Kerstin Groeper: Träume von Salbei und Süßgras
In ihrem neuen Roman „Träume von Salbei und Süßgras“ schildert Kerstin Groeper die Spurensuche einer jungen weißen Frau, die als Waise bei einem indianischen Großvater aufwuchs, dann aber von den US-amerikanischen Behörden entdeckt und in ein Pensionat für Waisen gesteckt wurde. Als Kathleen volljährig wird und ihre Pensionatszeit beendet ist, macht sich die junge Frau auf die Suche nach ihrer indianischen Familie …
Der Roman spielt in der Zeit um 1920 herum. Die Zeit der Indianerkriege ist vorbei, allerdings stößt man verschiedentlich auf Spuren des Ersten Weltkriegs. Die amerikanischen Ureinwohner sind in Reservationen untergebracht, Weiße in den Städten haben gewöhnlich keinen Kontakt zu ihnen.
Für Kathleen ist die Zeit in ihrer Schule geprägt von Strenge und Kontrolle. Dennoch sind die Mädchen in dem Pensionat durchaus privilegiert im Vergleich zu den Boarding-Schools, in denen indianische Kinder zwangsassimiliert werden sollen. Diese Kinder wurden teilweise mit Gewalt aus ihren Familien herausgerissen, dürfen sich nicht in ihrer Muttersprache unterhalten und werden einem harten militärischen Drill unterworfen. Kathleen wird diese Art Schule auf ihrer Suche noch kennen lernen.
Erinnere dich!
„Kiksuya yo! - Erinnere dich!“ Die Worte, die ihr Großvater Matho Sapa, Black Bear, ihr mit auf den Weg gab, als die achtjährige Kathleen ihm entrissen wurde, ziehen sich leitmotivisch durch das gesamte Buch. Kathleen hat nichts vergessen. Sie spricht die Sprache ihres Volkes, der Lakota, noch immer fließend, auch wenn man ihr im Pensionat als Kind die „Heidensprache“ gründlich auszutreiben versucht hat und sie Englisch lehrte. Kathleen gilt als „letztes Opfer der Indianerkriege“, ihr indianischer Großvater soll damals ihren weißen Vater ermordet und sich das Kind angeeignet haben. Daher fühlt sich der Staat für sie zuständig und finanziert ihre Ausbildung. Ein Privileg, wie gesagt.
Doch Kathleen will zurück zu ihrer Familie. Sie verschafft sich Zugriff auf ihre Unterlagen im Büro der Heimleiterin und erfährt, in welcher Gegend sie damals aufgefunden wurde. Ihre Heimat liegt in einem Lakota-Reservat, stellt sie fest. So bewirbt sie sich auf eine Stelle als Lehrerin in Rapid City, in einem Indianer-Internat. Wenig später findet sie ihren Großvater im städtischen Gefängnis, wo er seit dem Tod ihres Vaters als vermeintlicher Mörder einsitzt.
Bemerkenswert unaufgeregt
Der Roman kommt auf eine angenehm leichtfüßige und bemerkenswert unaufgeregte Art daher. Der Tonfall ist ruhig und gelassen, und vor allem fehlt den Charakteren, die zwischen Kathleen und dem Happy End stehen, größtenteils die Verbohrtheit und der Hass auf alles, was mit den Ureinwohnern zusammenhängt. Es ist eine Zeit, in der die Indianerkriege längst vorbei sind, und Kathleen begegnet niemand mehr, der es ausdrücklich schlecht mit den Natives meint, allenfalls eine gewisse koloniale Überheblichkeit kann man den Akteuren bescheinigen.
Kathleen hat im gesamten Buch keinen ernsthaften „Gegner“. Schon ihre erste Aktion, der Einbruch ins Büro der Mutter Oberin, erweist sich als völlig überflüssig: Die Frau händigt ihr die Unterlagen und die spärlichen ihr bekannten Informationen über Kathleens Herkunft kurz vor dem Ende der Pensionatszeit aus und unterstützt sie sogar, als Kathleen den Wunsch äußert, nach Rapid City zu gehen. Auch der Leiter der Indianerschule ist längst kein von Hass zerfressener Tyrann oder vom Glaubenseifer zerfressener Heidenhasser mehr, der seine Schüler schikaniert. Ja, der Drill ist hart, das Funktionieren-Müssen im Takt der Trillerpfeifen ist für die Kinder eine Qual. Aber der Schulleiter lässt immer mal wieder mit sich reden und hört zu, wenn Kathleen Verbesserungsvorschläge macht, und er erlaubt ihr sogar, auf Lakota mit den Schülern zu sprechen, was bisher streng bestraft wurde.
Sheriff unterstützt Ermittlungen
Selbst der Sheriff, der Black Bear seit Jahren in seinem Gefängnis bewacht, ist alles andere als ein Hardliner und unterstützt nach anfänglichem Misstrauen Kathleens Versuche, die Unschuld ihres Großvaters zu beweisen. Nur einmal treten Weiße als brutale, zerstörerische Gewalttäter auf. Das allerdings bezeichnenderweise in einer Situation, die Kathleen nicht selbst erlebt, sondern nur aus einem Bericht erfährt.
Begegnung mit historischen Persönlichkeiten
Sehr interessant ist das Zusammentreffen mit historischen Persönlichkeiten wie Black Elk und Father Eugene Buechel. Und die zahlreich verwandten Sätze auf Lakota machen das Buch fast zu einem kleinen Sprachkurs. Auch auf die Frage, ob die nordamerikanischen Ureinwohner schon vor der Ankunft der Spanier Pferde kannten, geht Kerstin Groeper ein und lässt Kathleens Vater Felszeichnungen erforschen, die durch die Erschaffung gigantischer Präsidentenporträts in den Bergen allerdings von der Vernichtung bedroht sind …
Insgesamt ein flüssig geschriebener, leicht zu lesender, aber alles andere als simpler Roman. Spannend und sachkundig und an keiner Stelle langweilig, dabei aber ein Buch, das völlig ohne „Bösewichte“, Gewaltdarstellungen und Actionszenen auskommt. Allenfalls könnte man an einigen Stellen fragen, ob die Autorin es ihrer Heldin nicht manchmal Stellen etwas zu leicht macht. Ein wenig Widerstand und ein paar Gegner hätten Kathleens Geschiche gut getan.
Fazit: Spannender und sachkundiger Roman über eine Spurensuche und eine Familienzusammenführung der eigenen Art. Eine unaufgeregte Erzählung, aus der man sehr viel über Sprache und Kultur der Lakota lernen kann. Lesenswert.
Kerstin Groeper: Träume von Salbei und Süßgras. Hohenthann: TraumFänger Verlag, 2024. 287 S., Euro 12,90.
Weitere Bücher von Kerstin Groeper:
Adlerkralle - Der Indianer-Junge und sein Wolf
Grauer Wolf - Ein Indianerjunge will nach Hause
Indigene Märchen
Mohawk Love
Im Eissturm der Amsel
Im fahlen Licht des Mondes
Der scharlachrote Pfad
Wie ein Funke im Feuer
Die Feder folgt dem Wind
Kranichfrau
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© Petra Hartmann