Kapitel war eindeutig: Liest sich wie ein Buch von Atwood, oder? Das ist durchaus ein Kompliment, wobei Ishiguro in seinen früheren Romanen literarischer schrieb als hier, finde ich. Das hat natürlich auch mit der Erzählperspektive zu tun. Die Hauptfigur sieht die Welt ja teilweise doch mit kindlichen Augen.
Geschrieben 05 Juli 2021 - 13:26
Hab' das Buch auch gerade zu packen und bin zufällig auf diesen Lesezirkel gestoßen. Wenn's recht ist, sage ich auch ab und an was dazu. Ist mein erster Lesezirkel, wenn ich also mal ins Fettnäpfchen trete, gebt mir einfach einen Schubs und ich werde mich bessern
Habe gestern Teil 1 und 2 gelesen, also die ersten knapp 130 Seiten.
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Es ist echt super, dass der Lesezirkel so einen Zuspruch hat, obwohl Sommer ist. Solange du nicht zu viel spoilerst, passt das schon.
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Der Einstieg im Shop war für mich schon recht starker Tobak. Managerin ist sich offenbar darüber im klaren, empfindungsfähige Maschinen zu verkaufen. Das scheint mir nicht ohne und hat was von moderner Sklaverei. Einerseits will sie zwar ihren KF gerecht werden, andererseits muss sie aber wohl auch ihr vorgegebene Umsätze erzielen. Sie ist ja nur Managerin, nicht die Besitzerin des Ladens. Und so stehen die Interessen der KF dann im Zweifelsfall hinter den eigenen zurück.
Die Naivität, mit der die jungen KF ins "Leben" geschickt werden und ihre Welt nach und nach entdecken, hatte für mich etwas rührendes. Klara wird von Managerin schon mal vorsichtig darauf vorbereitet, dass Kinder mitunter ungewollt grausam sein können, mit dem Kauf durch Josies Mutter scheint sich aber zunächst alles zum Guten zu wenden. Dass Josie krank ist, wird gleich am Anfang klar.
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Ich hatte schon die Befürchtung noch eine Szene erzählt zu bekommen, in der eine der KFs an die Stelle im Laden kommt, von der sie dann nie wieder kommt. Bin mal gespannt, ob noch was über die verraten wird die nicht verkauft werden konnten, die veraltet oder beschädigt sind.
Geschrieben 06 Juli 2021 - 08:10
Ich bin rund um die Szene mit der "Scheune", in der die Sonne vermutet wird, und muss sagen, dass das Buch für mich nun erste Längen aufweist. Auch die Dialoge rund um Josie und Rick werden auf Dauer etwas zäh. Das Setting habe ich mittlerweile einigermaßen verstanden (sprich: ich habe eine klare Vermutung, worauf das Ganze hinaus läuft; dazu kommt ein dystopisches Zusatzelement ins Spiel, wenn das Buch uns erzählt, wie unterschiedlich die Chancen der Kinder sind), jetzt wäre es gut, wenn die Story den nächsten Schritt macht.
Bearbeitet von Dyrnberg, 06 Juli 2021 - 10:51.
Geschrieben 06 Juli 2021 - 20:37
Ich bin auf Seite 146 ( Anfang von Teil 3).
Es wurde noch mal etwas zu den Kästchen erwähnt, jetzt denke ich, dass es eher ein Raster im Sicht- oder Wahrnehmungsfeld von Klara (den KFs) ist. Offen ist noch, ob es ein rein statisches Gitter ist, ob Klara Gitter um Objekte erzeugt, die sich bewegen oder die interessieren. Welche Relevanz das hat ??? ... Keine Ahnung.
Ich bin rund um die Szene mit der "Scheune", in der die Sonne vermutet wird, und muss sagen, dass das Buch für mich nun erste Längen aufweist. Auch die Dialoge rund um Josie und Rick werden auf Dauer etwas zäh. Das Setting habe ich mittlerweile einigermaßen verstanden (sprich: ich habe eine klare Vermutung, worauf das Ganze hinaus läuft; dazu kommt ein dystopisches Zusatzelement ins Spiel, wenn das Buch uns erzählt, wie unterschiedlich die Chancen der Kinder sind), jetzt wäre es gut, wenn die Story den nächsten Schritt macht.
Ja, es gibt bis jetzt nicht wirklich eine Story. Mal sehen, ob noch etwas kommt oder ob es viel mehr ein Wahrnehmungsbericht einer KI bleibt, die nur / vorrangig als Beobachter an allem teilnimmt.
Eine wilde Spekulation meinerseits: nach dem Josie gestorben ist, fährt die Mutter mit Klara in einen dubiosen, dunklen Stadtteil der Bay Area, dort wo der Himmel öfters mal orange ist und lässt sich in einem Geschäft, in dem auch künstliche Schlangen gehandelt werden, eine künstliche Josie Hülle für Klara machen und lässt die eine oder andere Änderung am Microcode von Klara vornehmen und fährt dann mit ihrer Tochter Josie wieder nach Hause und sie leben glücklich bis zum Ende aller Tage.
Geschrieben 06 Juli 2021 - 21:47
ZWEITER TEIL
Zentrale Szene des Kapitels ist ein Interaktionsmeeting von Josie. Offenbar findet der Schulunterricht fast komplett als Distanzunterricht statt. Um Erfahrungen mit Mitmenschen zu sammeln werden ab und zu solche Meetings veranstaltet. Die Jugendlichen zeigen alterstypisches Imponiergehabe und Klara und Josies Nachbar Rick kommen bei der ganzen Show noch am sympathischsten rüber. Diese Szene hat mir ausgesprochen gut gefallen. Was ist eigentlich mit Rick? Eine Gastmutter sagt: "Haben seine Eltern einfach ... beschlossen, nicht mitzumachen?" Wobei? Genetische Optimierung? Die anderen Kinder scheinen sich ihm gegenüber überlegen zu fühlen. Und ist Josie krank wegen der "Sache"? Und woran ist ihre Schwester gestorben?
Ich finde das Buch bisher alles andere als zäh.
Bearbeitet von Teddy, 06 Juli 2021 - 21:48.
Geschrieben 07 Juli 2021 - 06:48
Geschrieben 07 Juli 2021 - 08:09
Ich muss gestehen, dass mir das Buch zu teuer ist. Wenn ich irgendwann ein Schnäppchen machen kann oder in der Biblio darauf stoße, hole ich die Lektüre nach.
Geschrieben 07 Juli 2021 - 09:37
Alles was wir geben mussten gehört zu meinen Lieblingsbüchern.
Das ist bei einem Schriftsteller wie Ishiguro stets so: Egal, was man liest, man vergleicht es mit seinen früheren Werken. Ich habe "Was vom Tage übrigblieb" geliebt. Und sein "Der begrabene Riese" gehört zu den besten Büchern, die ich in den vergangenen zehn Jahren gelesen habe. Mit solchen Meisterwerken kann "Klara" nicht mithalten, finde ich - was aber nicht bedeutet, dass es kein gutes Buch wäre.
Im Übrigen eint seine Bücher - wenn ich das als LAIE richtig deute - das so genannte "unzuverlässige Erzählen", oder? Wiki definiert dies als: "Unzuverlässiges Erzählen ist eine spezielle Form des Erzählens, bei dem die Zuverlässigkeit (das heißt zumeist: die Wahrheit oder Angemessenheit) der Erzähleraussagen über die erzählte Welt vom Rezipienten (Leser, Zuhörer, Zuschauer etc.) in Frage gestellt wird."
Das ist beim Butler in "Was vom Tage übrigblieb" so. Und auch beim "Der begrabene Riese" und bei "Alles, was wir geben mussten." Und nun eben auch bei Klara.
Geschrieben 07 Juli 2021 - 14:32
Im Übrigen eint seine Bücher - wenn ich das als LAIE richtig deute - das so genannte "unzuverlässige Erzählen", oder? Wiki definiert dies als: "Unzuverlässiges Erzählen ist eine spezielle Form des Erzählens, bei dem die Zuverlässigkeit (das heißt zumeist: die Wahrheit oder Angemessenheit) der Erzähleraussagen über die erzählte Welt vom Rezipienten (Leser, Zuhörer, Zuschauer etc.) in Frage gestellt wird."
Das ist beim Butler in "Was vom Tage übrigblieb" so. Und auch beim "Der begrabene Riese" und bei "Alles, was wir geben mussten." Und nun eben auch bei Klara.
Yep. The Remains of the Day ist gewissermassen ein Lehrbuchbeispiel für das, was in der Literaturwissenschaft unter "unzuverlässigem Erzählen" verstanden wird. Wir haben einen Ich-Erzähler, der seine Sicht der Dinge schildert, als Leser merken wir aber rasch, dass er offensichtlich eine verschobene Wahrnehmung hat und deshalb manches völlig falsch interpretiert. Im Falle von The Remains of the Day ist der Protagonist so sehr darum bemüht dem zu entsprechen, was er als Idealbild eines Butlers ansieht, dass er weder merkt, dass sein Chef mit Nazis sympathisiert, noch dass er die Frau zurückweist, die er eigentlich liebt.
In Never Let Me Go ist die Diskrepanz wohl nicht ganz so ausgeprägt, aber auch hier merkt man schnell, dass Kathy gewisse Dinge nicht richtig versteht.
Bei Klara and the Sun ist die Situation in meinen Augen etwas komplexer. Auf den ersten Blick haben wir auch hier eine Ich-Erzählerin, die gewisse Dinge völlig falsch versteht. Aber der Clou an dem Buch ist, dass dies ab einem gewissen Punkt in Frage gestellt wird (wer schon so weit ist mit Lesen, weiss, was gemeint ist). Plötzlich ist gar nicht mehr klar, ob Klara das wirklich alles falsch verstanden hat.
Tatsächlich würde ich sogar behaupten, dass das Buch eine interessante Kombination aus unzuverlässigem Erzählen und reiner Phantastik im Sinne Tzvetan Todorovs darstellt. Die todorovsche Phantastik zeichnet sich dadurch aus, dass unentschieden bleibt, ob ein vorderhand unglaubliches Ereignis eine rationale oder eine übernatürliche Erklärung hat. Bei Klara and the Sun wird das nie eindeutig aufgelöst. Und je nachdem, zu welcher Interpretation man neigt, ist Klara als Erzählerin unzuverlässig oder nicht.
Bearbeitet von simifilm, 10 Juli 2022 - 16:32.
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Geschrieben 07 Juli 2021 - 16:03
@Simifilm: Spitzen Beitrag. Danke dafür!
Geschrieben 08 Juli 2021 - 14:30
Manche Kinder im Roman sind also "gehoben". Im englischen Original - ich hab kurz recherchiert - steht dort "lifted". Und was es mit diesem "lifted" auf sich hat, wird im Laufe des Romans immer klarer. Hier scheint mir keine radikal neue oder besonders kreative Idee ausgearbeitet zu sein. Das hat man schon oft ähnlich gelesen. Von diesen "Interaktionstreffen" hingegen bin ich sehr angetan - eine feine Idee, finde ich; passend für eine Epoche, in der die Kinder Distanzunterricht haben und kaum unter Menschen kommen. So zumindest verstehe ich diese Meetings. Als Einübung ins Zwischenmenschliche.
Ich hoffe, ich spoilere nicht zu viel, aber: Nach der "Scheune" nimmt die Geschichte doch deutlich Fahrt auf. Eine neue Person kommt ins Spiel - mit einem biographischen Hintergrund, der erneut an Atwood-Romane erinnert. Und wir wissen als Leser, Leserin mittlerweile sehr genau, welche Figur was beabsichtigt. Fast erstaunlich früh - ich bin gerade an einer Stelle, in der man den Eindruck hat "Nun ist alles klar". Und genauso wird es wohl nicht sein, daher freue ich mich darauf, wie es weitergeht.
Geschrieben 08 Juli 2021 - 17:00
DRITTER TEIL
Schrittweise wird klar, was es mit Josies Krankheit und dem Tod ihrer Schwester auf sich hat, eingebettet in ein Spiel, dass Josie und Rick - dank Klara ganz ohne Techtelmechtel - spielen. Sehr interessant fand ich die Szene, in der Klara zur Scheune geht. Die Segmentierung scheint Klaras gesamte Wahrnehmung zu beeinflussen, d.h. sie kann ein Segment erst mit Hilfe von Rick verlassen. (Wie eine Wespe, die immer wieder gegen eine Scheibe fliegt...) Ob es sich bei der Segmentierung um einen Bug oder ein Feature handelt, ist weiter unklar. Noch unklarer ist der Sonnenkult, dem Klara anhängt: Eigentlich ist es schwer vorstellbar, dass eine KI, die so programmiert ist, dass sie sich im Leben gut zurecht findet, die Sonne als Wesen ansieht, wie Klara dies in der Scheune tut. Ich hoffe mal, dass sich die Bedeutung von "Klara und der Sonne" noch ergibt.
Geschrieben 10 Juli 2021 - 10:42
Vierten Teil (bis Seite 305) gelesen.
Einige Sachen wurden verraten oder angedeutet. Vieles was den gesellschaftlichen Hintergrund angeht, bleiben aber noch nebulös. Ich bin mal gespannt, wie sich die mystische Vorstellung von Klara, der Cootingsmaschine und der Sonne entwickelt.
Geschrieben 11 Juli 2021 - 16:47
Fertig.
Und ich bleibe dabei: Ein gutes Buch, aber kein Meisterwerk wie andere Bücher aus der Feder dieses Autors. Über die Details muss ich noch nachdenken.
Geschrieben 11 Juli 2021 - 17:08
Für mich hat der Roman ein fundamentales Problem. Beim Lesen konnte ich es nicht recht benennen, aber Adam Roberts Rezension, auf die ich weiter oben schon verwiesen habe, trifft es meiner Ansicht nach recht genau.
Klara ist, wie weiter oben schon dargelegt, eine unzuverlässige Erzählerin. Sie versteht gewisse Dinge total falsch (oder auch nicht †¦). Das Problem dabei: Sie ist zugleich ein superhochentwickelter Androide, ein absolutes Hightech-Gerät. Aus unerklärlichen Gründen ist sie aber mit nichts vernetzt, kann auf keine Datenbanken zurückgreifen. Sie weiss nur, was sie sich in eigener Erfahrung aneignet. Das ist hochgradig unplausibel und offensichtlich nur deshalb so arrangiert, weil sonst die ganze Erzählanlage nicht funktionieren würde. Einmal unter Wikipedia nachlesen, was es mit dem Lauf der Sonne auf sich hat, und die Handlung hätte keine Basis mehr †¦
Bearbeitet von simifilm, 11 Juli 2021 - 17:14.
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Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
Geschrieben 12 Juli 2021 - 00:31
Ich bin auch durch.
Erstes, schnelles Urteil: Hat mir gut gefallen.
Die märchenhafte Wunderheilung von Josie ist mir noch nicht klar. Man kann das natürlich alles auf den unzuverlässigen Erzähler schieben: Klara erzählt die Geschichte vom Schrottplatz aus und sagt selbst, dass sie diverse Szenen durcheinander wirft. Und die schon mehrmals erwähnten Segmentierungen zeigen, dass ihre Wahrnehmung immer mal wieder gestört war. Trotzdem ist auch die Vorstellung einer übernatürlichen Rettung verlockend.
Die Kritik von Adams finde ich hingegen belanglos. Das ist keine Geschichte, die zeigt, wie Roboter wahrscheinlich mal aussehen. Man muss halt als Prämisse akzeptieren, dass KFs so gebaut sind, wie sie sind, da nur aus dieser Kombination aus Naivität und komplexen Wissen ein Wesen entsteht, dass von Kindern akzeptiert wird.
In der Geschichte geht es vielmehr darum, was den Mensch menschlich macht: Was geht bei der ständigen "Selbstoptimierung" verloren? In wie weit wird der Mensch durch die Liebe von anderen menschlich?
Geschrieben 12 Juli 2021 - 05:56
Die Kritik von Adams finde ich hingegen belanglos. Das ist keine Geschichte, die zeigt, wie Roboter wahrscheinlich mal aussehen. Man muss halt als Prämisse akzeptieren, dass KFs so gebaut sind, wie sie sind, da nur aus dieser Kombination aus Naivität und komplexen Wissen ein Wesen entsteht, dass von Kindern akzeptiert wird.
In der Geschichte geht es vielmehr darum, was den Mensch menschlich macht: Was geht bei der ständigen "Selbstoptimierung" verloren? In wie weit wird der Mensch durch die Liebe von anderen menschlich?
Ich fühle mich zumindest teilweise falsch verstanden. Es geht mir - und wohl auch Roberts - überhaupt nicht darum, ob es mal Androiden wie Klara geben wird. Es geht um eine Frage der inneren Konsistenz. Die Prämisse dient hier einzig und allein dazu, eine bestimmte Erzählanlage zu ermöglichen, hat aber darüber hinaus keine innere Logik. Es macht schlicht keinen Sinn, dass irgend jemand solche Maschinen bauen würde, es sei denn, er legt es darauf an, Missverständnisse zu produzieren, wie sie Klara unterlaufen.
Ishiguros Ansatz war hier nicht: "Ich ändere diesen und diesen Parameter und schaue, was passiert." Sondern vielmehr: "Ich will genau diesen Effekt erreichen und baue deshalb eine Figur mit ganz bestimmten Eigenschaften." Unabhängig davon, ob diese Anlage irgendwie plausibel ist. Das kann man machen, es lässt den Roman allerdings nicht sonderlich organisch wirken.
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Geschrieben 12 Juli 2021 - 06:57
Im Versuch einer Verteidigung: Die KFs hält man in dieser zukünftigen Gesellschaft streng vom Netz fern, weil man all die Filme kennt, in denen sich Künstliche Intelligenzen verbinden und sich gegen die Menschheit erheben. Wäre das keine halbwegs plausible Erklärung? Dann könnte man noch immer sagen, dass es erstaunlich ist, wie viele seltsame Konklusionen diese Roboter ziehen. Netzanschluss hin oder her. Aber eben hierin, so mein Verständnis, liegt eine Pointe des Buchs: Wir haben es mit hochentwickelten Robotern zu tun, die jedoch zu mythischem Denken tendieren. Von wegen kühler Rationalität und so, nein: Wie wir Menschen scheinen auch Androiden das mythische Denken nicht ausmerzen zu können. An einer Stelle wird das auch explizit, als eine Figur abwertend sagt: "Ach, das ist doch typischer KF-Aberglaube" oder so ähnlich.
Was macht Klara nun genau in der Scheune? Sie bittet die Sonne um Hilfe. Aber passiert da noch mehr? Diese Szenen blieben mir irgendwie unklar. Auch ist mir persönlich nicht ganz klar, was der Entwickler am Ende von Klara konkret will?
Geschrieben 12 Juli 2021 - 07:01
Im Versuch einer Verteidigung: Die KFs hält man in dieser zukünftigen Gesellschaft streng vom Netz fern, weil man all die Filme kennt, in denen sich Künstliche Intelligenzen verbinden und sich gegen die Menschheit erheben. Wäre das keine halbwegs plausible Erklärung? Dann könnte man noch immer sagen, dass es erstaunlich ist, wie viele seltsame Konklusionen diese Roboter ziehen. Netzanschluss hin oder her. Aber eben hierin, so mein Verständnis, liegt eine Pointe des Buchs: Wir haben es mit hochentwickelten Robotern zu tun, die jedoch zu mythischem Denken tendieren. Von wegen kühler Rationalität und so, nein: Wie wir Menschen scheinen auch Androiden das mythische Denken nicht ausmerzen zu können. An einer Stelle wird das auch explizit, als eine Figur abwertend sagt: "Ach, das ist doch typischer KF-Aberglaube" oder so ähnlich.
Für mich geht das einfach schon stark in die Richtung eines Plots, der nur funktioniert, weil eine Figur im entscheidenden Moment auf die dümmstmögliche Weise reagiert. Nicht weil es der Figur oder deren Welt tatsächlich entspricht, sondern weil die Handlung sonst nicht wie gewünscht weiterginge.
EDIT: Das hat wenig damit zu tun, ob die Androiden nun technisch-wissenschaftlich plausibel sind, sondern vor allem damit, ob der Roman eine innere Stimmigkeit hat. Ihre Naivität ist Klaras hervorragendste Eigenschaft, auf ihr baut der ganze Roman auf. Wenn mich diese nicht überzeugt, funktioniert etwas nicht. Der Roman muss also glaubhaft machen, warum sie so ist, wie sie ist. - Als Vergleich: Ich kann nachvollziehen, warum der Protagonist von The Remains of the Day eine so verkorkste Sicht auf die Welt hat. Weil er in diesem Umfeld aufgezogen wurde, weil sein Vater ihn vollkommen falsch erzogen hat etc. Bei Klara hingegen habe ich als einzige Erklärung, dass die Leute, welche diese Roboter bauen, alle recht dämlich sein müssen.
Bearbeitet von simifilm, 12 Juli 2021 - 08:05.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
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Geschrieben 12 Juli 2021 - 15:33
Ishiguros Ansatz war hier nicht: "Ich ändere diesen und diesen Parameter und schaue, was passiert." Sondern vielmehr: "Ich will genau diesen Effekt erreichen und baue deshalb eine Figur mit ganz bestimmten Eigenschaften." Unabhängig davon, ob diese Anlage irgendwie plausibel ist. Das kann man machen, es lässt den Roman allerdings nicht sonderlich organisch wirken.
Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, was organisch in diesem Zusammenhang bedeutet, gebe ich dir völlig recht. Und diese "Figur mit bestimmten Eigenschaften" muss man akzeptieren, sei es mit irgendwelchen Argumenten, wie oben von mir und Dyrnberg genannt, oder halt einfach so. Da man in der phantastische Literatur dauern irgendwelche Prämissen akzeptieren muss, ist mir das auch nicht sonderlich schwer gefallen. Schade, dass du da so große Probleme damit hast, denn Klara ist mMn eine überaus gelungene literarische Figur, die man nicht vergessen wird.
Bearbeitet von Teddy, 12 Juli 2021 - 15:44.
Geschrieben 13 Juli 2021 - 00:46
Was macht Klara nun genau in der Scheune? Sie bittet die Sonne um Hilfe. Aber passiert da noch mehr? Diese Szenen blieben mir irgendwie unklar.
Ich gebe mal eine mögliche Lesart: Damit KFs von Kindern akzeptiert werden, müssen sie intelligent, empathisch, aber auch etwas naiv sein. Klara wird als außergewöhnlich neugierig und emphatisch beschrieben. Sie macht, was intelligente, aber unwissende Lebewesen schon immer gemacht haben, und sucht sich eine Art Gottheit. Da sie von Licht lebt, liegt die Sonne auf der Hand. Und sie macht, was gläubige Menschen schon immer gemacht haben, sie interpretiert irgendein zufälliges Ereignis als Wunder. Viele Gläubige beten oder bringen Opfer dar und glauben, das dies Ursache für ein gewünschtes Ereignis ist. Klara hat zur Sonne gesprochen (gebetet), einen Teil ihrer selbst geopfert und ein gottloses Wesen besiegt. Dies sieht sie als Ursache für die Heilung.
Geschrieben 13 Juli 2021 - 12:57
"Manche Bücher liest man mit der Angst, dass die Autorin oder der Autor im Verlauf der Erzählung einreißt, was am Anfang so großartig aufgebaut wurde. "The Buried Giant" von Kazuo Ishiguro war für mich eine Enttäuschung gewesen. Kein Vergleich zu "An Artist of the Floating World" und vor allem zu "Never Let Me Go", einem der besten Romane der Nullerjahre. Die Angst beim sehr starken Anfang von "Klara and the Sun" war groß. Ich fürchtete, dass Ishiguro die stille und zugleich schmerzhafte Intensität der Eröffnung nicht durchgehalten hatte. Aber beim Weiterlesen konnte ich nur noch staunen. Was für ein unglaubliches Buch. Es geht hier um viel mehr als um künstlerische Meisterschaft. Vielleicht gibt es ja eines Tages so etwas wie echte humanoide künstliche Intelligenz. Dann wird "Klara and the Sun" längst ein Klassiker zum Thema sein. Das Buch gehört zu den drei besten Romanen, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Die beiden anderen sind "Jerusalem" (Alan Moore) und "The Glass Hotel" (Emily St. John Mandel)."
Geschrieben 14 Juli 2021 - 05:31
Ich muss gestehen, dass mir das Buch zu teuer ist. Wenn ich irgendwann ein Schnäppchen machen kann oder in der Biblio darauf stoße, hole ich die Lektüre nach.
Ich habe mir deshalb das Hörbuch heruntergeladen. Ein Guthaben oder 9.95
Geschrieben 14 Juli 2021 - 07:06
Ich bin dann auch durch (letzte Woche war stressig, keine Konzentration zum Lesen).
Hat mir sehr gut gefallen. Das Buch ist sehr ruhig erzählt, im Prinzip passiert nicht viel. Ich mag solchge entschleunigten Texte.
Ich habe Klara und die Sonne nicht als Roman erlebt, der in einer realen Welt spielt, sondern mehr wie eine Art Märchen, in der sich reale und fiktive Ebene treffen. Das meine ich im positiven Sinn. Die Handlungen und die Weltsicht von Klara sind nicht so, dass ich glauben würde, sie könnten im realen Leben, bei "echten" KIs, so passieren.
Beeindruckt hat mich die positive Einstellung, die Unschuld, mit der Klara das Leben erlebt. Obwohl Managerin sie vor Kindern warnt, die auch grausam sein können, erlebt sie ihre Situation als positiv. Selbst am Romanende, als sie mit offenbar versagender Motorik auf einem Schrottplatz abgestellt ist, empfindet sie keine Bitterkeit sondern ist zufrieden, den Himmel und die Sonne betrachten zu können. Auch Josie gehört zu den Charakteren, die leicht Verbitterung über ihr Schicksal empfinden könnte, sich aber ihren Lebensmut bewahrt hat
Ansonsten stecken in dem ziemlich kurzen Buch viele Themen, die gelegentlich auch nur angedeutet sind, wie der Ehrgeiz von Eltern, Chancengleichheit - oder das Fehlen davon - für Kinder, Umgang mit einem todkranken Kind, verschiedene Gesellschaftsmodelle, das plötzliche Verschwinden von Melania Haushälterin usw. usf.
Alles in allem: Ein Buch, dass ich mit großem Vergnügen gelesen habe.
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