@Yvonne: „Planet Terror“ ist ja auch guter Trash
.
„Letzte Hoffnung“ (Günther Kienle)
Diese Story nimmt eine kleine Sonderstellung in der Anthologie ein, denn sie hat einen Funken Hoffnung. Im Gegensatz zu Roland fand ich nicht, dass sie sich „wie aus einem Roman herausgelöst“ liest. Anfang und Ende sind offen, aber das Erzählte ist eine runde Einheit. Über den Plot und das Ende möchte ich nicht viel erzählen, denn ich weiß nicht, wie ich sie inhaltlich umreißen soll, ohne zu spoilern. Die grundsätzliche Idee mag nicht neu sein und ich möchte „Letzte Hoffnung“ nicht als überragend, aber durchaus als überdurchschnittlich bezeichnen. Diese Geschichte ist im Gesamten betrachtet von einer Güte, die ich in dieser Anthologie vermisst habe: Sprachlich sauber, gut strukturiert, ordentlich gesetzter Spannungsbogen, realistische Charaktere. Aber ganz ehrlich: Von einem sattelfesten Routinier wie Günther Kienle habe ich nichts anderes erwartet.
„Zombie-Jockey“ (Andreas Flögel)
Ein „Zombie-Jockey“ ist jemand, der sich in (mehr oder weniger frische) Leichen transferieren lässt, damit der nun wiederbelebte Körper für den Schwarzmarkt aufgepäppelt werden kann. Ja, die Idee hat was
. Die Geschichte selbst wird von einem dieser Jockeys erzählt. Dieser richtet seine Worte aber nicht „an uns“ (die Leser:innen), sondern „spricht“ zu einer anderen Person, die allerdings nicht zu Wort kommt. Warum Andreas Flögel dieses Stilmittel wählte, offenbart sich am Schluss.
Ganz ordentlich im Hard Boiled Style verfasst, begeistert mich die Idee, aber der Großteil der Geschichte ist belanglos oder erklärend. Die Pointe wiederum sitzt. Eine jener Stories, die es auch als (dann richtig gute) Kürzestgeschichte getan hätte.
Gesamtfazit:
Ich bin unterwältigt. Zwar habe ich mitbekommen, dass die Ausschreibung zur Anthologie qualitativ nicht unbedingt ergiebig war, hatte bei den schlussendlich Ausgewählten aber ein höheres Niveau erwartet. Ein wohlwollender Newbie-Bonus („Lye“) oder ein paar durchschnittlichere Geschichten („Mykokalypse“, „Die Membran“) hätten unauffällig mitgezogen werden können, wenn der Rest überzeugender ausgefallen wäre. Aber abgesehen von der bescheidenen Anzahl überdurchschnittlicher Geschichten - für mich stechen eigentlich nur „Bugs“ und „Der Exodus der Welwitschias“ hervor, mit Abstrichen aus unterschiedlichen Gründen noch „Der Flüsterwald“, „S. H. E.“ und „Letzte Hoffnung“ - krankt die Anthologie an mehreren unterdurchschnittlichen Beiträgen, die inhaltlich nicht überzeugen können und/oder handwerklich einfach nicht publikationsreif sind.
Storyrating:
„Die Membran“ (Ivan Ertlov) - 3/5
„Sweeper“ (Julia Freyer) - 2/5
„Mykokalypse“ (Thomas Heidemann) - 3/5
„Der Flüsterwald“ (Astrid J. Wittenberg) - 3.5/5
„Der Exodus der Welwitschias“ (Dieter Korger) - 4/5
„Marie“ (Asmodina Tear / Markus Heitkamp) - 1/5
„Phönixfund“ (Maximilian R. Herzig) - 2/5
„Mückenstich im Hirn“ (Robert Koller) - 1/5
„S. H. E.“ (Lisa Katharina Hensel / Kathrin Schlüßler) 3.5/5
„Bugs“ (Nina Casement) - 4.5/5
„Die Auflehnung“ (Oliver Gross) - 2/5
„Lye“ (Emily Poschner) - 2.5/5
„Symbiose“ (Florian Krenn) - 2/5
„Letzte Hoffnung“ (Günther Kienle) - 3.5/5
„Zombie-Jockey“ (Andreas Flögel) - 3/5
= 2,69
Ich äußere mich ungern negativ über den Eridanus Verlag und meinen geschätzten Coverdesigner und Hrsg.-Kollegen Detlef, aber mit dieser Anthologie wurde sich kein Gefallen getan. Die Sammlung hätte mit dieser Zusammenstellung einfach nicht erscheinen sollen. Ich vermute, nach diesem Lesezirkel werden auch keine (stillen) Mitlesenden hier auf die Idee kommen, sie sich anzuschaffen.
Nun, jetzt ist das biokalyptische Kind in den Brunnen gefallen. Daher bleibt mir nur übrig, Detlef und Jana auf diesen Thread hinzuweisen und sie ihre Schlüsse daraus ziehen lassen. Im besten Fall wird es als schmerzhafte, aber lehrreiche Erfahrung angenommen.
Bearbeitet von ChristophGrimm, 14 November 2023 - 22:07.