Achtung, Achtung jetzt kommt viel Text. Hat sich so angesammelt. Muss jetzt mal raus.
32 - China Miéville: „Die letzten Tage von Neu-Paris“Lanng erwartet, ersehnt sogar! Als ich dann noch mitbekam, dass
Jack Parsons eine der Figuren in dem Roman ist, war ich noch gespannter. Ja, genau der Jack Parsons aus „Raumfahrt, Sex und Rituale“, auch besungen vom
The Lennon Claypool Delirium. Das muss doch was sein!
Nun ja, so richtig zünden wollte der Roman bei mir nicht. Die Idee, dass durch ein Ereignis, an dem besagter Jack Parsons maßgeblich mitschuldig war und das die ganzen Kreaturen und phantastischen Gegenstände der surrealistischen Kunstwerke zum Leben erweckte, und das Paris der 40er und 50er Jahre unsicher machen, ist recht amüsant. Auch vermag der Autor das hervorragend und sprachgewaltig umzusetzen, aber auf Dauer trägt das nicht. Mir wurde es da schnell langweilig. Auch ärgerte es mich, dass der Autor diesen surrealistischen Manifestationen ausschließlich aggressives Verhalten unterstellt.
In dem alternativ-historischen Paris sitzen die Nazis 1950 immer noch in Paris. Die Résistance kämpft gegen sie, aber auch gegen die Manifestationen.
Interessanter empfand ich die Kapitel, die 1941 spielen und aufzeigen, wie es dazu kam und welche Rolle Parsons dabei spielt.
7 / 10 Punkte
Eigentlich wollte ich endlich meinen „Russen-Block“ abarbeiten. Der liegt geschlossen seit Weihnachten 2018 auf dem SUB, ziemlich weit oben. Ein Paar Bücher, im Grunde ein ziemlicher Brocken, auf den ich mich aber freute und immer noch freue. Aber vor dem ich mich auch etwas fürchte, denn die Bücher erwarten von mir, dem Phantastik-Fan, viel Ausdauer im Reich der Un-Phantastik. - Na ja, jetzt könnte ich noch lang & breit ausführen, wieso jetzt eben noch nicht die Zeit für meinen literarischen Ausflug nach Russland gekommen ist, sondern doch erst mal ins Moorcock†™sche Multiversum, aber wer will das denn schon wissen? Moorcock war aber auch schon lange mal (wieder) auf meiner Lektüre-Wunschliste. Mal sehen, wie die alten Geschichten so munden†¦
33 - Michael Moorcock: „Elric von Melniboné“Elric ist der letzte der Herrscher über die Träumende Stadt. Er hat keine Lust auf Politik und aufs Herrschen. Er grübelt lieber - d.h., er grübelt, aber auch das tut er wohl nicht gerne.
Er ist kränklich und schwach; nur Drogen halten in aufrecht, später sein Schwert Sturmbringer (dessen Zwilllingsschwert wir auch kennen lernen und das von Elrics Erzfeind geführt wird).
Freunde hat er auch kaum, nur den Lord der Drachenhöhlen, Dyvim Tvar und Großadmiral Magum Colim. Und natürlich seine Cousine und Geliebte Cymoril, deren Bruder, Yykoon, Elric den Thron streitig macht.
Darum geht es auch primär in dem ersten Buch, um den Streit zwischen Elric und Tyrkoon um den Rubinthron. Elric löst den Streit salomonisch und weicht einer endgültigen Entscheidung durch Flucht aus - indem er sich auf Weltreise begibt, was den Leser natürlich freut, da man die bunte, gefährliche Welt um das Inselreich Melniboné kennen lernen kann.
Irgendwie kam ich früher nicht so richtig an diese Fantasy-Saga heran. Immer nur kleine Portionen. Jetzt will ich mit mal den großen Zusammenhang erarbeiten (mal sehen, wie lange ich das durchhalte). So punktuell (zuletzt 2011!) fand ich das auch richtig gut. Aber†¦
Elric fetzt! Er muss so oft irgendetwas, auch wenn er nicht will. Das bringt ihn einem näher. Er ist schwach und stark zugleich. Er hat Macht zur Verfügung, die ihn zum Monster macht, aber eben auch seine Schwäche überwinden lässt. Will man das für sich selbst auch? Ja und nein, oder?
34 - Michael Moorcock: „Die See des Schicksals“Elric ist unterwegs. Er will die Jungen Königreiche, die dem alten Melniboné den Schneid abkaufen wollen, erforschen. Vielleicht kann er von den Jungspunden was lernen, was seiner dekadenten und dem Untergang geweihten Heimat Inspiration sein könnte. Ja, das gute alte Melniboné - 10.000 Jahre alt. Das muss man erst mal schaffen - die Römer haben nur 1000 Jahre durchgehalten. Kann das jemand überbieten?
„Fahrt in die Zukunft“ - Vier Inkanationen des Ewigen Helden werden zusammengerufen, um einer außerirdischen Bedrohung Herr zu werden: Elric, Hawkmoon, Erekosë und Corum, dazu ein paar Neben-Helden. Es geht gegen Agak und Gagak, die irgendwie in einer zerstörten Variation von Tarnelon leben, eigentlich DEM Ziel vieler „Ewiger Helden“. Das Abenteuer ist ziemlich psychodelisch.
„Fahrt in die Gegenwart“ - Elric muss mit seinem neuen Kumpel und Reisegefährten (natürlich wider Willen), Graf Smiorgan Kahlschädel von den Purpurnen Städten einen historischen Streit um eine Dame zweier Edelleute aus einer vorherigen Epoche schlichten. Einer der eifersüchtigen Streithähne ist auch aus Melniboné, was durchaus ungewöhnlich ist, da diese dekadenten Faulpelze überhaupt nicht gerne reisen: Saxif D†™Aan. Das mit den Zeiten löst Moorcock durch die verschiedenen Ebenen der Welt. Hier ist man in einer, in der die Sonne blau scheint.
Interessantes Detail (für mich): Es gibt da eine Stelle, in der Elric auf einen Trupp verwegen-verlorener Söldner stößt, die alle aus verschiedenen Epochen stammen. Es sind nur die Epochenbezeichnungen, die genannt werden, die aber allein durch ihre Nennung so viel mitschwingen lassen:
Lomyrische Republik (vor 200 Jahren - aus Elrics Sicht, versunken), Chalaliten (etwa zeitgleich zu Elric), Ilmioranier (letztes Jahrhundert), Filkharier, Tarkeshiten, Shazarier, Vilmirier.
„Fahrt in die Vergangenheit“ - Ein Herzog Avan nimmt die beiden, Elric und Smiorgan auf seinem Schiff mit, er will sie wieder in ihre Welt-Ebene bringen, wer sie ihm helfen, die mythische Urstadt der Melnibonéer im Westen, R†™lin K†™ren A†™a zu finden. Dort soll es Schätze geben. Elric glaubt nicht mal, dass es sie überhaupt je gab, geschweige denn, dass sie noch zu finden sei. Immerhin ist es 10.000 Jahre her, dass seine Urahnen die Stadt verlassen haben sollen. Und seitdem soll die Stadt auch nie wieder bewohnt gewesen sein.
Nun, zum Teil stimmt das auch. Das fremde Land ist von undurchdringlichem Dschungel bewachsen. Es gibt dort keinerlei Fauna, keine Menschen. Aber eine sehr aggressive und fast unbesiegbare Reptilien-Armee, und einen Unsterblichen Ureinwohner der Stadt, der nichts mehr ersehnt, als seinen Tod. Das Abenteuer wird mit vielen Menschenleben bezahlt. Der Chaos-Gott Arioch ist auch keine große Hoffnung, Sturmbringer zeigt sich nicht von seiner besten Seite, denn es frisst auch befreundete Seelen.
35 - Hermann Dreßler: „Die Künste des Doktor Incubus“Ein verschollener Klassiker, neu für die interessierte Phantastikszene entdeckt von Lars Dangel. Ich las das Manuskript des im Privatdruck entstehenden Buches - und bin recht angetan davon.
Es ist eine faustische Geschichte, die so zwischen Renaissance und Barock in Amsterdam spielt. Ein Student der Naturwissenschaften lernt einen „mad scientist“ kennen, der ihn in seine Geheimnisse einweiht. Unser Student ist zudem dolle verknallt in eine Nachbarstochter. Beides - die unbändige Liebe und die Macht der Naturwissenschaften - bilden eine unheilige Allianz.
Mehr verrate ich mal noch nicht. Und eine Wertung gibt es auch nicht (würde aber ziemlich hoch ausfallen†¦).
36 - Michael Moorcock: „Das Bordell in der Rosengasse“Da dachte ich doch mal, nach der Lektüre von „Die Kriegsmeute“, es gäbe keine weiteren Bek-Romane auf Deutsch. Na, was weiß ich schon von Moorcock!? Also, es gibt da durchaus mehr auf Deutsch. U.a. diesen Roman, der im Grunde - fast - keine Phantastik ist. Der Roman kommt ohne phantastische Elemente aus, spielt aber in einem fiktiven mitteleuropäischen Land, vor dem 1. Weltkrieg. Wäldenstein mit seiner Hauptstadt Mürenburg, liegt zwischen Deutschland, Österreich, Böhmen. Irgendwie so richtig mittendrin. Damit muss es sich auch mit den imperialen Gelüsten und Anfeindungen der Großmächte auseinandersetzen. Es kann aber - noch - seine Unabhängigkeit bewahren und gilt als Oase für Dissidenten, Künstler, Kulturschaffende und Lebemänner und -Frauen aus ganz Europa.
Zentrum dieses illustren, leicht - bis schwer - dekadenten Kulminationspunktes ist das im Titel benannte Bordell. Da geht halt die feine und halbseidene Gesellschaft ein und aus.
Unser Herr
von Bek (Richard) ist liiert mit einer Sechzehnjährigen. Nun, das schrammt hart am ethisch Zulässigen. Dem ist sich v. Bek auch bewusst und verheimlicht seine Liebschaft so ein bisschen. Es geht in dem Roman um viel Sex, wobei es jetzt kein Porno-Roman ist. Sexuelle Praktiken, auch mit anderen Huren aus dem Bordell, werden aber durchaus verbal ausgemalt.
Aber alles, der Sex, aber auch die Politik, der Bürgerkrieg, der ausbricht, zwischen der prodeutschen und proösterreichischen Fraktion der Bürgerschaft und ihrer adligen Anführer, bleibt so ein wenig im Nur-Angedeuteten. Irgendwie ist der ganze Roman weder Fisch noch Fleisch.
Zudem ist er formal schwierig: Der Text sind kaum durch Absätze gegliedert. Innerhalb eines Mega-Absatzes kommt es zu mehreren Zeitsprüngen. Die Story wird nämlich vom inzwischen am Bett gefesselten v. Bek als Erinnerung, Memoiren aufgeschrieben und damit uns erzählt. Dass es sich hier um verschieden Zeitebenen handelt, habe ich tatsächlich erst richtig nach ca. 50 Seiten überhaupt kapiert. Aber mal liest sich ein und es liest sich so weg - wobei ich mich bis zum Schluss fragte, was der Dichter mir damit sagen wollte.
7 / 10 Punkte
Die folgenden Romane habe ich in Form des Sammelbands von
Michael Moorcock: „Der ewige Held“ gelesen:
38 - Michael Moorcock: „Die ewige Schlacht“Das Buch (also der Sammelband mit 3 Romanen um den ewigen Helden
Erekosë / John Daker (mit bürgerlichem Namen) liegt schon so lange auf meinem SUB. Immer, wenn ich mal in Moorcock-Laune war, habe es aber doch immer wieder gekonnt ignoriert. Ist ja auch fetter Brocken. Nun aber†¦
Und? Ja, ist ein dicker Brocken, liest sich aber weg wir nix. Das erste Buch ist einfach großartig - bin schlichtweg begeistert. Es ist episch, spannend, wortgewandt, tragisch, melancholisch.
Den Intellektuellen, bescheiden lebende John Daker aus London, 20. Jh. (geb. 1941), verschlägt es - wie, wird gar nicht weiter ausgeführt, seine Reise gleicht eher einem traumatischen Erlebnis - in eine fremde Welt. Wenn man es mit der irdischen - hier sollte man vielleicht besser von der gegenwärtigen, bekannten - Zivilisation vergleicht, dann befinden sich die Menschen im Zustand des Spätmittelalters: Ritterrüstungen und eher primitive Kanonen gibt es da (mit Alltags-Beschreibungen hält Moorcock sich ja nicht gerade auf.) Aber ist das überhaupt die Erde? Irgendwie erscheint sie im Laufe des Buches wie ein Ort des Multiversums. Aber am Schluss richtet unser Held sein Wort direkt an seine zukünftigen Leser, also an uns / mich. Also ist die Welt, in die es ihn verschlug, irgendein vorzeitlicher Zustand unserer Erde?
Die Menschheit ist nicht die einzige vernunftbegabte Art auf dieser Erde, da gibt es noch die Alten. Wer zuerst da war? Das wird diskutiert, aber bleibt im Unklaren. Sie werden von den Menschen als Bestien beschrieben, die nur eines wollen: die Menschen vernichten. Dazu wenden sie auch List und Betrug an. Erekosë wird von dem König der Menschen beschworen, denn er hatte bereits mal den Krieg gegen die Alten entschieden, aber nicht zu Ende geführt. Die Menschen fühlen sich weiterhin bedroht und wollen die Fremden endgültig auslöschen. Erekosë ist ihre Geheimwaffe. Erekosë kann sich nur sehr langsam und unvollständig an seine frühere Helden-Existenz erinnern, von seiner anderen Identität, John Daker, ist nicht sehr viel da, aber die kann er dann doch schnell in den Hintergrund drängen, denn sie wäre ja dieser kriegerischen, archaischen Welt überhaupt nicht gewachsen.
Na ja, im Grunde skizziert Moorcock hier eine Art Proto-Faschismus, der auf einem extremen Rassismus beruht. Das zu lesen ist sehr befremdlich. Interessanter Weise ist Erekosë ja der Held der Menschen und so versteht er sich auch. Aber was Moorcock da beschreibt, stößt mich zumindest gleich ab. Und natürlich stellt sich heraus, dass die Alten gar nicht die Monster sind, für die die Menschen sie hinstellen. Eher im Gegenteil: Sie sind die Zivilisierteren, die Frieden wollen, ohne die andere Rasse vernichten zu wollen. Sie sind auch einfach die schöneren Wesen, eher feengleich, würde ich mal sagen. Vor meinem geistigen Auge sehe da immer Tolkien†™sche Elben†¦
Apropos: Halblinge gibt es hier auch: Das sind Humanoide aus einer anderen Parallelwelt des Multiversums - hier: die Geisterwelten -, die immer mal durch eine magische, aber nur temporäre Verbindung her gelangen. Sie kämpfen auf der Seite der Alten. Außerdem haben die Alten noch ein Arsenal alter Waffen, die sie unter Verschluss halten, weil sie einfach zu mörderisch sind und aus moralischen Gründen von den Alten nicht mehr genutzt werden sollen. Es kommt aber anders, dank Erekosë. Die Waffen muten in diesem quasi mittelalterlichen Ambiente futuristisch an, sogar wenn man unseren gegenwärtigen Stand der Technologie als Maßstab ansetzt (Strahlenkanonen). Ja, die Welt dreht sich im Kreise†¦
Erekosë wird da hineingeworfen, verführt von beiden Seiten, vor allem durch die Frauen, in die er sich verliebt. Und jeweils in der Phase des Krieges, in der er sich für eine der beiden Seiten entschied, sorgt er als unbesiegbarer ewiger, unsterblicher Held mit Superschwert für genozidgartigen Kahlschlag unter der jeweils gegnerischen Partei. Und er leidet darunter.
Überhaupt plagen ihn Albträume, in denen er mit der Tatsache konfrontiert wird, dass er eine Inkarnation des Ewigen Helden ist und im Grunde viele Personen auf vielen Welten ist, oder sein könnte†¦ Eine Erklärung findet er nicht, und er fühlt sich getrieben und erstickt seine Depressionen in Aggressionen. Am Ende entscheidet er sich für die Alten und gegen die Menschen. Er erkannt, dass die Welt nur Frieden hat, wenn es keine Menschen gibt. Hmm, eine schlimme Schlussfolgerung --- für uns.
10 / 10 Punkte
39 - Michael Moorcock: „Der Phönix im Obsidian“Erekosë lebt nun im Paradies, bei seinen Alten, den elfengleichen Ur-Menschen, die vor dem barbarischen Homo Sapiens diese eine Erde bewohnten und nun wieder, dank Erekosë, beherrschen. Es könnte also alles gut sein, aber†¦
Erekosë wird in die nächste Welt gezerrt. Seine Träume vom Ewigen Helden kehren zurück, andere Zeichen mehren sich. Die Alten, seine neuen Freunde, wissen, dass er gehen muss.
Er wacht in einem Eismeer auf einem Wagen, gezogen von Eisbären, auf. Und nun weiß ich auch, dass das Cover des Buches kein einfach so mal hergenommenes Bild ist, sondern wirklich den Helden dieses 2. Buches des Ewigen Helden darstellt.
Erekosë ist nun
Urlik Skarsol und soll mal wieder hier eine Menschheit retten.
Das Muster ist allerdings ähnlich wie in dem 1. Buch.
Die Erde ist hier am Ende der Zeit. Die Sonne wird kleiner und kälter. Das Meer ist so voller Salz, dass es schon zähflüssig wird. Das macht die Schifffahrt dann auch „spannend“ (eher ein Gleiten, denn ein Schwimmen).
Die Einwohner von Rowenarc sind völlig dekadent, geben sich sinnlosen Orgien und Gelagen hin. Sie wissen, dass die Erde nur noch wenig Zeit hat, ehe sie völlig unbewohnbar ist. Also, was sollen sie sich kümmern? Moorcock beschreibt die Dekadenz relativ ausführlich (also, für meinen Geschmack hätte er das nur ausführlicher tun können). Auch die Bedrohung durch die Silbernen Krieger stört die Leute nicht.
Auf einer Jagd nach einem seltsamen Meeresmonster wird unser Held ausgetrickst. Der fette Priesterherrscher, Belphig, lässt Urlik auf der Insel des Monsters allein zurück, in der Hoffnung, dass er dort umkommt. Aber doch nicht unser Held!
Urlik, den das Ganze überhaupt nicht schmeckt, der auch wieder bös träumt und dem dauernd anheimgestellt wird, das Schwarze Schwert, auch das Kalte Schwert, an sich zu nehmen, um die Feinde der Menschen, die Silbernen Krieger zu schlagen, will das einfach nicht. Er will Frieden, keinen Krieg. Aber wenn er das Schwert führt, lacht er und der Blutzoll†¦ Ja, das kennen wir ja schon.
Apropos „Blutzoll“ - das ist diesmal sogar wörtlich gemeint. Denn es gibt eine Intrige, und die Silbernen Krieger sind nicht so böse, wie sie dem Helden und dem Leser vorgestellt wurden. Alles hängt mit einer gefangenen Königin, einem Rufenden Kelch und der Verquickung aller mit dem Schwarzen Schwert und sicher auch mit den Mächten des Chaos zusammen.
Am Ende gibt es mehr Opfer, als es für ein happy end gut wäre, aber unser Held wird aus seinen Verpflichtungen erst einmal entlassen.
Irgendwie ist Urlik noch einen Zacken trauriger und tragischer als Erekosë. Hat mir wieder auf seine ganz spezielle Weise gefallen!
9 / 10 Punkte
40 - Michael Moorcock: „Das ewige Schwert“Der dickste Roman aus der Trilogie. Leider auch der streckenweise drögeste. Das war dann etwas viel schicksalhafte Schwurbelei. Jetzt ist ja echt langsam klar, was und wer alles der Ewige Held ist!
Hier gerät Daker in einen Teil des Multiversums, das Maaschanheem heißt, Dort trifft er zuerst mal
Ulrich von Bek, was mich überaus freute! Und das war auch der Grund - ich wusste das ja, dass der da mitspielt - dass ich mir den dicken Wälzer genau jetzt zu Gemüte führte. Die beiden finden in Freundschaft zueinander und begeben sich infolge auch auf die Suche nach Artefakten, die jeweils nur sie auch nutzen können: Daker sein ewiges Schwert und von Bek den Heiligen Gral. Des einen Gabe nützt dem anderen.
Maaschanheem heißt auch Mittelmark. Das Land wird von riesigen fahrenden Städten beherrscht und durchfahren. Oha, das kennen wir doch irgendwoher. Aber Moorcock ist sicher nicht derjenige, der abgeschrieben hat.
Von Bek entfloh übrigens aus einem Nazi-KZ. In der Mittelmark geraten sie auf so einen Riesendampfer. Dort herrscht eine Art Diktatur und es ist wenig gemütlich. Der Dampfer ist auf dem Weg zu einem Treffen der sechs Reiche, wo man sich nach langen Kriegen endlich friedlich zu Handel und Verhandlungen trifft. Der Frieden der sechs Reiche ist labil. Der Herrscher der Mittelmark erkennt in Daker den Prinzen eines anderen Reiches, Flamadin und hofft, dass der ihm nun beisteht. Daker weiß von nix.
Also Intrigen und Verwechslungen. Außerdem träumt Daker wieder viel, u.a., dass man ihn in Form einer Frau ruft - die Zwillingsschwester Flamadin: Sharadim.
Sharadim ist aber eher eine Hexe, die sich mit dem Chaos gegen die sechs Reiche verbündet. Da Ihr Zwillingsbruder - im Umkehrschluss - dem Ewigen Helden ähnelt, hofft sie, dass der das Ewige Schwert führen kann - eine Art Superwaffe. Allerdings hatte sie ihn, als den echten Flamadin, kurz zuvor umgebracht. Okay, nichts ist so endgültig wie der Tod, insofern†¦
Bei dem großen Treffen der sechs Reiche werden Daker die Geisterfrauen vorgestellt. Sie sind übrigens Verwandte der Alten, also seiner Liebsten die er nun zurücklassen musste. Eine davon ähnelt seiner Geliebten so sehr, dass er mitunter in Eifersucht verfällt, wenn diese seinem Freund von Bek zugeneigt ist. Die Alten sind ja - wenn ich das richtig verstanden habe - die Melnibonéer. Sie haben ihn jedenfalls durch Raum & Zeit gerufen, denn sie sind im falschen Reich, wollen zurück und nur der Ewige Held kann das Tor öffnen, dazu braucht er das Schwert.
Die Queste führt dann Daker, von Bek und Gefährten u.a. auch ins Nazi-Reich, in die geheimen Gewölbe unter der Nürnberger Burg, wo Hitler, Göring und Göbbels ihrerseits finstere Mächte beschwören. Dort kann ihnen noch mal gerade so der Hl. Gral entwendet werden. Wer weiß, wie der Lauf der Geschichte†¦ Allerdings entnehmen die Nazis den Zeichen, die sie da erkennen wollen, dass sie ihre Eroberung gen Osten führen müssen†¦ Auch nicht besser. Daker kann von Bek beruhigen, insofern, dass er ihm sagt, dass die Nazis besiegt werden. Er weiß es, denn er ist ja auf der Erde 1941 geboren worden.
Daker kann mit dem Schwert einen Riss im Raum-Zeit-Gefüge öffnen und mit den beschworenen Armeen vom Abgrund der Zeit die Armeen des Chaosfürsten Balarizaaf besiegen.
Bei den Geisterfrauen zerbricht der Ewige Held das Schwert und daraus entschlüpft eine Drächin, die den Frauen den Weg in ihre alte Heimat zeigt.
Daker kann auf dem Schwarzen Schiff in seine Heimat, nach London zurück.
Mächtig gewaltig das alles. Fast ein wenig zu viel und unübersichtlich. Aber dann am Ende doch großartiger Stoff.
9/10 Punkte
Ich schreibe das alles nur, um mich vielleicht selbst später besser erinnern zu können. Ich befürchte, man (ich) vergisst einfach zu viel von den Details dieses Epos, wenn man die Erinnerung daran nicht ständig frisch hält. Die Wirkung der Meta-Story, die Moorcock da schuf, lebt nun mal von den vielen Verwicklungen seiner Helden untereinander, von dem riesigen, schier unendlichen Reich der Phantasie, das er da entfaltet. Irgendwie hat er es echt geschafft, dass man nicht genug davon kriegen kann - so geht es mir gerade damit†¦
41 - Christoph Hein: „Gegenlauschangriff“Nach einer Radiosendung mit dem Autor über dieses Buch war ich neugierig. Bei einem SF-Stammtisch kam ich mit einem SF-Fan darüber ins Gespräch, der das Buch gelesen hatte. Er borgte es mir aus. Also las ich mein erste Christoph-Hein-Buch.
Im Grunde sollte ich ruhig mehr Hein lesen, warum auch nicht? Wer wie ich an der Geschichte Europas im 20. Jh. interessiert ist, sollte Heins Bücher zur Illustrierung auf jeden Fall wahrnehmen.
Das kleine Büchlein geht aber als Einstieg und Kurz-Form des Lebens des Herrn Hein im Deutschland des Kalten Krieges durchaus sehr gut. Die superkurzen Texte sind wie Extrakte. Sie bestätigten mir viel, gaben aber auch neue Eindrücke (z.B. die ostdeutsche Politik unter Ulbricht bis 1951, der gern die von Polen besetzten deutschen Gebiete zurück haben wollte; oder dass der Film „Das Leben der Anderen“ Bruchstücke aus Heins Leben verwertete, sie aber so dramaturgisch „bearbeitet“, dass Hein sich dagegen verwahrte und diesen dazu bewog, den Film richtig schlecht und historisch für völlig falsch zu halten - das fand ich dann sehr bemerkenswert†¦).
9 / 10 Punkte
42 - Max Czollek: „Desintegriert Euch!“Eine politische Kampfschrift. Ja, sehr kämpferisch formuliert. Es geht um die Frage, inwieweit sollen und können „die Juden“ sich in D integrieren - vor dem Hintergrund der Shoa. Das dass das Thema nicht vom Tisch ist, wie dieses Integrationsidee suggeriert, beweist der wieder auflodernde Antisemitismus in D. - Halt, ich mache gerade den Fehler, den der Autor dem hiesigen Integrationstheater zuschanzt: Der Gedanke, dass die Shoa „vom Tisch“ sei, weist er nämlich strickt zurück. Und er lässt sich das auch nicht einreden, von niemanden - und daher ist die geforderte, gewünschte, erhoffte „Integration“ nicht möglich - und aus seiner Sicht auch nicht nötig.
Was sie - und da fühle ich mich auch direkt angesprochen - ebenso unmöglich macht, ist die Frage, worin man sich denn als benannter Fremder integrieren soll. Die Frage steht ja vor jedem Menschen, der in unsere Gesellschaft hineingerät, also auch für Migranten*innen (Ich nehme mal seine Schreibweise, die er übrigens im Buch argumentativ begründet). Da sind wir beim Leitbild etc. Spätestens da muss ich ihm zustimmen: Was dem einen ein Leitbild, ist dem anderen ein Leid-Bild. Es sind dann wohl eher konservative Kräfte, die solche für die gesamte Gesellschaft geltenden Leitbilder entwerfen und den anderen oktroyieren wollen. Da muss ich sagen: Das ist auch nicht mein Ding.
Nicht nur deshalb war das Buch für mich ein Gewinn. Es liest sich nebenbei auch sehr gut, da es eben keinen politisierenden Duktus hat und mit gewundenen Sätzen langweilt. Das Buch hat der Autor mit Verve und Wut im Herzen geschrieben.
9 / 10 Punkte
43 - Michael Moorcock & Rodney Matthews: "Elric am Ende der Zeit"Weiter mit Moorcock, hab ihn mir noch nicht übergelesen†¦ Zur Auffrischung der Eindrücke lese ich das hier ein 2. Mal. Das erste Mal 2011. Damals schrieb ich schon was für meinen Blog. Als ich jetzt noch mal meine Worte las, merkte ich, dass sich mein damaliger Eindruck zu 100 % heute bestätigt. Also, was soll†™s, hier noch mal (leicht überarbeitet) meine Worte von damals:
„Es sollte nicht lustig, sondern bedeutungsvoll werden“ (S. 115) beschwert sich eine Figur fast am Ende des Abenteuers. Das deckt sich mit meinem Eindruck: Die Elric-Stories, die ich bis dato las, sind eher episch, halt „bedeutungsvoll“; hier kommt ein deutlich ironischer Ton dazu. Das Ganze wird nicht ernst genommen vom Autor, so auch nicht vom Leser. Das kulminiert darin, dass zum Schluss den Helden ein wenig die Erinnerung an das Geschehen genommen wird; Elric soll sich nur im Traum daran erinnern, ohne ausdrücken zu können, was da passierte. Dies ist allerdings für ihn nicht wirklich ungewöhnlich, da er ohnehin seine Abenteuer und Erlebnisse beim Wechsel zwischen den Ebenen des Multiversums, und Wechsel der Inkarnationen des Ewigen Helden immer sehr viel vergisst, sich nur noch in Träumen daran erinnern kann.
Verrückte Geschichte, die mit deutlichem Hinweis vor der Trilogie unter dem dt. Titel „Am Ende der Zeit“ angesiedelt ist.
Schon allein die Namen der Protags sprechen Bände: Werther de Goethe (der schlechteste Dichter aller Zeiten, der letzte Romantiker), Mistress Christia, der goldhaarige Graf vom weinenden Pferd, Herzog von Queens (ok, das geht ja noch). Auch Arioch hat einen Auftritt, d.h., eigentlich doch nicht... Die Rahmenerzählung beschreibt einen Einsatz einer Agentin des Städtischen Zeitzentrums, Mrs. Persson, die eine Störung im Megafluss registriert und deren Ursache aufspüren und beseitigen soll. Die Störung heißt dann wohl Elric, der aber für nix kann, außer dass er in echter Bredouille steckt und mit Hilfe seines Stormbringers und einer Anbetung Ariochs daraus entfliegen möchte.
Elric wird in eine Zeitebene, ganz am Ende der Zeiten versetzt. Verantwortlich dafür ist
Una Persson (aus dem Jerry Cornelius-Universum), die Elric als Chaoskönigin Xiombarg identifiziert. Irgendwie soll er dafür sorgen, dass das Universum fortbesteht. Die anderen Typen (dekadent bis über beide Ohren) sind nur an Abwechslung interessiert, auch wenn Elric von ihnen meint, sie seien Chaoslords. Elric will nur wieder zurück. Irgendwie geht das gut aus, mit etwas Hokuspokus...
Es ist nur eine Erzählung, reich illustriert. Der Grafiker hat auch andere Moorcock-Bücher mit Covern versorgt. Sei Elric auf diesem Cover entspricht zu 100% der Moorcock'schen Beschreibung. Ansonsten sind die Zeichnungen sehr rund, fast zu „lustig“ für meinen Geschmack; andererseits entspricht ihr Charakter in diesem Falle am ehesten dem Inhalt.
9 / 10 Punkte