Angeline Boulley: Firekeepers Daughter
"Firekeepers Daughter" ist die Geschichte einer jungen Frau, deren Mutter eine Weiße und deren Vater ein Ojibwe beziehungsweise Chippewa oder Anishinabe war. Es geht um Mord und Drogenhandel, Missbrauch und eine Liebe zweier junger Menschen, die sich der Liebe aus Gründen einer professionellen Sportkarriere und Ermittlungsarbeit eigentlich enthalten müssten.
Es ist ein "Indianerroman" der anderen Art, verfasst von einer Autorin, die selbst Ojibwe ist. Der Roman ist ihr Debütroman, wurde zum Bestseller und erhielt den deutschen Jugendliteraturpreis. Völlig zu recht.
Daunis Fontaine ist 18 Jahre alt, zur Hälfte Native und lebt der Reservation auf Sugar Island. Die registrierten Stammesmitglieder sind recht wohlhabend und privilegiert, denn sie bekommen regelmäßig ihren Anteil aus den Einnahmen, die ihr Stamm durch seine Casinos erhält. Der Leser erlebt eine Gesellschaft der gehobenen amerikanischen Mittelklasse, in der Stammestraditionen, mythische Vorstellungen und die alte Sprache dennoch hochgehalten werden.
Ganz der Vater
Daunis ist kein registriertes Stammesmitglied, da ihr verstorbener Vater nicht auf der Geburtsurkunde eingetragen ist. Ihre Geburt hatte damals für einen kleinen Skandal in der Familie ihrer Mutter gesorgt. Daunis ist aber ganz eindeutig die Tochter ihres Vaters, vor allem hat sie, genau wie ihr Bruder Levi, seine herausragenden Fähigkeiten als Eishockeyspieler geerbt, wenn sie auch inzwischen gesundheitsbedingt eigentlich nicht mehr spielen darf. Als Jamie, ein gebürtiger Cherokee, ins Eishockeyteam ihres Bruders einsteigt, übernimmt sie die Betreuung des Neulings. Als Sportlerin ist es für sie schon immer Ehrensache gewesen Sport und Privatleben nicht zu verquicken. So bemüht sie sich um professionelle Distanz zu Jamie. Allerdings ist das gar nicht so einfach, denn Jamie sieht verdammt gut aus.
Plötzlich FBI-Agentin
Näher als gedacht kommen sich die beiden schließlich, als Daunis' Freundin von ihrem Ex-Freund umgebracht wird. Der Jugendliche stand unter Drogen, wie sie in jüngster Zeit immer häufiger auf dem Reservat auftauchen. Jamie outet sich ihr gegenüber als FBI-Agent, der als verdeckter Ermittler nach Spuren der Drogenhändler sucht, und bittet Daunis um Hilfe. Denn mit ihren verwandtschaftlichen Beziehungen und ihrem Freundeskreis hofft das FBI, eher in die Gesellschaft des Stammes eindringen zu können. Daunis macht mit und ist plötzlich Mitarbeiterin des FBI. Wobei sie und Janie sich als Liebespaar tarnen. Pech nur, wenn aus der Tarnung Ernst wird. Und die Drogenhändler kämpfen mit harten Bandagen, die Ermittlung wird lebensgefährlich.
Tradition und Moderne
Angeline Boulley hat einen Roman abgeliefert, der gleichermaßen durch innere und äußere Spannung fesselt. Durch die im Präsens gehaltene Ich-Erzählung ist man hautnah dabei, wenn Daunis in lebensgefährliche Situationen stürzt, wenn ihre Gefühle für Jamie den Rahmen der Professionalität verlassen, aber auch bei den Freundlichkeiten und Gehässigkeiten der weißen und indigenen Zeitgenossen. Vor allem erlebt man mit, wenn die angehende Medizinstudentin Daunis mit großes Selbstverständlichkeit Traditionen der Anishinabe pflegt, Sema spendet oder den Älteren ihren Respekt erweist. Auch durch die immer wieder eingeflochtenen Sätze in der Stammessprache zeigt die Autorin, dass sich ihre Heldin hier in einer besonderen Welt befindet, in der sie trotz ihrer weißen Mutter vollkommen heimisch ist. So ist es auch kein Wunder, dass Daunis eine ungeheure Menge an Fürsprechern findet, als sie die Aufnahme als registriertes Stammesmitglied beantragt. Vonseiten des FBI dagegen scheint sie am Ende dann doch nur als nützliche Idiotin eingestuft worden zu sein ...
Fazit: Spannender, mitreißender Roman aus der Welt der Anishinabe mit einer beeindruckenden, authentischen Heldin. Ein Buch, das man nicht wieder aus der Hand legen kann, bis die letzte Seite erreicht ist. Umwerfend.
Angeline Boulley: Firekeepers Daughter. München: cbj, 2024.559 S., Euro 11.
Weiterer Roman von Angelina Boulley
Warrior Girl, unearthed
© Petra Hartmann