James Blish: „Der Hexenmeister“ (Black Easter)
Nach „Der Tag nach dem Jüngsten Gericht“ habe ich mir vorgenommen, alle Bücher aus der
After Such Knowledge- Reihe zu lesen, zumindest die, die auch im Deutschen verfügbar sind. Das Buch „ Doctor Mirabilis“ wurde ja meines Wissen nach nicht übersetzt; und ist so nebenbei erwähnt wohl auch im Englischen eine Rarität, wenn man nach den Preise für antiquarische Ausgaben geht.
„Black Easter“ ist die unmittelbare Vorgeschichte zum „Tag nach...“ und im Gegensatz zu diesem eher selten publiziert worden. Einerseits ist das komisch, denn beide Stories gehören zusammen wie 2 Kapitel eines Romans. Andererseits kann ich es verstehen, denn was in „Black Easter“ passiert, wird im Vorwort von „Der Tag nach...“ vollinhaltlich zusammengefasst. Mehr als dort steht, ist in dem hier genannten Buch nicht los!
Um gleich mal beim Drumherum zu bleiben: Insofern ist der Backcover-Text von „Der Hexenmeister“ völlig daneben, wenn dort von der „greatest Horror-Story ever told“ und „überraschende(n) Schock-Pointen“ die Rede ist. All das ist das Buch nicht und hat es auch nicht.
Trotzdem ist es gut!
Es wird sehr ausführlich und gemächlich erzählt, wie es zur Heraufbeschwörung des Jüngsten Gerichts durch schwarzmagische Umtriebe kam. Der Rüstungsfabrikant Baines sucht einen bekannten Schwarzmagier, Theron Ware, auf, um ihn um gewisse Gefälligkeiten zu bitten. Zunächst sind es nur „kleine“ Dinge, wie die Ermordung des kalifornischen Gouverneurs. Das soll aber nur testen, in wie weit schwarze Magie auch funktioniert.
Dann sollen die Dämonen der Hölle beschworen werden. Davon erfahren die Mönche auf dem Weißen Berg (Monte Albino), die so eine Art Bruderschaft der Weißen Magie bilden, sich aber seit langem zurück gezogen haben aus den weltlichen Unbilden. Sie versuchen dort vor allem Geister zur Schatzsuche zu gewinnen. Das ist zwar eigentlich auch aus theologisch-ideologischen Gründen verwerflich, aber nun ja... Doch jetzt ist ja sozusagen die K... am Dampfen.
Dummer Weise geht dann aber das verabredete Datum für Amaggedon, nämlich Ostern, auf die Intervention des Weißen Magiers, Pater Domenico, zurück.
Das ist kein Action-Roman. Es geht mehr um die Beweggründe, Motive für das Handeln der Personen. Allerdings habe ich mir mehr Tiefgang, mehr Philosophie versprochen; da ergeht sich Blish eher in Andeutungen. Interessant ist noch, was Baines überhaupt für ein Motiv hat. Ob man (ich) das dann auch so nachvollziehen kann? Er ist unzufrieden mit dem status quo (der Welt), sieht im Heraufbeschwören von Chaos und Weltuntergang einen Neubeginn (?)
So kulminiert der kurze Roman zwar mit dem Beginn des 3. Weltkrieges (chinesische Wasserstoffbombe auf Taiwan) und im Aufmarsch aller möglichen, phantastisch beschriebener, höllischer Dämonen, aber auch in einem Versuch, den Sinn des Universums und die Kraft zu beschreiben, die Menschen vorantreibt und die sie zwischen Glauben und Wissenschaft pendeln lässt.
Es gibt ein paar eindringlich beschriebene Szenen, wie z.B. die Beschwörung eines Succubus als willige Liebhaberin für den sexbesessenen Assistenten von Baines.
Insgesamt ist auch dieses Buch eine anregende Lektüre, wenn auch kein Horror-Shocker.
8 / 10 Punkte
James Blish: „Der Gewissensfall“Der Roman ist der erste aus der
After Such Knowledge- „Reihe“. Reihe setze ich hier in Anführungsstriche, weil der Roman im Grunde mit den folgenden kaum etwas gemein hat, auf den ersten Blick.
Er spielt auch in einer fernen Zukunft, zum Teil auf einem anderen Planeten. Würde die Zusammengehörigkeit der Bücher nicht überall kolportiert werden, wäre ich selbst kaum darauf gekommen.
Der Planet Lilith, äh, ...Lithia ist eine Idylle. Es herrschen ideale Klimabedingungen, in denen seit Urzeiten eine intelligente Reptilien-Spezies (dem Aussehen nach eine Mischung aus Reptilien und Kängurus) gedeiht. Es gibt keine Klassen, keine Rassen, keine Religion, aber auch keine Kunst oder ähnliches, was besondere emotionale Reizungen hervorrufen könnte. Es gibt keinen Staat, aber auch keine Unordnung. Technologischer Fortschritt ist durchaus vorhanden, kommt aber weitestgehend ohne Metalle, ohne Raumfahrt, ohne Atomkraft etc. aus. Das mit der Raumfahrt würde die Echsen aber schon interessieren...
Es gibt auch keine Familien im irdischen Sinne. Wie das funktioniert, erfahren die irdischen Kundschafter auf dem Planeten erst fast zum Ende ihrer Mission. Da bekommt nämlich der mitgefahren Priester ein besonderes Gastgeschenk, ein Ei.
Aus dem schlüpft auf der Erde dann ein Junges, das den Planeten aufmischen wird - also die Erde!
Auf der Erde haben sich die Menschen in ihrer Angst vor dem Atomkrieg unter die Erde in Bunkerstädte zurückgezogen. Die richtigen Städte sind verwaist. Das Leben ist allgemein von Angst beherrscht.
Dieser Kontrast der Lebensentwürfe lässt den Priester denken, dass Lithia eine Schöpfung des Satans ist; denn was anderes soll das sein: Ein Utopia, das den Menschen zeigt, wie bescheuert sie sind? Die perfekte Welt vor dem Sündenfall stellt alles, was auf der Erde ist, in Frage. Unser Priester kniet sich so sehr in diesen Gedanken hinein, dass er die Lehre seiner katholischen Kirche verrät und zum Manichäer wird, der auch den bösen Mächten schöpferische Kräfte zubilligt. Dieses Dilemma führt dann auch zu seinem Kirchenausschluss.
Die Konsequenzen daraus sind apokalyptischer Art. Offen bleibt: Ist es der Exorzismus oder sind es die Atombomben, die zum Weltuntergang führen?
Das nun wiederum ist das verbindende Element zu „Der Tag nach dem Jüngsten Gericht“ und „Black Easter“. Für Blish ist dies der Aufhänger, zwar nicht sonderlich tiefgründig, aber unterhaltsam über Religion und Sinn des Lebens zu philosophieren.
Blish erzählt geradlinig, unterhaltsam, immer etwas kammerspielartig, also, der große Weltentwurf ist auch hier eher verborgen. Ich finde es aber genial, daher...
9 / 10 Punkte
James Blish: „Zeit der Vögel“Wer das liest:
Hier brauche ich Hilfe: In dem Roman werden physikalische, kosmologische (?) Theorien erwähnt; leider, wie so oft bei Blish, nicht viel mehr als nur erwähnt.
Er nennt
Fred Hoyles Steady State Theorie. OK, da findet man ja was dazu. In dem Roman wird sie im Zusammenhang mit einer
Theorie der permanenten Evolution gebracht, „im Sinne der
sphärischen Trigonometrie“ (S. 28). Puh...
Irgendwie läuft dies auf einen Gegenentwurf zur Urknalltheorie hinaus; muss aber auch in Bezug zum Thema Evolution allgemein eine Rolle spielen.
In dem Roman geht es um Evolution.
Ein Mann fällt von einem Teleskop und trifft nie auf dem Boden auf, sondern erwacht 25.000 Jahre später ... irgendwo. Erst weiß er nicht, wo er ist, denn sein Zustand ist durchaus als bizarr zu bezeichnen. Er teilt sich ein Gehirn mit einem schon sehr altem Wesen. Das Gehirn ist in einem Behälter in einer Art Museum und wird von menschlichen Besuchern wie ein Orakel befragt. Die Menschen scheinen im Zustand der Steinzeit zu leben, haben sich offensichtlich zurück entwickelt.
Dafür haben sich die Vögel weiter entwickelt, sind leider auch sehr viel aggressiver geworden und drohen, die Menschheit auszurotten.
Aber es gibt noch Menschen, in der Antarktis, die sogar über Computertechnologie verfügen und die „alte“ Zivilisation erhalten.
Unser Held schlüpft zusammen mit dem Superbewusstsein aus dem Museumsgehirn zunächst in den Kopf eines Degenerierten, durchquert mit ihm das Land der Vögel. Nur der Umstand, dass er den Vögeln als was Besonderes erscheint (so ein Typ mit drei Ichs...) bewahrt ihn vor dem Tod. Dann gelangt er in den Zentralcomputer der Antarktiker.
Ach ja, die Theorien: Kennt jemand den Begriff „
Juganität“? Wird im Zusammenhang mit der Höherentwicklung der Vögel und Rückentwicklung der Menschen benutzt. Und dann gibt es noch den Begriff des
Lobachewskischen Univesums, den ich nur in einem mathematischen Zusammenhang finden konnte. Nochmal: puh...
Nun, es ist einfach interessant, was Blish hier erzählt, auch wenn sich mir auf Anhieb nicht alle Facetten erschließen. Muss ich mal recherchieren (oder Euch im Infos bitten). Aber er textet seine Leser nicht damit zu und erzählt einen schönen, spannenden, geradlinigen Plot, eine Queste durch eine ferne, zukünftige Erde, die nicht im Menschen die Krönung der Schöpfung trägt.
8 / 10 Punkte
Noch 2 Hörbücher:
T.C. Boyle: „Fleischeslust“, Szenische Lesung, Hörbuch.
2 Stories, für mich die erste Begegnung mit dem Autor (wenn man die amerikan. abgehaltene Lesung auf einer Leipziger Buchmesse mal nicht mitzählt).
Nun, so dolle ist das nicht. Kommt vielleicht drauf an, was man (ich) erwartet. In 2 Stories ging es um die Blödheit des Mannes, wenn er sich verliebt, einmal in eine Tierrechtsaktivistin, das andere Mal in eine Russin, die den reichen Amerikaner sucht. Im letzten Text geht es um einen alten, verwirrten Polarforscher, der dummer Weise in einem Obdachlosen die verabredete Kontaktperson sieht. Dummer Weise deshalb, weil er zum einen in der falschen Stadt aus dem Zug stieg und zum anderen, weil der Obdachlose ihn ausraubt.
6 / 10 Punkte
Tad Williams: „Der brennende Mann“ - Hörbuch, gelesen von Regina Lamnitz
Das ist nur ein kurzer Text, eine Novelle. Da ich bis dato Tad Williams nicht gelesen habe, war dies mein erster Eindruck. Nach dem will ich lieber Abstand halten. Sicher konnte ich hier nur bestätigen: Ich bin kein typischer Fan typischer Fantasy.
Da erzählt eine Frau ihre Lebensgeschichte, zumindest vom entscheidenden Teil ihres Lebens. Als sie als Tochter eines geschlagenen Adligen sich auf einer alten Burg einrichtet, wird sie mit der Vergangenheit des Landes und der Burg konfrontiert, die zunächst vage angedeutet als Geister die Burg heimsuchen.
Natürlich gibt es eine Liebesgeschichte, die in einer großen Enttäuschung endet
Ales wird aus der Sicht der Frau erzählt, was für den Autor bestimmt eine Herausforderung darstellt. Allerdings empfand ich dies als ein Manko der Erzählung. Ich hatte über weite Strecken den Eindruck, einen typischen „Frauenroman“ zu hören.
Zum Schluss wird es spannend. Eine Hexe wird gefangen genommen und gezwungen, einen Geist der elfischen Vergangenheit zu beschwören, den brennenden Mann. Das Feuer, das ihn quält, stammt aus dem Blut eines erschlagenen Lindwurms. Es kommt zu einem Showdown im Keller und geht tragisch aus, die Grundstimmung ist wehmütig. Aber das alles ist kein großer Wurf.
5 / 10 Punkte