Der Prolog war ein recht gelungener Einstieg. Nicht unbedingt sonderlich innovativ, mithilfe der Aufzeichnungen eines Toten die Geschichte zu beginnen, aber alles in allem düster und stimmungsvoll. Ich hätte allerdings gern noch etwas mehr über die Bewohner des Planeten erfahren.
Die Sache mit den »Regenschirmen«, die Methom erwähnt hat, halte ich übrigens für einen Übersetzungsfehler. Wahrscheinlich steht im Original nur umbrella, ist aber sicher im Sinne von »Schutzschirm« (also protective umbrella) gemeint. Denn ein »Regenschirm« zum Schutz vor Krankheiten, die durch die Luft übertragen werden, ergäbe keinen Sinn und widerspricht auch dem ernsten Ton des Prologs.
Als enthüllt wird, was der Seuchenstern ist, kam mir noch eine Frage in den Sinn:
Wie kann die Arche denn Seuchen auf dem Planeten verbreiten, wenn sie so weit entfernt ist, dass sie nur als Stern wahrgenommen wird? Ich hätte eigentlich angenommen, dass sie dazu in die Atmosphäre eintauchen müsste und dann wäre sie doch bei einer Länge von 30 km sicherlich als Schiff zu erkennen, oder?
Das erste Drittel von »Seuchenstern« bildet dann einen ziemlich deutlichen Kontrast zum Prolog. Die Szenen auf der Füllhorn – allen voran die Geplänkel zwischen Celise Waan und Haviland Tuf – wirkten schon sehr skurril. Stellenweise zieht es sich ein wenig, wobei man jedoch sagen muss, dass ein Großteil dieser Szenen ja der Charakterisierung der Protagonisten dient. Was letztendlich nicht unwichtig ist, um ihre Handlungen auf dem Saatschiff zu verstehen – insbesondere gilt das für Tuf.
Sobald dann die Arche entdeckt und betreten wird, nimmt die Geschichte deutlich an Fahrt auf. Die knappen Absätze und der ständige Perspektivwechsel brachten Dynamik hinein. Das hat mir gefallen. Den T-Rex fand ich aber leicht deplatziert (was durchaus damit zu tun haben könnte, dass Michael Crichton ein paar Jahre später ein passenderes Setting für Dinos umgesetzt hat).
Was man hier schon merkte, war, dass die Hauptfigur es dem Leser nicht unbedingt leicht macht, ihn sympathisch zu finden. Haviland Tuf erinnert mich ein bisschen an eine Mischung aus dem Eunuchen Varys aus GRRMs »Fantasy-Telefonbuch« (Zitat Alfred ) und Sheldon Cooper aus The Big Bang Theory. An Varys vor allem optisch (haarlos, dick, bunte Kleidung), aber auch in der Redeweise, die manche bestimmt als geschwollen oder affektiert empfinden. An Sheldon wiederum dadurch, dass er kaum Emotionen zeigt, körperlich Nähe verabscheut, vieles wörtlich nimmt und sich dabei gar nicht im Klaren ist, dass er andere Charaktere (und manche Leser ) mit seinem Verhalten wahnsinnig macht.
Ich vermute ja, dass er eine leichte Form von Autismus haben könnte und deshalb so ist, wie er ist. Zumindest wirkt es so auf mich. Wie auch immer... Ich mag ihn, gerade weil er so ein schwieriger Charakter ist und seine Sicht der Dinge für den ein oder anderen Schmunzler sorgt.
»Brot und Fische« war dann wieder ruhiger und sehr dialoglastig. Hauptsächlich lebte diese Geschichte von den Interaktionen zwischen Haviland Tuf und Tolly Mune (die mich von der Beschreibung her irgendwie an Mom aus Futurama erinnerte). Das Konzept der Kirche der Lebensentfaltung fand ich interessant, besonders die Stelle als Mune zu Tuf folgendes sagt:
Das ist eine wirklich seltsame Sicht der Dinge, die die S'uthlamesen da haben (und die sie verständlicherweise in Konflikt mit ihren Nachbarn gebracht hat). Sicherlich steigt die Zahl positiver Mutationen mit der Größe einer Population, aber letztendlich funktioniert das nur so lange, wie Ressourcen für dieses Wachstum verfügbar sind. Und das ist schon lange nicht mehr der Fall. Es wird ja auch erwähnt, dass die Bewohner S'uthlams sehr klein und schmächtig sind, weil sie seit Generationen unter Mangelernährung leiden. Somit ist ihr Vorhaben, zur Göttlichkeit zu streben, in diesem Punkt schon mal missglückt. Und obwohl einige S'uthlamesen sogar erkannt haben, dass sie ihren Glauben nie den veränderten Lebensverhältnissen angepasst haben, halten ihre Religionsführer weiterhin daran fest, weil dieser Glaube tief in ihrer Kultur und ihren Traditionen verwurzelt ist, und damit mehr zählt als die aktuelle gesellschaftliche Situation. Das klingt leider sehr vertraut..."Wir müssen uns entfalten, sagt die Kirche, durch immer höhere Stadien von Bewusstsein und Genie bis hin zur letztendlichen Göttlichkeit, und wir müssen diese Göttlichkeit rechtzeitig erreichen, um den Hitzetod des Universums abzuwenden. Da die Evolution sich durch den biologischen Mechanismus der Fortpflanzung entfaltet, müssen wir uns fortpflanzen, müssen immerzu expandieren und den Genpool bereichern, unsere Saat über die Sterne verstreuen."
Planetenwanderer, S. 191
Soweit ich das hier mitbekommen habe, kehrt Tuf ja nochmal noch S'uthlam zurück, also hat diese Geschichte sicherlich noch ein Nachspiel. Bin gespannt darauf.
Btw: Was die Übersetzung allgemein angeht...
Mir ist noch eine eher missglückte Übertragung eines Wortspiels aufgefallen, als Celise Waan »etwas Reales« essen will (wobei sie Fleisch meint) und Tuf daraufhin einen Pilz abtastet, ob er eine Illusion sei. Im Original sagt sie da bestimmt something real - ich denke »etwas Handfestes« hätte da besser geklungen und trotzdem den Witz erhalten.
Neben der Sache mit den »Regenschirmen« war das der größte Patzer, der mir aufgefallen ist. Ansonsten finde ich die Übersetzung gelungen.