Eoin Colfer: Artemis Fowl - Der Atlantis-Komplex
Bücher - phantastisch Eoin Colfer Artemis Fowl
Artemis Fowl schlägt wieder zu: "Der Atlantis-Komplex" heißt das siebte Abenteuer des jugendlichen, geläuterten Verbrechergenies und seiner Freunde aus dem Elfenreich. Ein actionreiches Jugendbuch, allerdings scheinen dem Autor inzwischen die Einfälle auszugehen, sodass Leser der ersten sechs Bände ziemlich viele bekannte Versatzstücke wiedererkennen werden.
Artemis Fowl leidet am "Atlantis-Komplex"
Artemis, der geniale und schwerreiche jugendliche Spross einer irischen Verbrecherdynastie, hatte schon während seiner kriminellen Karriere ein ausgeprägtes ökologisches Bewusstsein an den Tag gelegt. Nun hat er sein gesamtes Vermögen in eine neue Erfindung gesteckt, die das Abtauen der Pole und die Klimakatastrophe verhindern soll. Elfentechnologie soll ihm dabei helfen. Allerdings läuft bei der Vorstellung des Prototyps seiner Maschine einiges schief: Artemis hat es mit zwei äußerst gefährlichen Gegnern zu tun. Der eine ist ein alter Feind aus dem Elfenreich, der gerade an seinem Ausbruch aus dem Hochsicherheitsgefängnis arbeitet. Der zweite ist seine eigene Psyche: Artemis wird, begünstigt durch seine Dimensions- und Zeitreisen in den beiden vorangegangenen Büchern, vom "Atlantis-Komplex" geplagt, einer schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung magisch-psychischer Natur, geboren aus einem Schuldkomplex wegen seiner Verbrecherlaufbahn. Die Symptome: Ein gesteigerter Verfolgungswahn, schlimmer als der des genialen Zentauren Foaly, und eine panische Angst vor allem, was mit der Zahl vier zu tun hat. Artemis ist fast ständig mit dem Zählen beschäftigt, versucht sogar, in Fünf-Wort-Sätzen zu sprechen, und ist seines Verstandes kaum mehr mächtig. Keine gute Ausgangssituation, um seinem alten Elfenfeind zu begegnen.
Eoin Colfer wiederholt sich
Der Komplex und die dadurch verursachte Persönlichkeitsspaltung des Titelhelden sind ein interessantes und neues Detail in der Reihe. Aber das ist leider auch das einzige, was an diesem Buch neu ist. Ansonsten arbeitet Colfer mit bereits sattsam bekannten Motiven. Wieder einmal ein Ausbruch aus einem todsicheren Elfengefängnis. Wieder einmal ein Vorgesetzter Holly Shorts, der das Zeitliche segnet. Wieder einmal ist Mulch Diggums, der kleptomanische und flatulierende Zwerg, als Retter zur Stelle. Das wäre noch zu verzeihen, wenn man nicht wüsste, dass Colfer es eigentlich besser kann und auch schon mehrfach besser gemacht hat. Wo ist die scharfgeschliffene Logik geblieben, die die Konstruktion von "Artemis Fowl I" oder "Der Geheimcode" auszeichnete? Hier kopiert sich der Autor nur noch selbst und obendrein lustlos. Außerdem ist Turnball Root als Drahtzieher alles andere als glaubwürdig: Der in den ersten Bänden als leicht zu beeinflussender ZUP-Offizier dargestellte Feenmann, der durch seine Eitelkeit und seine Beziehung zur intriganten, genialen Wichtelin Opal Koboi auf die schiefe Bahn geriet, soll nun also bereits während seiner Zeit bei der Zentralen Untergrund-Polizei ein Doppelleben geführt haben und Kopf einer Verbrecherorganisation gewesen sein? Schwer vorstellbar bei einem solchen Simpel, wie ihn uns Colfer in den ersten Büchern immer wieder vorstellte.
Zu viele Zufälle
Unfassbar auch, welch große Rolle der Zufall in diesem Buch spielt. Turnball genießt es während seines Ausbruchs tatsächlich, zufällig eine Gelegenheit zur Rache an Buttler zu nutzen, der sich gerade in Südamerika aufhält und zusammen mit seiner Schwester beinahe von hypnotisierten Catch-Fans getötet werden. Zeitgleich erlaubt er dem gekaperten Plasmaraumschiff, das ihn befreien soll, als kleinen positiven Nebeneffekt einen Abstecher nach Island, wo mehrere Elite-Elfen getötet werden und Artemis nun knapp entkommt. Ein weiterer Anschlag auf Buttler wird nur verhindert, weil Mulch Diggums zufällig in einer zwielichtigen Zwergenkneipe hört, wie ein Mörder engagiert wird, und sich selbst in das Mordkommando einschleust. Es ist schade, was aus einer so brillant-bösen und bezaubernd anderen Fantasy-Serie geworden ist.
Colfer versteht es zu schreiben
Positiv bleibt festzuhalten: Der Mann versteht zu schreiben. Das Buch hat ein ungeheures Tempo, lässt sich leicht und flüssig lesen und ist durchaus spannend erzählt. Für jemanden, der die Vorgänger-Bände nicht kennt, ist es sicherlich ein brillantes Abenteuer. Schade nur, dass man das alles schon kennt. Vielleicht sollte Artemis, allen Verkaufserfolgen zum Trotz, einmal eine Pause einlegen und seine Batterien wieder aufladen.
Eoin Colfer: Artemis Fowl - Der Atlantis-Komplex. Berlin: List, 2011. 336 S., Euro 19,99.
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"Und übrigens noch was ..."
© Petra Hartmann