98 Antworten in diesem Thema

[derbenutzer]

@Susanne11: Du hast ja recht. Manchmal ist es tatsächlich besser, einfach die Fresse... zu halten.

Klar kann man Unstimmigkeiten auffinden, nur ich finde es nicht so schlimm paar "Hoppalas" aufzuzählen. Ich bin bei kleineren Dingen da nicht so empfindlich. Da hat vielleicht auch das Lektorat nicht ganz perfekt aufgepasst. Tatsache scheint mir, dass der Roman einfach gut geschrieben ist. Endlich hole ich auch kräftig auf.
Eines ist klar, manche Kapitel verlangen bei mir zurückzublättern, da ich ich wegen der Spannung zu schnell lese. Sehe ich ähnlich, wie Susanne dies beschrieben hat. Man kann leicht über Sachen stolpern.

Die Hindi-Ausdrücke irritierten mich nur am Anfang. Sie sind, was ich am Anfang fast vermutete, nicht nur ein stilistisches Element zum Eintauchen in diese Welt, sie führen gleichzeitig auch diese "Götterwelt" ein. Und gerade diese bleibt im Roman eben nicht Lokalkolorit: das ist seitens des Autors sehr gekonnt gemacht.

Ist Euch übrigens aufgefallen, dass McDonald im Text die vollen (teils langen) Namen der Protagonisten sehr kurz hintereinander nennt? Da wird kaum auf "he" oder hauptwörtliche Benennungen zurückgegriffen. Eigentlich sollte das unbeholfen wirken, wirkt es aber (auf mich) nicht. Zusammen mit der Verwendung der Gegenwart vermittelt das sogar Intensität. Ich sehe es als Stilelement, aber vielleicht bilde ich es mir nur ein ...

So, jetzt wird weitergelesen.

LG

Jakob

Bearbeitet von derbenutzer, 16 September 2012 - 18:45.

[Seti]

Ich bin jetzt im Schlussspurt (Seite 740) und muss vor McDonald ehrfürchtig den Hut ziehen - im Ensemble-Kapitel brennt er ja ein wahres Feuerwerk ab. Da ist alles dabei, was das Herz des Lesers höher schlagen lässt: weitere Enthüllungen, Action, tragische Wendungen und das alles ist so geschickt ineinander verzahnt. Wirklich top

Ich würd jetzt zwar gern über die ein oder andere Szene schreiben...

Spoiler

Kijs Erkenntnis des Menschseins, Yogendras Verrat, Parvati & Krishan

...aber ich glaube, vorher les ich erstmal das Buch zuende.

[Trurl]

Ich bin jetzt im Schlussspurt (Seite 740) und muss vor McDonald ehrfürchtig den Hut ziehen - im Ensemble-Kapitel brennt er ja ein wahres Feuerwerk ab. Da ist alles dabei, was das Herz des Lesers höher schlagen lässt: weitere Enthüllungen, Action, tragische Wendungen und das alles ist so geschickt ineinander verzahnt. Wirklich top

Ich kann das nur bestätigen. Bin ebenfalls in diesem letzten Abschnitt und die Abfolge Ereignisse beschleunigt sich weiter. Jeder der Protagonisten erfährt Dinge, die den Leser das Puzzle weiter zusammensetzen lassen.

Aber was mich noch mehr beeindruckt, ist die "menschliche Seite", wofür der Autor, ich weiß nicht wie er das macht (aber das weiß man bei einem begabten Sprachkünstler sowieso nie), genau die richtigen Worte findet. Ich ertappe mich immer wieder, wie ich dann stutze und den Abschnitt noch einmal lese, weil ich merke, wie klasse das geschrieben ist. Ich habe mir ein paar gelungene Abschnitte gemerkt und wenn wir den Roman durch haben, werde ich die hier zitieren. So ein Best of Cyberabad.

LG Trurl

[Susanne11]

Das ist für mich der eigentliche Schlusssatz des Roman - sozusagen vor dem Nachspann. "In einem dunklem Raum im Herzen eines Tempels einer dunklen Göttin, mit Blut beschmiert und mit der Asche toter Menschen bestäubt, schaukelt ein alter Mann im Schneidersitz auf dem knochigen Hintern vor und zurück und lacht und lacht und lacht und lacht."

[Seti]

So, bevor ich überhaupt etwas zum Ende schreibe, erstmal eine Warnung für jeden, der noch nicht fertiggelesen hat oder eventuell mit dem Gedanken spielt, "Cyberabad" irgendwann zu lesen: Meidet diesen Thread ab jetzt wie der Teufel das Weihwasser...

SPOILERGEFAHR!

(Ich werd meinen Beitrag zwar in Spoiler-Tags packen, aber auch in den kommenden Beiträgen wird mit Sicherheit sehr viel verraten. Und eine Diskussion komplett über aufklappbare Kästchen ablaufen zu lassen, wäre ja auch sinnlos. Also, ihr wurdet gewarnt.)

Spoiler

Wow, was für ein Finale. Ich fang erstmal mit der für mich schockierendsten Szene an: Kijs Tod kam für mich völlig unerwartet. Im ersten Moment dachte ich, das kann doch nicht McDonalds Ernst sein. Aber als sich die erste Aufregung gelegt hatte, wurde mir klar, dass es garnicht anders hätte kommen können. Nandha hat genau das getan, was man von ihm erwarten musste – einerseits dadurch, wie sein Charakter Kaihs gegenüber eingestellt war und andererseits durch den Verlust von Parvati. Beides wurde lange genug vorbereitet. Und als Kij von ihren »Göttern« im Stich gelassen wurde (überragende Szene) und sie wehrlos zurückblieb, hätte man fast damit rechnen müssen. Aber da viel zu viele Romane mit einem konventionellen Abschluss aufwarten – manche sogar mit einem hollywoodhaften Happyend – ist man so viel Dramatik als Leser garnicht mehr gewohnt. In diesem Punkt hebt sich "Cyberabad" deutlich von der Masse ab und das finde ich gut.

Auch die Tode von Shiv und Krishan waren gut inszeniert. Bei Shiv war sein Schicksal ja abzusehen, aber ich hatte nicht in der Szene auf dem Boot damit gerechnet. Toll, wie McDonald Shiv erst seine Zukunftsphantasien aufsagen lässt, um ihm dann buchstäblich ein Messer in den Rücken zu rammen. Krishans Tod ist dann schon fast eine Verneigung vor den großen (Bollywood-)Dramen. Das ungleiche Liebespaar entkommt, ein Schuss fällt und man rechnet mit dem schlimmsten. In der nächsten Szene scheint dann alles in Ordnung zu sein, das Paar fährt in den Sonnenuntergang und dann kommt der große Knall. Beide Schicksale wurden sicherlich schon viele Male ähnlich in Filmen und Büchern umgesetzt, aber den Mut als Autor, das auch konsequent durchzuziehen, muss man erstmal aufbringen.

Der Showdown im Forschungszentrum von Ray Power gefiel mir ganz gut, hatte aber nicht die emotionale Wucht der vorangegangenen Szenen. Ich war ein bisschen enttäuscht, dass sich die Kaihs ohne eine letzte Botschaft verabschiedeten (na gut, die Szene mit Najia und Jivanjee, und auch der »Verrat« an Kij kann als eine Art Abschied gesehen werden). Trotzdem sauber umgesetzt, und sang- und klanglos sind sie ja auch nicht verschwunden.

Den letzten Satz des Ensemble-Kapitels, den Susanne schon zitiert hat, fand ich grandios.

Das letzte Kapitel war dann ein gelungener Abschluss. Der Ursprung des Tabernakels wird schlüssig erklärt und zumindest für mich (jemanden mit moderaten naturwissenschaftlichen Kenntnissen, der sich in Detailfragen nicht auskennt) klang es durchaus physikalisch vorstellbar. Dass dies zusätzlich mit dem hinduistischen Göttermythos, der ja schon den gesamten Roman durchzog, verflochten wurde, gefiel mir auch sehr. Auch am Schluss macht McDonald keine Zugeständnisse, er lässt Lisa und Lull auf Nimmerwiedersehen auseinandergehen und selbst wenn ich mir vielleicht ein anderes Ende für die beiden gewünscht hätte, wusste ich doch, dass es garnicht anders hätte kommen dürfen.

[derbenutzer]

Ich bin durch. Ich habe mich nach der letzten Seite ähnlich gefühlt, wie nach großartigen Kinoerlebnissen, wo man manchmal beim Verlassen des Saales etwas taumelig und fast bedauernd der Wirklichkeit des Alltages begegnet. Das Schicksal mancher der Handlungsträger nimmt gegen Schluss einen Verlauf, den ich überhaupt nicht erwartet hätte: gut so, spricht nur für den Roman. Wie da auch die Handlungsstränge zusammenfinden, ist wirklich gekonnt. Ich warte noch auf Wortmeldungen anderer Leser, dann schreibe ich noch etwas zu drei oder vier der Protagonisten und noch paar Kleinigkeiten (Spoiler-Tags mag ich nicht so gerne verwenden). Ähnlich wie Trurl es angemerkt hat, habe auch ich mir manche Passagen notiert. McDonald kann sehr oft und sehr gut messerscharf formulieren. In paar Wochen wird er noch einmal gelesen, diesmal in Deutsch. Bin schon schwer auf die Übersetzung neugierig. Die Umfrage fülle ich allerdings jetzt schon aus. LG Jakob

Bearbeitet von derbenutzer, 24 September 2012 - 00:17.

[Susanne11]

Ich habe mich nach der letzten Seite ähnlich gefühlt, wie nach großartigen Kinoerlebnissen, wo man manchmal beim Verlassen des Saales etwas taumelig und fast bedauernd der Wirklichkeit des Alltages begegnet.

Genau so ... das hast du wirklich gut formuliert.

[Seti]

Ich hab noch gar nicht meine Bewertung abgegeben - Zeit das nachzuholen...

Stil und Sprache: Fantastisch-
Story und Plot: Gut+
Figuren und Charakterisierung: Fantastisch
Setting und Hintergrund: Fantastisch-
Darüber hinaus: Spannend, Anspruchsvoll, Actiongeladen und manchmal auch Lustig, Erotisch oder Traurig (wenn es passt)

Buch insgesamt: Fantastisch

Fazit: Man soll ja mit Superlativen sparsam umgehen, weil sie einem sonst ganz schnell ausgehen, aber zumindest einen Superlativ kann ich gefahrlos anwenden - "Cyberabad" war für mich der beste Roman, den ich dieses Jahr in einem Lesezirkel gelesen habe.

Ganz klar

[Trurl]

Nun, ich musste noch meine abschließende Wertung nachreichen. Es wird nicht überraschen, wenn ich den Roman als Highlight der SF, der letzten Jahre bezeichne und ihm daher die höchsten Wertungen in allen Disziplinen gegeben habe, außer bei der Story, wo ich kleinere Abstriche machen würde, die ich aber dennoch als im Großen und Ganzen ziemlich ordentlich empfunden habe. Ich könnte jetzt nicht auf Anhieb sagen, was mir da gefehlt hat. Da müsste ich erst noch einmal in mich gehen, aber es hat schon etwas damit zu tun, dass wieder einmal ein künstlicher Konflikt Mensch-Maschine herbeigeredet wurde, der für mich aber, auf irgendwie unbefriedigende Art und Weise gelöst wurde. Vor allem ein Tick auf zu phantastische Weise. LG Trurl