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PetraHartmann



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Jahresrückblick 2024: Teil fünf - Dezember 2024

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 01 Januar 2025 · 333 Aufrufe
Jahresrückblick

Und hier der Abschluss meines Literatur-Jahresrückblicks. Der Dezember bescherte mir mein persönliches Buch des Jahres, außerdem findet ihr auf meiner Lese-Liste etwas Phantastik, Comics, einen Roman einer Autorin aus Hahnenklee, die eigentlich ein Mann ist, zweimal Heinrich Heine, etwas Römisches, etwas aus der germanischen Mythologie, einen Band mit Vorträgen über nordamerikanische Indianersprachen, grönländische Sagen und einen Kinderbuch-Klassiker. Viel Spaß damit!

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

 

Dezember

 

Knud Rasmussen: Mythen und Sagen aus Grönland
Schöne, günstige Ausgabe aus dem Anaconda-Verlag mit Zeichnungen von Kârale. Das Original erschien im Jahr 1921 auf Dänisch. Rasmussen hat zahlreiche Mythen und Sagen der Grönländer gesammelt. Man erfährt etwas über die Hilfsgeister der Schamanen und darüber, wie sich letztere auf Zauberreisen begeben. Ein Ziel ist das Jenseits, wobei es zwei mögliche Orte gibt, an denen Verstorbene weiterleben: Den Himmel und das Meer. Es gibt aber auch epische Texte über Reisen in fremde Länder und Begegnungen mit fremden Völkern, den nordamerikanischen Indianern oder phantastischen Wesen, Riesen, Zwergen und Monstern. Man findet Geschichten über Blutrache, über arme Waisen, die Unterstützung durch magische Wesen finden, über besonders erfolgreiche Jäger, kluge Tiere, Bedrohungen durch Naturgewalten und Raubtiere, und trotz der harten Lebensbedingungen in der Arktis findet man auch viel Humor, Spottlieder und lustige Anekdoten. Eine Fundgrube zum immer wieder Hineinschauen.

 

Alexandra Bauer: Die Midgard-Saga - Jötunheim
Der zweite Teil der Midgard-Saga. Thea, die in einem früheren Leben das magische Schwert Kyndill gedschmiedet hat, wird erneut von den Göttern um Hilfe gebeten. Diesmal ist es etwas "offizieller", da Wal-Freya Theas Mutter klipp und klar erklärt, ihre Tochter werde in Asgard gebraucht, und sie werde sie jetzt mitnehmen. Die Mutter hat zwar viel dagegen, aber einer Göttin widersetzen kann sie sich nicht. Außerdem ist diesmal Theas Freund Tom mit der Partie, der ganz begeistert ist, die germanische Götterwelt kennen zu lernen. Und Thor holt eigens seine Seelenverwandte Juli aus dem Urlaub ab. Die Aufgabe, bei der die Jugendlichen den Göttern helfen müssen, ist alles andere als einfach: Der Fenriswolf ist verschwunden. Jener Wolf, der einer Prophezeiung zufolge einst Odin verschlingen wird. Der Verdacht liegt nahe, das Fenrirs Vater Loki bei der Flucht die Hand mit im Spiel hatte. Loki, den Thea noch immer nicht für den durch und durch Bösen halten kann, als den ihn alle darstellen. Im Eisenwald, wo die Mutter des Wolfs haust, finden sie eine Verbündete, die eigentlich in eine andere Mythologie hineingehört: Die Baba Jaga in ihren drei Gestalten und mit ihrem wandernden hühnerbeinigen Haus unterstützt sie. Und Hilfe haben die Helden sehr nötig. Denn beim Angriff der Monster des Eisenwaldes taucht auch Loki auf ...
Spannende und humorvolle Abneteuer in einer eigenwilligen mythologischen Welt. Hat mir gefallen.

 

Fabienne Siegmund: Die Papierprinzessin

 

Natasha Pulley: Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
Mein absoluter Lese-Höhepunkt des Jahres 2024. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der im Jahr 1898 aus einem Zug aussteigt und plötzlich sein Gedächtnis verloren hat. Er erinnert sich lediglich an seinen Namen - Joe Tournier - und den Namen einer Frau, von der er glaubt, es könne seine Frau sein: Madeline ... Und er wundert sich, warum überall in London Französisch gesprochen wird und die Bahnhöfe französische Namen tragen. Jahrelang lebt er daraufhin mit einer ihm fremden Frau zusammen, von der man ihm sagt, er sei mit ihr verheiratet, ist zunächst Leibeigener, später Ingenieur. Dann eines Tages, erreicht ihn eine Postkarte, die 90 Jahre alt ist, eine Einladung zu einem Leuchtturm auf den Äußeren Hebriden, unterzeichnet von "M." - M. wie Madeline?
Was Joe zu diesem Zeitpunkt nicht ahnt: Nahe dem Leuchtturm gibt es eine Art Passage durch die Zeit. Ein Schiff, das zwischen zwei Säulen hindurchfährt, wird zurückversetzt in die Zeit, der napoleonischen Kriege, als die Franzosen und ihre Verbündeten die Welt erobern wollten und sich mit der britischen Marine heftige Seeschlachten lieferten.
Der Roman ist alles andere als ein klassischer Zeitreiseroman oder eine Alternativhistorie. Die Autorin versteht es auf geradezu geniale Weise, ihre Leser in eine Welt hineinzuziehen, die unserer sehr ähnlich ist, aber um einige Details abweicht - die nach und nach immer größere Wirkung zeigen.

Besonders zwei Dinge haben mich grenzenlos begeistert. Da ist zum einen die Art, wie die Franzosen reagieren, als ihnen zwei Jahre vor Napoleons vernichtender Niederlage im Nebel ein modernes Dampfschiff vor die Kanonen gerät: Sie schaffen es, das Schiff und die Besatzung festzusetzen, und begreifen, dass sie Gefangene aus der Zukunft haben. Sechs Ingenieure und die namentlich schon bekannte Madeline werden unblutig aber sehr effektiv über die Zukunft verhört. Wer die besten Informationen über den künftigen Gang der Geschichte zu bieten hat, bekommt etwas Ordentliches zu essen ... Aber wie dieser französische Verhör-Experte schließlich nur durch die Analyse eines Plans des künftigen Londoner Eisenbahnnetzes den gesamten Kriegsverlauf voraussehen und umdrehen kann, das ist so unfassbar genial, dass ich immer noch begeistert bin. Eigentlich fragt er nur ganz harmlos nach Bahnhofsnamen, die er nicht versteht. Waterloo? Wieso benennt man in London einen Bahnhof nach einem niederländischen Kuhkaff (heute: belgisch)? Madeline erinnert sich vage, dass das wohl der Name einer Schlacht gewesen sei. Nun, man benennt keine Bahnhöfe nach Schlachten, die man verloren hat. Und dann beißt sich der Franzose an dem Namen "Trafalgar Square" fest. Er kennt das Seegebiet. Wer dort siegt, dem steht Cadiz offen, und ganz Spanien fällt ihm zu, und und und ... Fortan haben die Franzosen nur noch ein Ziel: Sie setzten alles daran, sich auf die in zwei Jahren stattfindende Schlacht vorzubereiten und die Engländer in eine Falle zu locken ...
Das zweite, was mich an diesem Buch grenzenlos begeistert, ist die Persönlichkeit des Kapitäns, mit dem Joe auf der Suche nach seinem Gedächtnis die Schwelle der Zeit überschreitet und schließlich um das verlorene Britannien kämpft. Dieser Missouri Kite ist ein Kerl mit extrem rauer Schale und irgendwo einem weichen Kern, ein Mensch voller Ecken, Kanten und Wahnsinn, superfürsorglich gegenüber seiner Crew und trotzdem hart genug, mal eben einen ihm recht nahestehenden Seemann zu erschießen, der ein Geheimnis ausplaudern will, ruppig und lyrisch, zynisch und sarkastisch, pragmatisch und doch voller Ideale, ein Mann, der eine harte Kindheit hinter sich hat und doch Kind geblieben ist. Kurz und gut: Wer sagt, die Autorin habe hier einen Charakter "erschaffen" oder "gebaut", der versündigt sich. Dieser Missouri Kite ist verdammt lebendig, auf eine Art, wie sie sich niemals am Reißbrett zusammenfrankensteinern lässt. Ich gäbe etwas drum, mit diesem Kapitän in die Schlacht segeln zu dürfen. Auch wenn ich die Sache wohl nicht lange überleben würde.
Lest. Dieses. Buch.

 

The Athabaskan Languages. Perspektiven on a native Amerikan Language Family. Ed. by Theodore B. Fernández and Paul R. Platero
Vorträge, gehalten auf einer Tagung am Swarthmore-College in Pennsylvania im Jahr 1996. Ein Großteil der Beiträge bezieht sich auf die Navaho-Sprache, es gibt aber auch Vorträge über das Koyukon, über Eyak, Tlingit und Haida und diverse Apache-Sprachen. Themen sind unter anderem Satzbau, diverse grammatische Strukturen, Formulierung von Negativ-Aussagen, Irrealis usw. Außerdem geht es um die Möglichkeiten, das Navaho als Unterrichtssprache zu verwenden. Interessante mit vielen Beispielen, sprachlich ziemlich knifflig.

 

Agga Kastell: Mission Merlacorna. Eine Herbstlande-Novelle

 

Erich Kästner: Das fliegende Klassenzimmer
Zufällig auf Helgoland im James-Krüss-Buchladen entdeck. Den Film kann ich komplett mitsprechen, aber das Buch ist mir bisher entgangen. Der Film ist recht nahe am Buch geblieben. Nur dass Johnnys Adoptiv-Vater im Buch noch ein Schiffskapitän ist, im Film wurde daraus ein Pilot. Und der Traum vom "fliegenden Klassenzimmer" wird im Buch nicht erfüllt. Martins Eltern wohnen auch nicht in Mombasa, sondern in Deutschland, und das Geld reicht nicht einmal für eine Zugfahrkarte. Zum Glück hilft hier der Justus aus. (Ach ja, wenn ich von DEM Film spreche, meine ich natürlich die Verfilmung als dem Jahr 1973. Für mich wird der Justus immer wie Blacky Fuchsberger aussehen und der Nichtraucher wie Heinz Reinecke.) Bisher völlig unbekannt war mir Kästners Rahmenhandlung, in der er erzählt, wie seine Mutter ihn im Hochsommer nachdrücklich daran erinnert, dass er endlich anfangen soll, seine Weihnachtsgeschichte zu schreiben, und wie er sich dann in die Berge zurückzog und eine Begenung mit Johnny hatte ... Erinnert mich ein bisschen an die Einleitung zu "Emil und die Detektive", in der es auch erst um ein Südseemädchen namens Petersilie und ein scharfgeladenes Taschenmesse ging - und um die Frage, wieviele Beine ein Walfisch hat, bevor dann Emil Tischbein auf der Bühne erschien. Insgesamt ist das Buch immer noch lesenswert und "gut gealtert". Ich habe bloß ein bisschen Sorge, dass heutige Kinder mit der Sprache und dem Setting Probleme haben werden, und wahrscheinlich ist es für sie auch einfach nicht mehr schnell und poppig genug. Würde mir sehr leid tun um die Jugend von heute ...

 

Heinrich Heine: Atta Troll. Ein Sommernachtstraum (Reclam)
Uraltes Reclamheft, das mich seit 1987 begleitet. Entsprechend zerfleddert. Ich hatte das Epos damals auswendig gelernt, als ich mit dem "Wintermärchen" durch war. Im Urlaub habe ich jetzt die Gelegenheit genutzt, es noch einmal zu rekapitulieren. Da hatten sich doch inzwischen eine Menge Ungenauigkeiten eingeschlichen ... Das Reclamheft bietet die Geschichte vom ausgebrochenen Tanzbären und der anschließenden Bärenjagd in der Version der von Heine herausgebrachten Buchausgabe von 1847, im Anhang finden sich aber auch die nicht ins Buch aufgenommenen Verse aus der Zeitschriftenfassung aus der Zeitung für die elegante Welt von 1841 sowie von Heine verworfene, ungedruckte Verse. Gut kommentiert und mit vielen Materialien zum Hintergrund versehen, zum Beispiel den Karikaturen Grandvilles und Freiligraths "Mohrenkönig". Die Reden des Bären und die Spukgeschichten in Urakas Hexenhaus sind immer noch herrlich. Aer ich glaube, ich bin etwas langsamer geworden beim Deklamieren. In meiner Jugend hatte ich immer rund eine Stunde und 40 Minuten gebraucht, um das Ganze Epos aufzusagen, jetzt sind es locker 15 bis 20 Minuten mehr. Ich werde alt.

 

Tino Falke: Ein Lied für die Sommerlande. Eine Herbstlande-Novelle

 

Werner Suerbaum: Vergils „Aeneis“ (Reclam)
Umfangreiche Vorstellung des großen römischen Epos. Bietet betrachtungen darüber, wie Vergil sich seinen Leser "erschafft" und das vorliegende Material zu einem Nationalepos schmiedet. Interessante Personenanalysen und Infos zur Funktion der Götter sowie Klärung der Frage, was die Troer alles aufgeben müssen. Sie verlieren nämlich nichts weniger als sich selbst, ihren Namen, ihre Kultur und gehen vollständig im römischen Volk auf, als sie endlich Turnus besiegten. Was bei mir besonders hängen geblieben ist, war die ausgesprochen wortkarge Zusammenfassung eines englischen Lehrers, der die zwölf Gesänge auf folgende Überschriften/Inhaltsangaben komprimierte:
Squall, Fall, Coasts, / Dames, Games, Ghosts,
Home, Rome, Spies, / War, More, Dies."
Es gibt ausführliche Inhaltsangaben, und mit diesen zwölf Stichwörter hat man ziemlich genai die einzelnen Gesänge präsent. Was mir bisher nicht so klar war: Im Prinzip kommen fast alle Zitate und Situationen, die man aus der Aeneis parat hat, aus dem zweiten Gesang, allenfalls noch das Schicksal der Dido aus dem vierten Gesang kann man noch nennen. Also, wenn ihr mit dem spröden Stil der gängigen deutschen Übersetzungen nicht klarkommt und etwas "abkürzen" wollt, konzentriert euch auf diese beiden Gesänge. (Ich selbst habe als Jugendlicher im Alter von vielleicht 15 Jahren die Aeneis in der deutschen Übersetzung gelesen undf fand den Stil einfach ungenießbar. Erst als ich dann in der 13. im Lateinunterricht in den lateinischen Text hineinschaute, stellte ich fest, dass ich Vergil bitter unrecht getan hatte. Der Mann hatte einen ausgezeichneten Stil - nur vieles davon lässt sich im Deutschen einfach nicht nachmachen.)

 

Bessy 20: Die Hungersnot
Eine geheimnisvolle Krankheit tötet die Karibus hoch im Norden, den Eskimos droht eine Hungersnot. Andy und Bessy begleiten eine Expedition zweier Wisenschaftler, die die Ursache der Seuche herausfinden wollen. Schließlich stellt sich heraus, dass ein böser Schamane die Tiere vergiftet. Er will den Platz des Häuptlings einnehmen, und im Kampf um die Macht in seinem Stamm ist ihm jedes Mittel und jeder faule Zauber recht.

 

Fabia Waldner: Das Magnolienhaus I - Der Traum von morgen (e)
Der Autor heißt mit bürgerlichem Namen Michael Schulz (das Pseudonym ist offen) und lebt in Hahnenklee bei Goslar. Daher habe ich ihn in der Goslarschen Zeitung vorgestellt und das neue Buch besprochen. ("Buch" stimmt allerdings in diesem Fall nicht ganz. Es gibt nur ein E-Book und ein Hörbuch, aber keine Printausgabe.) Meine Meinung dazu:
„Der Traum von Morgen“, Teil eins der Trilogie „Das Magnolienhaus“, erzählt die Geschichte einer rheinländischen Familie über mehrere Generationen hinweg. Die Hauptfigur ist die junge Caroline Eimermacher, Tochter eines Botanik-Professors und Enkelin eines Bauunternehmers, die an einen Mann, den sie nicht liebt, verschachert werden soll. Die arrangierte Ehe dient vor allem der Karriere des Herrn Professors: Der scheidende Dekan der Universität will Caro als Gemahlin für seinen Sohn haben und würde im Gegenzug dem Brautvater den Dekansposten zuschustern. Kein ungewöhnlicher Vorfall im Deutschland der Kaiserzeit. Aber für Caro eine Katastrophe, und sie versucht, den Dekanssohn loszuwerden.
Die Geschichte beginnt im Jahr 1912 in Bonn. Ein Prolog zeigt Caro im Jahr 1974 bei einer Fahrt auf dem Rhein mit dem Dampfer „Goethe“. Eine Begegnung mit einem jungen Studenten, der gern ein Buch über die Kaiserzeit schreiben möchte, ist Anlass für die ältere Dame, auf ihr Leben zurückzublicken.
Wir erleben eine junge rebellische Frau, die den Werber mit einem extrem freizügigen Kleid schockieren und abschrecken will, und einen ausgesprochen „coolen“ Dekanssohn, der seiner Angebeteten seine unverhohlene Bewunderung für ihren extravaganten Modegeschmack ausspricht. Und schon im Religionsunterricht hatte sie empört ausgerufen: „Frauen sind dem Manne nicht untertan. Das ist ungerecht!“ (Wobei sie wohl kaum meinte, dass es ungerecht sei, dass die Frauen dem Manne „nicht“ untertan sind.)
Fabia Waldner schildert die mehr oder weniger glücklichen „Vernunftehen“ von Caros Mutter und Großmutter sowie guter Freundinnen wie der reichen Erbin Vita oder der jungen Luise, mit der Caro erste sexuelle Erfahrungen macht. Auch Caros Mutter war schließlich auf ähnliche Art „an den Mann gebracht worden“, als sie ihre verarmte Adelsfamilie durch eine Heirat mit dem Sohn eines Bauunternehmers finanziell sanierte.
Fabia Waldner schildert interessant gestaltete Charaktere und erschafft ein rheinländisches Familienpanorama, dem die große Liebe des Verfassers zu Thomas Manns „Buddenbrooks“ anzumerken ist. Die Charaktere und ihre Beziehungen sind durchaus glaubwürdig geschildert, und auch das Bonner Lokalkolorit kommt sehr authentisch rüber.
Ausgesprochen unschön allerdings ist die Art, wie der Autor den eigenen Erzählfluss immer wieder abschneidet und die Handlung später durch zähe Plusquamperfekt-Referate nachliefert.
Familienpatriarch Heinrich, genannt „Kabänes“, zieht sich mit seinem Sohn, Professor Johannes, zum Vier-Augen-Gespräch über den neu aufgetauchten Familienangehörigen aus Riga zurück. Schnitt. Szenenwechsel. Erst mehrere Seiten später lässt Johannes das Gespräch in Gedanken „Revue passieren“, und erst jetzt erfährt der Leser, was Kabänes erzählt hat. Und erst sehr viel später, abends im Ehebett, als Heinrich wieder an die Geschichte seines folgenschweren Seitensprungs zurückdenkt, will er ihn nun auch endlich seiner Frau beichten. „Betti, wir müssen reden“, sagt er. Und - zack! – bricht das Kapitel ab, und der Leser hört ihn wieder nicht reden.
Ähnlich gewunden und verdrechselt gesteht Sohn Johannes seiner Frau Mathilde einen unehelichen Sohn. Immer wieder verschwinden Gespräche über entscheidende Dinge hinter dem Szenenvorhang und werden dem Leser später in Rückblenden und Inhaltsangaben nachträglich serviert. Live-Dialoge hätten den Roman sicher frischer, lebendiger und spannender gemacht.
Sehr flüssig und gut lesbar sind auf jeden Fall der Satzbau und die Sprachmelodie des Autors. Auch die Darstellung der vergangenen Epoche und die Situation der damaligen Frauen und besonders das rheinische Flair geht dem Autor leicht von der Hand und wird sicher viele Freunde und vor allem viele Freundinnen finden.
Fazit: Ein weit ausgearbeitetes Generationengemälde mit interessanten Heldinnen und glaubwürdigen Familiendramen. Vielversprechender Auftakt einer weitgespannten Saga.

 

Yoko Tsuno Sammelband 10: Die Schwingen des Verderbens
- Der Tempel der Unsterblichen
- Engel und Falken
- Saturns Zwillinge
Der letzte Sammelband enthält drei Alben, aber vier Abenteuer, denn "Engel und Falken" zerfällt in zwei Teile, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Band eins uns drei sind vineanische Abenteuer, Band zwei handelt zunächst von einer Zeitreise ins Jahr 1935, und anschließend sollen Yoko und ihre Freunde im Auftrag des britischen Geheimdienstes eine ägyptische Mumie nach Hause bringen.
Der Gesamttitel "Schwingen des Verderbens" scheint sich darauf zu beziehen, dass es zumeist ums Fliegen geht. In Teil eins um Flugexpeditionen unter der Erde und ein Wiedersehen mit dem kleinen Drachen Balbok und der größeren Ausgabe Goliath, im zweiten Band spielt ein steinerner Engel eine Rolle, später ein Falke und mehrere Drohnen, in Teil drei geht es um einen Flug zum Jupiter, auf dem Yoko und ihre KI Akina gleichfalls mit einigen Flugkunststücken auf warten. Mir hat am besten aber Emilys Manöver im zweiten Band gefallen, als sie eine junge Dame, die sich viel auf ihre Flugkünste einbildet, dazu bringt, ihren Mageninhalt ins Freie zu bringen. Überhaupt war der mittlere Band in dieser Sammlung mein liebster, auch wenn er ziemlich ungelenk gebaut wurde und in zwei unverbundene Teile zerfällt. Der Versuch, zwei bei einem Zugunglück getötete Kinder zu retten, ist rührend. Erinnert ein wenig an den ersten Band mit den deutschen Abenteuern. Bei einer Jahreszahl wie 1935 zucke ich ja immer zusammen. Aber in Schottland war damals die Welt ja noch (fast) in Ordnung. Interessant war auch das Zusammentreffen mit der alten keltischen Zivilisation unter der Erde. Ein insgesamt schöner Abschlussband, reich ausgestattet und optisch ansprechend. Hat mir gefallen.

 

Hans-Dieter Steinmetz: 365 Tage Karl May
Ein Begleiter durch das Jahr, in dem man für jeden Tag des Jahres einige Ereignisse aus karl Mays Leben lesen kann. Darin finden sich Hinweise auf Geburt und Tod von Familienangehörigen, seine kurze Lehrerkarriere und wie sie endete, seine Hochstapeleien und Bedtrugsversuche, litearische Erfolge, Auszüge aus der Korrespondenz, Gerichtsprozesse und die Karl-May-Hatz, Reisen, Vorträge, Erkrankungen, einfach alles, was in seinem Leben irgendwie dokumentiert und mit Datum festgehalten wurde. Dazu gibt es für jede Woche einen dopppelseitigen Essay zu unterschiedlichen Themen. Ein sehr interessantes Buch, das ich jeden Morgen zum Start in den Tag aufgeschlagen habe. Allerdings: Eine Behauptung des Autors stimmt nicht. Der Titel enthält eine Falschaussage: Das Buch enthält nämlich in Wirklichkeit nicht Einträge für 365 Tage, sondern für 366 Tage. Ich war also für das Schaltjahr 2024 bestens ausgestattet.

 

Bessy 28: Die versteckte Beute
Ein reisender Händler kommt auf die Ranch, will seine Waren anbieten und zeigt ein paar beeindruckende Zaubetricks. Doch der Mann ist nicht nur ein netter Kerl, sondern er hat ein Geheimnis: Er will die Beute, die sein Bruder bei einem Banküberfall gemacht hat, finden und den Behörden übergeben. Ein paar schwer interpretierbare Verse seines Bruders sollen ihm den Weg zum Versteck weisen. Die Sache wird nicht ganz ungefährlich, denn eine Banditenbande heftet sich an seine Fersen und will die Beute geleichfalls haben. Andy und Bessy helfen ihm. Unterwegs erhalten sie unterstützung von Pueblo-Indianern. Andy lernt einige süber ihre Kultur. Und Bessy hat ein paar liebenswürdige Begegnungen mit anderen Tieren.

 

 

Hörbuch/Hörspiel

 

James Krüss: Die Fabelinsel
Geschichte einiger Schiffbrüchiger, die sich auf eine Insel gerettet haben. Um die Zeit bis zu ihrer Rettung zu überbrücken, erzählen sie sich Fabeln. Eine Schiffbrüchige erzählt von einer Taube, die Gefajr läuft, von einem Adler gepackt und gefressen zu werden. Ähnlich wie Scheherazade in den Märchen aus 1001 Nacht hält sie ihn mit iher Erzählkunst so lange hin, bis der Fluchtweg hinter ihr frei ist. Ein anderer trägt gereimte Äsop-Fabeln vor. Das Herzstück aber ist der große "Sängerkrieg der Heidehasen", in der es um die Hand der Prinzessin geht. Der begabte junge Hase Lodengrün scheint die besten Gewinnchancen zu haben, und ihn würde die Prinzessin auch gern zum Mann haben. Aber da sist noch der alte fette Magister Wackelohr, der etwas vom Dichten und Singen versteht. Der Gesangsminister gibt ihm zu verstehen, dass er ihm durchaus den Sieg verschaffen und Lodengrün disqualifizieren könne, gegen eine entsprechend hohe Bestechungssumme, versteht sich. Die beiden Finsterlinge schmieden eine Intrige, um den talentierten Lodengrün auszuschalten. Aber Lodengrün hat Glück, gute Freunde und Talent ... Ein herrlicher Spaß, und insgesamt eine schöne Sammlung und sehr angenehm vorgetragen vo Friedhelm Ptok. Da möchte man glatt auch schiffbrüchig werden.

 

 

Heinrich Heine: Der fliegende Holländer (Gruselkabinett, Folge 22)
Ein Gruselhörspiel auf der Basis des Heine-Textes aus den "Memoiren des Hern von Schnabelewopsky", der auch die Vorlage zu Richard Wagners Oper über dne Holländer war. Wobei die Heine-Geschichte dramatisiert und sehr frei verwandt wurde, sie ist eher als eine Inspirationsquelle - neben der Wagner-Oper - zu betrachten. Die Hörspiel-Macher haben die Sache mit einer sehr verdrechselten Rahmenhandlung versehen, beid er man am Anfang nicht genau weiß, worauf es eigentlich hinauslaufen soll. Man hört zunächst Stimmen an Bord, Seeleute, die sich mit ihrem Kapitän darüber streiten, ob man den Versuch, das Kap der Guten Hoffnung zu passieren, nicht angesichts des schweren Sturms und hohen Seegangs aufgeben soll. Daraufhin tut der Kapitän seinen gotteslästerlichen Schwur, das Kap zu umfahren, und müsse er auch für alle Ewigkeit gegen den Sturm ansegeln. Dann gibt es mehrere weitere Einstiege und Erzählebenen. Ein ehemaliger Prinzenerzieher wird im Jahr 1888 von seinem ehemaligen Schützling in eine Opernaufführung eingeladen. Es gibt Wagners "Holländer", und beide erinnern sich daran, dass der Kapitän ein "alter Bekannter" sei. Denn der Lehrer und sein Schüler waren während der Marineausbildung des letzteren an Bord eines Schiffes, das dem Holländer begenet war. Zuerst ist der Lehrer der Ich-Erzähler, dann der Prinz, schließlich bittet der Prinz den Lehrer, ihm näheres über das geheimnisvolle Schiff mit den roten Segeln zu erzählen. Nun folgt das eigentliche Hörspiel über den Holländer und seine Liebe. Der Verfluchte darf nämlich alle sieben Jahre an Land gehen und sich eine Ehefrau suchen. Bleibt sie ihm treu bis in den Tod, so wird er erlöst. Bricht sie ihm die Treue, muss sie sterben. Nun sind wieder sieben Jahre um, und der Kapitän lernt einen reichgen Kaufmann kennen, der ihm verspricht, bei seiner Tochter ein gutes Wort für ihn einzulegen. Sehr fortschrittlich: Der Kazfmann verschachert seine Tochter nicht mehr einfach an einen reichen CShwiegersohn, sondern diese Katharina darf frei entscheiden. Sie sagt jedoch auch ohne väterlichen Druck sofort mit Freuden "Ja". Denn sie hat sich schon vor Jahren unsterblich verliebt in ein uraltes Bild des Holländers, das im Haus hängt. Als nun das Original zur Tür hereinkommt, ist sie sofort hin und weg und wiull ihn unbedingt erlösen. Der Holländer ist zu Tode gerührt. Aber auch er selbst hat sich in diese junge Frau verliebt. Und er will es nicht riskieren, dass sie von dem Fluch getroffen wird, der sie bei einer möglichen Untreue Darum versetzt er sie und sagt die Hochzeit wenige Stunden vor der Trauung ab. Katharina aber, fixiert auf den Gedanken, dem Holländer die Treue zu halten bis zum Tod, stürzt sich von einer Klippe ins Meer. So stellt sie sicher, dass sie die Ehe niemals brechen kann. Bei Heine und Wagner ist der Holländer dadurch erlöst, der Fluch ist aufgehoben. Das vorliegende Hörspiel dagegen gönnt dem Holländer die Erlösung nicht. In der Hörspielfassung wird, völlig zu recht, darauf hingewiesen, dass die beiden ja zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht offiziell verheiratet waren. Der Holländer hat sie vor der Trauung in der Kirche sitzen gelassen, demnach war "vor Gott" der BUnd noch nicht geschlossen. Das schöne, heroische Opfer der jungen Frau gilt also nicht, und der Holländer ist weiterhin verdammt dazu, für alle Erwigkeit auf dem Meer herumzuirren. Was auch die Begegnung des Prinzen und seines Erziehers mit dem Schiff belegt.
Insgesamt ein gut gemachtes Hörspiel, atmosphärisch und stimmungsvoll, nicht unbeding gruselig, eher literarisch. Die komplizierte, mehrfach geschachtelte Rahmenhandlung wirkt etwas ungelenk, aber man kommt dann doch noch ganz gut rein. Einen Pluspunkt gibt es für das böse Ende.

 

 

Weitere Jahresrückblicke
Teil 1 - Januar bis März 2024
Teil 2: April bis Juni 2024
Teil 3: Juli bis September 2024
Teil 4: Oktober bis November

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick 2024: Teil 4 - Oktober bis November

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 31 Dezember 2024 · 500 Aufrufe
Jahresrückblick

Der vierte Teil meines Lese-Rückblicks auf das Jahr 2025. Wie gewohnt, ist der November urlaubsbedingt etwas lektüre-intensiver gewesen, daher folgt der Dezember später. Was brachten mir Oktober und November? Eine Menge Science Fiction war dabei, dazu etwas historische Phantastik und viele Anthologien. Indianerbücher, etwas über Israel, Klassiker, ein Heldenepos über Kaninchen und ein Buch über Octopusse. Viel Spaß damit!

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

 

Oktober

 

Reimer Boy Eilers: Mit Magellan I: Die Ausfahrt

 

Thorgal Saga: Wendigo.

 

Vincenz Chiavacci: Der Weltuntergang
Ein Stück phantastischer Literatur, erstmals veröffentlicht im Jahr 1897, jetzt wiederentdeckt von Erik Schreiber, der die Geschichte als Band 13 seiner „Mystischen Schriften“ im Arcanum Fantasy Verlag neu herausbrachte. Der Autor erzählt darin von einem Kometen, der aus Richtung der Beteigeuze auf die Erde zurast, mit üblen Folgen für den Planeten und die Menschheit. Schon die Annäherung des Himmelskörpers bringt Naturkatastrophen und eine Veränderung des Klimas mit sich, wobei Chiavacci unter anderem einen Hagel aus Gold niedergehen lässt. Berauscht von Gier reißen sich die Menschen um das Edelmetall, klauben es zusammen, horten, schlagen einander tot, doch die Goldklumpen werden immer größer, zerschlagen Häuser und Hirnschädel, und m Ende sind all die goldgierigen Sammler tot und unter Massen von Metall begraben. Der Mond wird durch einen Zusammenstoß mit dem Kometen zerstört. Die Erde wird schließlich aus ihrer Bahn herausgerissen und gerät in die Nähe des Mars, wo die Menschheit im Vorbeiflug kurzfristig Kontakt zu einer höheren, wesentlich weiter entwickelten Zivilisation bekommt. Die Marsianer sagen den Erdlingen voraus, dass der Komet die Erde bis in die Jupiterumlaufbahn mitnehmen werde, dort werde die Erde einige Zeit um den Jupiter kreisen, große Teile der Menschheit würden sterben, doch irgendwann würde die Erde, erneut mitgerissen von dem Kometen, zurückkehren in ihre alte Bahn … Man erlebt Elend, Erfindungsreichtum und Niedergang der Menschheit mit, schließlich die Rückkehr des nahezu entvölkerten Planeten in seine alte Heimat. Und gibt es noch eine Chance für das Überleben der Menschheit? Sicher gibt es die. Denn der Ich-Erzähler Erwin erwacht am Ende aus einen sehr unleidlichen Fieberschlaf. Alles nur geträumt … Eine sehr liebenswürdige, elegante kleine Erzählung mit der Patina der vergangenen Zeit, geschmackvoll präsentiert in dem handlichen Format der Mystischen Schriften. Auf jeden Fall eine schöne Entdeckung.

 

Frederik Hetmann: Charlotte und die Indianer
Roman über eine Ethnologin jüdischer Herkunft, die ihre Doktorarbeit über den Zeltkreis der Omaha schriebe. Ein antiquarisches Fundstück. Die Handlung spielt auf zwei Ebenen: Die hochbetagte Heldin kommt gerade von einer Aktion für die Rechte der indigenen Bevölkerung in den USA und erleidet unterwegs einen Herzanfall. Während sie am Straßenrand liegt und Freunde und Familie sich um sie bemühen und auf Hilfe warten, blickt sie zurück auf ihr Leben. Sie erzählt von ihrem Studium und ihrer ersten Liebe in der Weimarer Zeit, vom Leben als Jüdin unter den Nazis, von dem besonderen Antiquariat, in dem sie arbeitete, von der Flucht. Dazwischen immer wieder Einsprengsel aus der indianischen Geschichte, aus Kriegen und Mythen, aus ihrer Forschungsarbeit. Sehr interessante Kombination. Leicht und spannend zu lesen.

 

Erik Scheiber (Hrsg.): Vampyr
- Theodor Hildebrand; Der Vampyr, oder Die Todtenbraut (1828)
- Baron Gerhard van Swieten: Vampyrismus(1768)
Zwei Texte, die eigentlich nicht zusammengehören, erstmals vereinigt in einem Band aus dem Arcanum Fantasy Verlag in der Reihe mystische Schriften. Das eine ist eine klassische Vampirnovelle aus dem Jahr 1828, das andere ein Aufsatz über Vampirismus. Die Novelle handelt von einer Familie, die durch eine Vampirin ausgelöscht wird. Ein Mann eröffnet seiner Frau, dass er aus der Großstadt fortziehen wolle und für sich und die Familie ein abgelegenes Haus, weit draußen in der Einsamkeit gekauft hat. Sie findet das gar nicht schlecht. Doch eines Tages muss er aus geschäftlichen Gründen verreisen. Während die Familie allein ist, taucht eine fremde, vornehm anmutende und etwas melancholisch wirkende Dame in der Nachbarschaft auf und freundet sich mit den Kindern und der Frau an. Niemand ahnt, dass sie die erste Geliebte des Mannes war und durch einen Blutschwur mit ihm verbunden ist. Nun, nach ihrem Tode, kehrte die verlassene Geliebte als Untote zurück, um Rache für den Verrat zu nehmen und die Familie auszurotten. Etwas altertümliche Sprache, aber ich mag sowas.
Der Aufsatz dagegen ist eher spröde und, der Natur historischer Wissenschaftstexte gemäß, nicht mehr ganz up to date. Den fand ich weniger interessant.

 

Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (Reclam)
Ein Buch, das ich schon lange auf meiner To-do-Liste habe. Ich muss gestehen, dass ich mit Rilke bisher immer meine Probleme hatte. Als lyrik-interessierter Mensch war im immer wieder etwas enttäuscht darüber, dass bei seinen Gedichten der Funke so gar nicht übergesprungen ist auf mich. Nun also seine Prosa. Und, ja, darin bin ich gut angekommen und habe vieles entdecken können. Ein Werk, das zu lesen mir sehr gefallen hat.
Es handelt sich um eine Art Tagebuch, in dem der Titelheld zunächst seine aktuellen Erfahrungen, dann seine Kindheits- und Jugenderinnerungen und Episoden aus seiner Familiengeschichte aufschreibt. Malte schreibt über seine Begegnung mit der Stadt Paris, einem modernen Moloch, voll Massen und neuer Technik, voller Krankheit und Armut, ziemlich unruhig und nicht gerade anheimelnd. Vor allem aber sind die Aufzeichnungen geprägt von gruseligen und geisterhaften Anekdoten aus der Familiengeschichte, wie zum Beispiel der Begegnung mit einer seit langem verstorbenen Dame, die mit der größten Selbstverständlichkeit eines Abends an der gemeinsamen Tafel Platz nimmt, und für alle Beteiligten ist es vollkommen selbstverständlich. Oder die Erinnerung des Erzählers, dass er einmal als Kind in einem Zimmer nach einem heruntergefallenen Gegenstand suchte, unter einem Schrank herumtastete und dabei eine fremde Hand berührte. Richtig gestaunt habe ich über die Geschichte eines Mannes, der auf den Gedanken verfiel, man könne Zeit sparen und so ein Guthaben bei einer Zeitbank anhäufen. Ich vermute mal, dass hier Miichael Ende eine seine Inspiration für "Momo" gefunden hat.
Ein sehr interessanter Roman, der mir einiges an Aha-Augenblicken beschert hat. Hat mir gefallen.

 

Fritz Brehmer: Nebel der Andromeda
Eine Reise zu einem Planeten im Andromedanebel, erstmals veröffentlicht 1920, jetzt neu herausgekommen im Verlag Saphir im Stahl. Eine sehr interessante Geschichte und auf jeden Fall der Wiederveröffentlichung würdig. Allerdings hat der Verleger es mit dem Wiederveröffentlichen etwas zu gut gemeint: Die Geschichte hat 150 Seiten, das Buch hat 300 Seiten. Ahnt ihr, was passiert ist? Richtig. Der Text ist im Buch zweimal enthalten. Das ist für den Leser natürlich erstmal irritierend, wenn er genau in der Mitte des Buchs ein schlüssiges, sauberes Ende findet – und dann geht es doch weiter, mit etwas, das man genau so schon gelesen hat. Okay, es ist halt passiert.
Inhaltlich ist es durchaus ein Buch, das sich lohnt. Geschildert wird die Reise eines Mannes namens Markus Geander, der später in Venezuela unter dem Namen Santo Desnudo als eine Art verschrobener Einsiedler lebte und von den Eingeborenen verehrt wurde. Markus entwickelte in jungen Jahren eine Art Geisteskraft, die sich in telekinetischen Fähigkeiten, aber auch in der Fähigkeit zur Manipulation seiner Mitmenschen äußerte. Eines Abends, beim Blick in die Sterne und vor allem auf das Sternbild Andromeda wurde er – wie er zunächst annahm: von seiner eigenen Kraft – auf einen dortigen Planeten versetzt. Er taucht aus dem Wasser auf und begegnet der faszinierenden jungen Frau Irid.
Die Bewohner der Welt Drom sind hochentwickelt und der Menschheit um einige Jahrtausende voraus. Ihre geistige Entwicklung ist derart fortgeschritten, dass sie sich mit einer stummen Gedankensprache verständigen. Nur mit Hunden, Kindern und dem Erdling spricht man notgedrungen ist der simplem akustischen Barbarensprache. Das Leben ist schlicht und einfach, frei von Sorge, frei von Aggression. Irid ist Lehrerin, ein Beruf, zu dem nur Menschen von hohen Geistesgaben, Tugenden und einem ausgeglichenen Temperament zugelassen werden. Markus fühlt sich von ihr angezogen, doch alle seine Versuche, sie zum Geschlechtsverkehr zu bewegen, werden von ihr nicht zugelassen. Sein Versuch, sie mit seinen manipulatorischen Fähigkeiten herumzukriegen, amüsiert die Frau von Drom nur, sie ist ihm auf geistigem Gebiet einfach haushoch überlegen.
Dabei war es, wie sich später herausstellt, Irids Entscheidung, ihn, den Barbaren, zu sich nach Drom heraufzurufen. Sie stellte sich vor, dass man ihre hochentwickelte, aber etwas träge Kultur durch irdisch-barbarisches Blut mit neuer Energie versehen kann. Schließlich lädt sie ihn doch zum Geschlechtsverkehr ein, und danach wird alles anders, es kommt zur Katastrophe …
Sehr interessanter Roman, gut erzählt, angenehm strukturiert und für jemanden, der, wie ich, ältere Literatur liebt, ein Genuss. Vielleicht sogar angenehm genug, um die Geschichte zweimal zu lesen …

 

Alexander von Humboldt: Auf dem Weg zum ökologischen Denken (Reclam)
- Der See von Valencia
- Untersuchungen über die Gebirgsketten und die vergleichende Klimatologie
- Geschichte der Pflanzen (der Vierwaldtstätter See)
Drei sehr unterschiedliche Texte Alexander von Humboldts, die vor allem deutlich machen, wie sehr dieser Forscher auf Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Einzelphänomenen achtete und das "große Ganze" in den Blick fasste. So erkannte er am See von Valencia, wie nicht nur die Tiere und Pflanzen eine Art ökologisches Gleichgewicht bildeten, sondern wie auch die traditionelle menschliche Gemeinschaft vor Ort und ihre Landwirtschaft Teil eines Ökosystems war. Und er stellte fest, wie und warum die Sache irgendwann nicht mehr funktionierte. Bei seinen Untersuchungen der Gebirgsketten geht es zunächst um geographische Forschungen, die er während seiner großen Russland-Reise anstellte. Doch von den dort gewonnenen Wetterdaten zieht er Parallelen zu Messungen aus Südamerika und anderen Gegenden, entwirft weltumspannende Linien, um Isothermen und Isobaren abzubilden, entdeckt Zusammenhänge und erforscht die allgemeine Großwetterlage. Sehr spannend.

 

Carsten Schliwski: Nahostkonflikt. 100 Seiten (Reclam)
Kompakte Übersichtsdarstellung zum günstigen Preis, nicht erschöpfend natürlich, aber mehr kann man auf hundert Seiten wirklich nicht erwarten. Geboten werden geschichtliche Hintergründe und ein Überblick über die Interessen der einzelnen ethnischen, nationalen und religiösen Gruppierungen. Und ein Ausblick - wobei der Verfasser sich nicht anmaßt zu sagen: So kann das mit dem Frieden endlich funktionieren.
Extrem nervig und den Lesefluss störend ist die Sternchenschreibweise. Zumal da einfach Sachen gegendert werden, die sprachlich so nicht korrekt sind. „Jüd*innen“ zum Beispiel ist kompletter Murks, da die männliche Form überhaupt kein Ü enthält. Die Forderungen und Interessen von Xxx*innen aus arabisch-muslimischen Ländern? Hä? Welche Interessen können denn Frauen in Ländern äußern, in denen sie allenfalls das Recht haben zu schweigen? Und was bitteschön sind „Israel*innen“? Inkonsequenterweise wird das Word für die Jesus-Leute nicht gegendert. Die Rede ist einfach nur von „Christen“. Als Kirchensteuerzahlerin fühle ich mich in meinen religiösen und feministischen Gefühlen zutiefst verletzt.

 

Theodor Herzl: AltNeuLand. Ein utopischer Roman
Es gibt wenig Länder, die sich auf einen phantastischen Roman als Gründungsurkunde berufen können. Doch dieses "AltNeuLand" ist die Beschreibung eines jüdischen Staates, wie es ihn damals noch nicht gab. Theodor Herzl, Begründer des politischen Zionismus, der zuvor bereits in "Der Judenstaat" das Konzept eines jüdischen Staates entworfen hatte, veröffentlichte im Jahr 1902 diesen Roman, in dem er sein Thema literarisch umsetzte.
Erzählt wird die Geschichte des Dr. Friedrich Löwenberg, eines jüdischen Mannes, der mit seinem Leben abgeschlossen hat, als die Frau, in die er sich verliebt hat, einen anderen heiratet. Als Jude hat er in der deutschen Gesellschaft ohnehin keine Chancen auf ein ordentliches Auskommen, gesellschaftlich ist er ebenfalls isoliert, da entdeckt er eine Anzeige, die ihm vielversprechend schein: Ein reicher Mann hat die Nase voll von der Welt, will sich auf eine einsame Insel zurückziehen und sucht einen gebildeten Menschen, der ebenfalls der Welt den Rücken kehren will, als Begleiter und Gesellschafter. Löwenberg und der Millionär Kingscourt werden sich schnell einig. "Liebeskummer, Weltschmerz und Judengram – das ist zusammen genug, um auch einen jungen Mann für immer Abschied nehmen zu lassen vom Leben", fasst es Kingscourt zusammen.
Mit seinem Handgeld, das er von Kingscourt für die Erledigung seiner letzten Angelegenheiten in der Heimat erhält, rettet Löwenberg eine verarmte Familie aus höchster Not, bezahlt einen Arzt für die kranke Mutter und eine Ausbildung für den Sohn der Familie. Dieser, David Littwak, schaut ihn sehr lange und intensiv an, um sich die Gesichtszüge des Wohltäters für immer einzuprägen. Und er wird ihn nie vergessen. (Erinnert ein wenig an den Junge Bruce Wayne, der sich den Mörder seiner Eltern mit "Augen, die nie vergaßen", einprägt. Nur eben diesmal positiv.)
Das Segelschiff sticht in See und trägt sie davon. Wohin genau, darüber wird nichts gesagt, aber auf dem Weg dorthin macht der Millionär, dem Juden Löwenberg zuliebe, einen Zwischenstopp in der Gegend des späteren Staates Israel. Sie finden eine ziemlich karge Trümmerwüste vor, nichts lädt zum Bleiben ein, nur einige wenige Juden sind anzutreffen, die sich hier eine neue Heimat schaffen wollen.
Schnitt.
Das zweite Buch spielt 20 Jahre später. Im Jahr 1923 kommt das Schiff des Millionärs erneut in der Gegend von Haifa vorbei. Und die beiden Eremiten können gar nicht fassen, wie sich das Land verändert hat, als sie in Haifa anlegen. Ein glücklicher, moderner Staat, in der jeder zu essen hat und in dem jeder mit anpackt, in dem moderne Technik und genossenschaftlich organisierte Betriebe für Wohlstand sorgen, und ein Staat, der nicht von den gierigsten und großfressigsten, sondern von den besten und anständigsten Bürgern regiert wird. Kaum angelangt, wird Löwenberg von einem jungen Mann angesprochen. Es ist David Littwak, dem er einst die Ausbildung finanziert hat. David führt ihn überall herum und erklärt ihm die Besonderheiten des Judenstaates. Fonografische Aufzeichnungen eines Zeitzeugen und Mitgründers des Staates informieren Löwenberg und Kingscourt über die ersten Jahre des noch jungen Staates. Aktuell stehen Wahlen an, und David reist durchs Land, hält Reden und wirbt für seine Ideen für die Zukunft des Landes. Am Ende wird David zum Staatschef gewählt, Löwenberg und Kingscourt beschließen, ihre einsame Insel aufzugeben und sich im Judenstaat als nützliche Glieder der Gesellschaft einzubringen.
Das Buch hat nicht nur interessante Ideen, die ja zum Teil Wirklichkeit geworden sind, sondern es ist auch ein sehr gut erzählter Roman, der sich flüssig lesen lässt. Alles andere als ein stinklangweiliges Staatskonzept also. Ein modernes Märchen zum Teil. Beziehungsweise: Wenn ihr es wollt, ist es kein Märchen ...
Die Ausgabe, die ich gelesen habe, stammt aus der "Henricus - Edition Deutsche Klassik" und erschien im Jahr 2021. Der Text wurde an die neue deutsche Rechtschreibung angepasst. Optisch ist es schön gestaltet mit einem Porträt Herzls auf dem Cover. Schön wäre ein Vorwort oder Nachwort zur Einordnung, Entstehungs- und Wirkungsgeschichte. Aber eine moderne Textedition ist schon viel wert.

 

Hans Schmoldt: Biblische Geschichte (Reclam)
Das Buch arbeitet die in der Bibel erzählten geschichtlichen Ereignisse auf, konzentriert sich weitgehend auf die biblischen "Geschichts-Bücher" wie die fünf Mose-Bücher, Josua, Richter, Chroniken und Könige, hinzu kommen einige Informationen zur Welt des neuen Testaments. Man erfährt etwas über Zeitrechnung, Feste, die vorstaatliche Zeit und die Könige, die Auseinandersetzungen mit den Nachbarn, die Zeit der Perserherrschaft, die hellenistische Zeit, das Leben unter den Römern, den Makkabäeraufstand. Sehr interessante Abhandlung, ausgesprochen lesenswert.

 

Frederik Hetmann: Der Rote Tag
Geschichte der Schlacht am Little Bighorn mit besonderem Schwerpunkt auf der Perspektive Custers. Interessant, dass Hetmann gerade Custer wählte, der ja wahrhaftig nicht der Held dieser Auseinandersetzung ist – und erst recht keine Identifikationsfigur für Leser, die sich für Indianer interessieren. Einen gewissen Realitätsverlust muss man Custer wohl unterstellen. Aber diese pubertären Allmachtsphantasien kennt man ja. Insgesamt ein sehr gut zu lesendes, informationsreiche Buch, zum Teil Sachbuch, zum Teil Roman. Auch wieder ein antiquarisch entdecktes Stück Literatur.

 

Eckart Frahm: Geschichte des alten Mesopotamien (Reclam)
Gute Überblicksdarstellung, die die rund 3000-jährige Geschichte der zahlreichen Völker des Zweistromlands auf rund 270 Seiten zusammenfasst. Hier lebten Sumerer und Akkader, Ammuriter, Babylonier, Assyrer, Perser, hier wurde vieles entwickelt, was unsere Kultur noch heute prägt. Man erfährt etwas über erste Städte und frühe Hochkulturen, über Chronologie und Epochen, über die Quellenlage, die Keilschriften. Und auch die Autoren der Bibel haben hier einiges geklaut. Sehr interessant fand ich die Gegenüberstellung der Sintflutgeschichte im Gilgamesch-Epos und im Buch Genesis. Könnte es sein, dass der mesopotamische Mythos um einiges besser zu den Problemen unserer Zeit passt als die Bibel-Version? Obergott Enlil, der die Wasser auf die Erde losließ, hatte nämlich einen verdammt guten Grund dafür: Die Menschen waren einfach zu viele geworden, sie waren eine Belastung für das Land. In Zeiten der Übervölkerung der Erde und des menschengemachten Klimawandels könnte man durchaus sagen: Enlil hatte Recht mit der Idee, die menschliche Bevölkerung klein halten zu wollen. Der biblische Gott mit seinem "Seid fruchtbar und mehret euch" scheint jedenfalls nicht bis in unsere Zeit vorausgesehen zu haben.

 

D9E - Der Loganische Krieg. Sammelband 1
- Stefan Cernohuby: Der Aufstand der Betrogenen
- Alessandra Reß: Die Netze von Nomotu
- Carmen Capiti: Machtwechsel
"Der Loganische Krieg" ist ein Spin-off der Science-Fiction-Reihe "Die 9. Expansion", die im Wurdackverlag erschienen war. Ich hatte die Hauptserie gelesen, den Spin-off erstmal ausgeklammert und hatte dann festgestellt, dass am Ende der Expansion plötzlich von "Kreaturen" die Rede war, die ich nicht kannte. Hatte mir dann immer vorgenommen, die Serie noch nachzuholen. Und als Ernst Wurdack ankündigte, dass er seinen Verlag schließen wolle, habe ich schnell noch zugegriffen.
Zunächst einmal: Diese Serie ist wesentlich kompakter als die Hauptserie. Wir haben einen räumlich sehr beschränkten Schauplatz, nämlich zwei Monde eines Planeten. Es gibt nur eine durchgehende Handlung: Die "Kreaturen" auf Saxum, die für die Bewohner von Logus in Erzminen schuften, rebellieren und kämpfen um ihre Unabhängigkeit. Die Romane – neun Kurzromane à ca. 90 Seiten, im Druck zusammengefasst in drei Sammelbänden – sind wesentlich kürzer als die Romane der Hauptserie, enger miteinander verzahnt und bewegen sich anhand eines einzigen roten Fadens vom Start bis zum Ende der Serie. Der Headcount ist relativ hoch. Während in der Hauptserie der Fokus auf dem Weltenbau und den Schilderungen unterschiedlicher Zivilisationen lag, steht hier Action und Kampf im Vordergrund. Die Geschichten haben ein hohes Tempo, die Autoren labern nicht lange rum und schaffen Atmosphäre, sie ballern im Ernstfall los und lösen die Probleme durch Kämpfe. Wie gesagt: Es gibt sehr viel Blut und sehr viele Tote.
Im ersten Sammelband geht es um den Beginn des Aufstands, und man erfährt etwas über die "Kreaturen". Die genetisch veränderten, an das Leben als Minenarbeiter angepassten Menschen bringen ein loganisches Shuttle in ihre Gewalt. Man merkt schon von Anfang an, dass es mit der Zivilisation auf Logus nicht weit her ist: Die Welt ist zwar technisch hochentwickelt, aber ethisch nicht unbedingt zivilisiert zu nennen. Schon in der Eingangsszene wird ein Aufständischer zu Tode gefoltert, um aus ihm Informationen herauszuholen. Und ganz besonders mies: Den "Kreaturen" wurde ein "Ablaufdatum" einprogrammiert. Keiner überlebt das 40. Lebensjahr.

 

Hoch die Tassen! Ein (zweites) phantastisches Fest
Das Buch enthält die Beiträge zum Marburg-Award 2024. Der Wettbewerb stand, wie im Vorjahr, unter dem Motto: "Ein phantastisches Fest". Im vergangenen Jahr war die Aufgabe gewesen, ein real existierendes Fest zu schildern. Diesmal sollte es um frei erfundene Feste gehen. Der Band enthält 17 Geschichten, wurde vom Marburger Verein für Phantastik in limitierter Auflage von 50 Bänden herausgegeben und mit zu den Storys passenden Illustrationen versehen. Er liest sich sehr gut und flüssig, ganz große Ausfälle gab es bei den Geschichten nicht.
Mir hat am besten der "Tag der Unsterblichkeit" von Lennox Lethe gefallen. Der fiktive Feiertag wird am 8.8. begangen, da die (liegende) Ach ja das Symbol der Unendlichkeit ist. Es ist die Geschichte eines Jugendlichen, der einen Zugunfall provoziert, um ein spektakuläres Handyvideo zu drehen. Dabei kommt er ums Leben. Oder doch nicht? Es ist schließlich der Tag der Unsterblichkeit. Der Zugführer ärgert sich jedes Jahr aufs Neue über den kopflosen Geist, der seinen Zug aufhält. Und das Handy mit dem Video ist verschwunden, was für ein Pech.
Ebenfalls gut gefallen hat mir "Kanzei" von Mala Jay Suess. Die Geschichte spielt in Japan und erzählt von einer mächtigen Industriellen-Familie, die ein Geheimnis hat. Nun hat der junge Ryu das richtige Alter für seine Initiation erreicht. Die Erfahrung ist entsetzlich.
Sehr witzig fand ich "Zucker für die Venus" von Moritz Linden. Eine Art SF-Parodie. Es geht um ein Raumschiff, dessen Kapitänin ein marsianischer Pterodaktylus ist. Als Söldner ist ein humanoider Kanide an Borg. Und dann ist da noch die Bordingenieurin Rosa Schleim mit von der Partie. Die so aussieht, wie sie heißt, nur nicht rosa ...Sie ist eigentlich eine Kolonie von Venusschwefelbakterien und will unbedingt rechtzeitig zum großen Fest auf ihrem Heimatplaneten ankommen, bei dem alle Bakterienkolonien miteinander verschmelzen und glücklich sind. Wegen eines Kampfes verspätet sich das Raumschiff, Rosa hat keine Chance mehr auf den absoluten Höhepunkt. Aber ihre Kollegen bereiten ihr ein Fest, das fast genau so schön ist wie die Verschmelzung auf der Venus ...

 

 

Hörspiel

 

Kira Kolumna 11: Übergekocht
Die Südberger Suppenküche, in der Bedürftige eine kostenlose Mahlzeit bekommen können, ist in Gefahr. Personalknappheit und ein Krankheitsfall stellen den letzten verbliebenen Mitarbeiter vor Riesenprobleme, die eingebrochenen Spenden tun ein übriges. Und in Zeiten wachsender Armut sind immer mehr Leute darauf angewiesen, in der Suppenküche etwas zu essen zu bekommen. Als Kira von der Geschichte hört, will sie helfen. Sie und ihre Freunde planen eine große Pasta-Party, um Spenden zu sammeln und Helfer zu begeistern. Außerdem schreibt sie einen aufrüttelnden Artikel für ihre Lokalzeitung. Doch beim Nudelkochen richten Kira und ihre Freunde ein heilloses Chaos an. Und der wütende Supermarktbetreiber weigert sich vehement, Lebensmittel für irgendwelche Schnorrer herauszurücken. Nein, eine Container-Tour ist nicht in Ordnung, auch wenn es für einen guten Zweck ist ...
Erneut eine spannende Geschichte über ein wichtiges Thema. Kira zeigt, dass gesellschaftliches Engagement alles andere als uncool ist. Und die Serie transportiert das alles ohne besserwisserischen Zeigefinder und Belehrung von oben. Sehr schön.

 

Kira Kolumna 12: Abgefahren
In Südberg, etwas weiter abgelegen und den Neubürgern nicht mehr bekannt, liegt ein ehemaliger Vergnügungspark. Das Gelände ist aus Sicherheitsgründen abgeriegelt. Aber hier hat sich eine alternative Künstlerkolonie angesiedelt, hier gibt es Freundschaft, geselliges Beisammensein und Kunstwerke aus Park-Überresten zu bestaunen. Für Lars ist das alles ein alter Hut, aber als Kira von dem alten Park erzählt, ist sie Feuer und Flamme. Sie schreibt eine Reportage über das illegale Künstlerdorf und ist sehr irritiert darüber, dass einige Künstler wütend reagieren, als sie sich derart ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt sehen. Obendrein gibt es Streit mit einem Nachbarn, der seine Ruhe haben will, und als dann noch ein Besucheransturm einsetzt und ein Neugieriger beim Versuch, auf das gesperrte Gelände einzudringen, in die Klemme gerät, fragt sich Kira, ob es wirklich gut war, über die Kolonie zu berichten, und denkt über ihre journalistischen Grundsätze nach.
Die Folge ist nicht schlecht, aber nicht so herausragend wie der Sommer in Südberg, die Suppenküchen-Abenteuer oder die Fakenews-Geschichte. Ganz ordentlich.

 

 

November

 

D9E - Der Loganische Krieg. Sammelband 2
- Veronika Bicker: Falsches Spiel
- Stefan Cernohuby: Blutige Monde
- Alessandra Reß: Eine Ahnung von Freiheit
Die Auseinandersetzungen zwischen den Loganern und den "Kreaturen" gehen weiter. Inzwischen haben die Kreaturen erste Erfolge eingefahren, sodass auf Logus die Angst wächst. Misstrauen und Hysterie greifen um sich. Zumal die Kreaturen ja optisch so gut wie nicht von normalen Menschen zu unterscheiden sind. Da kommt es wie gerufen, das ein "Kreaturenscanner" auf den Markt kommt. Das Gerät zeigt angeblich unfehlbar an, ob das Wesen, dem man gegenübersteht, ein Mensch oder eine Kreatur ist. Es gibt einen Run auf die Geräte. Nachteil: Die Apparate sind fehlerhaft. Gescannte Loganer werden als Kreaturen identifiziert, und die Loganer mit dem nervösesten Abzugfinger metzeln haufenweise harmlose Mitbürger nieder. Derweil gibt es Friedensverhandlungen, Machtkämpfe der loganischen Institute und ein neues Forschungsprojekt: Eine Genveränderung der Loganer soll bewirken, dass diese die Kreaturen unfehlbar identifizieren können und von unbezähmbaren Hass auf sie gepackt werden Jeder Loganer soll also, sowie er in die Nähe einer Kreatur kommt, gar nicht anders können, als sie anzugreifen und niederzumetzeln. (Dieses Phänomen trat dann auch im letzten Band der Hauptserie "Die neunte Expansion" zutage.)

 

Nixenmärchen, hrsg. v. Erik Schreiber
Schön gestaltetes Taschenbuch im Hosentaschenformat mit Geschichten über Nixen, Meerjungfrauen und Wasserweiber. Wobei der Titel etwas irreführend ist. Denn abgesehen von Hans Christian Andersens "Kleiner Meerjungfrau" enthält das Buch keine Märchen, sondern Sagen aus aller Herren Länder. Die Geschichten sind jeweils sehr genau lokal verortet, und man erfährt, in welchem Weiher einst eine Wasserfrau ihr Unwesen getrieben hat, wo ein Fischer eine Nixe traf, wo gute Menschen von den Meereswesen belohnt und böse bestraft wurden und wo Menschen unter Wasser gezogen und nie wieder gesehen wurden. Eine schöne, reichhaltige Sammlung und eine wahre Fundgrube.

 

D9E - Der Loganische Krieg. Sammelband 3
- Katherina Ushachov und Stefan Cernohuby: Gefangen im Dilemma
- Veronika Bicker: Zwischen allen Fronten
- Stefan Cernohuby: Tabula rasa
Finale der Spin-off-Serie. Die Auseinandersetzungen werden immer brutaler. Es geht um Waffenlieferungen, Pläne zur Vernichtung des Mondes, Geheimwaffen und Gegenmittel. Massenweise Tote, schließlich die Auswanderung der Kreaturen in eine neue Welt. Und für ein Pärchen, das sich im Verlauf des Krieges fand, gibt es sogar eine Art romantisches Happy End.
Fazit: Abgeschlossene Handlung in übersichtlichen, actionreichen neun Kurzromanen, sehr gewaltreich und blutig, klassische Spannungsliteratur, bei dem Weltenbau und Kulturenzeichnung hinter den gewalttätigen Aktionen zurücktreten. Zeitlich, räumlich und in Bezug auf die Handlung klar auf einen kleinen Rahmen fokussiert. Also etwas ganz anderes als die Hauptserie. Interessante Nebenlinie zur Hauptserie und mit dieser nur in sehr losem Kontakt stehend. In "Die neunte Expansion" wird die genetische Konditionierung der Loganer, die eine "Kreatur" sofort anfallen und bekämpfen müssen, kurz zum Thema, während in "Der Loganische Krieg" am Rande die Hondh erwähnt werden. Beide Serien sind aber ohne weiteres auch separat lesbar und verstehbar.

 

Ismar Schorsch: Leopold Zunz. Vorkämpfer der Emanzipation und Begründer der Wissenschaft des Judentums. Biographie 1794 - 1886
Biographie des Begründers der Judaistik und eines der wichtigsten Bibelübersetzer. Die zweisprachige Zunz-Bibel ist auch für mich ein Text, den ich häufiger zur Hand nehme. Wobei ich bisher dachte, er hätte das Buch allein übersetzt, er war aber wohl "nur" der Herausgeber.
Das Buch ist eine Biographie, allerdings, wie bei vielen Wissenschaftlern, steht das Werk eindeutig im Vordergrund, die sonstigen Angaben zu seinem Leben sind recht dünn. Der Mann war ausgesprochen fleißig, also, was sollte er sonst noch getan haben in seinem Leben? Außer seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigete ihn die politische nicht weniger. Bekannt wurde er durch seine Gründung des "Vereins für die Wissenschaft und Cultur des Judentums", durch seine Arbeit in der "Gesellschaft der Freunde", seine Tätigkeit als Redakteur für die Zeitschrift für die Wissenschaft des Judentums, sein Engagement für Lehrerausbildung und durch die bereits erwähnte Zunz-Bibel, die an vielen Stellen dem hebräischen Original näher kommt als Luthers Text. Die jetzt von Ismar Schorsch vorgelegte und von Ursula Kömen aus dem Englischen ins Deutsche übersetzte Biographie zeichnet Ideen, Kämpfe, Erfolge und Rückschläge nach und macht das Werk eines bedeutenden Wissenschaftlers erlebbar und verstehbar. Lesenswert und hilfreich.

 

Kerstin Groeper: Träume von Salbei und Süßgras

 

Schwertgesang und Zauberschatten
Fantasy mit starken Frauen, verfasst von 18 Autorinnen und Autoren. Wobei das "stark" nicht unbedingt bedeutet, dass es sich um Superheldinnen handeln muss. Manchmal sind es auch einfach nur Frauen, die die Zähne zusammenbeißen und ihren Job machen oder in einer phantastischen Welt überleben. Mein absoluter Höhepunkt war natürlich Linda Budingers "Mittenachts-Spiegel", eine Fortsetzung der Geschichte "Mitternachts-Kompass", die Linda damals zu meiner Drachen-Anthologie beigesteuert hatte. Die Geomantin reitet auf ihrem Wasserbüffel nach Sasho, in eine Stadt, die von Geistern heimgesucht wird. Asian Fantasy vom Feinsten Ich möchte gern mal einen Sammelband mit drei oder mehr Mitternachtsgeschichten lesen.
Gut gefallen hat mir auch "Das Bildnis der Leuchtenden", die Geschichte eines magischen Bildes, das ein besonders begabter Farbenmacher schuf. Leider verstarb er bei der Fertigstellung des Bildes, und seine Frau macht sich auf die Suche nach ihm, findet die abgebildeten Wesen und bestraft den arroganten Auftraggeber des Bildes auf sehr fiese Art. Gelungen sind auch "Zereas Stimme", die Geschichte besonderer Friedensverhandlungen, und der "Schatz des Königs", in der von einer besonders talentierten Diebin erzählt wird. Und eine beeindruckende Heldin stellte Angela Rose Burkart vor: Die Fürstin Arabella streift allein und inkognito durch die Wälder und trifft drei Ritter, denen sie sehr genau auf den Zahn fühlt und ihre Grenzen aufzeigt, bevor sie sie als Leibwächter anheuert. Aber eigentlich ist jede einzelne Geschichte lesenswert und sehr gut geschrieben. Eine Sammlung mit Autoren und Autorinnen, die allesamt viel auf dem Kasten haben. Sehr gut.

 

Voll verwünscht
Poppig bunt und prall gefüllt mit fun-tastischen Geschichten über Wünsche, die nicht präzise genug formuliert wurden und bösartige Wunscherfüller, die jedes Wort auf die Goldwaage legen: Die neue Anthologie im Leseratten-Verlag ist eine Warnung für jeden, der die berühmten drei Wünsche auf die leichte Schulter nehmen will. Da gerät schon mal ein Weihnachtswunschzettel aufgrund eines Buchstabendrehers nicht an Santa, sondern an Satan, da wünscht sich ein pelziges Küken in einem Chaotenraumschiff Zugriff auf die ultimative Waffe, Gute Feen, Dschinns und Trolle geben sich mal mehr, mal weniger Mühe, ihre Kunden beim Wünschen auf Klippen und Untiefen hinzuweisen. Und wenn alles schief geht, gibt es auch noch die Selbsthilfegruppe der Wunschversehrten. Ein herrlicher Spaß. Lesenswert.

 

Richard Adams: Unten am Fluss - Watership Down
Liebenswert-zauberhafte und abenteuerliche Geschichte einer Gruppe von Kaninchen, die sich auf die Suche nach einer neuen Heimat machen. Weil der prophetisch begabte junge Fiver ein Unglück vorausahnt, macht sich eine Gruppe von Kaninchen auf den Weg. Nur wenige folgen ihm, der Rest bereut es bald, geblieben zu sein, denn die Kaninchenwiese wird ein Baugebiet, und alle Baue und Nahrungsquellen werden von Maschinen zerstört. Zweimal trifft Fivers Gruppe auf andere Kaninchenpopulationen, beide Male lehrt sie die Begegnung das blanke Entsetzen, denn sie treffen auf totalitäre Strukturen, auf Unterdrückung oder auf Opferkaninchen, die ihre relative Sorglosigkeit mit Unfreiheit und einem Leben mit dem Tod bezahlen. Das Ganze ist gehalten im Stil eines großen alten Heldenepos, und wir treffen auf sehr unterschiedliche, sehr individuell gezeichnete Heroen, von denen jeder seine eigenen Fähigkeiten hat. Da ist der tüchtige, um seine Kaninchen besorgte Anführer Hazel, der während des Zuges zu einer herausragenden Führungspersönlichkeit heranwächst. Da ist Bigwig, Angehöriger einer Kaninchen-Elitetruppe und ein tapferer Kämpfer, der selbst Aias den Telamoniden in den Schatten stellt. Das ist der Geschichtenerzähler Dandelion, der die alten Mythen über den Kaninchen-Kulturheros und Trickster El-ahraira bewahrt und zelebriert. Hinzu kommt die eigene Kaninchensprache, deren Ausdrücke Adams immer mal wieder in den Text einstreut. Zum Frauenbild mag ich hier nichts weiter schreiben, es lässt sich mit dem Wort "doof" zusammenfassen. Aber das erträgt man als Leserin, vor allem, wenn der Rest der Geschichte so liebenswert ist.

 

Wundersame Haustiere und wie man sie überlebt …
Eine liebenswerte Anthologie mit einem wunderschönen Cover, in der man die seltsamsten Wesen kennen lernt. Die Rahmenhandlung führt einen nächtlichen Reisenden, der sich verfahren hat, in eine ungewöhnliche Tierhandlung. Hier erhält er ein Buch mit Tiergeschichten, das er später in Ruhe im Hotelzimmer liest. Die Lektüre entpuppt sich als kurzweilig, aber auch als nicht ungefährlich. Erzählt werden Begegnungen mit mythologischen und frei erfundenen Wesen, mit außerirdischen Tieren, mit bösen und lieben Hausgenossen, und sogar der "Pelzi-Bub" und der "Schweinehund" sind mit dabei. Alle nehmen in der wundersamen Zoohandlung ihren Anfang, manche haben ein Happy End, andere enden in der Katastrophe. Meine Lieblingsgeschichte war die Story vom Hippalektryon, verfasst von Alisha Pilenko. Ein Mischwesen aus der Antike, über das ich mich vor Urzeiten mal in der Elfenschrift verbreitet hatte. Schön, dass außer mir den seltenen Rosshahn noch kennt.

 

Markus K. Korb: Finstere Stadt 1 - Sourcecode
Zukunftsvision, die den Leser in eine chinesische Metropole des Jahres 2055 entführt. Ordnungsmacht des neuen High Tech Hong-Kong ist die Drachenmafia. Deren Agenten, benannt nach ihren speziellen Fähigkeiten, sind etwa "Auge", "Ohr". "Nase" oder "Faust". Im vorliegenden Band müssen sie sich mit geheimnisvollen Störungen der synthetischen Sinnesorgane der Bewohner befassen, und sie geraten an eine böse KI, die im Untergrund verborgen lag und nun erwacht. Die Nummer "1" im Titel lässt darauf schließen, dass da noch einiges mehr an Geschichten zu erwarten ist. Schlecht wäre das nicht.

 

Lennardt M. Arndt: An den Ufern des Nebraska - Die Surehand-Story Band 1

 

Esther S. Schmidt: Das Erwachen der Hüterin

 

Axel Kruse: Kürben
Ein Buch, das ich ursprünglich für den zweiten Teil von "Migiersdottir" gehalten habe, weil es einen sehr irreführenden Klappentext trägt. Mit dem genannten Roman hat es aber nichts zu tun. Es geht vielmehr um Kurzgeschichten, die zum Teil aufeinander aufbauen und so ein größeres Ganzes bilden. Der erste Teil widmet sich dem Aufeinanderteffen der Menschheit mit dem titelgebenden Volk der Kürben. Als weit entfernt von der Erde ein irdisches Raumschiff havariert und in der Nähe ein gleichffalls gestrandetes Raumschiff der riesigen Kürben entdeckt, kommt es zum Erstkontakt und – weil man sich anders nicht helfen kann – zum Austausch von Wissen und Technologie. Mit den von den Kürben gewonnenen Hilfsmitteln können die Terraner schließlich wieder heimwärts fliegen. Dumm ist nur, dass die Kürben trotz verschlüsselter und getilgter Daten die Koordinaten der Erde herausfinden. Sie greifen an, und der in mehreren Episoden geschilderte Krieg ist grausam und für die Menschheit schon von Anfang an nicht zu gewinnen. Kruse zeichnet eine furchtbare Zukunft der Menschheit, bei der am Ende nur eines zählt: die Milchproduktion der Menschenfrauen. Einige wenige Männer werden als Beschäler behalten, ansonsten sind die Frauen dauerschwanger, und nach der Geburt werden männliche Kinder getötet, weibliche werden als zukünftige Milchkühe der Kürben aufgezogen. Beklemmend.

 

Sy Montgomery: Die Geheimnisse des Octopus. Intelligenz und Eleganz der magischen Meeresbewohner
Reich bebilderter Streifzug durch die Welt der Achtfüßler mit einigen interessanten Infos über die kognitiven Leistungen dieser Meeresbewohner, über ihre besonderen Fähigkeiten und über Freundschaften zwischen Mensch und Octopus. Insgesamt aber weniger ein wissenschaftliches Buch, sondern eine sehr emotionale Schilderung von Begegnungen mit diesen Tieren.

 

Angeline Boulley: Firekeepers Daughter

 

Katharina Gerlach (Hrsg.): Meerjungfrauen
Die zauberhafteste Anthologie, die ich dieses Jahr gelesen habe. Moderne Fantasy-Storys über Meerjungfrauen, manchmal auch den Bereich der Science Fiction und des Krimis berührend. Ob griechische Mythologie, chinesische Sprichwörter oder der Umstand, dass es im Bodensee keine Nixen geben soll, ob ein seltsamer Fisch im Aquarium vererbt wird oder eine verführerische Sängerin, die Schiffer ins Verderben lockt - die Welt der Meermenschen ist vielschichtig und voller Überraschungen. Die Sammlung bietet Meerjungfrauengeschichten jenseits der ausgetretenen Pfade und überzeugt durch ihre Qualität und Vielseitigkeit.
Ich weiß gar nicht so recht, welche Geschichte ich nun als beste heausstellen soll. Vielleicht "Iphis" von Wolfgang Malischewski wegen des mythologischen Themas? Oder die Geschichte "Opas Glücksfisch" von Susanne Born mit dem geerbten hässlichen Fisch, der sich als Meerjungfrau entpuppt? Sehr schön war auf jeden Fall die chinesische Erzählung "Den Mond aus dem Meer fischen" von Damaris McCilgan. Gefallen hat mir auch "Meeresmagie" von der Herausgeberin Katharina Gerlach. Sie schildert einen Meermenschen, der "andersrum" ist: Fischkopf und Menschenfüße - aber das Herz auf dem rechten Fleck.

 

Ottmar Ette (Hg.): Alexander von Humboldt-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. Sonderausgabe
Ich hatte ja im vergangenen Jahr das Wilhelm-von-Humboldt-Handbuch gelesen und habe, als ich sah, dass es über den lütten Humboldt ein ähnliches Werk gab, sofort zugegriffen. Man beschreibt das Brüderpaar ja oft so, als seien die beiden gegensätzlich gewesen, hätten sich die Welt quasi aufgeteilt, und der eine hätte die Geisteswissenschaft gewählt, der andere die Naturwissenschaft. Aber je länger ich mich mit den Humboldts befasse, desto ähnlicher werden sie in meinen Augen. Beide mit diesem ungeheuren ganzheitlichen Ansatz und dem weiten Blick fürs große Ganze, beide mit einer sehr freien Geisteshaltung und humanistischen Grundsätzen, beide mit einer ähnlichen Grundausbildung und beide, trotz unterschiedlicher Schwerpunkte doch auch an ähnlichen Themen arbeitend. Alexander war nicht weniger politisch engagiert als Wilhelm und betrieb ebenso sprachliche und kulturelle Forschungen.
Das Handbuch über Alexander zeigt ein ähnlich weitgefächertes Themenspektrum wie das Wilhelm-Handbuch. Allerdings sind die Kapitel hier deutlich kürzer und daher wohl auch leichter zu konsumieren. Man erfährt einiges über den Kosmos und die Ansichten der Natur, über die Botanik, Biologie, die Theorie von der Lebenskraft und den Rhodischen Genius, auch etwas über seine diplomatische Karriere, auch darin ist er seinem Bruder ähnlich, über seine geschichtswissenschaftlichen und sprachwissenschaftlichen Studien. Einige Weggefährten werden porträtiert, darunter Goethe, Darwin, Carl Ritter, französische Literaten und Wissenschaftler, Wilhelm natürlich auch. Gewünscht hätte ich mir ein Kapitel über eigenes Kapitel über Bonpland, aber der Mann kommt in den Reisekapiteln immerhin an zahlreichen Stellen vor. Besonders erhellend fand ich das Kapitel über seine Sibirienreise, die gewöhnlich im Schatten der großen Südamerika-Reise steht und auch unter ganz anderem Vorzeichen stattfand: Eine kontrollierte Reise unter der Aufsicht russischer Begleiter ist schon etwas anderes als freies Reisen und spontane Begegnungen. Trotzdem eine große Chance, die Humboldt genutzt hat. Sehr interessant die Frage, der Tobias Kraft unter der Abschnittsüberschrift "Eine russisch-preußische Intrige?" nachgeht. Sollte das Reiseangebot gezielt von Preußen mit den russischen Freunden ausgeheckt worden sein, um Alexander von Humboldt in der politisch bewegten Zeit aus Deutschland zu entfernen, damit er sich nicht auf die Seite der Revolutionäre schlägt? Möglich wäre es ja. Also, es ist ein hochinteressantes, sehr gehaltvolles Buch, das ich jedem ans Herz legen möchte, der sich mit den Humboldts befasst. Wobei ich das über Wilhelm noch wesentlich reichhaltiger fand,

 

Antonia Michaelis: Weil wir träumten
Emma ist 16 Jahre alt, hat eine künstliche Herzklappe, muss regelmäßig Blutverdünnungsmittel nehmen und darf sich nicht aufregen. Trotzdem – oder gerade deswegen – will sie unbedingt nach Madagaskar reisen. Exotische Blumen, fast ausgestorbene Halbaffen, der Urwald, der Strand, Wale und überhaupt das pralle volle Leben, das alles will sie noch einmal spüren, bevor sie ... Die Mutter ist strikt dagegen, aber die toughe 80-jährige Urgroßmutter Elisa ist bereit, sie zu begleiten. Madagaskar ist tatsächlich eine überwältigende Erfahrung. Aber das wahre Madagaskar beginnt erst jenseits der abgesperrten und geschützenten Touristenbereiche. Als Emma mit einem gleichaltrigen schwarzen Mädchen Freundschaft schließt, verändert sich alles. Fy hat bereits ein Kind, hat oft nicht genug zu essen für das Kleine und sich und verdient sich ihren Unterhalt als Wäscherin für die Touristen. Ihr Bruder sitzt im Gefängnis und ist todkrank. Und dann sind da auch noch der jugendliche Boss einer Straßengang und ein dubioser Weißer, die Fys Leben zu einer einzigen Flucht machen. Dieser Weiße sucht offensichtlich etwas anderes als billigen Sex bei den Straßenkindern. Fy und ihr Bruder erfahren, dass der Mann es auf ihre Herzen abgesehen hat. Straßenkinder von Madagaskar als Organspender für reiche weiße Patienten, denen kein Preis zu hoch ist für ein neues Herz? Emma ist schockiert, als sie das hört. Mit vollem Einsatz ist sie dabei und kämpft um Fys kleine Familie, bricht in ein Haus ein, befreit Gefangene und trickst die Wachen aus. Ohne Rücksicht auf ihr Herz zu nehmen.
Ein Roman, der zu Herzen geht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Bücher von Antonia Michaelis sind einfach immer etwas Besonderes, und hier hat sie erneut ein packendes Werk vorgelegt. Zauberhaft und hart zugleich, magisch und doch von herbstem Realismus. Einfach beeindruckend.

 

Michael von Albrecht: Seneca. Eine Einführung (Reclam)
Das Buch bietet Informationen über Senecas Leben und Werk, seine Philosophie und seine literarischen Schriften, stellt einige Texte in lateinischer Fassung und deutscher Übersetzung vor und ist recht gut geeignet als Einstieg. Vollständigkeit war aber nicht angestrebt, und es hat mich etwas irritiert, dass viele Texte, über die ich gern etwas mehr gehört hätte, gar nicht erwähnt wurden. Zu den vorgestellten Texten gehören einige Briefe an Lucilius, der "Hercules" und die "Medea". Sehr detailliert und erhellend sind die Analyse des Stils und die Betrachtungen über den Wortschatz Senecas, etwa wenn er ausgiebig mit Fachbegriffen aus dem Bereich des Bankwesens brilliert. Ein metaphernreicher, hochartifizieller Schreibstil, bei dem Seneca sehr darauf achtet, Wortwiederholungen zu vermeiden, und zahlreiche Synonyme präsentiert. Man erfährt etwas zu seinen Vorstellungen von der Zeit und dem Wert des Reisens, aber auch von seiner Wirkungsgeschichte und davon, wie ihn beispielsweise die christliche Tradition sah. Das Buch ist sehr leicht und leichtfüßig geschrieben, ist auf jeden Fall anfängertauglich, hat aber auch für Leute, die sich schon länger mit Seneca befassen, einiges zu bieten. Aber ein paar Texte, die ich sehr schätze, hätte ich halt gern darin wiedergefunden.

 

Bergengrueniana VI
Die inzwischen bereits sechste Ausgabe des Jahrbuchs beziehungsweise Doppeljahrbuchs der Werner Bergengruen-Gesellschaft. Kernstück ist erneut ein Teil des "Compendium Bergengruenianum", Bergengruens Sammlung von Notizen, Skizzen und Aphorismen, die etwa ein Drittel des vorliegenden Bandes ausmachen. Wie immer lesenswert und spannend. Gut gefallen hat mir ein Beitrag von Günther Scholdt, der Bergengruen aus Poeten würdigt und für eine (erneute) Lektüre wirbt. Recht hat er. Und die Gedichte, die er in seiner Betrachtung hervorhebt, gehören fast alle zu meinen Lieblingsgedichten. Außerdem gibt es etwas über die Symbolik in Bergengruens Werk, über Bergengruen als Reise(ver)führer und einen Aufsatz über eine Lesereise Bergengruens nach Riga und die Presseberichterstattung darüber. Die Reden zur Verleihung des Werner-Bergengruen-Preises 2021 an Michael Maar runden den Band ab. Erneut ein informatives und lesenswertes Jahrbuch, ich habe es mit Gewinn gelesen.

 

Jürgen Pinnow: Die Sprache der Chiricahua-Apachen. Mit Seitenblicken auf das Mescalero
Ein Buch, nach dessen Lektüre man natürlich nicht fließend Apache spricht, das einem aber einen Einblick gibt in einige Grundzüge der Sprache. Es gibt einen Vergleich wichtiger Wörter in den unterschiedlichen athapaskischen Sprachen. Man erfährt etwas über das Apache als Tonsprache. Ähnlich wie im Chinesischen ändert sich durch die Tonhöhe beziehungsweise die Art der Betonung die Bedeutung des Wortes. Es gibt da den Hochton und den Tiefton, den Hochtiefton, den Tiefhochton, den langen Volkal, den nasalierten Vokal und so weiter. Ich brauche das alles für einen Roman, an dem ich gerade arbeite, aber ich bin nicht sicher, ob und wie ich das später mal im Buch drucktechnisch darstellen werde. Dann sind da noch die gefühlt endlos langen Partikelkombinationen, die man der Stammsilbe voranstellen oder anhängen kann. Dadurch werden die Wörter sehr lang und unübersichtlich. Und es gibt Verben, die beziehen sich auf ein rundes Objekt oder auf ein seilartiges Objekt oder auf ein Lebewesen o.ä. Und da sagen alle, Deutsch sei schwer. Egal. Das Buch ist auf jeden Fall sehr gehaltvoll und hielt viel Neues für mich bereit. Das Druckbild ist allerdings nur für Hardcore-Leser verdaulich. Es handelt sich um eingescannte Schreibmaschinenschrift, einzeilig, klein, manchmal etwas unscharf. Der Autor sagt, das sei notwendig gewesen, um die Seitenzahl und den Preis klein halten zu können. Ist ja auch schon ein etwas älteres Buch. Nützlich, aber anstrengend, geschenkt wird einem hier nichts.

 

Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie
Geschichte einer Chemikerin in den 1960er Jahren. Eine Zeit, in der Frauen in den Wissenschaften noch extrem unterrepräsentiert und erst recht nicht akzeptiert waren. Elisabeth Zott ist eigentlich hochqualifiziert, begegnet aber an ihrem Institut der geballten Macht männlicher Ignoranz. Das heißt: Im besten Fall ist es Ignoranz, aber es kommt auch zu bewussten Aktionen gegen sie. Man nutzt sie aus, stiehlt ihre Forschungsergebnisse, degradiert sie zur Hilfsarbeiterin etc. Ihre Promotion wird ihr unmöglich gemacht, da sie sich einem Vergewaltigungsversuch ihres Doktorvaters widersetzt und ihm einen Bleistift in den Leib rammt. Der Polizist, dem sie den Vergewaltigungsversuch schildert, hört ihr überhaupt nicht zu, will nur wissen, ob ihr die Sache leid tut. Lediglich mit einem Kollegen versteht sie sich sehr gut, der sie auch heiraten will – aber sie lehnt ab: Sie will ihre Karriere allein bewältigen, nicht ein Anhängsel eines Star-Chemikers sein, das in seinem Windschatten zu einer wissenschaftlichen Position gelangt. Als der Mann bei einem Unfall stirbt, steht sie als Alleinerziehende da. Und da er nicht mehr seine Hand über sie hält, fliegt sie auch in ihrem Institut raus. Aber die Chemikerin startet eine neue Karriere als Fernsehköchin und klärt ihre Zuschauerinnen über chemische Eigenschaften des Mittagessens auf – genauso wie über ihre Bürgerrechte. Schließlich beginnt eine Schmutzkampagne in der Presse ...
Das Buch hat mir meine Schwester gegeben, die einfach nur begeistert war. Ich fand es nicht schlecht, aber es war halt nur "okay" im Sinne eines handwerklich gut gemachten Romans, wie man es auf Schreibschulen lernt. Die Autorin hat ihre Heldin einfach nicht genug "wehgetan", und es fehlt mir auch der Zauber der Chemie in dem Buch. Als Zotts Forschungsgebiet wird immer wieder die Abiogenese angegeben. Aber genausogut hatte sie irgend ein Krebsmedikament entwickeln oder Makromoleküle erforschen können. Man ist einfach nicht dabei, wenn sie forscht, schaut ihr nicht über die Schulter, die Suche nach den Urformen organischen Lebens wird nicht zur Philosophie, zur Metaphorik, zur Melodie des Textes. Verschenkt. Außerdem ist das Ende für meinen Geschmack einfach zu konstruiert und unglaubwürdig. Nun gut, wir wollen ihr das Happy End gönnen. Also, es ist nicht unbedingt ein schlechter Roman, er ist bloß unter den Möglichkeiten, die dieses Thema bietet, geblieben.

 

Dietrich Spitta: Menschenbildung und Staat. Das Bildungsideal Wilhelm von Humboldts angesichts der Kritik des Humanismus
Ein Buch, das sich vorwiegend der späteren Diskussion des humanistischen Bildungsideals widmet. Auf die Darstellung von Humboldts Positionen, die fast ausschließlich auf Aussagen aus seinem Buch "Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen" beruhen, folgt ein Kapitel über "Die Weiterentwicklung der Ideen Humboldts durch Rudolf Steiner". Später werden Positionen von Heinrich Weinstock, Theodor Lit, Peter Sloterdijk und Martin Heidegger referiert, War jetzt nicht ganz das, was ich angesichts des Titels erwartet hätte. Der Teil über Humboldts Bildungsideal war nicht uninteressant, allerdings hat der Autor bis zum Exzess das Zitat von der "höchsten und proportionierlichsten Ausbildung" wiederholt. Ich frage mich auch, warum er sich so auf die "Ideen" fokussiert hat, es gibt ja genug andere Schriften Humboldts zur Schul- und Universitätspolitik ...

 

Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!
Viel zitiert, aber von den wenigsten gelesen: Das Zitat "Die Waffen nieder!" hat vermutlich jeder schon einmal gehört. Der Verlag Hirnkost hat das Buch nun in einer schönen, stabilen Hardcover-Ausgabe herausgebracht. Bertha von Suttner erzählt die Geschichte einer österreichischen Adligen, Gräfin Martha Althaus, die als Ich-Erzählerin fungiert und anhand von Tagebüchern und Briefen auf ihr Leben und die Veränderung ihrer Gesinnung zurückblickt. Martha stammt aus einer Militär-Dynastie, in der Krieg als ruhmreich und als Bewährungsmöglichkeit für den Mann betrachtet wird. Auch sie selbst ist als junge Frau begeistert von den Vorstellungen über Ruhm und Ehre, sie heiratet einen schneidigen Offizier, bekommt von ihm einen Sohn, der mit Kriegsspielzeug wie Zinnsoldaten bestens ausgestattet wird, und jubelt ihrem Gatten zu, als dieser in die Schlacht zieht. Wenig später ist sie Witwe.
Nach und nach ändert sich ihre Haltung zum Thema Krieg. Vor allem ihr zweiter Gatte, ein österreichischer Offizier preußischer Herkunft, ist hierin ihr Geistesverwandter. Er tut zwar im Krieg seine Pflicht, doch er ist dem Hurrapatriotismus abhold und weiß genau, welches Leid und Elend Kriege mit sich bringen. Kriege mit unterschiedlichen Vorzeichen und wechselnden Allianzen folgen, wobei Martha immer wieder Freunde und Familienangehörige zu beklagen hat. Einmal reist sie, weil sie um ihren Gatten fürchtet, sogar bis an den Ort einer Schlacht, um zu helfen. Doch sie taugt nicht zur Krankenpflegerin. Das Sterben, die Verstümmelungen und die Gerüche, das alles ist zu viel für sie, und sie ist den Helferinnen vor Ort nur eine Last. Ihr Vater dagegen schwärmt noch immer vom Krieg und Heldentod. Erst, als auch Marthas Bruder fällt, bricht der alte Mann vollkommen zusammen und verflucht den Krieg.
Ein anrührendes, bewegendes Plädoyer für den Frieden, das sich trotz der über 600 Seiten sehr schnell wegliest. Und ein Besteller, der den Namen Bertha von Suttner weithin bekannt machte. Sie wurde im Jahr 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Es wäre schön gewesen, wenn man auf sie gehört hätte. Sie starb am 21. Juni 1914. Am 28. Juni erschütterte das Attentat von Sarajewo die Welt, der Erste Weltkrieg brach aus. Soll man von einem gnädigen Schicksal sprechen, das ihr diese Erfahrung erspart hat ...?

 

Frederik Hetmann: Siddhartas Weg
Die Lebensgeschichte Buddhas als Romanbiografie. Frederik Hetmann schildert Jugend und Suche des Religionsstifters, erzählt von seiner Geburt und seinem Aufwachsen am Fürstenhof, von seinem Unterricht, seiner Neugier, seinen kritischen Fragen nach Göttern, Traditionen und der Stellung der Brahmanen, auch von seinen Jugendfreunden, seinen Erlebnissen mit Prostituierten und seiner großen Liebe. Dann macht Siddharta sich auf die Suche, verabschiedet sich vom fürstlichen Leben und geht bei diversen Meistern in die Lehre, übt sich in Askese, meditiert, und gerade, als es scheint, als habe er den Weg und seine Suche verraten, wird er erleuchtet ...
Hetmann schreibt im Präsens und verwendet den personalen Erzählstil, ist also auf der Suche ganz nahe mit dabei, als Siddharta seine Erfahrungen macht. Etwas unschön ist, dass er dann nach der Entdeckung der neuen Lehre aus der Perspektive aussteigt. Es folgt ein harter Bruch, und der Autor referiert die Lehre des Buddha, ihre Ausbreitung und die verschiedenen Formen des Buddhismus, die sich in den unterschiedlichen Ländern entwickelten. Schade, aber vielleicht muss man an dieser Stelle die Einheit des Stils aufbrechen, wenn man die Lehr-Inhalte höher bewertet als die Geschichte. Inhaltlich sicher kein schlechtes Buch, ich habe viel daraus gelernt.

 

10 Jahre Leseratten Verlag
Wow! Wenn ein Verlag schon so schön sein zehnjähriges Bestehen feiert, dann möchte ich wirklich das 50-Jährige noch erleben. Das Geburtstagsgeschenk,. das Verlag, Autoren und weitere Weggefährten sich selbst machten, ist ein grundsolides Hardcover-Buch mit leckeren Cookies als Beschnittmotiv, herrlichen Illustrationen, tollen (im doppelten Sinne, denn manchmal kommt auch ein guter Schuss Irrsinn hinzu) Geschichten, in denen häufig Leseratten und Kekse eine Rolle spielen. Grußworten, Anekdoten, Erinnerungen und und und. Ich bin schwer beeindruckt – und ärgere mich ein bisschen, dass ich es immer noch nicht geschafft habe, für eine der fun-tastischen Anthologien eine Kurzgeschichte einzureichen. Vielleicht schaffe ich es ja bis zum 20-jährigen Bestehen.

 

Alexandra Bauer: Die Midgard-Saga: Niflheim
Auftakt zu einer Saga um eine jugendliche Rollenspielerin namens Thea und ihre Abenteuer in der Welt der germanischen Götter. Thea ist Mitglied einer Online-Spielgruppe, die im Netz gegen andere Heldenteams kämpft. Sie selbst ist in ihrem Team eine erfahrene Heilerin, die die Spielgefährten wieder zusammenflickt, ihre beste Freundin Juli dagegen ist im Spiel als Kampfzwerg dabei, stellt sich allerdings manchmal etwas tollpatschig an und versemmelt viel. Beide sind vollkommen fassungslos, als sie plötzlich von "real existierenden" germanischen Göttern in ein echtes Abenteuer hineingezogen werden. Denn Thea war in einem früheren Leben ein Schmied, der eine besondere Waffe hergestellt hatte: Kyndill, das Feuerschwert, das den Untergang der Götter bedeuten könnte. Zusammen mit Thor und Freya, die in diesem Buch mit Betonung ihrer Funktion als Walküre und Herrin der Hälfte aller gefallenen Krieger in Agard durchgehend als Wal-Freya bezeichnet wird, machen sich die beiden Mädchen auf die Suche nach dem Schwert. Die Jagd nach Kyndill ist nicht ganz ungefährlich, immerhin müssen sich die vier Helden ins Reich der Riesen begeben. Außerdem haben sie auf der Suche einen verschlagenen Gegner: Loki, den Feind der Götter. Allerdings wächst in Thea Zweifel daran, dass der Feuergott tatsächlich durch und durch böse ist. Kann es sein, dass Loki sie beschützt?
Die Geschichte von jugendlichen Weltenrettern, die vollbringen, was die Götter vergebens versuchten, ist nicht neu, aber Alexandra Bauer erzählt diese Ur-Geschichte der Fantasy mit viel Verve, Humor und mit frischen Ideen. Frischer Wind für die germanische Mythologie - und viel kaltes Wasser für den Brunnen von Frau Holle..

 

 

Weitere Jahresrückblicke
Teil 1 - Januar bis März 2024
Teil 2: April bis Juni 2024
Teil 3: Juli bis September 2024
Teil 5: Dezember 2024

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick 2024: Teil 3 - Juli bis September

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 30 Dezember 2024 · 405 Aufrufe
Jahresrückblick

Teil drei des Rückblicks auf mein Lesejahr. Diesmal ist wieder mehr Phantastik dabei, etwas SF, etwas Düsteres und einige Klassiker. Ansonsten habe ich mich mit sprachlichen Themen befasst, mit Fäkalien, KIs, Autoren aus Goslar, Büchern zu einem besonderen Film und wieder mit Kira-Kolumna-Hörspielen. Viel Spaß beim Lesen und Stöbern!

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

 

Juli

 

Axel Kruse: Migiersdottir

 

Wilhelm von Humboldt: Nordamerikanische Grammatiken, hrsg. v. Micaela Verlato
Gewichtiger und sehr gut ausgestatteter Band, der Humboldts Grammatiken der Massachusetts-Sprache, der Muchhekaneew-Sprache (Mahican), der Onondago-Sprache, sowie seine Bemerkungen zum Grönländischen und seine Notizen zur Cree-Grammatik und Cippewa-Konjugation vereinigt.
Beim Massachusett und Mahican handelt es sich um Algonkinsprachen, während das Onondago der irokesischen Sprachfamilie angehört.
Es gibt entnehmbare Falttafeln der einzelnen Grammatiken und ein Register. Vor allem wertvoll sind die ausführlichen Einleitungen zu den einzelnen Teilen. Hier erfährt man viel über Humboldts Vorläufer und Quellen und zum Stand der damaligen Sprachwissenschaft. Auch die Kämpfe und Meinungsverschiedenheiten der einzelnen Wissenschaftler sind dokumentiert. Das Buch ist eine wahre Fundgrube für jeden, der sich mit der Grammatik der alten nordamerikanischen Völker befassen will. Allerdings maße ich mir nicht an, dass ich jetzt einen Mohikaner auf Mahican nach dem Weg fragen könnte, wenn ich mich in der Gegend verfahren habe. Jedenfalls hat Micaela Verlato eine wahre Herkulesaufgabe bewältigt, als sie dieses Buch herausgab. Es handelt sich um eine erweiterte Ausgabe ihrer Doktorarbeit. Sie hat die alten spröden Humboldt-Texte sehr gut lesbar gemacht, aufgeschlüsselt und präsentiert. Fast bin ich versucht zu sagen, die Einleitungen sind an diesem Band wichtiger als die Schriften Humboldts selbst.

 

Martin Bolik: Die Sage vom Zauberkoch
Der Zauberkoch und seine Abenteuer – eine Geschichte, die den Wiedelaher Hörspielmacher Martin Bolik schon seit Jahren begleitet. Jetzt gibt es die Erlebnisse mit dem „Schatten der Traumlosen“ als aufwendig produziertes Hardcover-Buch mit viel Gelegenheit zum Mitmachen und Selbst-Herausfinden für junge Leser. Das Besondere an dem Buch: Per QR-Code können die Leser die Geschichte auch als „Kino für die Ohren“ miterleben, denn das dreistündige Hörspiel gibt es kostenlos mit dazu.
Martin Bolik erzählt eine Geschichte, die er einst zusammen mit seiner Mutter Erika entwickelt hat. Das Buch kommt daher als eine Art Logbuch. Der Ich-Erzähler ist ein junger Zauberkochschüler, der nun seine letzte Reise vor sich hat, gewissermaßen eine Abschlussaufgabe seiner Schule. Und so macht er sich auf die Suche nach der wundersamen Blume „Siebenmalschnell“.
Zauberköche sind Geschichtenerzähler, daher lernt auch dieser junge Vertreter der Zauberkochgilde viel Märchen- und Sagenhaftes kennen, erlebt schöne und weniger schöne Träume und begegnet zauberhaften Gestalten. Vor allem sollen ihre Geschichten helfen gegen ein Wort, das die Fantasie verfinstert und die Kreativität lähmt. Das furchtbare Wort, das zunächst nur verschlüsselt als „Gnast“ bezeichnet wird, später aber ganz unverhüllt als „Angst“ angesprochen, legt sich manchmal als Schatten über die Welt des Helden. „Manchmal entschlüsseln sich auch schlimme Wörter in Erzählungen“, heißt es in der Sage vom Zauberkoch. „Das macht aber nichts Schlimmes mit euch, sondern es macht euch stärker mit ihnen umzugehen und sie sogar für euch zu nutzen.“
Manchmal sind es gar nicht die großen fantastischen Zaubergestalten, die den Ich-Erzähler begeistern. Mit sehr viel Liebe kann er ein Wolkentheater schildern, das sich ihm darbietet: eine Pferdewolke mit Horn auf der Stirn, gefolgt von einer Schlangenwolke mit Horn und Krallen, Vogelwolken mit viel zu langen Beinen, einer Kamelwolke mit zwei Hälsen und zwei Köpfen, schließlich einem Engel, der rückwärts läuft ... Die Leser begleiten den Helden durch einen Wanderwald, durch ein Regenbogentor, erleben einen tiefen Fall und werden nur durch einen reimerisch herbeigezauberten Teller vor dem Aufprall bewahrt.
Der junge Zauberkoch verliert sein Gedächtnis, vergisst seine Aufgabe. Aber er kann eine Eishexe vor dem ewigen Frost retten. Er lernt eine philosophische Möwe kennen, trifft literarische Figuren wie Huckleberry Finn und Winnetou oder die Piraten aus der „Schatzinsel“ – und immer wieder legt sich der Schatten der Traumlosen über ihn, dem er mit Mut und Geschichten begegnen muss.
Außer der Erzählung ist unbedingt die zauberhafte Aufmachung des Buchs hervorzuheben. Der stabile, ordentlich gebundene Hardcover-Band enthält in Schreibschrift auf Linien, wie in einem Logbuch, die Geschichte. Dazu gibt es Bilder, gemalt und fotografiert, sowie weitere Schmuckelemente. Für die jungen Leser sind im Buch auch frei gelassene Bilderrahmen enthalten als Platz für eigene Bilder, Ideen und Erinnerungen. An vielen Stellen sind geografische Koordinaten abgedruckt. Wer einen Atlas zur Hand hat, kann nachgucken, wo sich der Zauberkochschüler gerade aufhält.
Im Anhang sind mehr oder weniger hilfreiche Zauberkochregeln enthalten, nur eine Auswahl, wie der Verfasser betont: „Einige müssen geheim bleiben!“ Da heißt es unter anderem: „Freiheit entsteht in den Gedanken. Sind derer zu viele, blende sie einfach aus – mit einem Gedanken an etwas blendend Schönes.“
Wer das Buch um 180 Grad wendet und von hinten mit dem Lesen beginnt, findet dort die gesammelten Zauberkochrezepte von Erika Bolik, darunter „Kraut und Rüben“, „Klopfsalat für müde Geister“, „Energiepuffer“, die allesamt nicht zum Verzehr bestimmt sind. Aber die Leser erfahren auch, wie man Zauberwurz-Majoran-Brot zubereitet, welche Zutaten man für den „Salat des ewigen Sommers“ benötigt und woraus die „Waldläuferspeise mit Minze“ besteht.
Das Hörspiel wurde bereits im Jahr 2015 erstmals gesendet. Da es die CD inzwischen nicht mehr gibt, veröffentlichte Bolik jetzt in limitierter Sonderauflage die Geschichte neu mit der kostenlosen Downloadmöglichkeit. Wer den QR-Code scannt, erhält so drei Zauberkochstunden als Ohrenkino.
Der Zauberkoch kann nächstes Jahr seinen zehnten Geburtstag feiern. Hörspielmacher Bolik fasst die Geschichte durchaus als ein Lebenswerk auf. Zum zehnten Geburtstag will er im Frühjahr 2025 auf der Leipziger Buchmesse den „kleinen Bruder“ des Zauberkochs vorstellen: Dann präsentiert er die zweite Staffel von „Luke Wild und die Brockenbande“. Es wird zwölf neue Folgen geben, der Arbeitstitel lautet: „Abenteuer im Selketal“.

 

 

August

 

Bessy 80: Die Höhle von Krotax
Bessy und Andy retten einen Treck, der von Kiowas überfallen wird. Dabei setzt Andy Pyrotechnik ein, sprich: Bessy schleicht sich an die Kiowas und verteilt Dynamitstangen mit brennender Lunte. Nicht ganz die feine englische Art. Im Treck gibt es dann mächtig Ärger mit einem Scout, der den an Krücken gehenden Benny als Krüppel verhöhnt. Als das von einigen Treck-Angehörigen gefundene Gold gestohlen wird, fällt der Verdacht auf Benny. Andy, Bessy und Schneller Hirsch bieten sich an, den wahren Dieb zu finden und das Gold zurückzubringen. Doch es liegt versteckt in einer Coyotenhöhle, und die Zeit verrinnt, bis die Männer Benny ... Ja, was eigentlich? Werden sie das Kind töten? Oder "nur" verprügeln?
Als Nachwort gibt es - schon wieder - einen Text über den genialen Cover-Künstler Klaus Dill und seine berühmten Filmplakate. Ja, Ehre, wem Ehre gebührt, ich liebe seine Kunst ja auch. Aber das ist schon mindestens das dritte Nachwort, das Klaus Dill, den großen Plakatkünstler, feiert. Ich hatte es schon beim ersten Mal kapiert.

 

Michael Böhnhardt: Die kybernetischen Gärten von Babylon

 

Paul Gallico: Love of seven dolls
Paul Gallico: Die Liebe der kleinen Mouche
Paul Gallico: The Man who hated People
Kennt ihr den Film "Lili" mit Leslie Caron und Mel Ferrer? Es ist die Geschichte einer jungen, etwas naiven Frau, die völlig verloren ist und Selbstmord begehen will, aber in letzter Sekunde von einer Handpuppe in einem Jahrmarktstheater angesprochen wird. Es entwickelt sich ein derart lebendiger Dialog zwischen ihr und den vier Puppen, dass die Schausteller allesamt begeistert applaudieren. Paul, der Puppenspieler, engagiert die Frau. Ihre Aufgabe: Jedesmal zur Vorstellung einfach am Theater vorbeigehen und dann auf die Puppen reagieren. Bald sind Lili und die Puppen eine Weltsensation. Der Puppenspieler allerdings hockt im Dunkel hinter dem Vorhang, und Lili kapiert bis kurz vor Schluss überhaupt nicht, dass die Puppen gar nicht lebendig sind und dass er dahinter steckt. Der Mann ist allerdings ebenfalls etwas seltsam. Er war einmal ein berühmter Tänzer, musste jedoch aufgrund einer Verletzung die Tanzkarriere aufgeben. Das machte ihn zu einem zynischen, verbitterten Mann, der nicht fähig ist, Gefühle für andere Menschen zu zeigen. Seine Emotionen flossen quasi in die Puppen. Eine sehr merkwürdige Liebesgeschichte, bei der zwischen beiden immer der Vorhang der Puppenbühne hängt. Besonders im Gedächtnis geblieben waren mir das Lied, das Lili mit den Puppen singt: "Hi Lili, hi-lo" und die Tanzszene am Schluss, als Lili mit den Puppen tanzt, und jede verwandelt sich am Ende in Paul.
Ich habe mir im Sommer den Film auf DVD gegönnt. Dieses bleiche, leere Gesicht von Mel Ferrer hinter dem Vorhang, bei dem man gleichzeitig sah, dass darunter etwas erwachte, das war einfach genial.
Danach habe ich mir das Buch "Love of seven Dolls angeschafft, und kurz darauf fand ich auch die deutsche Fassung "Die Liebe der kleinen Mouche", beide antiquarisch. Schließlich fand ich auch den Band mit den Kurzgeschichten, der die Geschichte "The Man who hated People" enthielt ("The Saturday Evening Post Storys 1950"). Die Kurzgeschichte ist die Vorlage, nach der der Film entstand, Die Novelle hat der Autor erst nach dem Film verfasst, wegen des großen Erfolgs.
Sehr interessant ist, dass Gallico von sieben Puppen ausgeht, also die Seele des Puppenspielers sozusagen in sieben Aspekte zersplittert. In der Novelle ist die Sonderbarkeit des Mannes noch deutlicher herausgearbeitet. So fungiert der Karottenkopf "Carrots" (in der deutschen Synchronisation "Kartoffelkopf") nach außen hin als Leiter des kleinen Puppentheaters. Wenn ein Veranstalter die Bühne buchen will, steht er vor dem Vorhang, verhandelt mit dem Karottenkopf, bis dieser dann seine Zustimmung erteilt. Die Puppe nimmt dann den Vertrag entgegen, taucht kurz ab und überreicht dem Kunden dann den unterschriebenen Vertrag. Der Puppenspieler selbst hockt im Dunkeln und ist auch nach außen sonst kaum sichtbar. Er ist auch viel destruktiver und böser als im Film. Im Film habe ich ihm schon die Ohrfeige gegen Lili übel genommen, als er sie von dem Zauberer fernhalten wollte. Wobei er dem Mädchen gegenüber sonst gar nicht feindselig auftrat, nur eben schweigsam und emotionslos. Im Buch ist er geradezu aggressiv, fühlt sich durch ihre Unschuld herausgefordert, gar bedroht, schließlich vergewaltigt er sie sogar, kann aber weder ihr naives Wesen zerstören, noch ihre Liebe zu den Puppen - und die Liebe der Puppen zu ihr ...
In der Kurzgeschichte gibt es diese Vergewaltigung nicht. Und interessanterweise geht es hier nicht um einen Jahrmarktspuppenspieler, sondern um eine sehr erfolgreiche Fernsehshow. Die Geschichte spielt am letzten Tag der Show. Das Mädchen hat sich entschlossen, ihren Vertrag zu kündigen und zu heiraten. Es gibt eine Abschiedsvorstellung. Aber dann erkennt die junge Frau, dass sie den Puppenspieler liebt. Jedenfalls war es in allen Versionen eine faszinierende Geschichte ...

 

Felix Woitkowski: E/Meth

 

Michael Böhnhardt: Im dunklen Buch des Anbeginns

 

Kerstin Groeper: Adlerkralle. Der Indianer-Junge und sein Wolf

 

H. G. Wells: Die Zeitmaschine (Reclam)
Schön gestaltete Taschenbuchausgabe, kommentiert und mit einem lesenswerten Nachwort. Den Film kennt wahrscheinlich jeder. Die Geschichte einer Zeitreise in eine Zukunft, in der die wunderschönen Eloi sorglos und wie im goldenen Zeitalter leben. Jedenfalls auf den ersten Blick sorglos. Denn da sind noch die Morlocks, hässliche affenartige Wesen, die im Dunkel unter Tage hausen. Und warum die Eloi das Dunkel fürchten, wird bald klar. Denn im Dunkeln kommen die Morlocks nach oben und holen sich ein paar der saftigen jugendlichen Eloi zum Fressen. Der Film ist recht nahe am Buch geblieben. Das Buch schildert das Prinzip, nach dem die Zeitmaschine funktioniert (vierte Dimension) etwas ausführlicher und ist reicher an Spekulationen und Interpretationen, die der namenlose Zeitreisende über die Welt der Eloi und Morlocks anstellt. Sehr ausführlich wird darüber gesprochen, dass die Morlocks die Nachkommen der Arbeiterklasse sind, die im Dunkel haust, sich aber letztendlich zum Herrn der ehemaligen Oberschicht gemacht hat.
Im Film kamen mir die Eloi auch nicht ganz so verblödet und degeneriert vor. Im Buch sind sie zwar schön, aber von einer gewissen hohlen, seelenlosen Schönheit.

 

Truman Capote: Frühstück bei Tiffany
Holly Golightly, Partygirl, pleite und mit unwiderstehlichem Charme ausgestattet, nimmt das Leben leicht und lässt sich nicht unterkriegen. Sie verdreht ihrem Nachbarn den Kopf, besucht gegen Geld regelmäßig einen Mafiaboss in Sing Sing, hat ihren ersten Mann verlassen und will nun einen reichen Brasilianer heiraten Und wenn alles schief läuft und ihr Leben aus den Fugen gerät, dann hilft nur eins: ein Frühstück im Juweliergeschäft Tiffany. Sehr leicht und locker geschrieben, schwerelos und zauberhaft.

 

Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker
Drei Physiker in einer psychiatrischen Klinik. Einer hält sich für Einstein, einer für Newton, der dritte heißt Möbius und hat die Weltformel entdeckt und erzählt davon, dass ihm König Salomo erscheint und mit ihm spricht. Aber: Keiner der drei Männer ist wirklich irre. Möbius spielt den Verrückten, um seine Weltformel zu schützen. Denn wenn die in die falschen Hände gelangt, droht die Vernichtung der gesamten Menschheit. Einstein und Newton sind Geheimagenten im Dienst zweier konkurrierender Mächte, die beide die Formel haben wollen. Und dann werden immer mehr Krankenschwestern im Heim ermordet ... Bitterböse, aber auch sehr weitsichtig.

 

Hundertwasser: Scheißkultur (Sukultur)
Zufallsfund in der Buchhandlung der Autoren am Berliner Savignyplatz. Ein kleines Heft im Reclamformat nur etwas dünner. Hundertwasser macht sich Gedanken über die "heilige Scheiße", über Stoffwechsel, Kläranlagen und den Bau einer Humustoilette. Interessant, aber nicht unbedingt appetitlich.

 

Etel Adnan: Schreiben in einer fremden Sprache (Sukultur)
Beeindruckend, in welchen Sprachenkosmos diese Frau hineingeboren wurde. Geboren 1925 in Beirut, Libanon. Die Mutter Griechin aus Smyrna, die bis zum 12. Lebensjahr eine französische Klosterschule besucht. Der Vater Araber aus Damaskus, Syrien, der mit zwölf Jahren zur Militärakademie nach Istanbul ging, ausgebildet in Türkisch, Deutsch und Französisch, zuvor auf der Koranschule war die Unterrichtssprache Arabisch. Zu Hause wird Türkisch gesprochen, in der Schule Griechisch. Briefe aus dem Krieg schreibt der Mann manchmal auf Französisch. Auch die Tochter besucht eine französische Klosterschule. Später ist der Vater ärgerlich, dass die Tochter kein Arabisch sprich. Die Mutter lakonisch: "Warum bringst du es ihr dann nicht bei?" Ein sehr spannender, flüssig zu lesender autobiografischer Essay über die Sprachen - und über den Versuch, im Arabischen Fuß zu fassen. Ganz klappt es nicht. "Arabisch ist für mich ein verbotenes Paradies geblieben", heißt es am Ende.

 

Wolfgang Müller: Die Nachtigall von Reykjavík (Sukultur)
Der Gesang der Nachtigall gilt als wunderschön. Aber sind es nicht furchtbar dämliche Vögel? Darauf lässt zumindest das Experiment schließen, bei dem eine Nachtigall immer wieder mit einem Mehlwurm in einen Käfig gelockt werden kann, auch wenn sie es inzwischen kapiert haben müsste, dass hinter ihr immer die Falle zuschnappt. Wolfgang Müller geht in diesem Essay nicht nur dem Phänomen des Nachtigallengesangs (tagsüber Reviermarkierung, nachts Brautwerbung) nach, er schildert auch einige interessante Kuriositäten über den Gesang anderer Vögel. Da sollen Stare auf der norwegischen Insel Hjertøya die Ursonate von Kurt Schwitters singen. Schwitters habe dort ab 1932 mehrfach Urlaub gemacht und dort auch seine Ursonate vorgetragen, was sich die klugen Vögel offenbar angeeignet und über Generationen weitergegeben hätten. Schwitters' Verlag verstand damit keinen Spaß und reagierte ausgesprochen aggressiv auf eine CD, die diesen Starengesang dokumentierte. Island jedenfalls, so ist zu erfahren, ist eine völlig nachtigallenlose Insel. Eine Amsel gilt dort als Wunder, und als sich dort 15 Spatzen niederließen, war es eine kleine Sensation. Interessantes, lesenswertes Büchlein für zwischendurch.

 

Tanja Kollodzieyski: Ableismus (Sukultur)
Ein Aufsatz darüber, wie es ist, Menschen nach ihren Fähigkeiten beziehungsweise ihrem Nicht-Können zu kategorisieren, und darüber, was das mit einem Menschen macht, der eine Behinderung hat. Es geht um Ausgrenzung, um institutionelles und gesellschaftliche Kleinhalten von Menschen, bis sie sich am Ende selbst unfähig fühlen und diese Einschätzung verinnerlicht haben. Eine Rampe ist noch keine Inklusion, stellt die Autorin klar. Sie macht deutlich, dass ein solches ableistisches Denken und Handeln überwunden werden muss. Die Frage ist halt: Wie?

 

 

Hörspiel

 

Kira Kolumna 7: Im falschen Film
Aufregung in Südberg: Eine Episode der von allen Teenys geliebten Seifenoper "Drama and Dreams" soll in der Stadt gedreht werden. Und - wow! - für Fans gibt es die Möglichkeit in einer kleinen Rolle mit dabei zu sein. Klar, dass Nele unbedingt zum Casting will. Und ebenso klar, dass Jung-Reporterin Kira unbedingt für den Südberger Boten über das Casting berichten muss. Allerdings erscheint Makeup-Künstlerin Nele geschminkt wie ein Indianer auf dem Kriegspfad, während die natürliche und locker quasselnde Kira dem Regisseur wesentlich besser gefällt. Und dann ist da auch noch die von allen Schülern vergötterte Hauptdarstellerin Mareike. Ein widerliches Fressen oder ein toller Kumpel? Sie scheint zwei Gesichter zu haben. Als dann Kira sich wegen eines vertauschten Drinks im Zentrum eines Shitstorms wiederfindet, als ein Foto von Lars und Mareike in den sozialen Medien unter der Überschrift "Spannt Mareike der Neuen den Freund aus?" zu finden ist und jeder Schritt zu Hetze und Hechelei in der Junior-Klatschpresse hochgekocht wird, scheint den Freunden das Showgeschäft nicht mehr ganz so erstrebenswert ...
Hektisch, turbulent, schön auf die Spitze getrieben. Ich habe zwar als Kind nie von einer Filmrolle geträumt, aber hier werden Teenagerträume wahr. Und Albträume.

 

Kira Kolumna 8: Spuk im Kopf
Kira bekommt den Schock ihres Lebens, als sie nach Hause kommt und plötzlich die Exfreundin ihres Vaters unter der Dusche entdeckt. Xara ist Klangkünstlerin und stellt in Südberg aus. Für die Dauer der Ausstellung will sie beim ihrem Ex Johannes wohnen, und der zerstreute Matheprofessor hat es mal wieder total vergessen, seine Tochter zu informieren.
Xara verhält sich ausgesprochen übergriffig und verrückt erstmal die Möbel. Sie dekoriert die Wohnung um und benutzt, ohne zu fragen, Kiras Zimmer. Was Kira außerdem auf die Palme bringt: Die Frau wickelt all ihre Freunde mit Leichtigkeit um den Finger. Lars zum Beispiel ist hin und weg von ihren Soundeffekten, und Laura freut sich über Xaras tolle Ideen für die geplante Halloweenparty. Sogar die alte Frau Machnikowski ist begeistert von der Ausstellung. Kira wird immer wütender und findet sich schließlich komplett isoliert. Als sie dann auch noch ein Telefonat Xaras belauscht, in der diese sagt, das "kleine Problem" ließe sich rasch lösen, und dann auch noch ein Flyer eines Internats in der Wohnung auftaucht, ist für Kira der Fall klar: Xara will sich Johannes zurückholen, mit ihm in trauter Zweisamkeit leben und Kira in ein Internat abschieben. Oder ist doch alles nur ein "Spuk im Kopf"? Sehr dichte, atmosphärisch gelungene Folge, in der man förmlich spürt, wie sich die Schlinge um Kiras Hals immer enger zusammenzieht. Daumen nach oben.

 

 

September

 

Jean Webster: Daddy Langbein
Kinderbuch-Klassiker in der Reihe "Dressler Kinder-Klassiker", aus der ich schon eine ganze Menge Pflicht-Kinderbücher habe. Dieses ist mir immer irgendwie durchgerutscht, aber jetzt habe ich es antiquarisch gefunden. Es ist ein Briefroman, in dem die junge Waise Jerusha Abbott ihrem unbekannten Förderer über den Gang ihrer Ausbildung erzählt. Jerusha hat ein Stipendium der ungewöhnlichen Art erhalten. Ein Gönner des Waisenhauses, der anonym bleiben möchte, finanziert ihr den College-Aufenthalt. Einzige Bedingung: Sie soll ihm regelmäßig Briefe schreiben und über sich und ihre Schulzeit erzählen. Ein ausgesprochen freundliches, liebenswertes und trotz seines Alters frisch gebliebenes Kinderbuch. Nur die Leserin aus dem Jahr 2024 beschleicht doch ein etwas beklemmendes Gefühl. Da verlangt ein reicher älterer Herr, dass ein junges Mädchen ihm unbekannterweise brieflich ihr Herz ausschüttet. Hat das nicht etwas Voyeuristisches, wenn nicht sogar etwas von Kindesmissbrauch? Denn - Achtung, Spoiler! - dass die beiden sich am Ende in einander verlieben und heiraten, mutet doch schon seltsam an. Aber ich will niemandem das Buch madig machen, es ist schon bezaubernd.

 

Catrin Misselhorn: Künstliche Intelligenz und Empathie. Vom Leben mit Emotionserkennung, Sexrobotern Co. (Reclam)
Ich habe von der Autorin ja bereits das Reclamheft über KI in der Kunst gelesen. Nun also etwas über den Einsatz über KI im zwischenmenschlichen Bereich. Können diese künstlichen Intelligenzen Emotionen begreifen, gar selbst welche haben? Oder werden sie immer nur Daten auswerten und Gefühle diagnostizieren und vortäuschen können? Es gibt einige sehr interessante Bereiche, in denen KI schon sehr weit entwickelt ist. Ob empathische Pflegeroboter oder künstliche Sexualpartner, da gibt es offenbar schon eine ganze Menge Verwendungsmöglichkeiten. Ob das positiv ist oder negativ, darüber kann man trefflich streiten. Man sollte die Möglichkeiten in jedem Fall kennen und wissen, wie diese KIs ticken.

 

Veronika Bicker: Flucht durch den Weltenriss

 

Charles Dickens: Im Tunnel (Reclam)
Gruselgeschichte über einen Eisenbahner und ein Unglück mit Ansage. Immer wieder erlebt der Mann in Visionen einen schweren Unfall an seiner abgelegenen Station. Dann passiert tatsächlich ein Unglück, und das Opfer ist er selbst. Schöne, dichte Erzählung, gut präsentiert.

 

Bernd Erhard Fischer: Karl May in Radebeul
Hübsches, edel gestaltetes Heft mit vielen Fotos über Karl May und seinen Heimatort. Wenig Text, ein nettes Mitbringsel, 32 Seiten stark. Gewährt Einblicke in Mays Bibliothek, sein Arbeitszimmer und den Salon der Villa "Shatterhand", dazu einiges zur Biografie.

 

Robert Louis Stevenson: Der Selbstmordklub (Reclam)
Wer des Lebens überdrüssig ist, aber es aus irgendwelchen Gründen nicht fertig bringt, sich selbst ins Jenseits zu befördern, ist übel dran. Der eine ist wohl zu weich, der andere wird davon abgehalten, dass nach kirchlichem Dogma der Suizid die schwerste und einzig unsühnbare Sünde ist. Geradezu ein Segen mag da für viele der Selbstmordklub sein. Eine große Gruppe von Gentlemen bestimmt regelmäßig durch das Los, wer das neue Opfer und wer sein Mörder sein soll. Eine honorige Gesellschaft, die man gewähren lassen sollte? Mitnichten. Und so nimmt der Held dieser Erzählung den Kampf gegen die Machenschaften des Clubgründers auf.

 

Christiane Bürger und Sahra Rausch: Der Prozess. Wie der deutsche Völkermord an den OvaHerero und Nama nicht vor Gericht kam
Zweisprachiger Essay über einen Prozess, der geschickt vermieden wurde, Erschütternd, wie da immer wieder um Formulierungen gefeilscht, das offizielle Schuldeingeständnis vermieden wurde. Wie kann sich ein Staat wie meiner nur so verhalten? Gut aufgearbeitete Geschichte in einem auch optisch sehr ansprechend gestalteten Heft. Von der Künstlerin Tuaovisiua Betty Katuuo würde ich gern mehr sehen, dann gern auch in einem erfreulicheren Zusammenhang.

 

Mark Twain: Die schreckliche deutsche Sprache (engl./dt.)
Dieses Buch sollte jeder einmal gelesen haben, der sich mit der deutschen Sprache befasst. Mark Twain nimmt die Klippen und Windungen des Deutschen aufs Korn - und zwar so, dass auch wir Muttersprachler herzlich darüber lachen können. Lange Sätze, durch zahllose Nebensätze unendlich kompliziert gemacht, die Stellung des Verbs und die Trennung von Hilfsverb und Partizip im Perfekt und Plusquamoerfekt, sodass man erst am Ende des Satzes klar sagen kann, worum es eigentlich geht, dazu lange Substantiv-Zusammensetzungen mit theoretisch unbegrenzter Länge ... Das kann einen Nicht-Deutschen und sogar manchen Deutschen überfordern. Mark Twain lästert und spottet und verzweifelt, dass dem Leser die Lachmuskeln förmlich explodieren. Und er macht "Verbesserungsvorschläge", um diese vertrackte Sprache zu vereinfachen. Allerdings glaube ich nicht, dass sie jemals mehrheitsfähig werden. Unbedingt lesen und loslachen!

 

Hans-Martin Gutmann: Wir brauchen Väterlichkeit. Ein Plädoyer
Am Anfang steht die Empörung. Am Schluss der Aufruf zur Gründung einer neuen Bewegung. Und ganz am Ende ein beim Wort genommenes „Vaterunser“: Hans-Martin Gutmann, emeritierter Theologieprofessor mit Goslarer respektive Immenröder Wurzeln, hat mit „Wir brauchen Väterlichkeit“ ein Plädoyer für eine neue – oder doch schon althergebrachte und nun verschüttete? – Rolle des Mannes in Familie, Gesellschaft und Politik veröffentlicht. Ein Eintreten für fürsorgliche, verantwortungsvolle, auch zurückhaltende Männlichkeit, jenseits von Toxizität und Destruktivität.
„Ich bin empört und verzweifelt“, lautet der erste Satz des Vaters und Großvaters Gutmann in seiner Bestandsaufnahme der Gesellschaft in Deutschland, in Europa, in den Staaten des „Westens“. Eine von neoliberalen Ideologien geprägte Welt, die den Einzelnen auf seine Arbeitsleistung reduziert und entwertet. Rechtsextreme, die immer mehr Zulauf erhalten, SPD und Linke, die die Menschen nicht erreichen. „Ich merke, dass ich immer konservativer werde. Nicht im reaktionären Sinn“, stellt der Theologe fest. „Ich denke, wir brauchen einen nicht reaktionären, einen linken Konservatismus, um das Lebensgefühl der Leute zu erreichen.“ Oder: „Wir brauchen mehr Väterlichkeit.“
Elektrisiert habe ihn in jungen Jahren Alexander Mitscherlichs Buch „Die vaterlose Gesellschaft“. Aber es geht nicht um den Mangel an Vätern, sondern um Mangel an „Väterlichkeit“ als Lebensgefühl.
Was macht diese Väterlichkeit aus, die Gutmann vermisst, die er fördern möchte? Erinnerungen an den eigenen Vater, damals Grundschullehrer in Immenrode, bilden den Ausgangspunkt. Der Vater als Familienmitglied und Lehrer zugleich. Eine Doppelfunktion? Oder sind die wirklich guten Lehrer immer auf eine besondere Art „väterlich“? „Väterlichkeit gibt einer pädagogischen Beziehung eine bestimmte Atmosphäre. Eine Melodie. Eine Farbe. Einen Geruch. Eine Atmosphäre von Wertschätzung und Verantwortungsbereitschaft. Von Wärme. Von Liebe ...“, schreibt Gutmann. Seinen Vater schildert er als „sehr machtvolle, für seine beiden Söhne fast übermächtige Persönlichkeit“. Das ist kein Widerspruch zur liebevollen, fürsorglichen Haltung den Kindern gegenüber. Ein Vater, der da ist, der trösten kann, als der innig geliebte Schulbus „Balduin“ durch ein moderneres Gefährt ausgetauscht wird, der Geschichten und Bilder von Balduins Reisen erschafft, zu denen der vierrädrige Rentner nun Muße hat. Ein Vater, der den gehässigen Biologie-Lehrer am Ratsgymnasium, als dieser den Sohn niedermacht, derart zusammenfaltet, dass aus dem angedrohten Durchfallen im Abitur ein „sehr gut“ in der Übungsklausur wurde.
Gutmann sucht nicht nach Helikoptervätern. Sondern nach Männern, die sich nicht aufdrängen, die aber da sind, wenn ihre Kinder sie brauchen. Der Hauslehrer Bökh in Erich Kästners „Das fliegende Klassenzimmer“ etwa, von seinen Schülern mit dem Ehrentitel „Justus“ versehen, verkörpert für ihn diesen Idealtypus, oder auch der Lehrer Janusz Korczak, der die Kinder aus seinem Waisenhaus freiwillig ins Vernichtungslager begleitete, auch wenn dies seinen eigenen Tod bedeutete.
Gutmann selbst stilisiert sich keineswegs zum Supervater. „Ich habe nicht alles richtig gemacht. Ich habe vieles versemmelt. Manchmal auch schlimm“, schreibt er und gedenkt der Katastrophen, die er als größtenteils alleinerziehender Vater im zweijährigen Erziehungsurlaub angerichtet hat. Verletzungen der Tochter und auf dem Herd zerschmolzene Plastikfläschchen eingerechnet. Aber in massiven Konfliktsituationen habe er „schlicht das Glück gehabt, dass ich präsent sein durfte“.
Gutmann analysiert Vaterbilder in Disneyfilmen und anderen Klassikern, die das kollektive Familienbild prägten. Dumbledore als Ersatzvater für Harry Potter. Die Geschichte von Anakin und Luke Skywalker und den beiden Seiten der Macht.
Aber es geht nicht nur um Fantastik. Spätestens in der zweiten Hälfte seines Essays wird klar, dass es Gutmann auch oder hauptsächlich um aktuelle politische und gesellschaftliche Fragen zu tun ist. Klimazerstörung, Krieg, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Hass und Hetze – all dies ist garantiert kein Ausdruck von positiver, zugewandter Väterlichkeit, sondern von Toxizität und Destruktion. „Dagegen gilt es aufzustehen“, fordert Gutmann.
Der Theologe, der sich zu einem „heilsamen Konservatismus“ bekennt, stellt klar, dass er mit der reaktionären Form des Konservatismus absolut nichts am Hut hat, die ein Familienbild propagiert, das den Vater von der häuslichen Arbeit und von der Beziehung zu den Kindern fernhält, oder das „Väterlichkeit verhindert, entwertet, lächerlich macht“. Als Gegner macht er vor allem die Strömungen des Nationalismus und des Neoliberalismus aus.
Gegen all das will er eine „Väterlichkeitsbewegung“ setzen, eine Gegenbewegung, eine Bewegung in Richtung Demokratie und Gerechtigkeit und für einen neuen, heilsamen Konservatismus. Und als stärksten Verbündeten führt er schließlich Jesus Christus an, der von Gott als „Abba – Vater, Väterchen, Papa“ sprach und der seine Anhänger beten lehrte: „Vater unser ...“
Das Buch ist alles andere als ein Elternratgeber und wird keinen Erzeuger zu einem besseren Vater machen. Aber darum geht es Gutmann auch gar nicht. Vielmehr geht es um eine Analyse gesellschaftlicher Probleme und Grundhaltungen und darum, toxische Strukturen sichtbar zu machen und zu bekämpfen. Rechtsextremismus wird nicht allein durch fürsorglichen und respektvollen Umgang mit den eigenen Kindern ausgehebelt. Aber ein bewussterer Blick auf die Gesellschaft und auf die eigene Haltung kann viel bewirken. Und wenn die neue Bewegung der Väterlichkeit wächst und viele Anhänger findet, schlecht wäre es sicher nicht.

 

 

Hörspiel

 

Kira Kolumna 9: Eingeschneit
Auf einer Klassenfahrt lernt man manchen Mitschüler ganz anders kennen, und manche blöde Tusse zeigt ein völlig unerwartetes, freundliches Gesicht. Kira und ihre Klasse fahren zum Skifahren in die Berge, und es ergeben sich neue Freundschaften beziehungsweise neue Gruppen formieren sich. Die eingebildete Saskia erweist sich als Ski-Ass, und da Kira und Lars ebenfalls auf den Brettern wie zu Hause sind, kommen alle drei in die Fortgeschrittenen-Gruppe, während Kiras beste Freundin Nele in der Anfängergruppe landet. Naturgemäß ist das Super-Trio nun häufiger zusammen unterwegs, und obwohl sich alle Mühe geben, Nele zu integrieren, ist sie dann doch manchmal "abgemeldet". Saskia entpuppt sich als toller Kumpel im Abenteuer, nur als ihre kostbare Kulturtasche verschwindet, wird sie aggressiv und ungerecht.
Schließlich wagen sich Kira, Lars und Saskia auf eine Tour zu einer Höhle, in der eine Art Schrat oder Schneemensch leben soll. Die Strecke ist zwar gesperrt, aber das hält die drei Ski-Asse nicht auf. Erst ein Schneerutsch, der sie in Höhle verschüttet, bremst die Abenteuerlust des Trios. Nun dreht Saskia vor Panik beinahe durch. Was sie bisher niemandem verraten hat: Sie ist Diabetikerin und läuft Gefahr zu unterzuckern. Wenig später wird sie ohnmächtig ...
Spannende Folge, die die zickige Saskia mal von einer anderen Seite zeigt. Wenn mir auch ihr hysterisches Over-Akting in der Höhle etwas auf den Zwirn ging. Man kann auch ruhig sterben. Aber trotzdem: Sehr gut gemacht und sehr spannend.

 

Kira Kolumna 10: Abgetaucht
Oweh, die letzte Mathearbeit steht an, und für einige hängt von dem Ergebnis die Versetzung ab. Nele ist besorgt. Aber ganz besonders steht Lars auf der Kippe. Dem armen Lars fliegen in dieser Zeit die Vorurteile und Klischees nur so um die Ohren. Vater: Ausländer und abgehauen. Mutter: alleinerziehend. Sohn mit dunklem Teint. Computerspieler. Männlich, also kommunikationsunfähig. Boah, kein Wunder, dass er irgendwann austickt und abhaut. Dabei haben Nele und Kira so einen tollen Plan für die Mathearbeit geschmiedet. Schließlich ist Kiras Vater Matheprofessor und könnte Lars ein bisschen auf die Sprünge helfen. Man lernt in dieser Folge etwas über Potenzrechnen und darüber, dass Katzen die Geschmacksrichtung "süß" nicht wahrnehmen können. Nutzloses Wissen, aber hochinteressant.

 

Weiterer Jahresrückblick
Teil 1 - Januar bis März 2024
Teil 2: April bis Juni 2024
Teil 4: Oktober bis November 2024
Teil 5: Dezember 2024

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick 2024: Teil 2 - April bis Juni

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 29 Dezember 2024 · 382 Aufrufe
Jahresrückblick

Willkommen zu Teil zwei meines Rückblicks auf mein Lese-Jahr 2024. In den Monaten April, Mai und Juni waren ziemlich viele Hörbücher und Hörspiele dabei. Ich habe meine alte ???-Sammlung wieder hervorgeholt, außerdem etwas Gruseliges und etwas von Karl May gehört. Meine große Entdeckung war die Hörspielserie "Kira Kolumna", die Abenteuer einer 16-jährigen Bloggerin, die um drei Ecken mit der rasenden Reporterin Karla Kolumna verwandt ist. Kinderhörspiele, die auch für Kinder jenseits der 50 geeignet sind. Dazu gab es Tierbücher (Ratten und Ponys), Indianerliteratur, May-Pastiches, Comics, Klassiker, Antikes und Goslaria. Recht wenig Phantastik diesmal, im nächsten Quartal wird das wieder mehr.

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

 

April

 

Karin S. Wozonig: Ratten. Ein Porträt
Hübsches, in edles Rattengrau gebundenes Büchlein, das sich einem der meistgeschmähten Nagetiere der Welt widmet. Die Verfasserin ist eine bekennende Rattenliebhaberin und so ist diese kleine bibliophile Kostbarkeit auch eine ganz große Liebeserklärung an die kleinen Tierchen geworden. Man erfährt etwas zur Biologie und Mythologie, hört vom Sozialverhalten und der Intelligenz der Ratten und auch davon, was man beachten muss, wen man eine Ratte als Haustier halten will. Kurzporträts verschiedener Rattenarten - wie Hausratte, Wanderratte, Waldratte, Schweinsnasen-Spitzmausratte oder Sulawesi-Schlankratte - runden das Büchlein ab.
Es ist nicht ganz so zauberhaft und magisch wie das im gleichen Verlag erschienene Algen-Büchlein, das mich im vergangenen Jahr so begeistert hatte, aber auf jeden Fall ein hochinteressantes, liebens- und lesenswertes Buch.

 

Frank Elstner: Frances Densmore: "Ich hörte eine indianische Trommel"
Kleiner, knapp 50 Seiten starker Essay über die Ethnologin und Musikwissenschaftlerin, die mit ihrem Phonographen loszog und indianische Gesänge aufzeichnete und die Liedtexte dokumentierte. Erzählt wird etwas über ihre Arbeitsweise und darüber, wie sie das Vertrauen der alten Häuptlinge in den Reservationen gewann. Reich bebildert. Mit Notenbeispielen und Briefzitaten. Ich hatte es auf der Leipziger Buchmesse zusammen mit ihrem Buch "Die Lieder der alten Lakota" beim Palisander-Verlag erworben. Ein sehr knapper, aber gut lesbarer Einstieg in die Arbeit Densmores.

 

Sarah Gutmann: Pony-Power

 

Angeline Boulley: Warrior Girl Unearthed

 

Rolf Ulrici: Tom und der Lachende Fuchs
Kinderbuch, das ich Anfang der 80er mal gelesen hatte. Jetzt fiel es mir in einem Antiquariat in die Hände, da hab ich es mitgenommen. Erzählt wird die Geschichte eines Jungen aus Deutschland und eines etwa gleichaltrigen Indianerjungen, dessen Stammeszugehörigkeit nicht erwähnt wird. Die Zeit der Indianerkriege ist vorbei, die Familienangehörigen des Lachenden Fuchses leben recht friedlich neben der Ranch, auf der Tom zu Gast ist, allerdings ist noch einiges Misstrauen und sehr viel Zurückhaltung vorhanden. Tom lernt von seinem neuen Freund Anschleichen und Reiten. Dann kommt es zu Rivalitäten mit einer Bande von weißen Jungen. Und der Lachende Fuchs soll in ein Internat gesteckt werden. Aber was wird dann aus seinem Pferd ...?

 

Anna Nerkagi: Weiße Rentierflechte
Der erste ins Deutsche übersetzte Roman einer nenzischen Autorin. Es erinnert ein bisschen an Juri Rytchëu. Die Nenzen sind, ähnlich wie die Tschuktschen, Rentiernomaden und leben im Norden Sibiriens. Die Autorin erzählt von einem jungen Mann namens Aljoscha, der nur eine einzige Frau liebt, die Tochter des alten Petko. Doch die ging fort und wird auch nicht wiederkommen. Nun liegen ihm seine alte Mutter und die Stammesgenossen in den Ohren: Er soll endlich heiraten und die Tradition fortsetzen, das Volk erhalten und vor allem eine junge Frau zu sich nehmen, die seine alte Mutter bei der Arbeit unterstützt ... Aljoscha sondert sich ab, ist verstockt. Und als man ihn schließlich zur Heirat mit einer anderen Frau zwingt, weigert er sich, die Ehe zu vollziehen.
Ein wunderbarer Roman, in dem man das Knirschen des Eises und den Geruch der Rentiere spürt, eine harte Geschichte ohne Kitsch und Pastelltöne. Sehr gut, von dieser Autorin möchte ich mehr lesen.

 

 

Hörspiele

 

Die drei ???, Folge 1: Der Superpapagei
Ich habe im Keller meine alte Drei-Fragezeichen-Sammlung wiederentdeckt, vier Schuhkartons mit Cassetten aus der Cassettenkinder-Zeit. Da musste ich mir einfach den Superpapagei nochmal reinziehen. Kann die Geschichte fast auswendig mitsprechen. Der dicke Mister Claudius auf der Jagd nach den Papageien. Schneewittchen und Sherlock Holmes, Robin Hood und vor allem Blackbeard mit seinen Sprüchen. Der erste Auftritt des gepflegten Gentleman-Meisterdiebs und Kunstexperten Hugenay. Morton und der Rolls Royce. Die erste Telefonlawine. Und Justus Jonas als brillanter Kopf des Ganzen. Einfach ein spezialgelagerter Sonderfall.

 

Kira Kolumna 1: Umzugsalarm
Meine neue große Liebe am Kinderhörspielhimmel. Kira Kolumna ist um drei Ecken herum verwandt mit der rasenden Reporterin Karla Kolumna aus den Benjamin-Blümchen- und Bibi-Blocksberg-Hörspielen. Sie ist Bloggerin, knüpft aber auch, sobald sie in eine neue Stadt kommt, Kontakte zur Lokalpresse. Und in neue Städte muss sie oft umziehen, denn ihr Vater Johannes ist Matheprofessor und international gefragt. Wenn er an eine neue Uni berufen wird, heißt es für Kira jedesmal: Umzugsalarm. Ihr Freundeskreis bleibt dann zurück, Verbindung kann sie meist nur noch über das Blog halten.
In Folge eins kommt Kira aus Madrid nach Südberg in Deutschland. Hier wohnt sie über dem Laden von Laura und freundet sich mit deren anfangs noch wenig begeistertem Sohn Lars an. Zusammen schaffen die beiden es dann auch schon, eine Einbruchsserie in der Nachbarschaft aufzuklären.
Sehr spannend erzählt, etwas schneller als die Bibi- und Benjamin-Abenteuer meiner Kindheit, poppig, peppig und auch für alte Leute wie mich ein echter Genuss. Und als ich meiner Nichte (11) den ersten Teil schenkte, war sie ebenfalls begeistert und hat jetzt auch schon über zehn Kira-Hörspiele intus. Also: Von uns beiden gibt es zwei Daumen nach oben.

 

Kira Kolumna 2: Plötzlich beliebt
Kira kommt nach dem Umzug in ihre neue Schule. Hier lernt sie ihre neue beste Freundin Nele und die eitle aber superbeliebte Angebertussi Sakia kennen, die einen superstarken Account betreibt und von ihren Reiseabenteuern erzählt. Saskia ist viel mit ihren Eltern unterwegs und jettet fast jedes Wochenende in eine andere coole Stadt. Allerdings hat aktuell gerade Kiras Freundin Nele den totalen Höhenflug mit ihrem Online-Account: Sie postet ein Selfie, das sie mit einem der angesagtesten Musik-Stars in der Eisdiele zeigt. Mehr noch: Sänger Jannis habe sie engagiert für den Dreh seines nächsten Musikvideos.
Da passt es recht gut, dass das neue Projektthema der Klasse "Social Media" lautet. Kira und ihr Team setzen sich mit dem Thema Schein und Sein im Internet auseinander und berichten schließlich ihrer Klasse Schockierendes über Fake News und die Wahrheit dahinter ...
Einfach gut gemacht, tolles Thema und super erzählt.

 

Die drei ???, Folge 2: Der Phantomsee
Eine alte Seemannstruhe, ein Schiffswrack, Hinweise auf einen versteckten Schatz - und immer wieder taucht der zwielichtige Java-Jim auf. Dazu Bobs Recherchen in der Bibliothek, eine Geisterstadt und die unheimliche Insel mit der Zypresse im Nebel ... Einfach alles, was ein ???-Hörspiel braucht.

 

Sherlock Holmes & Co.: Heim der Phantome
Eine Frau möchte ihren Vater in einem Seniorenheim besuchen. Doch der alte Mann ist nicht da. Wenig später teilt man ihr mit, er sei plötzlich verstorben. Warum waren seine Briefe in der letzten Zeit so seltsam? Und warum verschwinden immer wieder Bewohner des Heims? Die Ermittlungen der Tochter fördern Grauenhaftes zutage - und sind lebensgefährlich.
Sehr dichtes, atmosphärisches Gruselhörspiel, das man nicht unbedingt allein zu Hause hören sollte ...

 

Sherlock Holmes & Co.: Der Wiedergänger
Ein Häftling ersinnt eine makabere Möglichkeit, aus dem Gefängnis zu türmen. Die Wachen stehen vor einem Rätsel. Ist er mit dunklen Mächten im Bunde? Auf dem Friedhof jedenfalls gibt es in der Nacht Gruseliges zu beobachten.
Erzählerisch und akustisch vom Feinsten. Sehr gut gemacht.

 

 

Mai

 

Thorgals Jugend 11: Grym

 

Catrin Misselhorn: Künstliche Intelligenz - das Ende der Kunst? (Reclam)
Ist das eigentlich noch Kunst, wenn es von einer Maschine gemacht ist? Wer hat die Urheberrechte? Und wie verändert sich unsere Bewertung des Schaffensprozesses? Ein paar hochinteressante Gedanken über KI-Kunst, ihre Geschichte und ihre Einordnung. Spoiler: Das "Ende der Kunst" wurde schon oft beschworen, ist aber wohl auch im KI-Zeitalter noch nicht gekommen. Aber gruselig ist es trotzdem, vor allem der Blick auf das erste KI-Bild war ausgesprochen verstörend.

 

Yoko Tsuno Sammelband 9: Geheimnisse und böser Zauber
- Die Dienerin Luzifers
- Der Amethyst
- Khanys Geheimnis

Erneut ein sehr schöner Hardcoverband mit viel Zusatzmaterial, diesmal vor allem mit Zeichnungen der zahlreichen Flugzeugtypen, die in den Alben eine Rolle spielen. Der Titel "Geheimnisse und böser Zauber" erschließt sich mir mal wieder nicht. Zauber kommt in dieser Serie eigentlich gar nicht vor, nur Technik und Naturwissenschaft. Aber okay, die Geschichte um die "Dienerin Luzifers" hat auch mittelalterlichem Aberglauben zum Thema, das mag als "böser Zauber" durchgehen. Album eins und drei sind Geschichten über Yokos Freunde vom Planeten Vinea, der mittlere Band enthält eine Zeitreisegeschichte. Warum man diese mit den beiden anderen in einen Themenband zusammenfasste, erschließt sich mit nicht. Es mag etwas damit zu tun haben, dass dies der vorletzte Sammelband ist und die Auswahl gering wurde. Schön ist, dass Emily wieder an Yokos Seite ist, die junge Frau mag ich von allen Freundinnen Yokos am liebsten (außer vielleicht Morgentau). Emily lernt bei der Zeitreise ihre Urgroßmutter kennen, ein sehr berührender Moment. Die Begegnung mit der "Dienerin Luzifers" hat es auch in sich. Bei dem schlafenden Wesen Wesen, das Mönche seit Jahrhunderten bewachen, ist aufgrund der bläulichen Hautfarbe ziemlich schnell klar, dass es sich um eine Vineanerin handelt. Oder doch nicht? Im dritten Abenteuer spielt Khany eine etwas seltsame Rolle, fast wirkt sie zwielichtig. Kann Yoko ihrer Freundin noch trauen? Mit der Existenz des Wesens Tevy hat sie zunächst ihre Probleme. Roboter und Androiden sind ihr vertraut, aber ein Wesen aus menschlichen,. organischen Bauteilen ...? Ein sehr interessanter Band. Allerdings bekomme ich langsam Probleme damit, die Vineaner auseinanderzuhalten. Das ist mir zu viel Personal.

 

Ursula Voß: Rilkes Sternenfrauen
Sehr schön gestaltetes Insel-Büchlein über die Frauen, die Rilke liebte, die mit ihm eine Beziehung oder Freundschaft und geistigen Austausch pflegten.Die Frauen sind jeweils in einem kurzen Porträt und mit einem Foto vorgestellt. Schon sehr beeindruckend, wer da alles in diesem Büchlein versammelt ist, fast alles große Namen, Künstlerinnen, Dichterinnen, Schauspielerinnen und Fürstinnen, die meisten kennt man heute noch. Dargestellt werden Lou Andreas-Salomé, Clara Rilke-Westhoff, Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe, Anna de Noailles, Eleonora Duse, Sidonie Nádherný von Borutin, Marthe Bibesco, Catherine Pozzi, Baladine Klossowska, Wera Ouckama Knoop, Lally Horstmann und Lotte Pritzel. Ich bin mit Rilke nie so recht warm geworden, aber diese Sternenfrauen haben mich sehr für ihn eingenommen.

 

Galen: Gelassenheit. Was bedeutet das alles? (Reclam)
Ein Reclamheft aus der Philosophie-Reihe "Was bedeutet das alles?" Sehr interessant, wobei hier gesagt werden muss, dass der Titel "Gelassenheit" - im Innenteil steht auch "Über die Unverdrossenheit" - nicht von Galen stammt. Bei dem vorliegenden Text handelt es sich vielmehr um einen Brief an einen alten Schulfreund, der ihn wohl gefragt hatte, wie man Schicksalsschläge gelassen einsteckt, ohne daran zu zerbrechen. Galen musste es wissen: Beim großen Brand Roms hatte er so ziemlich alles verloren: Seine Heilkräuter und medizinischen Geräte, seine Bibliothek, unzählige Fachbücher, Rezepte, ihm ihm ärztliche Kollegen im Austausch gegen eigene Rezepte anvertraut hatten, seine Bibliothek mit wertvollen, unwiederbringlichen Einzelstücken und eigene, noch unveröffentlichte Manuskripte, von denen es keine weiteren Abschriften gab - mithin sein Lebenswerk und seine gesamte Existenz. Und doch blieb Galen vollkommen gelassen. So gelassen, dass es auffiel und Freunde nachfragten. Im Brief gibt er nun Auskunft. Er verweist auf die Philosophie der Stoa, aber auch auf Aristipp. Und er erzählt auch von seiner ganz persönlichen Erfahrung: Immerhin erlebte der berühmte Arzt einiges am Hof des Kaisers Commodus. Dort habe er jederzeit drauf gefasst sein müssen, alles zu verlieren, in die Verbannung geschickt zu werden oder Schlimmeres. Wer sich mit dem Gedanken vertraut macht, dass im alles jederzeit genommen werden kann, den wirft die tatsächliche Erfahrung eines Verlusts nicht mehr um. Man solle sich vielmehr über das freuen, was noch da ist, sagt Galen. Sehr klug.

 

Als das Grüne Band noch grau war
„Grenzschicksale“ heißt ein voluminöser Sammelband mit Lebenserinnerungen aus der Zeit, als das Grüne Band noch grau war. Das knapp 600 Seiten starke Buch lässt 30 Zeitzeugen zu Wort kommen und erzählt von Biografien im Schatten der Grenze. „Erinnerungen werden blasser, Zeitzeugen werden weniger“, schreibt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff in seinem Geleitwort. „Es ist von großer Bedeutung, Stimmen einzufangen, Erlebnisse zu dokumentieren und Bilder in den richtigen und wahrheitsgemäßen Kontext zu stellen, damit kommende Generationen ihre eigene Vorstellung der Ereignisse gewinnen können.“ Und die Menschen, die ihre „Grenzerfahrungen“ aufzeichneten, haben wahrlich eine Menge zu erzählen: Spannendes, Überraschendes, Alltagserfahrungen und Einmaliges sind hier versammelt. Manches zeugt von einem gewissen Galgenhumor, zum Beispiel, wenn im Vorwort der Herausgeber Kai Langer, Birgit Neumann-Becker und Maik Reichel an den Ausspruch von DDR-Bürgern nahe der Sperrzone entlang der Grenze erinnert wird: „Vor spontanen Verwandtschaftsbesuchen waren wir sicher.“
Wie ist das, plötzlich an eine Grenze zu stoßen? Für Christoph Dieckmann war es eine traurige Kindheitserinnerung an einen Brockenbesuch: „Auf dem Gipfel hatte ich mich in eine kecke Igel-Figur verliebt. Nach inständigem Gebettel kauften mir die Eltern diesen ‚Brocken-Mecki‘. Zwei Wochen später stürzte Mecki von der Waschkommode und brach sich ein Bein. Ich war untröstlich und wollte sofort wieder auf den Brocken, um einen neuen Mecki zu erhalten. ‚Das geht nicht‘, sagte Vater, ‚da ist jetzt die Grenze.‘“
Die Goslarerin Ursula Breustedt, geboren 1944 in Köthen, stellt beim Rückblick auf ihre Lebensgeschichte fest, dass sie mit dem Begriff „Heimat“ gar nichts anfangen kann: „Dazu wurde mir das, was ich für Heimat hielt, zu oft genommen“, sagt sie. Der Familie gehörte ein Rittergut bei Köthen, doch am 21. September 1945 wurden die Besitzer „entschädigungslos enteignet“, die Familie musste den Landkreis verlassen, es ging nach Heimburg im Harz. Der Vater konnte schließlich in Abbenrode einen Hof pachten. „Es war das letzte Grundstück vor der innerdeutschen Grenze“, erinnert sie sich. „Durch die Bäume konnten wir bis nach Lochtum in Niedersachsen blicken. Ich fuhr mit meinem Puppenwagen oft bis zum Grenzflüsschen Ecker und watete darin herum.“ Es blieb nicht bei Blicken nach „drüben“ und beim Waten im flachen Wasser: „Es herrschte ein reger Grenzverkehr. Irgendwann wurden sogar große Steine in die Ecker gerollt, damit die gegenseitigen Besuche einfacher wurden und man das andere Ufer trockenen Fußes erreichen konnte“, schreibt Breustedt. „Meine Mutter schickte mich sogar öfter nach Lochtum, um im dortigen Laden etwas einzukaufen.“ Doch die Idylle mit dem inoffiziellen, aber intensiven Grenzverkehr währte nicht lange. Am 7. Juni 1952 ändert sich alles. Den Eltern werden die Pässe abgenommen, ein Herr im grünen Ledermantel sagt: „Sie gefährden die Sicherheit der DDR“, die Familie soll innerhalb von 24 Stunden ihr zu Hause verlassen. Bis dahin steht die Familie unter Beobachtung, ein Polizist begleitet die sechsjährige Ursula sogar bis zum Plumpsklo. Der Vorwurf lautete: „Negative Einstellung zur DDR und S.U. Verbreitet Unstimmigkeiten politischen Charakters im Ort.“ Zusatz: „Verbreiter von Westmeldungen.“ Als die Familie schließlich in den Westen flüchtet, steht der 17-jährigen Tochter eine Mutprobe bevor: Sie muss allein mit dem Zug von Kleinmanchow nach Havelberg fahren – und am Bahnhof im West-Berliner Stadtteil Lichterfelde aussteigen. Inzwischen dürfen die Eltern wegen einer angeblich dringend notwendigen Operation der Mutter nach Hamburg ausreisen. Kurz danach, im Westen wieder vereinigt, kann die Familie nach Pappenheim reisen, wo der Vater seine neue Stelle antritt. Ursula Breustedt macht dann eine landwirtschaftliche Ausbildung in Einbeck, arbeitet später in Schladen und lebt jetzt in Goslar.
Zahlreiche Stimmen rund um die Grenze kommen zu Wort. Da ist Annemarie Reiffert, die am Tag der Grenzöffnung als erste DDR-Bürgerin wagte, den Grenzübergang Marienborn zu passieren. Oder die Pastorin Ursula Meckel aus Thale, die von Stasi-Spitzeln im Gottesdienst berichtet. Oder Katrin Schmidt, die die Welt sehen wollte und über China aus der DDR ausreiste. Das opulent aufgemachte Hardcover-Buch mit Schutzumschlag und zwei Lesebändchen in Grün und Silber besticht durch seine aufwendige Gestaltung. Zahlreiche ganzseitige historische und aktuelle Fotografien wecken Erinnerungen an früher und regen zu Wanderungen durch das heutige Grüne Band an. Vor allem dürfte das gewichtige Buch als Präsent für Menschen aus dem ehemaligen Grenzland geeignet sein. Und die darin festgehaltenen Erinnerungen sind es allemal wert, bewahrt zu werden.

 

Thomas Ostwald: Der schwarze Josh

 

Christine H. Bauer: Das Rathaus in Goslar. Geschichte und Bauphasen
Ein neues Buch über das Goslarer Rathaus ist jetzt erschienen. Verfasserin ist die Goslarer Welterbebeauftragte Dr. Christine H. Bauer, die sich bemühte, Geschichte und Architektur des Rathauses kompakt zusammenzufassen und eine handliche Überblicksdarstellung zu schaffen.
Das Buch „Das Rathaus in Goslar. Geschichte und Bauphasen“ ist unter anderem für diejenigen bestimmt, die nach Rathausführungen all die Informationen noch einmal nachlesen möchten, die sie von Stadtführern und aus den interaktiven Angeboten erhielten – aber eben nicht komplett im Kopf behalten konnten. Es ist mit seinen 81 Seiten recht handlich und lässt sich leicht und schnell lesen. Vor allem ist es großzügig ausgestattet mit Illustrationen wie Skizzen der Räume und einzelnen Etagen sowie mit Fotos. Gezeigt werden historische Aufnahmen, Details der Innenräume und Wandmalereien.
Bauer stellt die Entwicklung der Goslarer Bürgerschaft vor und erzählt etwas zur Geschichte der Stadt, von der Zeit, in der Kaiser Heinrich I. ein „vicus goslariae“, vielleicht als Jagdhof oder königlichen Wirtschaftshof, gegründet haben soll, sie berichtet über Bergbau und die Kaiserpfalz, die Rechte einer freien Reichsstadt, den Streit mit Braunschweig um den Rammelsberg … Auch den Vorgängerbauten des Rathauses spürt sie nach. Der Leser erfährt etwas über den Marktbereich, die Verkaufshallen und Wechselstuben und die im Jahr 1151 erstmals urkundlich erwähnte Marktkirche. Schon 1269 wird in städtischen Urkunden ein bürgerliches Rathaus als „domus communitatis“ erwähnt, doch ohne Ortsangabe. 1293 erwarb der Rat der Stadt vom Kloster Neuwerk dessen Kaufhallen zwischen dem Schuhhof und dem „Brunwordeskeller“ (wohl Kaiserworth).
In sechs Kapiteln widmet sich Bauer den einzelnen Bauphasen. Sie stellt das Rathaus der Spätromanik/Gotik vor, das um 1300 entstand. Man erfährt mehr über den Keller, Ratsdornse (beheizbarer Sitzungsraum), Arkadenhalle und Ratsdiele. In der Bauphase um 1430, in der Spätgotik, wurde die Ratsdiele umgebaut. Ratsdiele und -dornse wurden ausgestaltet, das Rathaus erhielt einen südlichen Anbau. Weitere Bauphasen erfolgten in der Zeit um 1500 (Übergangszeit Spätgotik-Renaissance), um 1560 (Renaissance) und Mitte des 17. Jahrhunderts (Barock). In einem Kapitel zusammengefasst hat Bauer die Baumaßnahmen des 19. und 20. Jahrhunderts, in dem es um Renovierungen zum Stadtjubiläum 1922 und Umbaumaßnahmen 1936 bis 1938 geht. Was bleibt aus der Nazizeit? „Während alle anderen Umbauten der nationalsozialistischen Zeit in den Jahren 2015/16 rückgängig gemacht wurden, blieb die von Rudolf Nickel gestaltete Sitzbank als einziges Zeugnis dieser Zeit erhalten“, schließt Bauer ihre Rathausgeschichte.
Das ist ein Abschluss, der Fragen aufwirft. Ein Kapitel über das Rathaus in den 2010er und 2020er Jahren fehlt. Dabei wird dieser Rathaus-Krimi den Goslarern noch lange als die Hauptsache in Erinnerung bleiben. Einige Entdeckungen, etwa Ergebnisse von dendrochronologischen Untersuchungen, wurden in den historischen Kapiteln erwähnt. Im buchstäblich letzten Absatz des Buchs schreibt die Goslarer Welterbebeauftragte immerhin, dass der Stadtrat 2012 beschloss, das Rathaus nach 700 Jahren als Verwaltungssitz aufzugeben, es aber weiterhin für Ratssitzungen nutzt. Das ist alles? Vielleicht folgt ja bald ein zweiter Teil des Buchs, der über die turbulente und weit langwierigere und teurere Sanierung des Goslarer Aushängeschildes berichtet?

 

Hans-Martin Gutmann: Der tote Bischof
Ein Pastor als Ermittler, ein emeritierter Theologie-Professor als Autor – da fehlt nur noch ein Landesbischof als Mordopfer, und der Krimi ist perfekt. Der gebürtige Goslarer Hans-Martin Gutmann lässt seinen Helden Lukas Bentorff erneut in einen Kriminalfall hineingeraten. Der Pastor des fiktiven Doppel-Orts Groß und Klein Samtleben im Salzgittergebiet muss herausfinden, wer für die Anschläge auf seinen Chef verantwortlich ist. Und seine Ermittlungsmethoden sind, gelinde gesagt, etwas unkonventionell.
Lukas Bentorff ist den Lesern bereits bekannt durch Gutmanns „Wende“-Tetralogie. Die vier Romane „Wendewölfe“, „Wendehälse“, „Wendeblues“ und „Wendegier“ spielten, wie der Name schon sagt, in den Jahren vor und nach der Wiedervereinigung. Der Verfasser hatte seinen Helden darin miterleben lassen, was alles schief lief bei der Vereinigung von BRD und DDR. Es ging um Geschäftemacherei, Entwertung von Arbeit, Lebensleistung und Biografien im Osten und um das eklatante Anwachsen des Rechtsextremismus. Und nun? Der neue Krimi ist anders. Zumindest durch die zeitliche Einordnung: Lukas Bentorffs fünfter Fall spielt sich 24 Jahre nach seinem Ermittler-Debüt ab, nämlich in der Weihnachtszeit des Jahres 2023 und in den Tagen „zwischen den Jahren“. Der Pastor ist ein Vierteljahrhundert älter geworden, hat zu seinem Zuständigkeitsbereich noch zwei Dörfer hinzugewonnen, doch im Prinzip ist er ein „Sitzengebliebener“, bei dem man, wenn er nicht schon einundsechzigeinhalb Jahre alt wäre, Ansätze einer Midlife-Crisis diagnostizieren könnte. Mit seiner Freundin, der inzwischen pensionierten Kriminalpolizistin Anne Hartmann, ist er noch immer auf dem Stand von vor 25 Jahren. Und die dörflichen Institutionen sterben so langsam vor sich hin. Sogar die beiden dauerverfeindeten Karnevalsvereine, deren Streitigkeiten ein Running Gag der „Wende“-Bücher waren, mussten aufgrund des allgegenwärtigen Personalmangels fusionieren.
Doch das beschauliche Vor-sich-hin-Sterben des Dörferquartetts wird durch einen Paukenschlag aufgestört. Bentorffs Freund und früherer Schützling, Landesbischof Kai Grübner, erlebt mehrere Attacken auf sein Privatleben – von Beschimpfungen und Drohungen über Schmierereien bis hin zu aufgeschlitzten Autoreifen – schließlich wird er durch einen Ford F 150 von der Straße abgedrängt und ruft, verletzt und blutüberströmt – Bentorff zur Hilfe. Waren es tatsächlich die freundlichen Worte des Bischofs über die geflüchteten Ukrainier und die Aufforderung zu deren Unterstützung, die nun rechte Kreise auf den Plan riefen? Geht es um die Erpressung eines Konkurrenten im innerkirchlichen Machtkampf? Oder nimmt Frau Bischof ihrem Gemahl sein Fremdgehen übel und engagierte einen Mörder?
Der Pastor und seine Freunde entwickeln einen Plan: Der Bischof muss sterben, um vor künftigen Anschlägen sicher zu sein und um den ermittelnden Oldies Raum für die Mörderjagd zu verschaffen. Allerdings: Das Kirchenoberhaupt ausgerechnet von einer umstürzenden riesigen Plastik-Lutherfigur kurz vor der Weihnachtspredigt „erschlagen“ zu lassen, ist ein ermittlungstechnischer Schachzug, der die Gemeinde nicht unbedingt in die typische, besinnliche Christfest-Stimmung versetzt ...
Die Geschichte um den Bischofsmord lebt – außer von skurrilen Details und einem actionreichen Showdown – vor allem von den Einblicken in die Arbeit eines Dorfpastors und seinen Umgang mit aktuellen politischen Themen und Katastrophen. Gutmann, der bisher in „historischen Krimis“ die Wendezeit Revue passieren ließ, ist diesmal ganz nah dran an der Gegenwart. Gewalt gegen ukrainische Flüchtlinge, Bauernproteste, das Massaker der Hamas beim Überfall auf Israel am 7. Oktober, all das hat der Autor in diese Geschichte einfließen lassen. Hochinteressant sind dabei die Predigten Bentorffs. Der Groß Samtlebener Geistliche kann da durchaus mal das wenig barmherzige Verhalten seines Heilands zum Thema machen, als dieser einer kranken Frau die Hilfe verweigert, da sie nicht zum Volk Israel gehört. Oder er spürt einer Überlieferung aus dem Talmud nach, derzufolge Gott, als die Ägypter im Roten Meer ertranken, jeglichen Jubel untersagte – immerhin habe er auch diese geschaffen, und ein Jubel über den Tod so vieler Menschen sei völlig unpassend. „Der tote Bischof“ ist flott geschrieben und lässt sich gut und flüssig lesen. Spannung, politische Stellungnahmen und interessante Gedankengänge machen das Lesen zu einem Vergnügen. Nur mancher Kriminalpolizist wird sich vermutlich die Haare raufen beim Lesen. Denn dass Bentorff und seine Freunde ihren Fake-Mordanschlag mit Rückendeckung durch Polizei und Staatsanwaltschaft durchziehen können, klingt doch ein wenig fabelhaft.

 

Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz
Ein Klassiker, den ich schon lange auf dem Zettel habe. Eine Geschichte, die durch die Vielstimmigkeit und die Montagetechnik nicht ganz einfach zu lesen ist. Werbesprüche, Zeitungszitate, Lieder und Parolen, Berliner Halbwelt und moderne Technik, Glanz und Elend der Großstadt. Mittendrin Franz Biberkopf, frisch aus dem Gefängnis entlassen, der sich eine neue Existenz aufbauen will. Als Zeitungsverkäufer kann er sich zunächst redlich über Wasser halten. Aber dann wollen alte Kameraden ihn zu einem Bruch mitnehmen. Franz will nicht, schliddert aber doch mit in eine Geschichte hinein, die ihn am Ende einen Arm kostet. Und dann wird auch noch seine Lebensgefährtin tot aufgefunden, und er ist der Hauptverdächtige.
Ein Roman, in den man sich erstmal einlesen muss und der seinen Charme nicht sofort entfaltet. Aber wenn man "drin" ist, nimmt er einen wirklich mit. Keine Lektüre für zwischendurch. Erinnert als Großstadtroman der Moderne tatsächlich an den "Ulysses", mit dem er oft in einem Atemzug genannt wird, ist aber dann doch noch etwas weniger spröde.

 

Lucian Caligo: Der Fluch des Ritters Anastasius

 

 

Hörbuch/Hörspiel

 

Karl May: Winnetous Erben
Eines meiner Lieblingsbücher von Karl May, die Inspirationsquelle für meinen Roman "Das Herz des Donnervogels". Klar, dass ich mir das Hörbuch gegönnt habe, als es herauskam. Es hat mich in den ersten Monaten des Jahres auf einige weite Autofahrten begleitet. Mit knapp 19 Stunden Laufzeit reicht es für massenweise Kilometer.
Zunächst war ich ein bisschen befremdet von der Stimme des Sprechers. Nein, dachte ich, so klingt doch Old Shatterhand nicht. Aber Jean-Marc Birkholz zeigte ziemlich schnell, dass er als Interpret einiges auf dem Kasten hat, und seine Art, den unterschiedlichen auftretenden Personen mit seiner Stimme Farbe und eigenes Profil zu verleihen, hat mich überzeugt.
Was den Autor und sein Buch angeht ... nun, mir ist erst jetzt beim Vorgelesen-Kriegen, aufgefallen, wie unendlich langsam, betulich und wie mäandrierend sich May seinem Thema nähert, bevor er wirklich in die Handlung einsteigt. Ein paarmal war ich tatsächlich so weit, beim Autofahren auszurufen: "Mensch, komm endlich zu Potte!" Beim Selbst-Lesen spürt man diesen unendlich lahmen, immer wieder mit Rückblenden und dem Hinweis "Ich bitte, dies in meinem Buch xxxx nachzulesen" versehenen Warmlauf-Vorgang nicht so. Egal, es bleibt trotzdem eines meiner Lieblingsbücher von Karl May. Auch und gerade, weil es ein klassisches Alterswerk ist und weil hier Bilanz gezogen wird und all die alten Abenteuer zusammenfließen.
Inhaltlich dürfte es vielen bekannt sein. Karl May/Old Shatterhand bekommt von alten Weggefährten und alten Feinden zahlreiche verwirrende Briefe. Es gibt Pläne, ein Denkmal für Winnetou zu erreichten. Die Künstler, die den Apachenhäuptling in Szene setzen wollen, sind Young Surehand und Young Apanatschka, die Söhne von Old Surehand und Apanatschka. Ein schmeichelhafter Plan? Mitnichten. Viele Freunde, die Winnetou noch live erlebt haben, sind entsetzt und empfinden die klobige Kolossalstatue als "Ermordung" Winnetous und all dessen, für das der Apache stand. Old Shatterhand schlägt sich entschieden auf die Seite der Denkmalsgegner. Unterwegs trifft er auf alte Freunde und ebenso alte, unversöhnliche Feinde. Schließlich kommt es zu einer letzten Begegnung mit dem uralten Kiowa-Häuptling Tangua, den nur noch der Hass auf Old Shatterhand zusammenhält.
Karl May hat in diesem letzten Werk Erfahrungen aus seiner Amerikareise verarbeitet (Ja, er war tatsächlich einmal dort, am Ende seines Lebens, als er sich die Reise leisten konnte). Das Besondere an diesem und an einigen anderen Werken der Spätphase ist aber vor allem der magisch-mystische Ton und der Versuch, die ganze Menschheit zu versöhnen und Frieden zu schaffen. Es geht weniger um Abenteuer und Prügeleien, nicht um den legendären Jagdhieb und die Schießkünste mit dem Henrystutzen und dem weittragenden Bärentöter, als vielmehr um Frieden, Humanismus, Seelenwachstum ... Und wir begegnen außer den "alten Bekannten" auch einigen faszinierenden neuen Helden. Etwa dem Jungen Adler, einem indianischen Flugpionier, oder Athabaska und Algonka, zwei indianischen Linguisten, dem beinahe tausend Jahre alten Medizinmann Tatellah Satah und den Jungindianern vom Clan Winnetou. Auch die beiden Söhne Santers sind ausgesprochen eindrucksvolle Charaktere. Ach, lest einfach das Buch.

 

Kira Kolumna 3: Verpeilte Weihnachten
Die Weihnachtsfolge von Kira Kolumna habe ich, chronologiebedingt, im Mai gehört. Nele bekommt eine geheimnisvolle Zimtseife von einem geheimen Verehrer. Romantisch oder bedrohlich? Kira und Nele recherchieren auf dem Weihnachtsmarkt, woher das wohlriechende Geschenk kommen könnte, das Neles Geschmack so perfekt getroffen hat. Und noch jemand zeigt kriminalistische Ambitionen: Schulfreund Sirdan hat die Aufnahmeprüfung bei der Polizei geschafft und freut sich riesig. Nur auf Nele reagiert er etwas übellaunig. Warum nur?
Wieder eine mitreißende Folge, die Lust auf mehr macht. Und bei der Frauen-Weihnachtsfeier, die dann so turbulent gesprengt wurde, wäre ich gern dabeigewesen.

 

Kira Kolumna 4: On-Off Liebeschaos
Hier kommt Rapha ins Spiel. Rapha ist Kiras Freund aus Barcelona. Wobei Freund zu wenig sagt. Die beiden sind ein Paar. Allerdings gibt es, bedingt durch die räumliche Trennung, inzwischen einiges, was Kira und Rapha nicht von einander wissen.
Rapha ist Grafitti-Künstler. Und betont, er sprühe "nur noch" legal. Da kommt er gerade rechtzeitig nach Südberg, um die Front von Lauras Laden zu retten, die von einem erbärmlichen Stümper beschmiert worden war. Rapha verspricht, die Wand in ein großartiges Kunstwerk zu verwandeln, und berichtet auf seinem Online-Auftritt über seine Pläne. Doch am nächsten Morgen ist die Wand vollkommen versaut. Schlimmer noch: Der Verdacht fällt auf Rapha, da der unbekannte Vandale die Wand "in Raphas Stil" besprüht hat. Doch der spanische Künstler kann zeigen, in welcher minderwertigen Handwerksqualität die Schmierereien ausgeführt wurden. Er und Kira recherchieren in der Sprayer-Szene, wer die Front von Lauras Laden verdreckt hat. Und dann zeigt der Meister aus Barcelona seine Kunst ...
Spannend, temporeich und mitreißend. Wenn mir das so gut gefällt, ist es dann noch jugendgerecht? Ich wünsche der Serie jedenfalls viel Erfolg.

 

 

Juni

 

Mariana Leky: Die Herrenausstatterin
Das Buch hat mir meine Schwester geschenkt. Sie war von "Was man von hier aus sehen kann" (das Buch mit dem Okapi) total begeistert, ist aber in dieser "Herrenausstatterin" stecken geblieben. Ich fand die Geschichte sehr schön, zauberhaft und voller Alltagsmagie und mit ganz erstaunlichen Charakteren. Die Ich-Erzählerin dieses Buchs ist die Übersetzerin Katja. Ihr Mann, der bereits früh stirbt, ist Zahnarzt, und zwar ein außerordentlich empathischer und beliebter Vertreter seiner Zunft. Später lernt Katja Blank kennen, einen freundlichen, weisen älteren Herrn, der sie als väterlicher Freund begleitet. Allerdings kann nur sie Blank sehen, denn er ist, wie sich später herausstellen wird, bereits verstorben. Und dann ist da auch noch ein Feuerwehrmann, der irgendwann ungerufen vor ihrer Tür steht und einen Brand löschen will, den es nicht gibt. Ein schönes, ausgesprochen poetisches Buch mit einem gewissen Schuss herben Humors. Man muss sich allerdings darauf einlassen und sollte es lesen, wenn man gerade etwas Ruhe hat und sich entspannen kann. Nichts, was man sich mal eben an stressigen Tagen zwischendurch reinpfeifen sollte. Mir hat es sehr gut gefallen.

 

Liselotte Welskopf-Henrich: Der Bergführer
Novelle aus der Feder der Verfasserin der "Söhne der großen Bärin" und der Pentalogie "Das Blut des Adlers". Hier bewegt sie sich eher in der Welt ihres großen Widerstandsromans "Jan und Jutta". Sie erzählt die Geschichte eines Bergführers in den Dolomiten. Karl Unteregger ist ein erfahrener, sicherer Bergsteiger. Touristen buchen ihn oft als Begleiter für den Aufstieg auf anspruchsvolle Berge. Nun hat ihn ein großkotziger Nazifunktionär engagiert, der zusammen mit seiner Verlobten Lotte eine besondere Tour unternehmen will. Zunächst läuft alles recht gut. Doch ein Wetterumschwung und heftiger Schneefall machen den Aufstieg zum Gipfel todgefährlich. Unteregger will die Tour beenden, doch der Obernazi ist gewohnt, dass das Volk vor ihm kuscht, und besteht auf der Gipfeltour. Der finanziell nicht gerade üppig ausgestattete Bergführer gibt schließlich nach, als der Nazi ihm droht, er werde dafür sorgen, dass Unteregger nie wieder Kunden durch die Berge führen könne. Unterwegs passiert dann das vorausgesehene Unglück. Der Nazi überlebt, der Führer nicht. Die Verlobte des Nazis ist so angeekelt von seinem Verhalten, dass sie sich von ihm trennt. Zielstrebig, herb und schnörkellos erzählt, sichere Personenzeichnung, eine klassische Novelle mit schönem Spannungsbogen. Lesenswert.

 

Bessy 79: Bessys seltsamer Freund
Andy, Bessy, Ronny und Rhawik sind in den Bergen auf Jagd. Ein furchtbarer Schneesturm zieht heran. Ronny wird von einem Bären verletzt, Andy pflegt ihn in einer Höhle, während Adler Rhawik mit einem Hilferuf zur Farm zurückfliegt. Inzwischen freundet sich Bessy mit einem "wilden Mann" an, der allein in den Bergen lebt. Der Fremde ist offenbar geistig eingeschränkt und hält sich selbst für einen Wolf. Schließlich schaffen es die Freunde, den Mann in eine Klinik zu bringen.
Ein Nachwort befasst sich mit Klaus Dills Filmplakaten und der Zensur in den 60er Jahren. Was für eine furchtbar verklemmte, spießige Zeit.

 

Thorgal 41: Tausend Augen

 

Plutarch: Arbeiten im Alter? (Reclam)
Soll man im hohen Alter noch arbeiten? Ein eindeutiges "Ja" kommt von Plutarch. Der Philosoph schreibt zu dem Thema einen Brief an einen Freund, der sich anlässlich der Tatsache, dass Sportler irgendwann nicht mehr fähig sind, ihren "Beruf" auszuüben, fragte, ob sich nicht auch andere Senioren aufs Altenteil zurückziehen sollten. Nein, sagt Plutarch, ganz im Gegenteil, ihre Erfahrung und ihre altersbedingte Ruhe und Gelassenheit seien ein wertvoller Beitrag zur Gemeinschaft, und die jüngeren Kollegen würden sehr von ihnen profitieren.
Allerdings: Das Büchlein taugt wenig als Argumentationshilfe für die aktuelle Diskussion über ein höheres Renteneintrittsalter. Es geht hier nicht um körperliche Arbeit und auch eigentlich nicht um Lohntätigkeit. Der Focus liegt vielmehr auf der Tätigkeit in Staatsämtern. Nicht umsonst heißt eine wichtige Einrichtung bei vielen Völkern Ältestenrat beziehungsweise wie im alten Rom Senat. Hier ist die Erfahrung der langgedienten Politiker Gold wert, und es wäre eine Verschwendung von Ressourcen, wenn man diese über Jahrzehnte erworbenen Fähigkeiten nicht nutzen und die politischen Fachleute mit 60 Jahren in den Ruhestand schicken würde. Gerade ihre Abgeklärtheit und der Umstand, dass sie nichts mehr beweisen müssen, macht solche "Elder Statesmen" zu einem kostbaren Gut des Volkes. Auch als Berater - Plutarch nennt hier den alten, weisen Nestor im Trojanischen Krieg - oder als Dichter - verwiesen wird auf Werke des späten Sophokles - sind Senioren wertvolle "Arbeitskräfte". Zumal es auch ihnen selbst gut tut und sie geistig fit hält, während sie durch das Nichtstun im Ruhestand Gefahr laufen, schnell zu verblöden ...
Also: Kein Plädoyer dafür, den vielbeschworenen Dachdecker auch mit 70 Jahren noch aufs Dach zu schicken. Aber der deutliche Hinweis, man solle die Fähigkeiten der Alten und ihre Erfahrung mit Wertschätzung behandeln und ihren Beitrag zur Gesellschaft weiterhin möglich machen. Profitieren würden alle Generationen davon.
Das Büchlein enthält eine Einleitung, einen Kommentarteil, ein Personenverzeichnis und Literaturhinweise. Die Übertzung von Marion Giebel ist sehr eingängig und gut lesbar. Gut gemacht.

 

Horaz: Ars Poetica. Die Dichtkunst. Lat./Dt. (Reclam)
Neben der Poetik des Aristoteles eine der berühmtesten Poetiken der Antike. Sie hält allerdings den Vergleich mit dem Werk des Stagiriten in keiner Weise aus. Schon aufgrund ihres Umfangs wird klar, dass Horaz sein Thema nicht erschöpfend behandeln konnte: Der Lateinische und der deutsche Text machen jeweils nur 17 Seiten aus.
Das Besondere an dieser Abhandlung über die Dichtkunst ist, dass sie selbst eine Dichtung und in Versen abgefasst ist. Die deutsche Übersetzung kommt mal wieder nur in Prosa daher, was mich ärgert. Metrum ist Botschaft bei solchen Texten, es geht eben nicht nur um reine Inhaltswiedergabe.
Inhaltlich ist das Büchlein, wie gesagt, recht "dünn", sowohl vom Umfang als auch vom Informationsgehalt her. Aber es gibt einige berühmte Kernzitate, die man einfach beim Lesen wiedererkennt. Da ist natürlich die vielzitierte Aussage, dass Dichter entweder Nutzen bringen oder unterhalten wollen. Und auch der Anfang war mir vertraut, in dem Horaz einige poetische "Unmöglichkeiten" schildert, nämlich Monstrositäten wie ein Mischwesen mit Menschenkopf, Pferdehals und -gliedern und glänzendem Gefieder, und klarmacht, dass so etwas in einer ordentlichen Dichtung nichts verloren habe, sondern nur in Fieberträumen seinen Platz habe.
Das Büchlein ist sehr nett zu lesen und mit Anmerkungen, einem Nachwort und Literaturhinweisen versehen. Ganz ordentlich, abgesehen vom Missstand der Prosa-Übersetzung.

 

Rainer Kottmann: Die große Häuptlinge der Apachen
Kompakte Überblicksdarstellung, die sich den vier Häuptlingen Mangas Colorados, Cochise, Victorio und Geronimo widmet. Geboten werden, so weit bekannt, biografische Informationen und Darstellungen ihrer Kämpfe gegen die Weißen. Letztere sind naturgemäß am besten dokumentiert. Man erfährt etwas über Strategien und Ziele, über die für die Apachen günstige Situation im Grenzland zwischen USA und Mexiko, über Verträge, Verrat und Verbannung. Außerdem gibt es ein paar allgemeine Informationen über die Apachen und ihre Herkunft. Reich bebildert. Mit Literaturhinweisen und einem Register. Hilfreich.

 

Wolfgang Berger: Weißer Vater

 

Kerstin Lange: Rebenfluch
Lokalkrimi aus der Eifel. Camper Christof, der auf einem Campingplatz in Nideggen lebt, ist den Lesern bereits bekannt aus seinem ersten Fall, "Grasträume". Nun geht es um einen Überfall auf einen Aachener Juwelier und einen Mord. Bei dem Überfall wurde einer der Verbrecher angeschossen. Er erinnert sich, dass er in Nideggen noch eine "alte Bekannte" aus Jugendtagen hat, und zwingt sie mit vorgehaltener Waffe, seine Wunde zu versorgen. Ärztin Ramona erinnert sich zunächst nicht mehr an ihn, doch er fühlte sich in seiner Kindheit von Ramonas Familie gedemütigt und hat noch eine Rechnung mit ihr offen. Als sie ihm Betäubungsmittel in seinen Whisky gießt, wird er schläfrig, aber es reicht noch für einen Mord. Wenig später wird Camper Christof in den Fall hineingezogen ... Spannend und angenehm zu lesen, nicht nur für Leute aus der Gegend interessant.

 

Hörbuch/Hörspiel

 

Achim Reichel: Ich hab das Paradies gesehn
Achim Reichel kann nicht nur gut singen, sondern auch gut erzählen, und er hat auch eine sehr schöne Vorlesestimme. Vor allem aber hat er viel erlebt, ein paar Jahrzehnte Musikgeschichte breitet er vor einem aus. Von Kinderabenteuern im Hamburger Hafen über erste Auftritte im Starclub, Die Rattles, die "Machines"-Zeit, Wonderland, die Shantys und Balladen ... Ich hätte auch noch ein paar Stunden länger zuhören können. Etwas ärgerlich ist, dass beide CDs, zumindest meine, am Ende plötzlich mitten im Satz mit einem Kratzen abbrechen. Aber da hatte ich die Quittung schon nicht mehr, wer bewahrt sowas auch auf? Und die Tracks hätten gern etwas kürzer sein dürfen. Wenn man sich eine bestimmte Stelle nochmal anhören möchte, weil zum Beispiel das Navi dazwischengequatscht hat, und dann die letzte halbe Stunde wiederholen muss, ist das, trotz der schönen Erzählstimme etwas anstrengend.

 

Alexander Emmerich: Abenteuer und Wissen: Der Wilde Westen - Pioniere, Glücksritter und Eisenbahner
Hörspiel, dessen besonderer Schwerpunkt auf der Eisenbahn liegt. Eigentlich geht es fast nur um die Eisenbahn. Stimmungsvoller Beginn ist der Augenblick, an dem sich die Bahnarbeiter, die von Osten und Westen kommend die Bahnlinie gebaut haben, treffen und es zum großen Lückenschluss kommt. Spannend, aber ich hätte mir doch ein paar mehr Infos bzw. ein breiteres Panorama gewünscht als nur Eisenbahn. Okay, ein wenig erfährt man auch über das Schicksal der Indianer und Büffel - in der Folge des Eisenbahnbaus eben.

 

Kira Kolumna 5: Klima-Krach
Kira ist entsetzt. Als sie zu ihrem Lieblingsplatz am Fluss kommt, steht sie plötzlich vor einem Bauzaun. Die alten Bäume sollen gefällt werden, hier entsteht eine Baustelle. Kira will das verhindern. Sie organisiert eine Demonstration, schreibt einen flammenden Aufruf in ihrer Lokalzeitung, organisiert den Widerstand über das Internetportal "Klima-Alarm". Besonders die alte Nachbarin Frau Machnikowski tut sich im Malen von Plakaten und Erfinden von Slogans hervor. Auch die Baurätin stellt sich - im Namen ihrer Öffentlichkeitsarbeit - auf der Demo neben Kira und versichert, sie wolle "den Fall noch einmal prüfen". Aber Pustekuchen. Kurz darauf heult die Kettensäge auf, der erste Baum fällt. Sollte ausgerechnet die eitle Hohl-Tussi Saskia jetzt noch etwas ausrichten können, um die Bäume zu retten ...?
Eine Folge über ein extrem wichtiges und hochaktuelles Thema. Allerdings auch die am wenigsten überzeugende Folge. Klar, ein Kinder-Hörspiel braucht ein Happy End. Aber dass es am Ende so einfach geht, nein, das glauben auch junge Hörer nicht. Gerade junge Hörer nicht, die gegen die Klima-Katastrophe kämpfen.
Immer noch eine gute Folge, aber die Kira-Macher sind hier weit unter der bisher gezeigten Qualität geblieben.

 

Kira Kolumna 6: Sommer in Südberg
Abenteuer pur: Zwei Mädchen, etwa in Kiras Alter, kommen mit ihrem Hausboot nach Südberg. Sie reisen von Ort zu Ort und handeln mit selbst genähten Taschen. Das Ganze hat etwas von Huckleberry-Finn-Feeling. Als Kira und Nele in den Sommerferien über den Südberger Markt streifen und die genialen Taschen-Unikate entdecken, sind beide hin und weg. Sie freunden sich mit den Hausboot-Mädchen an. Kira schreibt an einer großen Reportage über ihre beiden neuen Freundinnen, während Nele begeistert mit-designt und tolle Ideen für die Taschen-Gestaltung entwickelt. So eine Sonnenuntergangstasche, das wäre doch das Allergrößte. Neles Mutter aber ist entsetzt über die neue Bekanntschaft ihrer Tochter. Wie sieht es denn aus mit der Schule, und was wollen sie später einmal werden?, fragt sie inquisitorisch. Und dann sind da auch noch diese Diebstähle und der verschwundene Laptop. Haben die beiden etwa lange Finger gemacht?
Abenteuerlich, spannend, sommerlich und mit dem Duft der Freiheit. Bisher meine Lieblingsfolge von Kira Kolumna.

 

Weitere Jahresrückblicke
Teil 1 - Januar bis März 2024
Teil 3: Juli bis September 2024
Teil 4: Oktober bis November 2024
Teil 5: Dezember 2024

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick 2024 - Teil 1: Januar bis März

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 28 Dezember 2024 · 426 Aufrufe
Jahresrückblick

Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende zu. Zeit, zurückzublicken auf zwölf Monate Lesen und Schreiben. Bevor ich euch meine Lesefrüchte des vergangenen Jahres präsentiere, noch ein kurzer Blick auf mein Autorenjahr. Veröffentlicht habe ich dieses Jahr nichts, aber ich habe einige Projekte abgeschlossen, die mich schon einige Zeit begleitet haben. Da ist zunächst einmal "Das intergalaktische Bestiarium" zu nennen. Es geht um eine Art kosmischen Professor Grzimek, der über seine Abenteuer mit Tieren, Pflanzen und sonstigen seltsamen Wesen fremder Planeten berichtet. Das Besondere an dem Buch sind die Zeichnungen von Thomas Hofmann, der mich immer wieder mit seinen schrägen, gruseligen oder ulkigen Kreaturen überraschte, und ich saß immer wieder dem Wahnsinn nahe vor der Mailbox und rief: "Um Himmelswillen, was hat der Irre sich da schon wieder ausgedacht!" Jedenfalls war es eine ausgesprochen bereichernde und immer wieder neue Horizonte eröffnende Zusammenarbeit. Was dabei herausgekommen ist? Das Ergebnis werdet ihr im Frühjahr in der Edition Dunkelgestirn bestaunen können. Und wer die Bücher von Eric Hantsch kennt, weiß, dass der Mann Bücher macht, die einfach nur zum Niederknien und Anbeten sind.
Ebenfalls abgeschlossen habe ich das Manuskript über die dreibeinige Straßenhündin Bertha und das Sonnenpferd. Das ist eine Geschichte, die ich schon seit einigen Jahren mit mir herumtrage. Auftraggeberinnen waren meine Nichte und zwei ihrer Schulfreundinnen. Wie es dazu kam, habe ich hier aufgeschrieben. Wann und wo das Buch erscheint, kann ich noch nicht sagen. Drückt mir die Daumen, ja?
Das dritte Manuskript, das fertig wurde, sind die "Buchfinkenmärchen". Hier geht es um fünf freche Vögel und ihre Abenteuer in einem klassischen deutschen Laubmischwald. Die Geschichten basieren auf den Gute-Nacht-Geschichten, die mein Vater mir früher jeden Abend zum Einschlafen erzählt hat. Jetzt habe ich 50 von ihnen aufgeschrieben. Das Manuskript ist allerdings noch nicht Korrektur gelesen, und es muss noch an einigen Stellen poliert werden. Die Verlagssuche starte ich wohl nächstes Jahr. Auch hier die Bitte um einen kräftigen Daumendruck.
Ansonsten habe ich den Kurzroman "Der Schwur der Falkin" fast abgeschlossen. Es handelt sich um das fünfte Abenteuer meiner Walküre Valkrys, genannt "Die Falkin". Teil eins bis vier könnt ihr im Band "Falkenblut", der im Hottenstein-Verlag erschienen ist, nachlesen.
Abschied musste ich von zwei Verlegern nehmen. Ernst Wurdack hat seinen Verlag im November geschlossen. Jörg Kaegelmann hat seinen Blitz-Verlag an ein jüngeres Team übergeben. Beiden wünsche ich einen glücklichen Ruhestand.
Vermelden kann ich für dieses Jahr einen kleinen Meilenstein: Dieses Blog hat die Drei-Millionen-Marke geknackt. Im April zeigte mir der Zähler 3.000.000 Zugriffe an. Arbeiten wir also weiter, es gibt ja noch mehr Millionen ...
Ich hatte einige Lesungen. Das Jahr begann mit einer Veranstaltung der Hildesheimlichen Autoren auf der Hildesheimer Meile der Demokratie, bei der ich aus meinem Roman "Das Herz des Donnervogels" vorlas. Ebenfalls mit dem Donnervogel war ich beim Kunstkreis Laatzen zu Gast. Beim Braunschweiger Conventus Leonis habe ich aus der "Schlagzeile" vorgelesen, aus "Nestis und die verschwundene Seepocke" beim Hildesheimer Magdalenenfest. Zum Kindefest im Rhüdener Freibad trug ich "Die Rache der Heinzelmännchen" vor, und im Hahnenkleer Kurhaus war ich mit "Furunkula Warzenkraish" bei den Märchenwochen zu hören. Außerdem gab es eine Horror-Lesung meiner Kollegin Sabine Kempfer, die im Goslarer Zinnfiguren-Museum meine Geschichte "Der schwarze Frosch" vortrug. Ich besuchte die Leipziger Buchmesse, den Marburg-Con, den Conventus Leonis, den BuCon und das Nürnberger Autorentreffen.
So weit erstmal. Demnächst mehr.

 

Hier nun also meine Lektüreliste des ersten Quartals 2024. Es ist das übliche Gemisch: Ein bisschen Phantastik und Indianerbücher, etwas von und über Karl May, Sprachwissenschaft, Comics, Lyrik und Sachen aus Goslar. Vielleicht ist ja etwas für euch dabei.

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

Januar

 

Nancy M. Armstrong: Kee. Der lange Marsch der Navajo

 

Wilhelm von Humboldt: Über die Sprache. Reden vor der Akademie
Der Sammelband enthält Reden Wilhelm von Humboldts, die dieser vor der Berliner Akademie über seine Forschungen zum Thema Sprache gehalten hat. Der Band ist in der Reihe UTB für Wissenschaft erschienen, enthält einen Anhang, Hinweise zur Einordnung und zum Verständnis der Texte und ein Literaturverzeichnis. Dokumentiert sind auch die Daten und Orte (Plenum, hist.-phil-Klasse, öffentliche Sitzung) sowie Anlässe, bei denen Humboldt gesprochen hat, auch die Eintragungen aus den Sitzungsprotokollen sind beigegeben.
Es handelt sich um eine erweiterte Version eines zuvor erschienenen Sammelbands. Eine Warnung: Es ist keine Gesamtausgabe aller Akademiereden Humboldts über Sprache, sondern ein Auswahlband. Zwei Reden, nämlich über "Die Sprachen der Südseeinseln" und "Über die Verwandtschaft der Ortsadverbien mit dem Pronomen in einigen Sprachen" wurden gekürzt. Das ist schade, zumal es mir beim Kauf des Buchs nicht klar war. Dass es sich um gekürzte Texte handelt, geht lediglich daraus hervor, dass im Inhaltsverzeichnis hinter dem Redentitel ein "[gek.]" vermekt ist.
Positiv hervorzuheben ist auf der anderen Seite, dass die Rede "Über das Verbum in den Americanischen Sprachen" hier erstmals im Druck erscheint, der Text wurde von Manfred Ringmacher aus der Handschrift rekonstruiert. Insgesamt hat Humboldt 26 mal vor der Akademie gesprochen und 17 Reden gehalten (einige doppelt), nicht alle betrafen das Thema Sprache.
Im Buch finden sich Klassiker wie die Dualis-Schrift oder "Über das vergleichende Sprachstudium", Humboldt referiert über den grammatischen Bau der chinesischen Sprache, über den Charakter von Sprachen und über das Entstehen grammatischer Formen, er geht der Frage nach, welchen Zusammenhang die Buchstabenschrift mit dem grammatischen Sprachbau hat, und legt dar, welche Aufgabe ein Geschichtsschreiber hat - auch dies ein Thema, das für Humboldt vorrangig das Thema Sprache betrifft.
Insgesamt eine sehr schöne und wichtige Sammlung. Wer sich von dem etwas spröden Sprachstil Humboldts nicht abschrecken lässt, findet hier viele Goldkörner.

 

Thorgal Saga: Adieu, Aaricia

 

Phillis Wheatley: Nie mehr, Amerika!

 

Hans-Martin Gutmann: Fatales Nichtverstehen - Luther und der Bauernkrieg

 

Fabienne Siegmund: Sommerkuss. New York Seasons 1
Zauberhaftes modernes Märchen um eine große Liebe, ein gebrochenes Herz und einen Vater, der seine Kinder vor der Liebe und dem Schmerz schützen will und dabei die größte Grausamkeit der Welt begeht. Die Geschichte spielt in New York, was mich zunächst abgestoßen hat, doch Fabienne Siegmund kann auch den Central Park mit Einhörnern bevölkern und über der Stadt, die nie schläft, ihren Zauber ausgießen ... Ich habe das Buch antiquarisch erworben. Soweit ich es sehe, ist es aktuell nur noch als eBook zu erhalten.
Die Hauptfigur ist die 16-jährige Rain, die sich in einen seltsamen Jungen verliebt. Lange Zeit ahnt sie nicht, dass Christian kein normaler Mensch ist, doch es stellt sich heraus, dass sie sich in den Sohn von Väterchen Frost und der Schneekönigin verliebt hat. Und auf Christian lastet ein Fluch.
Der Leser begegnet zauberhaften Kreide-Pflasterbildern, den Einhörnern vom Turtle-Pond, einem Eisbäumchen mit magischen Blüten, einem geheimnisvollen Zirkus. Rain selbst hat die ungewöhnliche Fähigkeit, das Glück sehen zu können, allerdings meist erst dann, wenn es geht. Und ihre Freundin Abby besitzt das erstaunlichste Orakel der Welt, eine Sammlung aus Gerümpel-Runen. Rain macht sich auf die Suche nach dem verschwundenen Christian, sie findet Freunde auf dem Weg durch Glas, Eis und Scherben. Und dann ist da noch Danny, der Sohn des Sommers ... Ein wunderschönes Buch. Bleibt zu hoffen, dass es einmal wieder als gedruckte Ausgabe erhältlich sein wird.

 

Klaus Farin: Karl May. Ein Popstar aus Sachsen
Sehr schöne, illustrierte, liebevoll aufgemachte Hardcover-Ausgabe. Das Buch erschien erstmals 1992, die vorliegende Ausgabe kam im Jahr 2012 im Archiv der Jugendkulturen heraus. Der Tonfall ist, wie auch schon der Titel andeutet, fluffig und etwas flapsig, etwas respektlos und humorvoll, leicht lesbar. Die kurzen Kapitel bieten Infos über Mays Leben, über seine Wirkungsgeschichte, über den Umgang der Nazis und der DDR mit Mays Büchern und ein kritisches Kapitel mit dem Titel "May light. Freuden und Leiden einer Fälscherwerkstatt" geht mit den Bearbeitungen, die der Karl-May-Verlag am Werk "seines" Autors vornahm, und weiteren überarbeiteten und "verbesserten" Versionen ins Gericht. Stimmen von prominenten Karl-May-Fans, ein Literaturverzeichnis und ein Karl-May-Kreuzworträtsel runden das Buch ab. Das Buch ist sehr amüsant und gut lesbar, an den flapsigen Tonfall muss man sich etwas gewöhnen, es ist aber okay. Inhaltlich muss man feststellen, dass der Text nicht mehr auf dem neuesten Stand ist (Wie sollte er das auch, über 30 Jahre nach der Erstveröffentlichung?) So wird im Kapitel über Mays Kindheit und Jugend ausführlich darüber berichtet, dass der Schriftsteller in den ersten fünf Jahren aufgrund von Mangelernährung blind gewesen sei - eine von May selbst in die Welt gesetzte Legende, die von der Forschung inzwischen ins Reich der Fabel verwiesen wurde.

 

Teufelsgarn
Die "Garn"-Anthologie aus dem Leseratten-Verlag bieten Funtastik von Feinsten, und auch diesmal erwartet die Leser ein höllischer Lesespaß. Ob der Sohn des Teufels als Eignungsprüfung einen alkohol-liebenden Jogginghosenträger abholen soll, aber daran scheitert, dass der freundliche und hilfsbereite "Kunde" sich einfach nicht erschrecken kann. Ob Lemmy Kilmister wegen der höllenwürdigen Kombination von Bass und Plektrum eine Fahrkarte nach Süden bekommt. Ob der Teufel beim Würfelspiel die Hölle verliert und die Apokalypse einfach nicht kommen will. Es sind einfach heiße Geschichten, die einem fast Lust auf das übel beleumundete Gefilde Lucifers machen. Da geht es um einen Mord im teuflischen Casino, um Burnout und Energieprobleme, ein Einhorn mit seltsamen Ansichten taucht auf, und ab und zu schaut auch der in Großbuchstaben redende Sensemann vorbei. Herrlich schräg, teuflisch gut und ein echt heißer Lesehappen für zwischendurch.

 

 

Hörspiel

 

Daniela Wakonnig: Johann Wolfgang von Goethe

 

 

Februar

 

Uwe Henrich: Grenzen überwinden. Rudolf Steiners "Philosophie der Freiheit"
Der Autor lebt in Hahnenklee bei Goslar. Daher habe ich in der Goslarschen Zeitung einen Artikel über das Buch veröffentlicht. Es ist dann aber eher ein Porträt als eine Buchbesprechung geworden. Ich hab's nicht so mit Steiner. Meinen Artikel findet ihr hier.

 

Bessy 78: Ajax der Dobermann
Neuausgabe uralter Kinderträume. In diesem Abenteuer wird Andy von zwei Schurken überfallen, die ihm sein Pferd klauen. Der Junge mit dem Collie erhält aber Hilfe von einem in der Nähe lebenden Goldsucher und seiner Tochter. Problem: Die junge Frau ist in einen der beiden Banditen verliebt. Und dann ist da auch noch Ajax, der Dobermann des Nachbarn Old Zack. Er und Bessy freunden sich an und haben einige gefährliche Begegnungen mit den Banditen. Die Luft ist ausgesprochen bleihaltig.
Das Nachwort bietet einige Informationen zu Klaus Dill, Cover-Gott der Serie, der einen Großteil zum Verkaufserfolg der Hefte beitrug. Sehr schön. (Manchmal wünscht man sich ja ein Bessy-Album, das durchgehend von Klaus Dill gezeichnet wurde ...)

 

Nicole Rensmann: Ariane, Bastian, Luzifee und Co.
Liebenswürdige und zauberhaft illustrierte Sammlung mit sieben Kindergeschichten. Es geht um eine Storchendame, die Babys ausliefert, aber selbst keine Kinder kriegt - bis sie am Ende ein liegen gebliebenes Päckchen mit einem Krokodilbaby entdeckt. Es geht um ein Teufelsmädchen, das unbedingt den Weihnachtsmann treffen möchte. Um eine Fledermaus, die vom "kopfunter" Schlafen immer Kopfschmerzen bekommt. Der Leser erfährt etwas über Wollmonster, die in der Waschmaschine leben und Löcher in Kleidungsstücke fressen. Ein Panda, der keinen Bambus essen mag, aber Blumen liebt, und ein Tiger, der sich krank langweilt, kommen ebenfalls im Buch vor. Und man begegnet schließlich einem Flamingo, der seine rosa Federfarbe leid ist und Experimente mit gelbem und grünem Paprika macht. Eine sehr schöne Sammlung, freundlich und liebenswert, und auch für Große eine schöne Lektüre.

 

Comanche, Gesamtausgabe 4
- Das Geheimnis von Algernon Brown
- Die Wilden
- Ein Dollar mit drei Seiten
Vierter Band der edlen Hardcover-Edition im Splitter-Verlag. Erneut sehr schön und gehaltvoll mit reichlich Zusatzmaterial, darunter Infos zum Hintergrund der Serie, Skizzen und einseitige Kurzcomics rund um Red Dust.
Diesmal geht es um einen mysteriösen Toten, der nahe der Triple-Six-Ranch gefunden wird. Die Papiere des Erschossenen weisen ihn als einen gewissen Algernon Brown aus, einen Tunichtgut, Revolvermann und - Pinkerton-Agenten? Red Dust reitet nach Laramie, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen. "Die Wilden" handelt von einem Verbrechertrio, die drei sind Überbleibsel eines Quartetts, das sich "Die wilde Horde" nannte - alte Bekannte von Red, der nun (einmal wieder) von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Los geht es mit einem Postkutschen-Überfall und einem blutigen Gemetzel, es folgt ein eindrucksvoller Auftritt der Cheyenne, die auf Reds Seite sind, schließlich eine Verfolgungsjagd mit sehr interessanten Tauchszenen und einer unterirdischen Höhle voller Wasser. Der "Dollar mit drei Seiten" ist das, was wir im Deutschen als einen "falschen Fuffziger" bezeichnen würden. In dieser Folge taucht Reds kleiner Bruder Cameron auf, man erfährt den echten Namen von Comanche und etwas über Dusts Kindheit. Cameron erweist sich überraschenderweise als ziemlich reicher Schnösel - und als ein ganz übles Früchtchen.
Der Sammelband ist geprägt von einem großen Umbruch, sprich: Hermanns Ausstieg aus der Serie und dem Einstieg vom Michael Rouge (ab "Die Wilden"). Ein Wechsel, den viele Fans damals nicht goutierten. Naja, ich fand die Rouge-Zeichnungen jetzt bei der Wieder-Lektüre gar nicht sooo schlecht. Aber Legende ist halt Legende, und die Fußstapfen waren groß ...

 

Thomas Ostwald: Auf der Spur

 

Karl May: Schacht und Hütte
Zunächst zum Titel: Es geht hier nicht um Geschichten über Bergleute, sondern es handelt sich um Beiträge Karl Mays, die in der Bergmanns-Zeitung "Schacht und Hütte" erscheinen sind. Sie dienten der Unterhaltung der Leser, sind aber gerade keine Berufslektüre, sondern Erzähltexte und Informationen aus aller Welt.
Angeschafft habe ich mir den Sammelband, weil darin die Novelle "Wanda" enthalten ist. Ich bin ja wegen meines "Donnervogel"-Romans immer noch hinter allem her, was Karl Mays Interesse an Fliegerei betrifft. Klar, dass ich mir da die Geschichte über die "tolle Polin" und ihren dramatischen Ballonflug anschaun musste. Wanda von Chlowicki ist eine mutige, abenteuerlustige Frau, die durch eine testamentarische Verfügung ihres Vaters gezwungen werden soll, den Sohn von dessen Freund zu heiraten. Allerdings hat sie den Mann zuvor nie kennen gelernt - und der Mensch, der jetzt als ihr Verlobter auftritt, ist ein Hochstapler, der den eigentlich vorgesehenen Bräutigam um die Ecke gebracht hat. Außerdem hat sich Wanda in den Schornsteinfeger Emil Winter verliebt. Der ist zwar nicht ganz standesgemäß, aber ein tüchtiger Mann, tapfer und heldenhaft, obendrein veröffentlicht er Gedichte. Bereits zu Beginn zeigt er sich als Lebensretter, indem er bei einem Brand auf das Dach eines Hauses steigt und die von den Flammen eingeschlossene Familie herausholt. Und als Wanda eine Ballonfahrt mit einem Schausteller wagt, die sich als Todesfalle für die reiche Erbin entpuppt, ist es Winter, der sich am Ankerseil in den Ballonkorb emporarbeitet und die Geliebte rettet.
Auch sonst hat die Sammlung einige interessante Fundstücke zu bieten. Da ist der zweite große Erzähltext, "Die Fastnachtsnarren", die Geschichte zweier verfeindeter alter Herren, deren Kinder einander lieben. Die beiden Senioren schicken einander einer örtlichen Tradition gemäß zur Fastnacht "in den April". Und der Brautvater will seine Einwilligung zur Heirat nur geben, wenn er den jährlichen Verlade-Wettstreit verliert. Doch sein Gegner hat einen gewitzten Sohn, der im Streiche-Ausdenken die beiden Alten souverän in den Schatten stellt.
Der Band enthält außerdem Mays "Geografische Predigten". Das sind hochinteressante Aufsätze über Berge, Flüsse, Wälder, Wüsten und ihre Bedeutung für den Menschen, das Ganze eben mit einem gewissen salbungsvollen Tonfall - und mit Rückkopplung auf den Schöpfer. Manchmal für den heutigen Leser etwas anstrengend, aber sehr aufschlussreich. May jedenfalls sagte: ".wer die 'Geographischen Predigten' nicht gelesen hat, ist vollständig unfähig, meine Voraussetzungen und Ziele zu kennen, meine Art und Weise zu begreifen, mein Denken und Wollen zu verstehen und ein gerechtes Urteil über meine Werke zu fällen; die Herren von der Kritik haben aber, wie es scheint, nicht die mindeste Notiz von ihnen genommen."

 

März

 

Malcolm Max: Der Kannibale von London

 

Erich Loest: Swallow, mein wackerer Mustang
Klassiker. Romanbiografie, erzählt im Präsens, über das Leben Karl Mays. Spannend, teilweise beklemmend. Und irgendwie auch immer wieder wie ein Wunder. Wie der "Züchtling" im Gefängnis in Waldheim zu fabulieren beginnt, sich mit seiner Phantasterei Rügen und Strafen einfangt, aber irgendwie doch herausfindet, ein Angebot von einem Verleger erhält, zwar "nur" Kolportage-Romane, aber ein Auskommen hat, mit dem nach der Zuchthaus-Karriere niemand mehr hätte rechnen können. Der Erfolg. Die Angst. Der Absturz. Eingeholt werden von der "kriminellen" Vergangenheit. Die üble Nachrede. Der Ruf, ein "Schundliteratur-Autor" gewesen zu sein. Der Ärger mit Emma, die ihn nie verstand, die nur den Ruhm wollte und das Geld mit vollen Händen verprasste ... (Möchte einmal etwas Freundliches über Mays erste Ehefrau lesen.) Dann ein letzter, größter Höhepunkt: Empor ins Reich der Edelmenschen ... Fieberträume. "Sieg, großer Sieg, ich sehe alles rosenrot!" als letzte Worte. Lesenswert, gut getroffen, ein Muss für jeden Karl-May-Fan.

 

Kerstin Groeper: Grauer Wolf. Ein Indianer-Junge will nach Hause

 

Miriam Rademacher: Talisman und der reisende Riese

 

Hildesheimliche Autoren: Anthologie #6
Die sechste Anthologie meines Hildesheimer Autorenvereins. Ich selbst bin diesmal nicht dabei, darum kann ich völlig unparteiisch sagen: Es ist eine der besten des Vereins, vermutlich die zweitbeste Anthologie nach der Sammlung zum Stadtjubiläum. Enthalten sind 24 Kurzgeschichten von zwölf Autoren. Ein gemeinsames Thema gab es diesmal nicht, die Bandbreite erstreckt sich vom Krimi bis zum Familiendrama, von heiteren Episoden über Historisches bis hin zur Science Fiction und Fantasy. Lesenswert.

 

Weitere Jahresrückblicke
Teil 2: April bis Juni 2024
Teil 3: Juli bis September 2024
Teil 4: Oktober bis November 2024
Teil 5: Dezember 2024

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick V: Dezember 2023

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 01 Januar 2024 · 1.087 Aufrufe
Jahresrückblick

Und hier der Abschluss meines Jahresrückblicks. Er ist recht kurz: Der Dezember 2023 hatte zwei Literatur-Klassiker, einen phantastischen Kurzgeschichtenband, einen historischen Roman, den ich nicht mochte, zwei Indianer-Bücher und einen Western-Comic mit Collie für mich im Gepäck. Ich wünsche euch viel Vergnügen damit. Und für das neue Jahr immer ein gutes Buch zur Hand!

 

Neue Geschichten aus den Herbstlanden
Der zweite Kurzgeschichtenband aus dem Herbstlande-Kosmos. Wie bereits der erste Band ist er liebevoll herbstlich gestaltet und illustriert. Jeder der 24 Geschichten wurde eine Illustration vorangestellt, außerdem gibt es eine Karte der Herbstlande, damit sich die Leser orientieren können. Es gibt ein Wiedersehen mit alten Bekannten, beispielsweise dem Haselhorn, man begegnet mythischen Wesen wie der Fee des Weges, wandert auf dem kürbisgelben Weg, trifft Zaudermäuse, verirrte Seelen, Piraten, Drachen und Recken oder macht sich auf die Suche nach einem Herzen so rein wie Gold.
Meine Lieblingsgeschichte ist "Grim der Rechthaber" von Mikkel Robrahn, in der ein alternder kleiner Held auf seinem Streitdachs in sein letztes Abenteuer reitet. Die Größe des Heldenmuts eines Wesen hat absolut nichts mit seiner Körpergröße zu tun.
Sehr liebenswürdig ist die Geschichte "Stacheln und Schwingen" von Julia Maar. Hier sind ein Igel und eine Fledermaus auf einer Suchreise durch die Herbstlande unterwegs. Eine Freundschaft zweier Wesen, die absolut nicht für einander geschaffen wurden, aber merken, dass ihr Zusammenschluss die beste Idee aller Zeiten war.
Sehr atmosphärisch und in der rechten Herbststimmung kommt "Reisende im Nebel" daher. Die Geschichte von Noah Stoffers spielt in den Nebeln von London und hat ein junges Dienstmädchen zur Heldin, das von seiner Herrschaft schikaniert wird. Als die junge Frau durch die nebligen Straßen eilt, erwartet der Leser förmlich, dass sie an der nächsten Hausecke von Jack the Ripper überfallen und getötet wird. Aber es kommt ganz anders.
Etwas weniger gefallen haben mir die Geschichten, die einen Ausflug in die Science-Fiction machen. Ich fand, sie passen nicht richtig ins Herbstlande-Milieu. Aber das ist natürlich eine Entscheidung der Weltengründer. Ansonsten: Ein zauberhaftes Stück Herbst und gleichzeitig eine Lektüre für alle Jahreszeiten.

 

Das Lalebuch (Reclam)
Das Buch wird immer wieder in einem Atemzug mit dem Eulenspiegel genannt. Ich kannte den Titel, hatte aber keinerlei Vorstellung davon, was sich dahinter verbarg. Des Rätsels Lösung: Es ist die Urfassung des Schildbürgerbuchs. Die Geschichten darin kennt ihr alle, da bin ich sicher.
Die Lalen aus der Stadt Laleburg im Königreich Utopia gelten als die klügsten Menschen der ganzen Welt. Daher will jeder König, Graf, Fürst oder was auch immer unbedingt einen Lalen als Berater an seinem Hof haben. Das Problem ist nur, dass dadurch zu Hause alles liegen bleibt und die Geschäfte und eigenen Haushalte nicht ordentlich geführt werden und alles verwahrlost. Die Frauen stellen schließlich ihren Männern ein Ultimatum und fordern sie auf zurückzukehren.
Wie soll es weitergehen? Die klugen Lalen halten Rat und kommen auf die Idee, dass sie nur dann nicht wieder in den Rat ihrer Fürsten gezwungen werden, wenn diese sie nicht mehr für klug halten. Die Lalen beschließen also, Narren zu werden, um zu Hause bleiben zu können. Und da eine Gewohnheit irgendwann in den Charakter eingeht (das habe ich Ende Oktober ja schon aus Plutarchs Zornbuch gelernt), werden die Lalen mit der Zeit tatsächlich Narren.
Schon beim Bau ihres neuen Rathauses stellen sie allerlei Blödsinn an. Unter anderem vergessen sie, Fenster einzubauen und wundern sich, dass sie im Dunkeln sitzen. Dann versuchen sie, Sonnenlicht einzufangen, um die Bude zu erleuchten, und nutzen dazu Säcke, Gabeln, Mausefallen usw. Kurzum, sie stellen sich handwerklich so dumm an wie ich ... Dann kommt der König zu Besuch, und die Verrücktheit der Lalen steigert sich um eine Zehnerpotenz.
Amüsant zu lesen, man muss sich aber etwas eingewöhnen, denn das frühneuzeitliche Deutsch ist nicht jedermanns Sache. Aber es lohnt sich. Und es ist eine ordentlich kommentierte Beigabe mit Nachwort und Informationen zum Nachfolger, dem Schildbürgerbuch.

 

Ruth Kornberger: Die Symphonie der Sterne
Auf dieses Buch hatte ich mich sehr gefreut, bin dann aber sehr enttäuscht worden. Ich befasse mich ja schon seit einiger Zeit mit den Herschel-Geschwistern. Caroline und Wilhelm Herschel waren bedeutende Astronomen des 18. Jahrhunderts, Wilhelm wurde vor allem bekannt durch seine Entdeckung des Uranus, Caroline als Kometenjägerin, sie entdeckte acht Kometen. Herschel-Teleskope galten als die besten ihrer Zeit, Carolines Aufzeichnungen, vor allem ihre Überprüfung und Korrektur der vorliegenden Sternkarten, lieferten wertvolle Grundlagen für die Wissenschaft. Nun also ein historischer Roman über Caroline. Wie gesagt, ich habe mich sehr darauf gefreut. Du hast dich gefreut, ist das nichts?
Der Titel ist genial. "Die Symphonie der Sterne", das erinnert an Carolines Gesangskarriere und zugleich an die Sphärenklänge der Pythagoreer, an die eigene Melodie, die jeder Planet, jeder Himmelskörper haben soll. Tatsächlich aber "tönt" dieses Buch nicht. Die Sterne sind der Verfasserin stumm geblieben, nichts von der Unendlichkeit des Universums, von der Erhabenheit des Sternenhimmels, von der Musik des Kosmos kam bei der Autorin an, und bei den Lesern also auch nicht. Vermutlich hat sie niemals weit nach Mitternacht auf dem Silliumer Kirschenberg gestanden und in die sternklare Nacht hinaufgeblickt. Ja, sie erwähnt Sterne ab und zu, notgedrungen. Aber ihr Sternenhimmel lebt nicht, er schmeckt nach Papier. Ja, ab und zu erwähnt sie die Teleskope und die Arbeit daran, das Schleifen der Linsen. Aber das Ganze wirkt einfach nur wikipediert. Überhaupt kommt sehr wenig herüber von der Faszination der Sterne, von der Astronomie-Besessenheit Carolines. Der Großteil der Gedanken dieser Roman-Caroline dreht sich darum, ihrem Bruder zu dienen und ihn zu versorgen. Ganz so, als hätte sie die Symphonie der Sterne niemals selbst gehört.
Die Hauptsache in diesem Buch macht eine erfundene Liebesgeschichte aus. Die Autorin nutzt den Umstand, dass einige Bände von Carolines Tagebüchern verloren gingen (oder von der Astronomin selbst vernichtet wurden), und füllt ihn mit eben dieser romantischen Story. Ganz ehrlich? Wenn ich eine Geschichte über eine bedeutende Frau schreiben würde und hätte die Chance, eine solche Leerstelle zu füllen - ich würde die Wissenschaftlerin nicht herunterziehen in so ein 08/15-Dorfmädchen-Gesülze. Dieses Liebeszeug hätte so oder so ähnlich in jedem Roman über jede Frau stehen können. Aber es ist nicht spezifisch Caroline-Herschelisch, sondern banal.
Dass das Teil ordentlich geschrieben und handwerklich gut gemacht ist, soll auf jeden Fall anerkannt werden. Es mag den Leserinnen historischer "Die ...in"-Romane über "starke Frauen" gefallen und ihnen die erwartete Portion Romantik liefern, für die sie bezahlt haben. Ich fand's doof.

 

Katja Etzkorn: Pine Ridge statt Pinacolada

 

Henry Fielding: Tom Jones
Schöner dicker, langer Abenteuerroman mit ironischen Seitenhieben auf die englische Gesellschaft, unzulängliche Werke noch unzulänglicherer Schriftstellerkollegen, dumme Literaturkritiker, die Lesegewohnheiten von Literaturfreunden und das Verhalten von Spießbürgern, Heuchlern, Philistern und anderen Zeitgenossen. Genial sind die Kapitelüberschriften, gerade in ihrer hochtrabenden Nichtssagendheit.
Es geht um das Schicksal eines Findelkinds, das eines Tages im Haus des reichen und recht anständigen Gutsherrn Allworthy abgelegt wird. Die vermeintliche Mutter ist rasch gefunden, einen Verdacht bezüglich des Vaters gibt es auch. Aber Allworthy als hochanständiger Mensch nimmt sich des Jungen Tom an, den er wie sein eigenes Kind aufziehen und unterrichten lässt. Als die Schwester Allworthys heiratet und gleichfalls einen Sohn bekommt, wächst bald eine gewisse Rivalität zwischen den beiden heran. Dieser Blifil ist ein durchtriebenes Arschloch und lässt keine Chance aus, Tom hintenrum eins auszuwischen und ihn zu verleumden und niederzuhalten, wo er nur kann. Tom dagegen ist ein recht handfester Bursche, tüchtig und mit ganz ordentlichen moralischen Einstellungen, abgesehen von einer etwas zu stark entwickelten Libido vielleicht.
Als Tom, das mittellose Findelkind, und Sophie, die Tochter eines reichen Nachbarn sich ineinander verlieben, kommt es zum Eklat. Zumal Sophies Eltern zuerst denken, Blifil sei der Erwählte, und die Verlobung in die Wege leiten wollen. Blifil will Sophie auf jeden Fall "haben". Nicht weil er sie liebt, sondern um den Erzrivalen Tom zu quälen.
Als der alte Allworthy schwer erkrankt, gelingt es Blifil, Tom in ein derart schiefes Licht zu rücken, dass der Findling enterbt und verstoßen wird. Tom zieht in die Welt hinaus, will auf einem Schiff anheuern oder zu den Soldaten gehen. Auch Sophie ist auf der Flucht. Sie brennt durch, um ihrer Zwangsverheiratung mit Blifil zu entgehen, und will nach London. Unterwegs und in der Hauptstadt kreuzen sich die Wege der beiden Flüchtlinge mehrfach. Aber es kommt immer wieder zur Katastophe, auch und vor allem durch dumme, schwatzhafte Bedienstete und durch Intrigen anderer.
Ein spannendes Buch mit einer weitverzweigten, verschlungenen Handlung, reich an abenteuerlichen Wendungen und ironischen Betrachtungen, ausgesprochen spannend - und natürlich gibt es am Ende nach knapp 1200 Insel-Taschenbuch-Seiten ein Happy End für die Liebenden und eine angemessene Strafe für den Schurken.

 

Bessy Nr. 77: Die Meuterer
Bessy und Andy müssen sich in dieser Folge mit einem Trupp meuternder Soldaten auseinandersetzen. Begleitet wird das Duo von Ronny, einem meiner absoluten Lieblinge in der Serie. Das Besondere: Ronny ist diesmal ohne seinen Adler Rhawik unterwegs. Das kommt in der ganzen Reihe vielleicht zwei- oder dreimal vor. Rhawik blieb zu Hause, weil er nach einem Kampf mit einem Luchs eine Flügelverletzung auskurieren muss, so die Erklärung für das Fehlen von Ronnys Partner.
Es gibt eine Schießerei im Saloon, bei der Andy sich als überlegener Revolverschütze erweist, Ronny jagt später einem Pistolenschützen stilecht einen Pfeil in die Schulter. Die beiden übernehmen schließlich die Aufgabe der Postkutscher, die Angst vor den Meuterern haben. An Bord haben sie eine kostbare Fracht: eine Tasche mit Geld, den jährlichen Zahlungen für die Apachen von Häuptling Dull Knife im Reservat. Klar, dass die Meuterer darauf scharf sind ...
Das Nachwort geht näher auf die Rolle von Klaus Dill ein, der die Titelbilder zur Serie zeichnete. Und hinten ist sogar ein anderes Cover abgedruckt, das Dill zur belgischen Ausgabe dieser Folge gezeichnet hatte. Das hat allerdings mit der Geschichte absolut nichts zu tun. Es zeigt Rhawik, der Bessy über einen Abgrund trägt ...

 

Kerstin Groeper: Indigene Märchen

 

Weitere Jahresrückblicke
Jahresrückblick I: Januar bis März 2023
Jahresrückblick II: April bis Juni 2023

Jahresrückblick III: Juli bis Oktober 2023
Jahresrückblick IV: November 2023

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick IV: November 2023

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 31 Dezember 2023 · 1.088 Aufrufe
Jahresrückblick

Willkommen zum vierten Teil meines Rückblicks auf 2023. Diesmal die Lesefrüchte meines Novembers auf Helgoland. Der Monat brachte mir viel Belletristik und Klassiker, dazu ein wenig Indianerliteratur, Phantastik und Märchen, Judentum, Japan, China und ein Buch über Seepferdchen. Schaut einfach mal herein, vielleicht ist ja etwas für euch dabei. (Ein kurzer Dezember-Nachklapp folgt morgen.)

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

November

 

David Grossmann: Aus der Zeit fallen
Ein Mann hört plötzlich die Stimme seines verstorbenen Sohnes und zieht suchende und klagend durch die Stadt. Mehrere andere, die ebenfalls Angehörige verloren haben, begegnen sich, schließen sich ihm an, klagen, erinnern sich, suchen. Ein großer, gemeinsamer, vielstimmiger Klagechor. Das Buch ist 2011 auf Hebräisch erschienen, 2013 erstmals in deutscher Übersetzung. Aber wenn man es jetzt, nach dem 7. Oktober liest, läuft es einem eiskalt den Rücken runter ...

 

Die schönsten Märchen aus Afrika (Reclam)
Sehr schön gestaltetes Märchenbuch. Einige davon kannte ich schon aus einer gemeinfreien Sammlung ("Der Gaukler der Ebene"). Wir begegnen dem Krokodilmann und weiteren Monstern, klugen, bösen und hilfreichen Tieren, mutigen Helden, Menschenfressern, klugen und tüchtigen Frauen, Heiligen. Eine sehr vielseitige Sammlung, kurzweilig und spannend. Auch gut als Verschenkbuch geeignet. Hat mir Spaß gemacht und las sich sehr leicht.

 

Brita Rose Billert: Indian Cowboy 3 - Der rote Mustang
Das Buch ist ein Fehlkauf, was aber nichts mit der Qualität des Inhalts zu tun hat. Ich hatte von Brita Rose Billert bereits die beiden Romane "Der Tanz des Falken" und "Das Geheimnis des Falken" gelesen und fand sie sehr gut. Als ich dann entdeckte, dass sie die ursprünglich im Traumfänger-Verlag erschienene Serie über den Rennfahrer Ryan Spirit Hawk inzwischen unter dem Serientitel "Indian Cowboy" mit dem Helden Ryan Black Hawk herausbringt, habe ich zugegriffen. Ich habe mir einfach Teil drei bestellt. Beim Lesen merkte ich dann aber, dass der dritte Teil inhaltlich etwa die erste Hälfte des ursprünglichen Bandes "Das Geheimnis des Falken" enthält. Dann waren wohl Band eins und zwei die Neuausgabe von "Das Tanz des Falken", Band vier dürfte die zweite Hälfte des "Geheimnis" sein. Also, ich kannte das Buch schon. Aber es hat nicht geschadet, es zum zweiten Mal zu lesen. Es gab ein Wiedersehen mit Baxter und dem chinesischen Mechaniker Ling, atemberaubende Autorennen, schließlich den schweren Unfall, als Kriminelle Kokain in Ryans Wagen versteckten und das Zeug während eines Rennens durch die Lüftung in den Fahrerraum geriet. Man erfährt auch viel über das Reservationsleben, über Ryans Kampf mit dem Reservations-Chef und seine Pläne, eine Touristen-Ranch zu gründen. Aber alles scheint verloren, als Ryan verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wird ... Wie gesagt, ein guter Roman. Ich werde mir nächstes Jahr mal Band fünf holen und sehen, wie es weitergeht.

 

Anke Brandt: Lucie. Die Hexe von Poel

 

Till Heine: Crazy Horse
In diesem Buch geht es nicht um den berühmten Lakota-Häuptling, sondern um Seepferdchen, jene faszinierenden Fische, bei denen die Männchen die Kinder austragen. Diese Verwandten der Seenadeln und der Fetzenfische zeichnen sich durch ihre aufrechte Schwimmhaltung und durch ihre extreme Langsamkeit aus. Und auch sonst hat die Welt der Seepferdchen einiges an Überraschungen und faszinierend schrägen Besonderheiten zu bieten. Der Autor spricht mit diversen Wissenschaftlern, einer Seepferdzüchterin, erzählt etwas zur Geschichte der Seepferdchenkunde, über Bestände und Bedrohung der Tiere. Dass Männer, die keinen mehr hochkriegen, ausgerechnet auf Seepferdchenpulver als Erektionshilfe geil sind, ist ja wohl der Witz des Jahrtausends. Ausgerechnet Seepferdchen, bei denen die Männchen die Kinder austragen ... Sollen die Deppen sich doch Viagra kaufen. Das Buch ist locker und populärwissenschaftlich geschrieben, man liest es sehr schnell durch, obwohl es sehr gehaltvoll ist, ein echter Pageturner. Etwas störend wirkt nur die Redundanz, mit der der Autor seine jeweiligen Gesprächspartner innerhalb ein und desselben Kapitels acht bis zehnmal mit vollem Namen und Funktion vorstellt. Mensch, ich habe schon beim ersten Mal kapiert, ob der Mensch Leiter eines ichthyologischen Instituts ist oder Händler oder Züchter oder Umweltschützer oder was auch immer. Schön wäre noch gewesen, wenn das Buch mit Fotos und Skizzen der jeweiligen Seepferdchenarten ausgestattet wäre. So sitzt man bei den Beschreibungen ein wenig auf dem Trockenen.

 

Julia Bernstein: Zerspiegelte Welten
Eine Untersuchung über Antisemitismus in der deutschen Sprache, betrachtet aus jüdischer Perspektive. Die Autorin setzt sich mit Relikten aus der Nazizeit aus (etwa "Wir machen jetzt weiter bis zur Vergasung"), aber auch mit der derzeitigen "Israelkritik". Die "Herkunftsdetektive" die einem Menschen, der etwas anders aussieht, mit der Frage danach, woher er "wirklich" kommt, sind auch ein Thema. Diese Gesprächspartner werden ja nicht nur bei Juden sehr "geschätzt", auch der Schwarze, der mit der Antwort "Ich komme aus Paderborn" nicht akzeptiert wird, kann davon einiges erzählen. Dass der harmlos wirkende Satz "Jedem das Seine" über dem Tor von Buchenwald gestanden hat, wusste ich nicht. Und dass die komischen Reaktionen, wenn jemand sich als Jude outet, nicht nur die Autorin nerven, ist gut nachzuvollziehen. Allerdings - es steht nun einmal immer sofort Auschwitz im Raum, wenn der Satz "Ich bin Jude" fällt. Wie kann man da locker und unverkrampft oder gar "normal" reagieren? Die nächste Generation vielleicht ...

 

Claudia Banck: Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über die Wikinger
Nett zu lesen. Aber ein paar der "populären Irrtümer" waren schon ein bisschen doof. Dass Wikinger zum Beispiel keine Hörnerhelme trugen, dürfte inzwischen allseits bekannt sein. Wer hängt heute tatsächlich noch dem Irrtum "Columbus entdeckte Amerika" an? Und glaubt wirklich jemand an den Satz: "Alle Wikinger waren gleich"?

 

Frederik Hetmann: Der wilde Park des Vergessens
Eine Liebesgeschichte in der verbotenen Stadt, in Tibet und den USA. Te-Sho ist Wissenschaftler und übersetzt uralte chinesische Texte. Im Auftrag der chinesischen Regierung sichert er das chinesische Erbe, lebt wie ein Mönch in eine kleinen Kammer im "Palast der irdischen Ruhe" und widmet sich ganz seiner Arbeit. Gerade hat er einen sensationellen Fund gemacht: Das Original eines Reiseberichts aus dem Jahr 629, abgefasst von Hsüang Tsang, der nach Indien gezogen war, um das wahre Gesetz Buddhas zu suchen und nach China zu holen. Ein brisantes Fundstück, das er zunächst nicht melden will. Er lernt es auswendig und beginnt dann mit der Übersetzung.
Ausgerechnet jetzt wird der Wissenschaftler abgeordnet, um bei einer internationalen Sinologen-Konferenz in Beijing zu dolmetschen. Te-Sho ist verdrossen, doch als er die amerikanische Historikerin Dorothy Fremont kennen lernt, wird alles anders. Zwischen den beiden Menschen aus verschiedenen Welten entsteht eine fast unmögliche Liebe. Und die politische Lage ist den beiden leider alles andere als günstig. Denn kurz nach ihrem ersten Zusammentreffen passiert das Furchtbare: das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens.
Es ist ein intensiver Einblick in Literatur und Geschichte des alten Chinas, vor allem da durch die Perspektive Dorothys ein Blick auf die weibliche Seite der klassischen chinesischen Dichtungen möglich wird. Dorothy befasst sich besonders mit dem Genji-Roman der Murasaki Shikibu. Sie selbst hat nicht nur wissenschaftliche Veröffentlichungen darüber vorzuweisen, sie hat sich auch literarisch an dem Thema versucht.
Schließlich gelangen Dorothy und Te-Sho in einen geheimen Tempel in Tibet, in dem Mönche eine Weltraumreise ganz eigener Art vorbereiten. Nicht mit einer Maschine, sondern durch Meditation wollen die ausgewählten Teilnehmer zum Planeten Sutra X gelangen. Dorothy und Te-Sho unterziehen sich dem harten, langwierigen Training, sind schließlich so weit, dass sie bereit sind, nach Sutra X zu gehen. Aber am Abend zuvor haben sie das Gebot der sexuellen Enthaltsamkeit missachtet - ihre Gedanken verwirren sich, die Konzentration ist dahin, sie bleiben auf der Erde.
Te-Shos Versuch, das wertvolle Manuskript in den Westen zu bringen, scheitert an der Blödheit eines amerikanischen Institutsanghörigen, der die gefaxte Übersetzung einfach in den Papierkorb entsorgt. Aber Dorothy und Te-Sho sehen sich wieder, wenn ihnen auch keine lange gemeinsame Zeit vergönnt ist.
Ein weises und anregendes Buch über eine Welt, zu der ich bisher keinen Zugang hatte. Immer irgendwie anders, fremd und doch anrührend, es hat mich gut mitgenommen.

 

Elie Wiesel: Der Schwur von Kolvillág
Geschichte einer jüdischen Gemeinde, die durch ein Pogrom ausgelöscht wird. Ein nichtsnutziger Christenbengel verschwindet. Und obwohl die Geschichte eigentlich im zivilisierten 20. Jahrhundert spielt, kommen alte Ressentiments wieder hoch. Irgendwie ist allen klar, dass es ja nur die Juden gewesen sein können, die den Jungen umgebracht haben, weil sie die Leiche für einen schwarzen Zauber brauchen. Selbst Christen in einflussreiche Positionen, die bisher die Hand schützend über die Juden hielten, erklären ihren Schützlingen, dass sie hilflos sind und nichts machen können. Dann bricht der Mob ins Judenviertel ein, raubt, mordet, plündert. Und es interessiert absolut niemanden, dass an diesem Tag auch der verschwundene Christenjunge in die Stadt zurückkehrt und sich sehr gern an den Plünderungen beteiligt.
Ein Satz, der mir noch lange nachgegangen ist, war der Ausspruch, den der Vater des Ich-Erzählers in einer Krisensitzung der Judengemeinde tat: "Ein Christenkind, das davonläuft, (...) das geht uns mehr an als seine Eltern. Die Geschichte unseres Volkes beweist es und erinnert daran. Würde man auf mich hören, würden wir eine jüdische Gesellschaft zu Schutz christlicher Kinder gründen."

 

Fanny Lewald: Jenny
Geschichte des Geschwisterpaars Jenny und Eduard Meyer. Beide stammen aus einer wohlhabenden jüdischen Familie. Es ist eine Zeit des Übergangs. Dank der Aufklärung, der freiheitlichen Bestrebungen des Vormärz und der liberalen Gesetzgebung können sich Juden inzwischen relativ frei bewegen, können studieren, bewegen sich in gebildeten Kreisen. Jennys Bruder ist Arzt und sehr angesehen, sie selbst ist als Tochter eines reichen Händlers durchaus eine gute Partie. Doch die Akzeptanz in der Gesellschaft ist nicht vollkommen. Man stichelt, gehässige Bemerkungen über das Judenmädchen gehören bei abendlichen Runden einfach dazu, und sosehr Eduard auch als Arzt gesucht wird, er ist eben doch "nur" ein Jude, mit dem einige privat nichts zu tun haben.
Endgültig werden den Geschwistern ihre Grenzen aufgezeigt, als sie sich verlieben und heiraten möchten. Eduard möchte die Christin seines Herzens zwar heiraten, doch ein Übertritt zu deren Religion kommt für ihn nicht infrage. Ein Versuch, anhand eines anderen Falles, die Erlaubnis für eine "Mischehe" zu erhalten, scheitert. Jenny ist verliebt in einen Theologen und angehenden Pastor. Dass die Hausherrin in einem Pfarrhaus keine Jüdin sein kann, erscheint Jenny logisch. Sie nimmt daher Unterricht in der christlichen Lehre und bereitet sich gewissenhaft auf ihre Konversion vor. Aber das kluge Mädchen hat Zweifel. Es ist eine Menge an diesem Glauben, das sie nicht nachvollziehen kann. Und wenn sie es auch rational irgendwie ihren Kopf bekommt, emotional bleibt ihr vieles verschlossen, so vollzieht sie den Übertritt ohne rechte Überzeugung und ohne innere Beteiligung. Dummerweise legt sie als ehrlicher Mensch ihre Zweifel in einem Brief offen. Hass, Häme und Hetze kommen hinzu. dazu eine gezielte Verleumdung, und der Herr Pastor ist entsetzt. Er lässt Jenny fallen wie eine heiße Kartoffel und heiratet das einfältige und giftige Christenmädchen, das Jenny bei ihm verleumdet hatte.
Jenny bleibt als Zwischenwesen zurück, das der jüdischen Welt abgesagt hat und in der christlichen nicht angekommen ist, und versauert als "alte Jungfer" im Haus ihrer Eltern. Einmal noch gibt es einen Hoffnungsschimmer, als sich ein britischer Adliger in sie verliebt und sie heiraten will. Doch kurz vor der Ehe lästert jemand über seine Braut. Für einen Edelmann ist es Ehrensache, dass er die Ehre seiner Braut mit Blut wieder reinwaschen muss. Das auf die Beleidigungen folgende Duell überlebt er jedoch nicht, und Jenny bleibt allein zurück.
Fanny Lewald schreibt spannend, flüssig und eingängig. Vieles an Ausgrenzungen und Demütigungen hat sie als deutsche intellektuelle Jüdin selbst erfahren, sodass sie sehr genau weiß, wovon sie schreibt. Ein trauriges, geradezu empörendes Gesellschaftsbild aus dem 19. Jahrhundert, das ich jedem ans Herz legen möchte.

 

Hermann Fränkel: Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums
Standardwerk, trotz seines Alters immer noch viel gelesen und zitiert. Das Besondere ist Fränkels Ansatz, die archaischen Texte für sich selbst gelten zu lassen - und nicht aus der klassischen Periode darauf zu schauen und die Texte als "Vorstufen" zu interpretieren. Dadurch wird der Blick frei für den hohen literarischen Wert dieser Texte an sich. Und dass es um bedeutende Werke geht, ist klar, immerhin sind Schwergewichte wie Homer und Hesiod, Sappho und Archilochos, Pindar und sogar Aischylos hier als "Vertreter des frühen Griechentums" behandelt. Sehr gehaltvoll.

 

François Rabelais: Gargantua (Reclam)
Humorvolles Heldenabenteuer. Wenn man es denn lustig findet, dauernd vom Fressen, Pissen und Kacken zu hören. Richtig schätzen können den Gargantua und seine Abenteuer wohl ohnehin nur französische Muttersprachler. Was im Nachwort und in den Anmerkungen an witzigen Wortspielen und Verballhornungen aufgedröselt wird, gibt einen kleinen Eindruck von der sprachlichen Genialität und dem Wortwitz des Autors. Aber ohne Erläuterungen ist es einfach nur ziemlich vulgär.

 

Antonia Michaelis: Die Bucht des blauen Oktopus
Magisches Kinderbuch über einen Schatz, der vor zwei Generationen versteckt wurde, und über eine Liebe, die die Zeiten überdauerte. Ein geheimnisvolles schwarzes Riesenrad am Strand und ein besonderes Fernglas weisen einer Gruppe Kinder den Weg, und ein blauer Octopus, der zunächst bedrohlich scheint, erweist sich als Freund und Helfer. Aber die Reise zur Schatzinsel führt durch den immerwährenden Sturm. Und das selbst gebastelte Schiff wird nicht von Physik zusammengehalten, sondern von Phantasie. Ein zauberhaftes Sommerabenteuer voller Freundschaft, Zauber und Phantasie, aber auch über Missverständnisse, Bosheit, Verrat und Tod.

 

Lothar und Bernhard Schmid (Hrsg.): Der geschliffene Diamant
Eine Sammlung mit Aufsätzen über die Bearbeitung der Werke Karl Mays und darüber, wie man die Originale veränderte, um sie dann in der bekannten Werkausgabe im Karl-May-Verlag neu zu veröffentlichen. Ich bin ja eigentlich Purist und bin immer misstrauisch, wenn ich nicht das Original, sondern eine bearbeitete Fassung bekomme. Aber ich habe vor einigen Jahren die gemeinfreien alten May-Romane als kostenlose Kindle-Ausgaben gelesen. Seitdem weiß ich, dass die Bearbeitungen dem Werk sehr gut getan haben. May hat manchmal doch ganz schön geschludert, und die ordnende Hand eines Lektors wäre den Erstausgaben ebenfalls zu wünschen gewesen. Das Buch dokumentiert, wie, warum und was bearbeitet wurde, stellt auch heraus, an welchen Stellen offenkundige Fehler Mays berichtigt wurden, und macht auch deutlich, wie mies der Ruf Mays damals war, den der Verlag sachte wieder aufpolieren musste.
Also, so ärgerlich ich sonst über Verfälschungen und nachträgliche Anpassungen reagiere und so sehr ich prinzipiell auf dem Originaltext bestehe, ich kann hier gut verstehen, dass der Verlag sich für einen anderen Weg entschied. Hier muss von einer deutlichen Verbesserung gesprochen werden. Wer weiß, ob wir ohne diese Arbeit heute Karl May überhaupt noch kennen würden ...

 

Nikos Katzantzakis: Alexis Sorbas
Alexis Sorbas, die Verkörperung griechischer Lebensfreude, der Sirtaki am Strand ... Wer hat da nicht sofort Bilder vor Augen und die Musik des Films im Ohr? Jetzt habe ich es endlich geschafft, mir den Roman zu Gemüte zu führen. Ja, dieser Sorbas versteht es, das Leben zu genießen. Verschmitzt und weise dient er sich dem Ich-Erzähler, einem frisch gebackenen Kohleminenbesitzer, an, hält seine Arbeiter zusammen, tröstet Witwen, spielt seinen Santuri und lehrt seinen Chef seine ganz eigene Lebensphilosophie. Ein Schelmenroman voller Weisheit. Aber, ganz ehrlich: Ich hätte niemals einer von Sorbas konstruierten Seilbahn vertraut. Dieser Zusammenbruch war eine Katastrophe mit Ansage.

 

Sabine Hartmann: Du schuldest mir noch was

 

Kerstin Groeper: Mohawk Love

 

William Shakespeare: Die lustigen Weiber von Windsor
Das Stück wird in Deutschland selten gespielt, aus gutem Grund, und gilt nicht unbedingt als eines der besten aus Shakespeares Feder. Ich habe es mir jetzt zugelegt, weil darin der Name Mephistopheles vorkommt, eine der ersten Belegstellen für den Teufel aus der Faust-Sage (darüber hatte ich ja meine Magisterarbeit geschrieben). Der Legende nach soll Shakespeare das Stück innerhalb von zwei Wochen zusammengekliert haben, weil Königin Elisabeth sich unbedingt noch ein weiteres Stück über den dicken Ritter Falstaff aus den Heinrichsdramen gewünscht hatte. Nun also eine Komödie.
Die Handlung ist nicht allzu anspruchsvoll. Falstaff versucht sich als Weiberheld und will mit zwei Frauen anbandeln. Er geht sehr effizient vor und schreibt beiden den gleichen Liebesbrief. Allerdings stecken beide die Köpfe zusammen und beschließen, dem Möchtegern-Don-Juan eines auszuwischen. Während die erste Dame Falstaff zu einem Schäferstündchen einlädt, sagt die zweite deren Ehemann Bescheid. Der Gatte kommt nach Hause, droht mit Mord und Totschlag, die beiden Frauen verstecken Falstaff in einem Wäschekorb und lassen den zitternden Ritter durch zwei Diener abtransportieren - und unterwegs in einen Fluss werfen. Falstaff ist der Blamierte. Die beiden Frauen wiederholen das Spielchen kurz darauf. Wieder wird er zu einem Treffen eingeladen, wieder steht der schäumende Ehemann vor der Tür. Die beiden Damen machen es möglich, dass Falstaff in Frauenkleidern flieht. Wieder eine Blamage für den dicken Ritter. Schließlich soll ein drittes Treffen im Park stattfinden. In einer Nacht, in der dort angeblich die Elfen ein Fest feiern. Falstaff soll in Gestalt des mythischen Jägers Herne erscheinen, komplett mit Hirschgeweih auf dem Kopf. Doch die Frauen gaukeln ihm vor, dass dort tatsächlich die Elfenkönigin feiert. Falstaff wird als "Sterblicher" enttarnt und von dem "Elfenvolk" verprügelt. Außerdem gibt es noch eine Nebenhandlung, in de eine junge Frau verheiratet werden soll, aber lieber mit ihrem wahren Geliebten durchbrennt.
Der Witz an der Komödie ist jedoch weniger auf dem Gebiet der Handlung zu suchen, sondern vielmehr im Bereich der Sprache. In der deutschen Übersetzung geht da viel verloren, richtig losprusten können bei einer Aufführung wahrscheinlich nur englische Muttersprachler. Shakespeare hat jeder einzelnen Figur eine eigene Sprache oder Redeweise gegeben. Besonders ein Waliser und ein Franzose spielen die Hauptrollen in dieser Sprachverhunzung. Wenn der Waliser in seinem schröcklichen Dialekt sich mit dem Franzosen (mit dem bekannten Akzent) ein wütendes Rededuell liefert, bleibt kein Auge trocken. Besonders komisch ist in diesem Sinne eine Szene, in der der Waliser einem Jungen Lateinunterricht gibt. Eigentlich geht es nur darum hic, haec, hoc zu deklinieren. Aber der Waliser spricht die Worte, die der arme Junge nachbeten muss, derart scheußlich aus, dass sie vollkommen verstümmelt werden. Eine Wirtin, die übelste Gossensprache spricht, hört diese Worte und versteht sie gründlich miss. Denn in ihrer Sprache sind die verballhornten lateinischen Wörter allesamt Bezeichnungen für Geschlechtsorgane und Beischlaf.
Ich habe die Komödie in der zweisprachigen dtv-Ausgabe gelesen. Die deutsche Übersetzung stammt von Frank Günther, der sich die Mühe gemacht hat, für den Waliser einen deutschen Phantasie-Dialekt zu schaffen. Eine sehr eigenwillige Entscheidung, die er aber im Nachwort sehr dezidiert begründet. Überhaupt ist der Anhang sehr ergiebig und enthält außer einem Nachwort des Übersetzers auch einige Hinweise an den Schauspieler sowie einen Essay von Joachim Frenk, dazu Anmerkungen und Literaturhinweise. Man wird gut begleitet durch dieses shakespearsche Sprach-Hackfleisch.

 

Johannes Zeilinger: Dr. med. Karl May
Das Buch beschäftigt sich mit dem Thema "Karl May und die Medizin". Wobei das Medizin-Thema sich durch alle Bereiche der Mayschen Biografie und seines Werkes hindurchzieht. Zeilinger betrachtet zunächst May in seiner Krankengeschichte. So räumt er mit dem von May mit verbreiteten Mythos auf, der junge Karl sei in seiner frühesten Kindheit blind gewesen. Es gibt einige psychologische und psychopathologische Betrachtungen über Karl Mays Neigungen zur Hochstapelei und die Empfindlichkeit und Reizbarkeit des Autors. Aber auch an seine Gaunereien, bei denen May als Arzt auftrat, finden hier ihren Platz. Zeilinger widmet sich auch intensiv dem Werk Karl Mays, in dem "Superheld" Dr. Sternau die großartigsten medizinischen Wunder vollbringt. Aber auch Kara Ben Nemsi ist oft als Heiler tätig und um vieles besser als die orientalischen Ärzte. Erstaunlich und mir so noch gar nicht aufgefallen ist mir der Umstand, dass Kara Ben Nemsi zwar im Orient den Anspruch erhebt, mehr von Medizin zu verstehen als die Einheimischen, aber auf der anderen Seite der Erdkugel wesentlich demütiger auftritt: Old Shatterhand berichtet mehrfach von der Überlegenheit der angeblichen "Wilden" in Bezug auf Arztkunst und Naturheilkunde. Winnetou operiert beispielsweise dem verletzten Blutsbruder eine Kugel aus dem Körper. Und Winnetou führt in "Krüger Bei" eine Obduktion am Leichnam Small Hunters durch und diagnostiziert Mord. Der junge angehende Mediziner Hermann Rost in "Weihnacht" ist überzeugt, dass er von Indianern wertvolle Hilfe und eine Ausbildung in Naturheilkunde erhalten kann - ein Traum, den ihm schließlich die Schoschonen erfüllen, worauf er zum bekannten Naturarzt wird.
Ein sehr spannendes Buch und trotz des medizinischen Themas flüssig geschrieben und leicht zu lesen, fast wie ein Roman des Maysters selbst.

 

Frederik Hetmann: Zipangu. Der Sohn des Samurai
Geschichte eines jungen niederländischen Kaufmannssohns, der das Land Japan kennen und lieben lernt. Im Jahr 1637 darf Jan-Willem als Schiffsjunge erstmals mit nach Zipangu fahren. Doch die Zeichen stehen auf Krieg. Aufständische Christen entführen ihn. Ein Samurai rettet und adoptiert ihn. Gemeinsam können sie eine Verschwörung aufdecken und den Shogun retten. Der zeigt sich dankbar und sorgt dafür, dass Jan-Willem heil nach Haus zurückkehren kann.
Doch das Land Japan lässt den jungen Mann nicht los. Zumal er dort der Liebe seines Lebens begegnet war. Als ihn die Niederländer aufgrund seiner Kenntnisse des Landes erneut nach Japan senden wollen, greift er begeistert zu. Allerdings geht auch diesmal nicht alles glatt. Die Ausländer werden gar nicht mehr ins Land gelassen, sondern auf der Insel Dejima hingehalten. Mithilfe eines japanischen Freundes flieht Jan-Willem von der Insel. Er gerät an eine Räuberbande und soll eine besondere Maske stehlen, die ein lokaler Fürst einem Mönchsorden entwendete. Doch der junge Niederländer schafft es, die Räuber auszutricksen, den Adligen mit dem Tempel zu versöhnen und selbst im Tempel bleiben zu dürfen. Später lernt er bei einem Handwerker die Kunst, besondere Keramik herzustellen. Dadurch wird er nicht nur bekannt und hat mächtige Kunden, er darf sogar den Kaiser in Edo beliefern und findet am Ende seine große Liebe wieder.
Das Buch zeugt von einer außerordentlichen Liebe zu Japan und seiner Kultur. Ein spannender Jugendroman, der zugleich eine Menge Wissen über Japan und seine Geschichte vermittelt.

 

Zion's Fiction. Phantastische Literatur aus Israel

 

Hans-Christian Kirsch: Martin Buber
Lesenswerte und gut geschriebene Biografie, die ich beim Amazon Marketplace entdeckt habe. Buber war mir bisher nur als Partner Rosenzweigs bei der Bibelübersetzung ein Begriff. Und durch seine mutige und schlagfertige Antwort, als ihn jemand ansprach mit "Na, du Jud" - "Na, du blöder Kerl." Kirsch erzählt Bubers Leben und geht in Exkursen auf Themen wie die chassidischen Schriften, Bubers sozialphilosophischen Ansatz, die Übersetzungstätigkeit und das Verhältnis von Juden und Christen ein. Auch Bubers Engagement für Frieden und Gespräche mit Palästinensern beziehungsweise Arabern wird gewürdigt. Tja, Gespräche ... Wie hätte sich ein bisschen mehr Buber auf die Verhältnisse im Nahen Osten ausgewirkt? Manche Bücher lesen sich einfach seit dem 7. Oktober anders.

 

Bernhard Stäber: Wenn Menschen Märchen sind

 

Daniel Elon: Die Philosophie Salomon Maimons zwischen Spinoza und Kant
Salomon Maimon war eine der schillernderen Persönlichkeiten im Kreis der Haskala-Gelehrten. Seine ausgesprochen abenteuerliche Autobiografie hatte ich im vergangenen Jahr gelesen, diesmal ging es um seine Philosophie. Überliefert ist, dass sich Kant mit einer gewissen Hochachtung über ihn geäußert hat.
Die vorliegende Arbeit ist die etwas überarbeitete Fassung einer Dissertationsschrift. Daniel Elon arbeitet das Verhältnis Maimons zu Spinoza und Kant heraus. Vor allem die Auseinandersetzung mit Spinoza war nicht ganz ungefährlich, galt er doch als großer Atheist. (Zur Erinnerung: Moses Mendelssohn holte sich damals eine tödliche Erkältung, als sein verstorbener Freund Lessing postum als Spinozist beschuldigt wurde, und Mendelssohn so erregt darüber war, dass er sofort eine Widerlegung der Vorwürfe verfasste und diese durch ein übles Unwetter zur Druckerei trug, um sie möglichst schnell zu veröffentlichen.) Mamon also hat sich sehr intensiv mit Spinoza befasst. Aber den Vorwurf des Atheismus ließ er nicht gelten. Er stellte klar, dass bei Spinozas Lehre eher von einem "Akosmismus" die Rede sein müsse. Es gehe Spinoza also nicht darum, dass es keinen Gott gebe, sondern, im Gegenteil, keine Welt.
Mit Kants Kritik der reinen Vernunft hat sich Maimon intensiv befasst. In seiner Antwort auf Kant setzt Maimon auf das Konzept eines unendlichen Verstandes. Er hebt damit den Widerspruch zwischen Ratio und Sinnlichkeit auf und geht davon aus, dass der Dreiklang Kants von Gott, Welt und Seele sich in einer einzigen Idee zusammenfassen lässt. Kant antwortete jedoch nicht mehr darauf.

 

Fabienne Siegmund: Hinter den fallenden Blättern

 

Stephanie Kempin: Fieberträume

 

Stefanie Bender: Der Pfad des Kolibris

 

Cord-Friedrich Berghahn (Hg.): Wilhelm von Humboldt Handbuch
Umfangreiche und sehr gehaltvolle Sammlung von Aufsätzen über Humboldts Leben, Werk und Nachwirken. Es gibt mehrere biografische Beiträge, darunter eine Gesamtschau und mehrere Texte zu den einzelnen geografischen Stationen und ihrer Bedeutung für Humboldt. Seine Politik als Gesandter im Vatikan oder in London und auf dem Wiener Kongress wird dargestellt, man erfährt einiges über seine sprachwissenschaftlichen und sprachphilosophischen Untersuchungen, über seine Schriften zur Geschichtswissenschaft, Anthropologie, auch die Briefwechsel mit unterschiedlichen Gesprächspartnern werden dargestellt und gewichtet. Natürlich auch der Bildungspolitiker, die Universitätsgründung, Humanismus, Emanzipation, seine politische Schrift "Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen", Weggefährten, Freunde, die Beziehung zu seinem Bruder.
Es ist eine wahre Fundgrube, und auch jemand, der sich schon lange mit Humboldt befasst, wir noch viel darin entdecken können. Für mich war wohl der größte Erkenntnisgewinn der Gedanke von der "Verschiedenheit der menschlichen Sprachen". Während die Wissenschaftler zu Humboldts Zeit gerade die Verwandtschaft der Sprachen entdeckten und feierten. Besonders die Entdeckung, dass es die Familie der Indogermanischen Sprachen gab, hat die Sprachwissenschaftler begeistert. Nicht so Humboldt: Er betont die Unterschiede. Die Individualität jeder Sprache. Und als er sich in die amerikanischen Sprachen einarbeitet, ist für ihn mit das Wichtigste, das zu ihm gelangte Sprachenmaterial aus dem Prokrustesbett der lateinischen Grammatik zu befreien. Stimmt ja auch. Das strenge lateinische Raster passt ja noch nicht mal richtig auf das Griechische. Um wieviel weniger konnten die amerikanischen Sprachen aus der lateinischen Ordnung heraus verstanden werden.
Also: Ein reiches und vielseitiges Buch als Begleiter durch den Humboldt-Kosmos. Ich habe viel daraus gelernt und werde es wohl noch häufiger zur Hand nehmen.

 

Frederik Hetmann: Traumklänge oder Das längste Märchen, das es je gab
Geschichte einer magischen Kugel, deren leisen Klang nur die Leute hören können, für die sie bestimmt ist. Diese Kugel rollt sozusagen durch die Welt, geht von Hand zu Hand, führt Menschen zu ihrer wahren Bestimmung, teilweise zu ihrem Glück, aber eben nicht immer, oder zur Erfüllung ihres Lebenstraums, oder sagen wir eher: zur Erkenntnis dessen, was sie sind und was sie wollen. Geschaffen wird die Kugel in einer märchenhaften Geschichte, die aus Tausendundeiner Nacht stammen könnte. Doch sie taucht bald in realen historischen Situationen wieder auf, begleitet Helden unterschiedlicher Epochen und Länder.
Die Rahmenhandlung erzählt, wie die Kugel in New York von einer jungen Kunstexpertin an einen Schriftsteller ausgeliehen wird, der daraufhin geradezu in einen Schreibrausch verfällt und die Geschichte der Kugel aufschreibt. Aber dann beginnt die Mafia, sich für die Kugel zu interessieren.
Vielschichtiger, mystischer und phantasievoller Roman, der dem Autor die Gelegenheit gibt, die Buntheit der Welt und die Breite seiner Interessengebiete zu zeigen. Und es macht Spaß, ihm durch diese Welt zu folgen.

 

Wilhelm von Humboldt: Schriften zur Geschichtstheorie (Reclam)
Enthält sieben Aufsätze Humboldts, in denen er über die Rolle und Aufgabe des Geschichtsschreibers und die Ursachen der Weltgeschichte nachdenkt. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Studium der Antike, vor allem der griechischen. Ziemlich spröde geschrieben. Wie immer. Wer Humboldt liebt, muss etwas aushalten können. Aber man will sich ja auch nicht alles schenken lassen von seinen Autoren. Es gibt ein Nachwort von Jörn Rüsen, das ein wenig zur Einordnung und zu den Hintergründen der Texte vermittelt, und ein paar Literaturhinweise.

 

Katja Bergmann: Werner Bergengruen
Biografie eines Dichters, den ich sehr schätze, eines "deutschbaltischen Dichters zwischen Grenzen und Zeiten", so der Untertitel. Bergengruen (1892 - 1964), geboren in Riga, nach dem Verlust des Baltikums "unbehaust", heimatvertrieben und in Deutschland irgendwie dauerhaft ein Fremder, der oft umzog ... In den Literaturgeschichten ist er meist zu finden als Dichter der "inneren Emigration", also einer der Schriftsteller, die nicht auswanderten, aber auch nicht mit den Nazis sympathisierte und nicht in ihre Jubelarien und Blut-und-Boden-Gesänge mit einstimmte. Dass er blieb und schwieg, haben ihm die Ausgewanderten und vom Ausland aus Widerstand übenden Autoren sehr übel genommen. In der Weimarer Zeit und in der frühen Bundesrepublik wurde er gern gelesen, inzwischen ist er nur noch wenigen bekannt, was ich sehr schade finde.
Katja Bergmann hat nun eine umfangreiche, sehr gut lesbare und auch schön gestaltete und reich illustrierte Biografie vorgelegt. Das Buch enthält zahlreiche Fotos und Dokumente. Gegliedert ist es in zwei Teile, von denen sich der erste der reinen Biografie widmet. Im zweiten Teil werden "Denkmuster" herausgearbeitet, etwa das Welt- und Menschenbild, poetische Grundlagen, Stil, Inhalt, Themen und ähnliches.
Sehr spannend fand ich die im Anhang wiedergegebene Dokumentation von Bergengruens Kampf um den Status seiner Frau. Diese hatte nämlich einen oder womöglich auch zwei jüdische Großeltern - ein Großelternteil allein wäre noch harmlos gewesen, aber zwei jüdische Großeltern, das wäre zur Nazizeit eine tödliche Bedrohung gewesen.

 

Peter Høeg: Durch deine Augen
Wahnsinn, der Mann kann einfach schreiben. Der Roman handelt von einer Forscherin namens Lisa, die das Bewusstsein eines Menschen durch Hologramme sichtbar machen und in ihre Psyche hineinsehen kann. Traumatisierte Patienten, Vergewaltigungsopfer oder auch Menschen, die einen Selbstmordversuch begangen haben, sind ihre Patienten.
Als Simon versucht, sich umzubringen, nimmt sein Bruder Peter Kontakt zu Lisa auf und bittet sie, Simon zu helfen. Dabei stellt sich heraus, dass die drei sich aus Kindergartenzeiten her kenne. Lisa hatte damals schon eine Methode entwickelt, um in die Träume ihrer Freunde einzusteigen und ihnen von dort aus zu helfen, wenn sie Probleme hatten.
Während Peter und Lisa mit der Hologramm-Technik arbeiten und die Seelen von Lisas Patienten durchwandern, erinnern sie sich mehr und mehr an ihre Traum-Experimente aus der Kindegartenzeit. An positive, aber auch unheimliche Erlebnisse. Und langsam wird klar, dass dort der Schlüssel für Simons Selbstmordversuche zu finden ist.
Eine spannende, faszinierende, manchmal gruselige Vorstellung, dabei so lebendig erzählt, dass die Hologrammtechnik sich so natürlich in die Geschichte einfügt wie die Erinnerungen an gute und böse Kindergärtnerinnen und eine versteckte Kinderhütte in einem Fass. Einfach ein Wahnsinnsbuch.

 

Weitere Jahresrückblicke
Jahresrückblick I: Januar bis März 2023
Jahresrückblick II: April bis Juni 2023

Jahresrückblick III: Juli bis Oktober 2023
Jahresrückblick V: Dezember 2023

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick III: Juli bis Oktober 2023

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 30 Dezember 2023 · 1.199 Aufrufe
Jahresrückblick

Der dritte Teil meines Leserückblicks. Da ich im November aufgrund der bewältigten Büchermassen voraussichtlich wieder an die Kapazitätsgrenzen des Blogs geraten werde, habe ich den Oktober mit ins dritte Quartal genommen. Was haben die vier Monate gebracht? Wieder eine Menge Comics, ansonsten ein paar Kinderbücher, griechische Antike, Goslarer Autoren und etwas zum Thema Sprache. Viel Spaß damit.

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

 

Juli

 

Ingo Scharnewski: Unbekannte Verwandte (BunTES Abenteuer Nr. 54)
Eine Geschichte, von der man nicht so richtig weiß, was eigentlich erzählt werden soll und wohin sie läuft. Der Ich-Erzähler verbreitet sich erst lang und umständlich darüber, was für eine weitverzweigte Familie er hat und in welchen Ländern und auf welchen Kontinenten Verwandte von ihm leben. Dann erhält er unverhofft die Tagebücher eines verstorbenen Verwandten aus Portugal zugestellt, von dem er bislang nichts ahnte. Der Verstorbene hieß Carl Sanders, war wohl Journalist, vor allem aber Abenteuerer und Weltreisender. Er hinterließ zwölf handschriftlich vollgeschriebene Kladden mit aus Ostafrika, dem vorderen Orient, Indien, Ceylon, Australien, Süd-, Mittel- und Nordamerika, Nordeuropa, den Britischen Inseln, Südeuropa und das Manuskript über eine Schiffsreise. Letzteres hat es dem Ich-Erzähler angetan, daher teilt er nun Auszüge daraus mit. Sanders träumte offenbar schon seit Ewigkeiten davon, einmal an der Jungfernfahrt eines Schiffes teilzunehmen. Als im Hamburger Hafen die "Njassa" gebaut wird, ist er fasziniert von dem Schiff und besessen von der Idee, mit ihm zu fahren. Einen großen Raum nehmen Spekulationen um den Termin der Fertigstellung sowie der ersten Fahrt und ihres Zieles in Anspruch. Sanders vesucht alles, um an Karten zu kommen, doch trotz guter Beziehungen klappt es nicht. Aber er darf an der zweiten Fahrt der Njassa teilnehmen. Zwischendurch geht es noch ein bisschen um Liebe, so fährt er in Begleitung seiner Liebsten los. Dann ein wenig Bordleben, Bekanntschaften wechselnden Interesses. Schließlich kommt der Autor endlich zum Thema: Sanders lernt einen Franzosen kennen, der eine Expedition nach Afrika plant. Es geht um eine Schatzsuche. Das Abenteuer bricht jedoch unvermittelt ab, Sanders erwacht um Krankenhaus, schwer verletzt, er deliriert, man weiß nicht genau, was passiert ist. Insgesamt ein ziemlich wirres Buch, 40 Seiten ohne Schwerpunkt, Ziel und roten Faden.

 

Hans-Martin Gutmann: Liebe schreiben
Liebesroman aus der Feder eines pensionierten Theologie-Professors mit Goslarer Wurzeln, der sonst vorwiegend durch Krimis bekannt ist. Ich habe das Buch für die Goslarsche Zeitung gelesen. Mein Artikel darüber ist hier zu finden.

 

Bessy Nr. 75: Ein Opfer für die Geister
Bessy ist wieder da. Die Abenteuer von Andy Cayoon und seiner treuen, klugen Colliehünden habe ich als Kind verschlungen, ich habe verschiedene Revivals mitgemacht, und jetzt freue ich mich über den Neustart im Mila-Verlag. Die Serie soll anschließen an die Veröffentlichungen des Hethke-Verlags, der in der Zeit von 1995 bis 2001 die ersten 68 Bessy-Hefte noch einmal herausbrachte, informiert das Nachwort. Bei Mila wolle man die Hefte ab Nummer 69 veröffentlichen, wobei Nummer 69 bis 74 noch nachcoloriert werden müssten. Also nun zunächst die Nummer 75. Das Heft hat den klassischen roten Rahmen mit einem Titelbild von Klaus Dill und liegt sehr gut in der Hand. Die Geschichte ist gezeichnet von Karl Verschure. Ja, die Zeichnungen und Bildaufteilung kommen einem nach all den Jahren etwas altertümlich vor. Aber die Story hat mit trotzdem gut gefallen. Es geht um ein indianisches Mädchen, das als Baby von seinem Stamm getrennt wurde. Ein weißes Ehepaar fand das Kind auf einem Baumstamm, der im Wasser trieb, und zog es als eigene Tochter auf. Doch nun erheben die Crows Anspruch auf das Mädchen, es sei eine verschwundene Stammesgenossin, sagen die Indianer. Was die Weißen nicht ahnen: Die Crows lügen, und sie wollen das Mädchen auch nicht in ihrem Stamm aufwachsen lassen. Es steht ein Fest vor, bei dem ein Mensch geopfert werden soll. Und dazu möchten sie lieber keinen aus ihren eigenen Reihen verwenden ...

 

August

 

Yoko Tsuno Sammelband 8: Die Erde am Abgrund
- Flug in die Vergangenheit
- Die Kanone von Kra
- Der siebente Code

Um Abgründe geht es eigentlich weniger in diesem Sammelband, sieht man einmal davon ab, dass das erste Album in einer tiefen Schlucht spielt. Das verbindende Element scheint mir eher zu sein, dass es sich um Flugabenteuer handelt und wir Yoko als Pilotin erleben, deren fliegerisches Geschick geradezu atemberaubend ist.
Yoko Tsuno wagt sich in der ersten Geschichte mit einem abenteuerlichen Kleinflugzeug in eine tiefe Schlucht im russisch-chinesischen Grenzgebiet und findet einen uralten Mann, der dort im Jahr 1933 abgestürzt war. Er hat eine Gruppe von Pavianen gezähmt und zu einer fast menschlichen Gesellschaft geformt. An Bord de Maschine befinden sich geheime Dokumente, die auch heute noch eine Menge wert sind. Aber schon im Vorfeld der Mission wird es brandgefährlich für Yoko, ein Konkurrent will sie ausschalten. Und nach der Landung in der Schlucht sitzt sie fest, da ihr Flugzeug beschädigt ist. Eine Eisenformation im Boden verhindert einen Notruf per Funk und sorgt dafür, dass sich einmal pro Tag ein mächtiges Gewitter über der Schlucht entlädt. Yoko bastelt sich einen Heißluftballon und entkommt aus der Schlucht. Dann schickt sie einen Hubschrauber, der den verletzten alten Mann abholt. Worauf sich die Frage stellt, warum für die Expedition nicht gleich ein Hubschrauber genutzt wurde. Das risikoreiche Landungsexperiment mit dem Jet war völlig überflüssig, aber es brachte halt ein paar großartige Zeichnungen und viel Action.
Im zweiten Teil geht es um ein futuristische Kanone aus dem Zweiten Weltkrieg, die die Meerenge von Kra im Süden Thailands bedroht. Ein japanischer Waffenhändler hat die "Geisterkanone" wieder zum Leben erweckt und könnte jede Menge Schaden damit anrichten. Yoko und einige kambodschanische Rebellen vernichten das Gerät. Wobei Yoko die Gelegenheit bekommt, ihr neues Flugzeug, den Kolibri, ausgiebig zu testen und ihn am Heck mit einem Symbol zu verzieren, das ihr sehr viel bedeutet: die halbe rote Sonne, die aus dem Meer aufsteigt ...
Teil drei schließlich führt Yokoi mit der jungen Emilia zusammen, die mit einem atemberaubenden Doppeldecker-Wasserflugzeug unterwegs ist. Emilia ist ein ziemliches Rauhbein, doch hinter ihrer rauen Schale verbirgt sich der Schmerz über den Tod ihrer Mutter. Eigentlich hat ja Knut die Einladung von Emilias Vater bekommen. Denn Knut ist ein ausgezeichneter Schachspieler. Und es geht darum, ein Geheimnis zu lösen: Wenn ein Spieler, der wie Emilias Großvater mütterlicherseits spielt, an einem bestimmten magnetischen Schachspiel die Figuren verschiebt, soll sich eine Tür öffnen. Was allerdings niemand auf dem Schirm hat: Emilias Großvater war gar kein besonders guter Schachspieler. Die Tür kann nur jemand öffnen, der grottenschlecht spielt und in seiner Wut die Figuren vom Brett fegt - also ein Spieler wie Yoko Tsuno.
Mir hat vor allem die letzte Geschichte gefallen, einmal wegen der überraschenden Schachpointe, und dann natürlich wegen Emilia. Die Fliegerin mit dem Doppeldecker, der großen Klappe und der Violine ist schon eine ganz besondere Heldin. Daumen hoch.

 

Comanche. Gesamtausgabe Band 3:
- Der Mann mit dem Teufelsfinger
- Die Sheriffs
- Die Feuerteufel von Wyoming

Red Dust quittiert seinen Dienst als Sheriff und verlässt die Triple-Six-Ranch. Die ganze Sache wird ihm einfach zu zivilisiert, zumal Comanche langsam ein Faible für schicke Klamotten entwickelt. Er bricht auf in Richtung Montana, wo es noch keine Gouverneure und ähnlich neumodische Sachen gibt. Bald findet er eine Ranch, die ihm gefällt. Ein Vater und seine Tochter bewirtschaften das Land allein. Allerdings: Eine Kupfermine auf dem Ranch-Gelände weckt Begehrlichkeiten, und Schurken drängen den Besitzer sehr handgreiflich zum Verkauf. Doch der Mann hat eine Vorgeschichte: Unter dem Namen "Der Mann mit dem Teufelsfinger" war er einer der gefürchtetesten Revolverhelden des Westens. Seine Sehnsucht nach Ruhe und Frieden hatte ihn untertauchen lassen. Doch nun holt ihn seiner Vergangenheit wieder ein.
Auch Red Dust wird von seiner Vergangenheit wieder eingeholt: In der Geschichte "Die Sheriffs" nimmt er den Stern wieder an sich und reitet als Teil einer Truppe alter, reaktivierter Gesetzeshüter erneut gegen eine Verbrecherbande, die die Stadt Summerfield belagert. Dort steckt auch Comanche seit einger Zeit fest.
Der dritte Band schließlich handelt von einer Serie von Bränden auf den umliegenden Ranches. Es scheint sich um Brandstiftungen zu handeln. Steckt etwa der umtriebige Versicherungsagent dahinter, der sich seit einiger Zeit in der Gegend herumtreibt und Brandschutzpolicen verkauft?
Ich habe es ja schon einige Male geschrieben, aber man kann es gar nicht oft genug sagen: Die Art, wie der Splitter-Verlag, und auch andere Verlage, die alten Comic-Klassiker präsentieren und mit Beigaben versehen, ist einfach beeindruckend und erfreut das Sammlerherz. Auch hier gibt es wieder umfangreiches Begleitmaterial weitere Kurzgeschichten über Red Dust. Schön.

 

September

 

Hugh Lofting: Doctor Dolittles Caravan (e)
Die Geschichte mit dem grünen Kanarienvogel ist ein Abenteuer aus der Zeit, als Doctor Dolittle mit dem Zirkus unterwegs war, und schließt sich nahtlos an den Band "Doctor Dolittles Circus" an. Das Buch habe ich als Kind in Englisch gelesen, eine deutsche Ausgabe gab's damals nicht. Faszinierend ist, dass Pipinella wunderschön singt, "obwohl" sie ein Weibchen ist. Mir war damals die Geschlechterfrage nicht weiter aufgefallen, aber dass weibliche Kanarienvögel von den Männchen unterdrückt und mit Gewalt am Singen gehindert wurden, macht Pipinella zu einer Vorkämpferin der Emanzipation. Wobei der grüne Kanarienvogel auch Quellen zitiert, in denen es heißt, dass weibliche Kanarienvögel es nicht "tun" - was eben nicht heißt, dass sie es nicht "können". Die Geschichte vom grünen Kanarienvogel, der singen kann, obwohl er ein Weibchen ist, hat mich an einige Artikel erinnert, die ich vor ein paar Monaten gelesen habe. Ja, es gibt weiblichen Vogelgesang. Weiß bloß kaum einer. Und die meisten Ornithologen, die sich mit dem Thema befassen, sind Frauen. Da war der alte Hugh Lofting seiner Zeit weit voraus, als er "Doctor Dolittles Caravan" schrieb.
Was mich als "Neu-Goslarer" an der Geschichte von "Doctor Dolittles Caravan" gefreut hat: Der Vater des grünen Kanarienvogels war ein "Harzer Roller", beziehungsweise, wie es Pipinella sagt: "a bright yellow Harz mountain canary". Schön.
Pippinella ist nicht nur eine begnadete Sängerin, sie ist auch viel in der Welt herumgekommen und machte über jede ihrer Lebensstationen unfassbar schöne Lieder. Doctor Dolittle macht daraus nicht nur die erste Tier-Autobiografie, die als Buch erscheint, aus ihrem Leben wird auch eine erfolgreiche Oper. Auch die Puddleby-Pantomime wird wieder aufgeführt und bleibt ein Publikumsmagnet. Im Zirkus kehrt langsam Wohlstand ein. Die Tiere sind auch als Werbungs-Darsteller sehr beliebt. Wobei Gubb-Gubb es zutiefst geschmacklos findet, als ihn ein Schlachter bittet, für ihn Werbung zu machen. Doctor Dolittle schafft es sogar, dass Tiere eigene Bankkonten haben können, doch das ist nur von kurzer Dauer. Spannend und liebenswert, wenn das Buch auch nach hinten hin etwas ausfasert mit den vielen Ideen, die der Doctor und seine Tiere anpacken.

 

Pip Williams: Die Sammlerin der verlorenen Wörter
Die Geschichte des Oxford-Lexikons, geschrieben aus weiblicher Perspektive. Esme ist die Tochter eines Mitarbeiters des Lexikons und wächst im Skriptorium auf. Das Lexikon ist ihre Welt. Von überall her werden Wörter eingesandt, und die Wissenschaftler sammeln sie, überprüfen Belegstellen, dokumentieren die Verwendung und Bedeutung der Wörter.
Aber manchmal entscheiden sich die Wissenschaftler auch gegen die Aufnahme eines Wortes. Diese Wörter sammelt Esme. Gewissenhaft, wie sie es im Skriptorium lernte, dokumentiert sie die Wörter, die kein Wissenschaftler haben möchte. Nach und nach begreift sie, dass diese von den Männern nicht gewürdigten Wörter "Frauenwörter" sind. Mit dem Wort "Bondmaid" (Leibeigene) fängt ihre Sammlung an. Übrigens ein Wort, das im Oxford-Lexikon tatsächlich fehlte: In einem erhaltenen Schreiben an die Redaktion meldet ein Leser diese Lücke. Während "Bondman" mit einer gewissen Selbstverständlichkeit aufgenommen wird. Esme sammelt Wörter und befragt die alten Marktfrauen. Viele von den Beiträgen, die die Frauen ihr liefern, gehören nicht der Hochsprache an, bezeichnen Geschlechtsorgane oder Krankheiten. Und als Esme ein uneheliches Kind erwartet, wird ihre Sammlung außerordentlich erweitert. Esme erhält schließlich die Chance, offizielle Mitarbeiterin des Lexikons zu werden. Sie führt aber auch ihre eigenen Sammlung heimlich fort. Das Große Lexikon wächst und wird irgendwann fertig. Und ein Drucker, der Esme liebt, hat eine ganz besondere Gabe für sie: Statt eines Verlobungsrings überreicht er ihr bei seinem Antrag ihr eigenes Lexikon der Frauenwörter, nach allen Regeln der Handwerkskunst gesetzt und gebunden.
Die Geschichte Esmes ist fiktiv, aber sehr gut in den Rahmen der Arbeit am Oxford-Lexikon eingepasst. So entstand eine glaubwürdige Heldin mit einer glaubwürdigen Biografie. Das Buch ist teilweise etwas spröde geschrieben, es hat sich aber gelohnt. Ein interessantes Thema und ein wichtiges Buch.

 

Emine Sevgi Özdamar: Mutterzunge
Eine Autorin auf der Suche nach ihrer Muttersprache. Beziehungsweise nach ihrer "Mutterzunge", so der Titel des Büchleins. Die Ich-Erzählerin spricht mit ihrer Mutter zwar Türkisch, doch irgendwie hat das Leben in Deutschland sie dieser Sprache entfremdet. "Weißt du, du sprichst so, du denkst, dass du alles erzählst, aber plötzlich springst du über nichtgesagte Wörter, dann erzählst du wieder ruhig, ich springe mit dir mit, dann atme ich ruhig", so die Beschreibung der Mutter. Es fehlt ihr etwas, irgendwie ging ihr das Gefühl für die Mutterzunge verloren. Langsam beginnt sie, Wörter zu sammeln. Türkische Wörter in deutscher Übersetzung. Aber da ist auch noch der Großvater. Er konnte das Türkische nur in arabischer Schrift schreiben, sie schreibt Türkisch in lateinischen Buchstaben, wie es Atatürk 1927 einführte. In einem Arabischkurs macht sie sich auf die Suche nach der Zunge ihres Großvaters.
Ein interessantes Buch und ein wichtiges Thema, der Anfang hat mir gefallen, allerdings waren die Sprache und der Satzbau nicht so meins. Dass der Arabischkurs dann in eine sexuelle Beziehung mit ihrem Arabisch-Lehrer umschlägt, nun ja. Interessant die Zusammenstellung von Wörtern, die aus dem Arabischen ins Türkische eingegangen sind.
Etwas surreal mutet die zweite Hälfte des Buchs an. Es geht darin um einen Traum, um einen Mann, der aus der Türkei nach Deutschland kommt, einige absurde Szenen, viele bildliche, symbolische und parodistische Sequenzen, Gespräche mit einem klugen Esel, Märchen- und Traumszenen, Betrachtungen über Arbeit, Fußball, Liebe und eine Ehe, die durch die Reise nach Deutschland sehr auf die Probe gestellt wird.
Es ist kein dummes Buch. Aber genossen habe ich es nicht.

 

Michael Fredrich: Hanoman
Superhelden-Comic beziehungsweise Super-Parodie auf das Genre: Hannover hat einen Superhelden, den superstarken und beinahe unverwundbaren, leider auch etwas tollpatschigen Hanoman. Die im Stadtkind-Magazin erschienenen Episoden sind hier in einem Album zusammengefasst und erzählen, wie Hanoman seine Stadt vor einer furchtbaren Bedrohung rettete: dem "Groben Braunschweiger". Der will alles in Schutt und Asche legen, was den Hannoveranern etwas bedeutet. Dass er allerdings auch das ungeliebte Ihme-Zentrum verwüstet, bringt ihm unerwartet jede Menge Sympathiepunkte in der Landeshauptstadt ein.
Zwei Drittel seiner Forderungen zur Einstellung seiner Terrorakte würde Hannover sogar ohne Nachverhandeln erfüllen: Die Aufgabe des Status als Landeshauptstadt zugunsten Braunschweigs ist für den Stadtrat kein Problem, und auch ein jährlicher Tribut an Braunschweig erscheint den Hannoveranern tragbar. Aber dass Hannover seinen Platz in der ersten Bundesliga an Braunschweig abtreten soll und dafür Braunschweigs Position in der Regionalliga übernimmt (der Comic ist schon etwas älter), nein, da schmettern die Politiker dem Schurken ein einstimmiges "Niemals!" entgegen. Zum Glück lässt sich der gealterte Superheld Herbert Schmalstieg reaktivieren. Und eine pfiffige Praktikantin der Stadtkind-Redaktion unterstützt Hanoman nach Kräften. Nach Super-Kräften.
Für jemanden, der in Hannover studiert hat, war es ein köstliches Wiedersehen mit der Stadt. Hat mir sehr viel Spaß gemacht.

 

Bessy Nr. 76: Die versteckte Waffe
Ein Pokerspieler und ein Revolverheld geraten aneinander. Zwar verbietet der Sheriff das Duell in seiner Stadt, doch in der Nacht erschießt Revolverheld Gordon seinen Gegner. Damit man ihm nichts nachweisen kann, versteckt er seine Waffe. Doch Bessy und ein kleiner Junge finden sie. Das allerdings ist lebensgefährlich, und sie müssen vor dem Mann flüchten, kämpfen sich durch die Wildnis, geraten schließlich zu den Paiutes, werden von Yakima-Pferdedieben mitgenommen ... Der Mann verfolgt sie weiter. Aber Andy und sein Colt haben schließlich auch noch ein Wort mitzureden. Schönes Heft und liebenswerte Kindheitserinnerung.

 

U.T. Augstein (Ute Augstein): Mayfaran und die verlorenen Drachen
Fantasy für Kinder mit einer starken Prinzessin als Heldin: Die Autorin lebt in Jerstedt bei Goslar, daher habe ich das Buch für die Goslarsche Zeitung besprochen. Den Artikel könnt ihr hier nachlesen.

 

Hörbuch

 

Sergio Bambaren: Der träumende Delfin. Eine Reise zu dir selbst
Ziemlicher Mist. Geschichte eines Delfins, der anders ist als die anderen, darum ausgegrenzt wird und sich schließlich allein auf die Suche macht nach der perfekten Welle. Ein billiger Abklatsch von "Die Möwe Jonathan" (falls hier ein paar Ältere mitlesen). Selbstfindungsgeschichte, die sich betont tiefsinnig gibt, und gerade deshalb absolut platt daherkommt.

 

 

Oktober

 

H.G, Franciskowski: Der Junge vom Lotsenturm
1. Geheimnis um Dennis
2. Die Videofalle
3. Das Haus der Taschendiebe
4. Dennis und die Jugendbande
5. Verschwörung gegen Dennis
6. Dennis in der Falle
Kinderserie um einen pfiffigen obdachlosen Waisenjungen, der von seinem Vormund schikaniert und in das übelste aller Waisenhäuser gesteckt wurde. Dennis rückt aus, lebt jetzt in einem alten Lotsenturm im Hamburger Hafen, macht Geschäfte an der Börse und jagt Verbrecher. Zusammen mit seiner Schulfreundin Chrissy, die außergewöhnlich stark im Rätsellösen ist, und ihrem Bruder Pete, klärt er manchen Fall auf und schafft es am Ende sogar, seinen bösen Vormund und den sadistischen Heimleiter hinter Gitter zu bringen. Dabei kommt auch heraus, warum der Vormund ihn unbedingt in dem Heim untergebracht und ihn "weghaben" wollte. Denn als Dennis' Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen, zahlte die Fluggesellschaft den Hinterbliebenen eine hohe Entschädigungssumme. Geld, das der Vormund hemmungslos verprasst hat.
Die Geschichte ist etwas konstruiert, keine Frage, aber der Charakter der Hauptfigur ist ausgesprochen stark und fesselnd. Ich nehme mir die Dennis-Bände ab und zu mal wieder vor, so auch dieses Jahr, als im Wohnzimmer mein Bücherstapel für den Leseurlaub auf Helgoland anwuchs und ich von den neuen Büchern vor der Reise keines weglesen wollte.

 

Uwe Pook: Eine rheinländische Sinfonie. D'Pimocken wäde all wat
Der Autor stammt aus Vienenburg bei Goslar und war während seiner Bundeswehrzeit auf dem Goslarer Fliegerhorst eingesetzt. Anlass genug, das Buch in der Goslarschen Zeitung vorzustellen. Meinen Artikel darüber findet ihr hier.

 

Plutarch: Wie man den Zorn besiegt (Reclam)
Analyse einer heftigen Gefühlsaufwallung und der Versuch, mäßigend darauf einzuwirken. Plutarch lässt das Ganze in Form eines Dialogs behandeln. Sulla begegnet seinem Freund Fundanus, den er wohl zuvor als recht aufbrausenden Menschen kennen gelernt hat, und fragt ihn, wie er es geschafft hat, seine Hinneigung zum Zorn jetzt derart gut in den Griff zu kriegen. Fundanus erzählt nun ersteinmal von den schädlichen Wirkungen des Zorns, der Menschen dazu treibt, blindwütig sehr unvernünftig zu handeln und schwere Fehler zu begehen. Dann erzählt er, wie er mithilfe vernünftiger Überlegung seinen ersten Zornausbruch niederhalten konnte. Eine ständige Übung, Training, die Heranbildung einer Gewohnheit wird empfohlen. Was beim ersten Mal noch eine wahre Kraftanstrengung ist, wird beim zehnten Mal schon leichter, und schließlich wird die Kontrolle solcher Aufwallungen zur Routine.
Das Buch ist reich an Anekdoten und Schilderungen über Helden und historische Persönlichkeiten, die den Fehler machten, sich vom Zorn hinreißen zu lassen. Immerhin: Nicht zufällig beginnt das älteste griechische Epos mit dem Wort " Menin" (Menis = Zorn), nämlich das "Zorngedicht" Homers, die Ilias, in der es um den Zorn Achills geht, einen Zorn, der tausendfachen Tod nach sich zog.
Das Büchlein ist mit einer sehr lesenswerten Einleitung und hilfreichen Anmerkungen versehen, ergänzend ist im Anhang ein Auszug aus einem Brief Ciceros an seinen Bruder Quintus abgedruckt. In dem Schreiben geht Cicero näher auf Plutarch und seine Lehren zum Thema "Zorn" ein,
Tja, und bekomme ich nun meinen Zorn besser in den Griff als vorher? Nicht unbedingt. Aber darüber nachzudenken, das ist ja schon mal ein Anfang.

 

Hans Baumann: Der große Alexanderzug
Hans Baumann geht einem Thema nach, das er schon oft bearbeitet hat: Er arbeitet sich an den großen charismatischen Führerfiguren der Antike ab. Für Baumann, der als Lyriker der Nazis mit großer Verehrung an Hitler gehangen hat, immer wieder ein essentielles Thema. Man denke an seinen Hannibal-Roman, in dem der Punier zu Beginn durch seinen menschlichen Umgang mit seinen Soldaten und den Elefanten gekennzeichnet war, in der Endphase aber die Grenze zum maßlosen, unvernünftigen Machtmenschen überschritt, jegliche Bodenhaftung und alles Verantwortungsgefühl verlor, sich als teuflisch entpuppte, worauf alle, die an ihn geglaubt hatten, in ein tiefes Loch stürzten ...
Auch "Der große Alexanderzug" zeigt einen solchen von allen seinen Gefolgsleuten angebeteten Führer. Erstaunlicherweise ist dieses Buch das einzige mir bekannte Werk Baumanns, in dem er seine Hauptfigur nicht vom hohen Sockel stürzen lässt. Alexander bleibt bis zum Ende beinahe fleckenlos, kleine Irritationen in der Mitte des Buches vielleicht beiseite gelassen. Der Eroberer, der ein riesiges Reich gewinnt, ist bis zum Ende eine Verkörperung griechisch-makedonischer Tugenden, tapfer, kühn, großzügig und hochanständig. Seltsam, aber so hat er es geschrieben.
Das Buch ist insgesamt nicht wirklich eine Roman-Biografie. Es handelt sich vielmehr um 55 Kapitel, die einzelne Episoden oder Anekdoten schildern. Etwas vergriffen hat sich Baumann allerdings in der Wahl seiner Erzählerfigur. Als Erzähler stellt sich im ersten Kapitel ein "Tagläufer" vor. Das ist ein Mann, der in gleichmäßigen Schritten die Strecken misst, die das Heer zurücklegt. Er ist selbst an Kampfhandlungen nicht beteiligt, sondern nur verantwortlich für das Ausschreiten und Erfassen der Entfernungen. Und dieser Tagläufer nimmt für sich in Anspruch, mit Alexander auf gutem Fuß gestanden zu haben und nun über ihn die Wahrheit erzählen zu können. Das ist keine schlechte Idee. Allerdings taucht dieser Tagläufer und Erzähler nach seiner Vorstellung nie wieder auf. Es folgen bloß hintereinandergeklatscht 55 kurze Texte über Alexander. Wie gern hätte man etwas mehr über das "Handwerk" dieses Läufers erfahren, wie gern ihn in der Interaktion mit Alexander erlebt, etwas mehr über ihr Verhältnis erfahren. Verpasst. Der Erzähler verschwindet und ward nie mehr gesehen. Dazu hätte man seinen Vorstellungstext am Anfang des Buchs nicht lesen müssen. Verschenkt. Was nicht heißen soll, dass das Buch inhaltlich nicht interessant wäre, da steht schon eine Menge lesens- und nachdenkenswertes drin. Literarisch ist es aber eine verpatzte Konstruktion.

 

Bernhard Zimmermann: Die griechische Tragödie
Kompakte Überblicksdarstellung, gut für den Einstieg. Hatte für mich nicht umwerfend viel Neues zu bieten. Aber ließ sich gut lesen. Und eine Wiederauffrischung kann ja auch nicht schaden.

 

Hoch die Tassen! Ein (erstes) phantastisches Fest
Sammelband mit den Beiträgen zum Marburg-Award 2023. Das Thema war in diesem Jahr "Phantastische Feste", wobei es sich um Feste handeln sollte, die tatsächlich irgendwo oder irgendwann gefeiert wurden, historisches Brauchtum, lokale Traditionen, gern auch relativ unbekannte Feierlichkeiten wurden gesucht. Im kommenden Jahr soll es dann um ein fantastisches, frei erfundenes Fest gehen. Es handelt sich also um den ersten Teil eines Doppel-Wettbewerbs.
Sehr gefallen hat mir die Geschichte "Schrödingers Influencerin" von Sonja Hermeneit. Sie erzählt von einer Influencerin, die dringend neue Follower braucht und sich darum in die Prozession der Heiligen Marta einschleicht. Hier feiern gewöhnlich Leute, die eine Nahtod-Erfahrung emacht haben, ihre Wiederauferstehung, indem sie sich in Särgen durch die Stadt tragen lassen. Doch Emma, die das alles nur für ein paar tausend Klicks macht, hat plötzlich eine Begegnung mit der Heiligen. Und sie verliert ihre sämtlichen Follower, weil die dieses Spiel mit dem Tod nicht goutieren. Als der Sargdeckel sich wieder öffnet, ist die Influencerin followerlos, also quasi "tot".
Sehr schön fand ich auch die Geschichte "Unter dem Mond von Kyoto" von K.R. Sanders, die von einem japanischen Mondfest handelt und von einem Kaninchensprung hoch zum Mond erzählt.
Außerdem hat mir "April, April" von Olaf Lahayne gefallen. Es geht eine Bismarck-Feier und um den Versuch, den alten Reichskanzler heraufzubeschwören. Das Ganze läuft auf eine Brandkatastrophe auf der Aussichtsplattform des Bismarckturms hinaus, die später als "Vandalismus" gedeutet wird. Bismarck selbst taucht auch auf, ist aber der Meinung, dass seine Zeit längst vorbei sei.

 

Weitere Jahresrückblicke
Jahresrückblick I: Januar bis März 2023
Jahresrückblick II: April bis Juni 2023
Jahresrückblick IV: November 2023
Jahresrückblick V: Dezember 2023

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick II: April bis Juni 2023

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 29 Dezember 2023 · 1.324 Aufrufe
Jahresrückblick

Willkommen zum zweiten Teil meines Jahresrückblicks. Wie schon im ersten Quartal 2023 war auch in den Monaten April bis Juni mein Lesepensum nicht allzu groß. Ich habe mich in dieser Zeit hauptsächlich mit Western, Comics und Heftromanen befasst. Außerdem habe ich hier den Reinfall meines Lesejahres festgehalten. Schaut einfach mal rein, ob ihr etwas davon gebrauchen könnt.

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

 

April

 

Thomas Ostwald: Aufbruch ins Ungewisse

 

Yoko Tsuno: Sammelband 6 - Maschinenwesen
- Unter Hochspannung
- Die Stadt der Verbannten
- Ethera

Dass die Bände der Gesamtausgabe nicht chronologisch sortiert sind, sondern thematisch, hatte schon verschiedentlich zu Diskussionen geführt. Die Zusammenstellung von Abenteuern nach Schauplätzen (Deutschland, China, Vinea) oder Themen (Zeitreisen) hatte dabei durchaus seine Berechtigung, manchmal erscheint der Sammelbegriff aber durchaus gesucht. "Maschinenwesen" ist so ein Titel, der absolut nicht überzeugt und dem Inhalt nicht gerecht wird. So ist der erste Teil, "Unter Hochspannung" ein Album, das aus sechs Kurzgeschichten besteht, von denen nur eine tatsächlich mit einem Maschinenwesen zu tun hat, nämlich einem kleinen spinnenartigen Roboter. Ansonsten hat sich Yoko mit Bankräubern herumzuschlagen, beschert einem Mann und seiner Tochter eine Weihnachtsfreude, kämpft gegen Kriminelle, die ein Raketenprojekt sabotieren wollen, und gegen einen Verbrecher in Gorilla-Verkleidung, dem ein künstliches Exoskelett enorme Kräfte verleiht, begegnet Bienen, die Mikrofilme transportieren ... Aber das sind keine Maschinenwesen.
Immerhin: Die Stadt der Verbannten" entschädigt den Leser mit dem wunderniedlichen Robotermädchen Myna von Kifa und einem Roboter, der die Königin Hegora in ihrem komatösen Tiefschlaf bewacht. "Ethera" schließlich hat auch ein paar Roboter zu bieten, aber es geht eigentlich eher um einen neuen Körper für eine Seele und um das Speichern von Bewusstsein.
Doch die falsche Sammelbezeichnung sagt natürlich nichts über Inhalt und Qualität der Geschichten. Die sind tatsächlich lesens- und sehenswert. Auch die ausführlichen Informationen im Vorwort und die beigegebenen Fotos und Zeichnungen sind wieder ein tolles Plus. Also: ein schöner Band, nur eben mit einem komischen Titel und einer nicht ganz überzeugenden Zusammenstellung.

 

Johann Heinrich Witte: Salomon Maimon. Die merkwürdigen Schicksale und die wissenschaftliche Bedeutung eines jüdischen Denkers aus der Kantischen Schule
Ziemlicher Mist und überflüssig wie ein Kropf. Es handelt sich um einen der altbekannten On-Demand-Drucke von Verlagen die die Public Domain abgrasen. Diesmal ist das Schriftbild klar und leserlich, aber der Inhalt einfach nur verzichtbar. Ich hatte ja im vergangenen Jahr die Autobiografie Salomon Maimons gelesen, und das Buch hatte mich sehr begeistert. Nun, diese Begeisterung scheint auch Johann Heinrich Witte empfunden zu haben, oder er witterte einfach nur ein Geschäft. Was er nach der Lektüre von Maimons Autobiografie veröffentlichte, das war einfach nur eine Nacherzählung des Originals, wobei er sich peinlich genau an Maimons Text entlanghangelt. Der Autor nimmt als Eigenleistung für sich in Anspruch, dass er sich bemüht hat, die genauen Jahreszahlen für die von Maimon aufgeschriebenen Erlebnisse herauszufinden. Aber nur wegen einer Handvoll Zahlen in einem ansonsten 1:1 abgekupferten Buch muss man sich Wittes Machwerk wirklich nicht kaufen. Haltet euch lieber an das Original. Ich empfehle die antiquarische Suhrkamp-Ausgabe.

 

Thorgal 40: Tupilak

 

Friedrich Gerstäcker: Die Flucht über die Kordilleren. John Wells (Reclam)
In dem Buch von Thomas Ostwald "Aufbruch ins Ungewisse" (siehe oben) schilderte der Autor eine Begegnung der beiden Schriftsteller Karl May und Friedrich Gerstäcker, beides Schriftsteller, die über den "Wilden Westen" schrieben. Und da ich Gerstäcker jetzt endlich mal meine Reverenz erweisen wollte, besorgte ich mir das Reclamheft.
Enthalten sind zwei Geschichten, von denen die erste, "Die Flucht über die Kordilleren", sogar eine gewisse thematische Verwandtschaft aufweist, gibt es doch von May den Band "In den Kordilleren". Gerstäckers Erzählung spielt im Jahr 1846 zur Zeit des argentinischen Diktators Rosas (Juan Manuel Ortiz de Rosas). Eine Familie, die zu seinen politischen Gegnern zählt, muss fliehen und versucht, über die Kordilleren nach Chile zu entkommen. Unterwegs begegnen sie einer Räuberbande, die sie überfallen will. Sie verschanzen sich in einer Hütte, es kommt zur Belagerung, die Räuber versuchen es mit hinterhältigen Tricks, und auch der Wegführer ist nicht ganz astrein. Am Ende aber schaffen es die Fliehenden doch noch, die Räuber zu besiegen und nach Chile zu gelangen.
Die zweite Geschichte handelt von einem Mann, einer Frau und ihren Söhnen, die in einer etwas abgelegenen Hütte leben. Ein durchreisender Fremder setzt dem Ehemann und Titelhelden einen Floh ins Ohr. Seitdem träumt John Wells nur noch von Texas und bricht auf, um sich das Land einmal anzusehen. Jahrelang wartet die Frau auf seine Rückkehr. Dann heißt es, Wells sei gestorben. Inzwischen ist auch der Fremde wieder da und siedelt sich in der Nachbarschaft an. Er und Frau Wells kommen sich näher. Sie werden Mann und Frau. Und plötzlich, etwa ein halbes Jahr danach, ist ihr erster Ehemann wieder da. Und wem gehören nun die Frau und die Farm?

 

Prinz Eisenherz: Band 11, Jahrgang 1957/1958
Der elfte Bocola-Sammelband erzählt von einer Spionage-Reise, die Eisenherz für König Artus unternimmt. Getarnt als Kreuzritter, der aus dem Heiligen Land zurückkehrte (der er ja tatsächlich ist), besucht Eisenherz mehrere feindlich gesinnte Könige und macht sie unschädlich. Allerdings verliert er dabei auch als jemand, der einen falschen Gefolgschaftseid leistete, seine Ehre, die er erst durch ein Manöver des Königs Artus und der Tafelrunde zurückerhält. Es wird erzählt, wie Eisenherz den wunderbaren roten Hengst Arvak einfing, zähmte und verteidigte. Wir erleben Familienleben mit Aleta, den Zwillingsmädchen und Arn und begleiten letzteren an den Hof des befreundeten Königs Hap-Atla, wo der junge Prinz von Thule erzogen werden soll. Zwischen Arn und Frytha, der Tochter des Königs, bahnt sich eine Liebesgeschichte an, auch wenn die Prinzessin ihn zunächst ständig neckt und ihm Streiche spielt. Sehr nett ist die Szene, in der sich beide gegenseitig in den Burggraben werfen. Frytha hat beim Auftauchen ein Seerosenblatt auf dem blonden Lockenkopf, was sehr stark an eine ähnliche Darstellung Aletas in einem der früheren Abenteuer erinnert. Es gibt eine Wikinger-Invasion in Thule, einen einsamen Marsch Eisenherz' durch Eis und Schnee, zweimal geht das singende Schwert verloren, zweimal gelangt es zurück in seine Hand. Schließlich muss der Prinz aus Thule noch gierigen Londoner Kaufleuten ihre Grenzen zeigen. Wieder ein sehr schöner Band, solide Hardcoverausgabe mit interessantem Vorwort.

 

Hörspiel

 

Die Luke-Wild-Tagebücher: Das Geheimnis von Sorgemos
Harz-Hörspiel aus der Werkstatt des Wiedelaher Hörspielmachers Martin Bolik. Ich habe die erste Folge, die in der Walpurgismacht ihren Erstverkaufstag hatte, im Vorfeld gehört und in der Goslarschen Zeitung vorgestellt. Den Artikel dazu findet ihr hier.

 

 

Mai

 

Thorgals Jugend 10: Sydönia

 

Axel Halbach: Blutige Schluchten (e)

 

Comanche. Gesamtausgabe, Bd. 1
- Red Dust
- Krieg ohne Hoffnung
- Die Wölfe von Wyoming

Comic-Klassiker von Greg und Hermann, eine Western-Serie dessen "dreckiger" Zeichenstil einfach nur passt wie die Faust aufs Auge. Es geht um die Rettung der Triple-Six-Ranch, die einer jungen Frau namens Comanche gehört. Ob sie familiäre Beziehungen zum gleichnamigen Indianerstamm hat, wird nie geklärt. Wobei der Titel auch nicht unbedingt passt, denn die eigentliche Hauptfigur ist der rothaarige Cowboy und Revolvermann Red Dust, der zum Auftakt des ersten Bandes gleich einen Profikiller im Duell erschießt, einen unbezähmbaren Wildhengst bändigt und auf der Ranch anheuert. Und natürlich schafft er es, den bösen Geschäftemacher auszuschalten, der Comanche immer wieder Killer vorbeischickt und sich ihre Ranch unter den Nagel reißen will.
Im zweiten Teil geht es um die benachbarten Cheyenne, die das Kriegsbeil ausgraben und die Ranch angreifen, um sich mit Fleisch zu versorgen, weil von der Regierung zugesagte Nahrungslieferungen nicht angekommen sind. Teil drei schildert den Kampf gegen eine Räuberbande und das Schicksal eines Predigers und Revolvermanns, der von seiner Vegangenheit eingeholt wird.
Der Sammelband ist hervorragend ausgestattet, bietet umfangreiches Hintergrundmaterial und druckt auch drei separat erschienene Kurzgeschichten über Red Dust ab. Sehr schön.

 

Hugh Lofting: Doctor Dolittles Circus (e)
Im vergangenen Quartal hatte ich die beiden ersten Bücher der Dolittle-Gesamtausgabe gelesen, nun also Band drei. Beim Lesen gab es diesmal keine größeren Irritationen, die Geschichte deckt sich mit der deutschen Ravensburger-Ausgabe aus meiner Jugend. Nur an einer Stelle gab es eine neue Entdeckung: Sophie die Robbe, deren Rettung im Mittelpunkt des Buches steht, hatte vorher bereits Kontakt zu dem Doktor. Sie war eine Abonnentin seines Arktis-Magazins und hatte mit Dolittle über einige spezifische Robbenthemen korrespondiert. So war es tatsächlich sinnvoll, dass die Postamtsgeschichte als Teil zwei der Reihe einsortiert wurde.
Worum geht es? Doctor Dolittle und seine Tiere sind aus Afrika zurück nach England gekommen und müssen nun Schulden abbezahlen. Um dem Mann, der ihnen in Teil eins das Schiff geliehen hatte, sein Eigentum zu ersetzen, wollen sie Geld bei einem Wanderzirkus verdienen. Immerhin haben sie aus Afrika das sensationelle Stoßmich-Ziehdich mitgebracht, das sie nun für Geld sehen lassen. Das funktioniert auch recht gut. Allerdings ist Doctor Dolittle mit vielem, was er im Zirkus sehen muss, nicht einverstanden. Immer wieder kämpft er gegen Tierquälerei. Und als Arzt ist er auch stinksauer, als ein Quacksalber sich als Wunderarzt der Truppe anschließen will.
Um die Robbe Sophie, die unter unwürdigen Bedingungen gehalten wird, zu befreien, steckt er sie in Frauenkleider, reist mit ihr per Kutsche und zu Fuß bis ans Meer und wirft sie schließlich ins Wasser, worauf er sich einem Mordprozess stellen muss. Und als im Zirkus ruchbar wird, dass er mit Tieren sprechen kann, ist er plötzlich eine viel größere Attraktion als das Stoßmich-Ziehdich. Der Zirkus boomt, schließlich werden sie zu einer der angesagtesten Spielstätten Englands eingeladen, fliegen von Erfolg zu Erfolg. Reich werden sie damit - beinahe. Denn irgendwann brennt der Zirkusdirektor mit der Kasse durch.
Artisten und Tiere wählen Doctor Dolittle zum neuen Direktor. Und er erschafft, einen genossenschaftlich organisierten Idealzirkus, in dem Menschen und Tiere die gleichen Rechte haben. Ein schöner Traum

 

 

Juni

 

Robert E. Howard: Das Teufelsweib (BunTES Abenteuer Nr. 51)
- Das Teufelsweib
- Das Purpurherz von Erlik

Vom Marburg-Con habe ich die vier neuen Hefte aus der Reihe BunTES Abenteuer mitgebracht. Die Nummer 51 enthält zwei Geschichten aus der Feder von Conan-Erfinder Robert E. Howard. Der Held der beiden Storys ist Wild Bill Clanton, ein Abenteurer und echter Barbar, brutal, hart, kaltblütig und ziemlich durchsetzungsstark. Howard schrieb insgesamt sechs Geschichten über diesen Helden.
Im ersten Teil geht es um eine vernichtete Schatzkarte, die einem Kapitän den Weg zu einem verborgenen Ambra-Lager weisen sollte. Im zweiten Fall ist das Objekt der Begierde ein sagenumwobener Edelstein, den eine Frau einem Chinesen klauen soll. Clanton erledigt in beiden Fällen skrupellos seine Gegner und reißt sich die jeweils gleichfalls eiskalte und verkommene weibliche Hauptperson unter den Nagel. Er schnappt sich auch den Edelstein, den Ambraschatz gab es wohl nicht. Beide Geschichten sind sehr kurz, zielstrebig, actionreich und gut geschrieben, mein Fall ist Clnton gleichwohl nicht.

 

Maxim Michailow: Der letzte Flug der Parus (BunTES Abenteuer Nr. 52)
Ein Prequel zum Roman "Der Andromedanebel" von Iwan Jefremow. Es geht um die Havarie eines Raumschiffs, das in die Anziehung eines Eisensterns gerät und auf einem unbekannten Planeten eine Bruchlandung hinlegt. Ein anderes Schiffswrack gibt Rätsel auf. Die Gestrandeten müssen feststellen, dass sie nicht allein sind. Und die Unbekannten entpuppen sich als eine tödliche Bedrohung. Sehr dichte, atmosphärische Story, die mir gefallen hat.

 

Comanche. Gesamtausgabe, Bd. 2
- Roter Himmel über Laramie
- Das Tal ohne Licht
- Rote Rebellen

Red Dust ist weiter auf der Jagd nach den "Wölfen von Wyoming". Endlich kann er den letzten der Mörderbande erschießen. Pech für ihn: Der Sheriff verhaftet ihn, denn Leute umbringen ist ja verboten.
Teil zwei zeigt Red Dust als verurteilten Mörder und Zwangsarbeiter. Seine Freunde schaffen es endlich, ihn zu befreien, aber er darf nur unter strengen Bewährungsauflagen zurück auf die Ranch. Dazu gehören Meldepflicht, Verzicht auf Alkohol und Finger weg von Waffen. Es ist eine einzige Demütigung für den Mann. Nicht nur der arrogante Hilfssheriff zeigt ihm ständig, dass ein ehemaliger Strafgefangener ganz unten in der Hierarchie steht, sondern auch Kinder und Halbwüchsige meinen, ihr Mütchen an ihm kühlen und ihn provozieren zu müssen. Red beißt die Zähne zusammen und zeigt eiserne Selbstbeherrschung. Doch dann bedrohen ein Verbrecherboss und seine Bande die Stadt. Der Sheriff wirbt Red Dust als Deputy an. Er und der arrogante andere Hilfssheriff müssen sich zusammenraufen und kämpfen Seite an Seite.
Teil drei schließlich widmet sich erneut den Cheyenne, die die Ranch angreifen und diesmal sogar eine Kanone mitgebracht haben. Mondflecken, der Sohn des Cheyenne-Häuptlings, arbeitet eigentlich für Comanche, doch nun gerät er in ein schiefes Licht: Wird er seine Freunde von der Triple-Six-Ranch verraten und sich seinen Stammesgenossen anschließen? Comanche selbst entwickelt inzwischen eine eigentümliche Vorliebe für Tussenhüte. Und ein schrecklicher Laffe, ein Fotograf aus der Großstadt, der in einem Ballon über der Ranch aufsteigt, macht der Ranch-Chefin den Hof.
Wieder ein sehr gut ausgestatteter Band mit vielen Hintergrund-Infos und weiteren Kurzgeschichten aus dem Red-Dust-Kosmos.

 

Tassilo 16: Die Zauberin der tiefen Wasser

 

Yoko Tsuno: Sammelband 7 - Dunkle Verschwörungen
- Die Tochter des Windes
- Spuk in Schottland
- Rheingold

Erneut ein Sammelband, dessen Titel nicht hält, was er verspricht. Ein Krimineller mit ein paar Helfershelfern macht noch keine Verschwörung aus. Im Prinzip würde ich keine der drei Geschichten mit dem Thema "Verschwörung" verbinden. Sei's.
"Die Tochter des Windes" bietet ein japanisches Abenteuer, in dem Yoko ihrem Vater und ihrem väterlichen Freund begegnet. Es geht um Taifune, deren Beherrschung und Auflösung das Studienobjekt ihres Vaters sind. Aber wer Taifune auflösen will, lernt auch, wie sie geschaffen werden. Ein Machtmittel, das Verbrecher nur zu gern besitzen und einsetzen würden ...
Das schottische Abenteuer erzählt von einer reichen Erbin, die noch vor ihrer Volljährigkeit in den Wahnsinn und in den Tod getrieben werden soll. Ihr Stiefvater setzt unter anderem eine Doppelgängerin und Videoprojektionen ein. Aber dann kommt ihm Yoko in die Quere.
Das dritte Abenteuer schließlich spielt in Deutschland, im Luxuszug Rheingold. Es gibt ein Wiedersehen mit Herrn Kazuki aus dem Taifun-Abenteuer und mit Yokos deutscher Freundin Ingrid, dazu Kämpfe mit asiatischen Kampfkünstlern und einem Roboter, und Yoko findet, nach anfänglichen Irritationen, eine neue Freundin. Alles in allem spannende Abenteuer, nur eben keine einzige "Verschwörung".

 

Alexander Kasnzew: Die lebende Schlucht (BunTES Abenteuer Nr. 53)
Das beste der vier neuen TES-Hefte. Es geht um einen Flugzeugabsturz über einem See im Kaukasus. An Bord befinden sich als Passagiere eine junge Ichthyologin und ein Archäologie-Professor, der einen Sarkophag und eine gerade entzifferte Inschrift mit sich führt. Es scheint sich um das Testament Assurbanipals zu handeln. Nach der Notwasserung versinkt das Flugzeug. Die Abgestürzten treffen vor Ort auf ein Geologen-Team und machen sonderbare Beobachtungen. Unter dem Einfluss eines Sturms aus einer bestimmten Richtung verschiebt sich ein Felsen. Im Wasser des Bergsees schwimmt ein Hai. Liegt der See über einem sagenhaften Tunnel, der das Kaspische Meer mit dem Ozean verbindet? Lässt die sich öffnende und schließende Schlucht regelmäßig Meerwasser und Meeresbewohner in den See? Ein Wissenschaftler träumt einen kühnen Traum: Durch einen Tunnel könnte man das Kaspische Meer mit dem Meer verbinden und Passagiere und Waren hindurch transportieren ... Ein abenteuerliches, zugleich in Mythos und Wissenschaft verankertes Stück SF-Literatur, verbunden mit einer interessanten, (noch) nicht verwirklichten Vision. Empfehlenswert.

 

Weiterer Rückblick
Jahresrückblick I: Januar bis März 2023
Jahresrückblick III: Juli bis Oktober 2023
Jahresrückblick IV: November 2023
Jahresrückblick V: Dezember 2023

 

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Jahresrückblick I: Januar bis März 2023

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 28 Dezember 2023 · 1.037 Aufrufe
Jahresrückblick

Das Jahr 2023 neigt sich dem Ende zu. Zeit also, zurückzublicken auf meine Lesefrüchte des vergangenen Jahres. Zuvor aber noch ein paar Sätze darüber, wie es mir ergangen ist in diesem Jahr 2023.
Beruflich war ich ziemlich stark eingespannt. Corona und eine heftige Virusinfektion haben große Teile der Redaktion lahmgelegt. Mich hat Corona noch immer nicht erwischt. *toitoitoi* Aber da viele andere fehlten, blieb für den Rest eben mehr zu tun. Ich habe bis Ende Oktober keine einzige nicht-journalistische Geschichte geschrieben. Erst im Lese- und Schreib-Urlaub auf Helgoland habe ich dann endlich wieder zu Füller greifen können. Abgeschlossen habe ich dort mein Kinderbuch über Bertha, die dreibeinige Straßenhündin, außerdem habe ich fünf Buchfinkenmärchen geschrieben. die meine Sammlung von insgesamt 50 Geschichten nun komplettieren. Außerdem entstanden drei kürzere Erzählungen über einen intergalaktischen Forscher und die bemerkenswerte Fauna fremder Planeten. Dazu vielleicht im nächsten Jahr mehr.
Veröffentlicht habe ich in diesem Jahr meinen Indianer-Roman "Das Herz des Donnervogels", eine Hommage an Karl May, in der Junger Adler, ein indianischer Flugpionier aus Mays letztem Roman "Winnetou IV" bzw. "Winnetous Erben", auf die Brüder Wright trifft. Das Buch erschien Anfang April im Blitz-Verlag. Ich konnte es auf dem Marburg-Con, dem BuCon und dem Conventus Leonis vorstellen, außerdem hatte ich eine Lesung in Rhüden, und es gab zwei Radiosendungen darüber - in "High Noon" auf Radio Tonkuhle und in "Good Vibrations" auf Radio Okerwelle. Außerdem gab es eine Leserunde auf Lovelybooks.
Ich habe mir in diesem Jahr zwei jeweils einwöchige Sprachkurse, einmal Hebräisch und einmal Italienisch, gegönnt, außerdem eine Fortbildung zum Thema "Bloggen" und ein Wochenende "Humorvolles Schreiben" bei Gagschreiber Christian Eisert.
Tja, und das war's schon aus meinem Leben. Ansonsten bin ich müde, aber gesund, und das ist doch auch schon was.

 

Doch nun zu meiner Lektüre. Das erste Quartal ist, wie gewohnt, schlank, diesmal auch wegen der oben geschilderten beruflichen Dinge. Inhaltlich ging es wieder viel um Indianerliteratur, Antike, Judaica und Comics, dazu etwas über Helgoland, Krimis, Belletristik und Kinderbuch-Klassiker. Viel Spaß damit!

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

 

Januar

 

Thorgal 39: Neokora

 

Kerstin Groeper: Im Eissturm der Amsel

 

Levke Paulsen: Vom Dorf ins Meer. Herzheimat Helgoland

 

Gilbert L. Wilson: Goodbird. Die Welt der Hidatsa

 

Yoko Tsuno: Sammelband 5 - Unter der Sonne Chinas
- Der Drache von Hong Kong
- Die Himmelsdschunke
- Die Pagode der Nebel

Die chinesischen Abenteuer des japanischen Karategirls. Der schönste Sammelband der Serie, finde ich. Und dass der Autor in Yoko japanische Tatkraft und chinesische Poesie vereint sehen möchte, lässt sich hier sehr schön erleben. Dieses China Yoko Tsunos ist wirklich ein sehr poetisches und zauberhaftes Land. Die Serie fasziniert erneut durch die Zeichnungen von Landschaft und Architektur und die schier unendliche Fantasie des Autors, wenn es darum geht, technische Geräte und vor allem Fahrzeuge zu entwerfen. Dazu gibt es eine ausführliche Einleitung mit Hintergründen zu den drei Abenteuern und sehr viele Skizzen und fertige Zeichnungen, an denen man die Entstehung der Geschichten verfolgen und ihre Original-Schauplätze mit den Comic-Versionen vergleichen kann. Sehr schön.

 

Anna Müller-Tannewitz: Marys neue Schwestern
Jugendbuch von einer der Ahnherrinnen der modernen Indianerliteratur. Ich habe es antiquarisch bekommen. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Siedlerstochter, die bei einem Shawnee-Überfall verschleppt wird. Mary kommt schließlich durch Tausch bzw. Handel in ein Dorf der Seneca, die zu den Irokesen gehören, und wird in eine Familie aufgenommen. Lange Jahre lebt sie dort, aus ihrer ursprünglichen Angst wird bald Zuneigung und das Gefühl, der Familie, bei der sie untergekommen ist, anzugehören. Sie hat liebevolle Schwestern, findet Freunde, wird nach und nach zu einer richtigen Irokesin. Einmal, nach langen Jahren, hat sie die Gelegenheit, zu ihren Brüdern zu reisen, die den Überfall überlebt haben. Die Begegnung ist zunächst freundlich, aber man hat sich nicht mehr viel zu sagen, und der Bruder John hasst ihre neue Familie, obwohl die Irokesen ja gar nichts mit dem Überfall zu tun hatten. Schließlich entscheidet sich Mary, nicht zu bleiben, und geht zurück zu den Irokesen, um dort eine eigene Familie zu gründen. Das Besondere ist, dass diese Geschichte nicht frei erfunden ist, sondern auf historischen Tatsachen beruht. Im Nachwort erzählt die Autorin etwas über die wirkliche Mary und ihr Leben.

 

Sarah Orne Jewett: Deephaven
Zwei Frauen verbringen einen Sommer in einem kleinen fiktiven Küstenstädtchen. Die Entscheidung, nach Deephaven zu gehen, fällt spontan, da eine von beiden dort ein Haus geerbt hat. Sie geraten in eine altertümliche, kernige Welt, begegnen alten Kapitänen, skurrilen Frauen, Witwen, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen, Menschen mit traurigen Schicksalen, Menschen, die zupacken und ihr Leben meistern, und überhaupt ausgesprochen seltenen, liebenswerten Charakteren. Es ist nicht eigentlich ein Roman, eher eine Ansammlung von Skizzen und Porträts, kleinen Abenteuern und bereichernden Begegnungen, ein Buch über das Meer und die Menschen, die mit ihm leben. Keine Handlung, eher eine Stimmung. Ein Buch, das nach Seeluft riecht und jeden Misanthropen wieder neugierig auf die Begegnung mit Menschen macht. Hinzu kommt die außerordentlich gediegene Aufmachung. Leinengebunden im Schuber, mit Lesebändchen, Fadenheftung, edlem Papier ... eine kleine Kostbarkeit für Bibliophile.

 

Edward Gorey: Eine Harfe ohne Saiten oder Wie man Romane schreibt
Entstehung eines Romans, dichterische Krisen und Größenwahn des Dichters Melf, mit spitzer Feder in Cartoons/Karikaturen gegossen. Melf ist eine absolute Dramaqueen und liebt die große Pose. Ein Bilderbuch für Schriftsteller. Sehr schön, und ich denke, jeder Autor wird sich wiedererkennen ... :-)

 

 

Hörbuch/Hörspiel

 

Ruth Klüger: Weiter leben. Eine Jugend
Die Lyrikerin Ruth Klüger lernte ich vor über zehn Jahren durch ihren Gedichtband "Zerreißproben" kennen. Ein Buch, das mich damals sehr beeindruckt hatte. Nun also fiel mir ihre Lebensgeschichte in die Hände. Sie hat das Hörbuch im Jahr 1996 auch selbst eingesprochen mit ihrer herben, zerknitterten Stimme. Damals war sie Mitte 60. Den österreichischen Dialekt hatte ich so nach der Lektüre ihrer Gedichte nicht erwartet. Das Ganze wird sehr nüchtern, manchmal beinahe emotionslos vorgetragen, in der Art Emotionslosigkeit, unter der Theresienstadt und Auschwitz unvergessen fortbestehen. Ruth Klüger ist Jahrgang 1931, Kind einer jüdischen Familie aus Wien, sie erlebt schon als Kind Antisemitismus und Ausgrenzung. 1938 nach dem Anschluss Österreichs an das Nazireich, verliert sie den Vater, der zunächst nach Frankreich fliehen kann, später aber von den Nazis gefangen und 1944 vergast wird. Sie selbst und ihre Mutter kamen zuerst ins KZ Theresienstadt, schließlich nach Auschwitz, von wo sie 1945 kurz vor Kriegsende fliehen konnten. Später nahm sie ein Studium auf, wurde schließlich Germanistik-Professorin in der USA. Nüchtern, sachlich, mit scharfem, analytischem Blick schaut sie auf die Gesellschaft, die Erlebnisse und sozialen Strukturen im KZ, aber auch auf ihre eigene Familie, besonders auf die Mutter, mit der sie nicht immer ein gutes Auskommen hat, um es mal vorsichtig auszudrücken. Die österreichische Gesellschaft der 30er und 40er Jahre, aber auch die der Bundesrepublik wird sehr genau in ihren Schwächen und Unmenschlichkeiten gesehen. Und es ist garantiert kein weichgespülter Versöhnungstonfall, den die Autorin anschlägt. Wie soll man auch mit Leuten umgehen, die im Gespräch über Klügers Erfahrung im Konzentrationslager so dumme Sachen sagen wie: "Ach, du warst in Theresienstadt. Na, das soll ja nicht so schlimm gewesen sein" oder "So, du warst in Auschwitz? Aber du hast ja überlebt, dann war's ja nicht so schlimm"? Letzten Endes wüsste ich aber wohl auch nichts Intelligentes zu sagen, wenn diese Namen fallen.
Es ist definitiv keine "schöne" Geschichte, die sie zu erzählen hat. Aber eine Lebensgeschichte, die ich jedem nachdrücklich ans Herz legen möchte.

 

Berit Hempel: Abenteuer und Wissen: Jacques Cousteau. Tauchfahrt in die Tiefe
Beeindruckende Tauchfahrten, Abenteuer unter Wasser, die Entwicklung neuer Techniken, die legendäre Calypso, aber auch die unheimliche Begegnung mit einem Hai, in der aus Spiel sehr schnell Ernst wurde, der Tod von Weggefährten ... Berit Hempel hat Cousteau, sein Leben und seine Vision sehr gut in Szene gesetzt, dabei hat sie nur Ton, Sprache und Geräusche zum Malen ihrer Unterwasserabenteuer zur Verfügung und keine Filmaufnahmen. Ein sehr schöner, lebendiger Beitrag zu der Hörspielreihe, der auch mit Überraschungen aufwartet. Dass Cousteau während des Zweiten Weltkriegs im Widerstand war, in Italien spioniert hat und in einem James-Bond-artigen Handstreich wertvolle Geheimdokumente erbeutete, gehört zu den weniger bekannten Kapiteln aus dem Leben des Tauchpioniers.

 

 

Februar

 

Gunnar Kunz: Lagunenrauner

 

Reinhard Sturm: Tödliches Trio
Der Roman spielt im Harz, unter anderem in Goslar und an der Okertalsperre. Ich habe das Buch für die Goslarsche Zeitung gelesen und besprochen. Meinen Artikel darüber findet ihr hier.

 

Anna Weser: Der Rausch von Helgoland

 

 

März

 

Cord-Friedrich Berghahn, Mirko Przystawik, Katrin Keßler, Ulrich Knufinke (Hrsg.): Israel Jacobson 1768 - 1828. Studien zu Leben, Werk und Wirkung
Enthält Vorträge, die auf einer internationalen Tagung in Braunschweig gehalten worden waren. Anlass war der 250. Geburtstag Jacobsons im Jahr 2018. Jacobson ist Begründer des Reformjudentums, daher gibt es einige Beiträge über den Seesener Tempel, über die Reformbewegung, ihre Vorgeschichte, Religion in Zeiten der Aufklärung und das Verhältnis der Religionen zueinander, auch etwas über die Haskala und Jacobsons Stellung darin. Ferner gibt es etwas zu seiner Biografie, eine Untersuchung über die Geschichte, Authentizität und Bildaussagen der unterschiedlichen Jacobson-Porträts und etwas über seine Wohnsitze. Eine sehr lesenswerte und lehrreiche Sammlung.

 

Bernhard Kytzler: Frauen der Antike. Kleines Lexikon antiker Frauen von Aspasia bis Zenobia
Schmales Bändchen mit rund 300 Einträgen über berühmte Frauen. Die Menge der Einträge ist groß, doch die meisten von ihnen sind sehr kurz. Ich habe es von A bis Z durchgelesen und ein paar sehr interessante Frauen gefunden. Allerdings weiß man über viele von ihnen eben nur so viel, dass es für zwei oder drei Sätze reicht. Es ist bei vielen Personen ein Anfang, eine Einstiegslektüre, mehr nicht. Ich werde es neben den kleinen Pauly stellen und immer mal wieder zu Rate ziehen.

 

Hugh Lofting: The Story of Doctor Dolittle (e)
Ich habe mir die kostenlose gemeinfreie Doctor-Dolittle-Gesamtausgabe auf meinen Kindle geladen. Die meisten der Bände habe ich in meiner Jugend in der deutschen Übersetzung gelesen. Zum Teil war die Lektüre der englischen Originalversion sehr überraschend. In der Ravensburger Ausgabe von "Doktor Dolittle und seine Tiere" fehlte zum Beispiel die Geschichte über den afrikanischen Prinzen Bumpo. Bumpo tritt in meiner Ravensburger-Ausgabe erst in der Geschichte mit der schwimmenden Insel auf, allerdings war ich damals schon etwas verwirrt darüber, welche Anspielungen die Tiere über Bumpos Vorgeschichte machten. Kurz erzählt: Bumpo war der Prinz des Königreichs Jolliginki, dessen König Dr. Dolittle und seine Freunde gefangen nahm. Bumpo war an der Verhaftung nicht beteiligt und wurde später zum Befreier des Tierarztes. Wobei die Gruppe ihn eigentlich ziemlich böse ausgetrickst hat. Bumpo war zu der Zeit verliebt. Aber seine Prinzessin wollte nur einen weißen Freier erhören. Dr. Dolittle gaukelte ihm vor, er könne ihn weiß machen. Darauf half Bumpo den Freunden zur Flucht. Aber Dolittles Weißmach-Medikament wirkte nur ein paar Tage, und so war Bumpo der Angeführte. Das Ganze kommt etwas rassistisch rüber: Kluger Weißer trickst dummen Schwarzen aus. Zur Ehrenrettung Dolittles sei allerdings gesagt, dass die Sache von der resoluten Polynesia ausgedacht und angeordnet war. Jedenfalls wundert es mich nicht, dass die Sache in der deutschen Ausgabe (70er oder 80er Jahre) ausgelassen worden war. Allerdings ist die Geschichte dann in der "Schwimmenden Insel" nicht gut aufgefangen worden, ich spürte als Kind schon, dass da etwas nicht stimmte.

 

Andree Hamann: Aristoteles' "Nikomachische Ethik". Ein systematischer Kommentar (Reclam)
Sehr detaillierter Kommentar, der sich sehr eng, beinahe Satz für Satz, am Text entlanghangelt. Gut für Einsteiger geeignet, die dann am besten Ethik und Kommentar nebeneinander auf den Tisch legen und parallel lesen können. Das Buch bot für mich nicht allzu viel Neues, aber es war gut, sich die eine oder andere Stelle nochmal ins Gedächtnis zu rufen.

 

Hugh Lofting: Doctor Dolittles Post Office (e)
Mich hat zunächst die Reihenfolge verwirrt, denn das Buch wird eigentlich als dritter Band der Serie geführt. Als Kind las ich das Buch auch lange nach dem Erscheinen der bekannteren Dolittle-Bücher. Tatsächlich passiert die Geschichte aber, wie ich jetzt beim Nochmal-Lesen merkte, auf der Rückfahrt der Dolittle-Crew von Afrika nach England, also ist die Positionierung als Teil 2 durchaus sinnvoll.
Auch hier finden sich einige ziemlich rassistische Stereotype über Afrikaner. So liebenswert und herzerwärmend die Bücher für Tierfreunde sind, an dieser Stelle ist Lofting schon etwas mit Vorsicht zu genießen. Besonders seltsam: Dolittle und seine Crew retten eine Frau, deren Mann vom König des Landes Fantippo in die Sklaverei verkauft wurde. Die Schwarze wollte eigentlich Lösegeld zahlen, doch der Brief, in dem sie ihre Familie um Geld für den Loskauf ihres Mannes bat, kam nie an. Zum Glück können die Freunde ihren Mann befreien. Das Ehepaar lebt glücklich und zufrieden in Freiheit weiter. Und Dolittle? Er setzt Kurs auf Fantippo und staucht den König Koko ordentlich zusammen. Warum? Nicht etwa wegen des Sklavenhandels in seinem Reich, sondern - weil sein Postwesen so schlecht funktioniert. Das muss man als Leser erstmal verdauen.
Alles, was der Autor danach über das Postamt, das Entwicklungshelfer Dolittle gründet, erfindet, ist wunderbar, liebenswürdig und zu Herzen gehend. Die unterschiedlichsten Vögel stellen sich als Boten für die Auslandspost zur Verfügung und bringen gleich noch superzuverlässige Wetterberichte mit, die das Postschiff zu einer gefragten meteorologischen Station machen. Dolittle führt Briefmarken ein, die bald zu begehrten Sammlerobjekten werden, und bestreicht die Rückseiten der Marken mit Medizin, damit die Einwohner Fantippos bei drohenden Seuchen bereits geimpft sind. Dolittle erfindet mehrere Tierschriften, damit die Tiere auch Briefe schreiben können, und gründet diverse Magazine für Tiere, die gern gelesen werden. Er gibt brieflich Rat auf Anfragen seiner gefiederten und pelzigen Freunde.
Einen kleinen Schock hat mir der vom Doctor geplante Brieftransport von der Fantippo zum Nordpol versetzt: Die Schwalben tragen den Brief bis nach Nordafrika, dann tragen ihn Drosseln nach Schottland, bis Grönland bringen ihn Möwen. "And from there penguins would take it to the North Pole."
Hey, man kann doch keine Pinguine zum Nordpol schicken! Die werden doch alle von den Eisbären gefressen. (Der Riesenalk, der früher Pinguin hieß, war damals schon seit 70 Jahren ausgestorben.)
Einmal - eine ziemlich chauvinistische Szene - wird ein Angriff unbesiegbarer schwarzer Amazonen-Kriegerinnen abgewehrt, indem die weiße Maus die Frauen in Panik versetzt und in die Flucht schlägt. Es gibt eine Art Mini-Boccaccio-Einlage, als die Tiere einen Geschichten-Wettbewerb ausrufen und jedes eine Geschichte aus seinem Leben erzählt. Der Doctor lernt längst ausgestorben geglaubte Dinosaurier kennen und klärt einen Perlendiebstahl auf. Und am Ende steht die Begegnung mit Lehmgesicht, der uralten und urweisen Schildkröte, der Urmutter der uralten Morla und der weisen Nessaja, die Dolittle über ihre Erinnerungen an die Sintflut erzählt. Alles in allem eine wunderbare, zauberhafte Postamtsgeschichte und manchmal auch eine herrliche Post-Persiflage. Alles toll. Wenn nur die Sache mit dem Sklavenhandel nicht wäre.

 

Philippe Luguy: Gildwin - Die ozeanischen Legenden
Eine Art "Schwesterserie" zu den Tassilo-Alben. Nummer eins ist schon seit 2010 auf dem deutschen Markt, bisher ist allerdings noch kein zweiter Teil erschienen. Ich habe lange mit dem Album geliebäugelt und immer wieder doch nicht zugegriffen. Erst als jetzt - endlich - der neue Tassilo-Band angekündigt wurde, habe ich dann auch zum "Gildwin" gekauft.
Das Album ist im liebenswürdigen, märchenhaften Tassilo-Stil gehalten, wobei Gildwin noch etwas naiver, kindlicher rüberkommt als der Ritter mit der roten Löwenmähne. Gildwin ist ein leicht verschrobener Junge vom Dorf, ein Außenseiter, der noch an Märchenwesen glaubt. Nach einem Streit mit seiner Geliebten geht er fort auf eine Queste, er sucht das Land der "Ozeanischen Legenden". Witzig ist ein Bild aus einer Abenteurer-Kneipe. Dort sitzen Tassilo und Alwin am Tisch und reden folgendermaßen: "Ob sie und vielleicht vergessen?" "Aber nein!!! Sie arbeiten an neuen Abenteuern ..." "... aber du weißt doch, in ihrem Alter braucht das Zeit!" Gemeint sind natürlich, wie die Fußnote sicherheitshalber aufdröselt, Autor und Zeichner der Tassilo-Serie, Leturgie und Luguy. Insgesamt ist die Geschichte sehr nett, und Luguys Zeichenstil hat was, natürlich. Aber ganz heran an Tassilo kommt diese Suche nach den Ozeanischen Legenden nicht.

 

Weiterer Rückblick:
Jahresrückblick II: April bis Juni 2023
Jahresrückblick III: Juli bis Oktober 2023
Jahresrückblick IV: November 2023
Jahresrückblick V: Dezember 2023

 

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Jahresrückblick V: Dezember 2022

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 01 Januar 2023 · 875 Aufrufe
Jahresrückblick

Und hier der Abschluss meines Lese-Rückblicks auf das Jahr 2022. Da der November wie üblich total aus dem Ruder gelaufen ist, folgt hier separat der Dezember-Nachklapp. Was haben wir hier? Antike, ein Märchen-Erzähler mit sehr berechtigten Trigger-Warnungen, ein Indianer-Roman, ein Aufklärer, ein Flugpionier und ein dreifacher stiller irischer Held aus der Antarktis.
Viel Spaß beim Durchstöbern! Und alles Gute für ein spannendes und glückliches (Lese-)Jahr 2023!

 

Dezember

 

Älian: Bunte Geschichten (Reclam Leipzig)
Der zweite Vertreter der antiken "Buntschriftstellerei". Älians Sammlung "Bunte Geschichten" wurde sogar Namensgeber für das Genre. Im Prinzip ist die Sammlung ähnlich wie das Gelehrtenmahl von Athenaios, das ich Ende November las, nur dass es hier keine Rahmenhandlung und keine unterschiedlichen Sprecher gibt. Die Geschichten und "Nutzloses Wissen"-Texte werden einfach unkommentiert hinter einander wegerzählt. Auch dieses vorliegende Buch, das ich wie die Athenaios-Sammlung antiquarisch erwarb, ist eine Auswahl. Es erschien im Jahr 1990 und bietet auf 278 Seiten bunte Geschichten aus den 14 Büchern, die Älian unter dem Titel herausgab, sowie ein Nachwort und ein Register. Und: Wer Athenaios und Älian nacheinander liest, wird feststellen, dass ihm einiges bekannt vorkommt. Die Jungs in der römischen Kaiserzeit haben nämlich geklaut wie die Raben.

 

Antonia Michaelis: Im Schatten des Märchenerzählers
Das Buch ist eine Fortsetzung des Romans "Der Märchenerzähler", eines Wahnsinnsbuchs, das mich im Jahr 2011 einfach nur umgehauen hat. Eine harte und doch poetische Geschichte über Kindesmissbrauch, Prostitution, Drogenhandel, Vergewaltigung und doch auch über Liebe und den Zauber der Märchen.
Auch die nun erschienene Fortsetzung ist ein extrem hartes Buch. Die Autorin gibt der Geschichte sicherheitshalber eine Inhaltswarnung bei. Und das zurecht. Wer in dieser Hinsicht in irgend einer Weise gefährdet ist, sollte das besser aus der Hand legen, denn es sind schlimme Stellen darin. Und doch ... Es hat einen Zauber. Antonia Michaelis kann den Zauber der Märchen beschwören und trotzdem die Härten und Grausamkeiten des Lebens ihrer Helden schildern, genau so hart, wie es tatsächlich vorkommt in der Welt, auch in unserer Umgebung.
Abel Tanatek, der Märchenerzähler, hatte sich damals erschossen. Doch er hat einen Sohn, Elias, gezeugt, als er seine Freundin Anna vergewaltigte. Nun ist Elias 18 Jahre alt und fühlt sich beobachtet. Ist ein Wolf in seiner Nähe, der ihn beschützt? Ist Abel damals doch nicht gestorben, sondern hat seinen Tod nur vorgetäuscht? Wem, wenn nicht ihm, schreibt Anna heimlich Briefe? Und wer, wenn nicht Abel, antwortet ihr? Die Schatten der Vergangenheit nehmen langsam Gestalt an. Kinderpornos tauchen auf, in denen Abel missbraucht und misshandelt wurde. Schlimmer noch, falls es überhaupt Schlimmeres gibt: Auch ein sehr kleines Mädchen ist in den Videos zu sehen. Und die Verbrecher, die damals für die Vergewaltigung der Kinder verantwortlich waren, sind noch aktiv ...
Es ist ein verdammt gutes Buch. Aber es ist auch eine verdammt widerliche Geschichte. Ich wünschte, sie wäre reine Phantasie.

 

Tanja Mikschi: Als der Mond zu sprechen begann

 

Christian Wilhelm von Dohm: Denkwürdigkeiten meiner Zeit II
Zweiter Teil der "Denkwürdigkeiten", Teil eins hatte ich im vergangenen Jahr gelesen. Zunächst muss ich festhalten, dass dieses Buch aus der Reprint-Fabrik von "Forgotten Books" absolut sauber eingescannt und durchgängig gut lesbar ist. Bei Teil eins waren ja viele Seiten unlesbar oder nur halb erfasst. Also: Für den Verlag an dieser Stelle mal ein Daumen nach oben.
Dohm setzt seine Geschichtsschreibung fort und legt in diesem Band einen Schwerpunkt auf Katharina die Große und den Kampf ums Schwarze Meer, man erfährt viel über die Krim und die russische Eroberung und Einverleibung dieses Landstrichs. Das Kapitel hätte ich vor einiger Zeit noch ganz unbeteiligt gelesen, aber nach der Krim-Annexion und jetzt während des Ukraine-Krieges merkt man, dass das alles eben doch nicht so weit weg ist.
Ferner geht es um Auseinandersetzungen Preußens und Friedrichs II. mit der Stadt Danzig und um Kämpfe zwischen Holland und den Niederlanden. Ein weiteres Kapitel widmet sich dem "System der bewaffneten See-Neutralität", das Katharina durch Verhandlungen mit vielen weiteren Staaten schuf. Es geht darum, dass bei Kriegen zwischen zwei Staaten neutrale Handelsschiffe nicht behelligt werde dürfen.
Was mir bisher überhaupt nicht klar war: Die amerikanische Erhebung gegen England und die Unabhängigkeitserklärung waren, wie Dohm hervorhebt, mit Folgen des Siebenjährigen Krieges. Die Briten wollten mehr Steuergelder von ihren Kolonien haben, weil der Krieg so teuer war. Aber die Amerikaner sagten: Keine Steuern ohne unsere Zustimmung, wir wollen dann wenigstens in eurem Parlament vertreten sein. So kam es zum Bruch, zumindest in der vereinfachten Form, wenn ein Preuße die amerikanische Unabhängigkeit erklärt, für den der Siebenjährige Krieg ja eine besondere Bedeutung hat ... Wieder was gelernt.

 

Otto Lilienthal: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst
Ein Buch, das ich im Rahmen meiner Recherchen für meinen Roman "Das Herz des Donnervogels" las. Sehr schöner, großformatiger Band, ein Faksimile der Ausgabe von 1889, herausgebracht von www.reprintpublishing.com. Reich illustriert mit Vogel- und Flügelzeichnungen und Abbildungen von Lilienthals selbst konstruierten Messgeräten und Versuchsaufbauten. Viele Messungen und physikalische Berechnungen, reichlich Formeln und Zahlen. Also durchaus etwas knifflig und kein Abenteuerbuch.
Wir wissen ja aus der Geschichte der Wright-Brüder, dass Lilienthal sich in vielen seiner Berechnungen geirrt hat, und wir wissen auch von seinem tragischen Ende. Darum bitte nichts von dem nachmachen, was hier beschrieben wird. Aber es war schon spannend, dem Flugpionier mal bei seiner Arbeit über die Schulter schaun zu können.

 

Michael Smith: Der stille Held Tom Crean
Geschichte eines irischen Seemanns, der an drei Polarexpeditionen teilnahm. Er war unter den letzten sechs, die Scott bis zur vorletzten Etappe zum Südpol mitnahm. Und er war zusammen mit Shackleton auf der Endurance-Expedition, gehörte zur sechsköpfigen Bootsbesatzung Shackletons, als dieser von Elephant Island nach Südgeorgien aufbrach, um seine Mannschaft zu retten, und war der dritte Man neben Shackleton und Worsley auf der lebensgefährlichen letzten Etappe über die Berge von Südgeorgien. Ein schlichter, bescheidener Mann, der von sich selbst nie großes Aufhebens machte, aber offenbar immer gut gelaunt war und seinen Teamkameraden mehrfach das Leben gerettet hat. Ich habe ja als Kind und Jugendliche immer den Berufswunsch "Polarforscher" gehabt und gerade über die Endurance-Expedition viel gelesen, aber Crean war mir bisher noch nie aufgefallen. Schön, dass diese Biographie ihn jetzt würdigt. Absolut lesenswert. Die Leute bei mare machen ja ohnehin schöne Bücher.

 

Hans-Martin Gutmann: Wendegier
Der Autor ist gebürtiger Goslarer und hat zudem kürzlich in der Stadt aus seinen Werken vorgelesen. Ich habe seinen Krimi daher in der Goslarschen Zeitung rezensiert.

 

Weitere Jahresrückblicke
Teil I: Januar bis März 2022

Teil II: April bis Juni 2022
Teil III: Juli bis Oktober 2022
Teil IV November 2022

 

 

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Jahresrückblick Teil IV: November 2022

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 31 Dezember 2022 · 1.070 Aufrufe
Jahresrückblick

Teil vier meines Lese-Jahresrückblicks. Mein Lese-Urlaub auf Helgoland brachte mir viele phantastische Bücher, einiges aus der Zeit der Aufklärung (britisch, deutsch und Haskala), eine Menge Indianerbücher und etwas über antike "Buntschriftstellerei". Außerdem habe ich drei Astronominnen kennen gelernt, endlich Salman Rushdies "Satanische Verse" gelesen, mich mit alten Epen befasst und stelle euch mein Buch des Jahres vor - und die beiden größten Reinfälle des Jahres. Schaut halt mal rein, vielleicht findet ihr ja ein paar interessante Bücher zum Selbstlesen.

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

November

 

Vico Siebensiegel: Farbentanz der Magie in den Träumen eines Nachtkerzenschwärmers
Ein kleines Büchlein, etwa im Reclamformat, das ein geheimnisvoll-bezauberndes Cover hat. Da musste ich auf dem BuCon einfach zugreifen. Erzählt wird die Geschichte zweier sehr ungleicher Wesen, die mit ihrem Zauber einen wunderbaren Garten schützen. Ein sehr schönes, geheimnisvolles Märchen, lesenswert.

 

André Boße: Die drei ??? - 100 Seiten (Reclam)
Cassettenkinder waren wir doch alle, oder? Das Reclamheft aus der Reihe "100 Seiten" geht dem Mythos der drei ??? nach, und man merkt sehr deutlich, dass der Verfasser ebenfalls ein Fan ist. André Boße erzählt von den ersten Bänden und der Idee, Alfred Hitchcock als "Paten" zu gewinnen, vom Marketing-Konzept und den Spannungen zwischen Buchreihe und Hörspiel, schwärmt von den Coverbildern von Aiga Rasch und stellt die Helden und wiederkehrende Verbündete und Gegner vor. Natürlich wird auch der Rechtsstreit aufgedröselt, der damals Buchverlag Franckh-Kosmos und Hörspiel-Label Europa getrennte Wege gehen ließ und die kurzlebige Hörspielreihe "Die Dr3i" entstehen ließ. Es gibt eine Statistik der meistgebrauchten Schlagwörter in den Titeln und Infos zu Ablegern wie "Die drei !!!" und "die drei ??? Kids". Außerdem geht der Autor der philosophischen Frage nach, warum die drei Junior-Detektive nicht altern dürfen und warum jede neue Folge wieder bei Null beginnt. Zugegeben, ich habe jetzt nichts hundertprozentig Neues erfahren. Aber es war einfach schön, mal wieder auf die alten Abenteuer zu blicken.

 

Werner Hermann: Das Anubis-Projekt
Kleines, schmales Taschenbüchlein aus dem Verlag Saphir im Stahl. Ich mag das Format. Der Text selbst ist etwas eklig. Es geht um wieder auferstehende Pharaonen, um Mumien, die wieder zum Leben erwachen und in Ägypten die Herrschaft übernehmen. Dass zwei Weltenretter - Ronin Erik und Artefakte-Pete aber zufällig sechs Jahre zuvor bereits die richtige Waffe gegen die Untoten gebunkert haben und dass Pete dann auch zufällig genau der Typ ist, den der Ich-Erzähler zur Hilfe ruft, das sind mir ein paar Zufälle zuviel. Aber ich vergebe einen Sonderpunkt für den überraschenden Schluss.

 

Sabrina Železný: Tod einer Andentaube

 

Frederik Hetmann: "Old Shatterhand, das bin ich ich"
Mal wieder ein typisches "Hetmann was here"-Erlebnis. Auf vielen meiner Interessengebiete hat der Autor ja seine Spuren hinterlassen, so auch mit dieser Biografie für junge Leser, die ich antiquarisch bei Amazon-Marketplace entdeckte.
Gut, wenn man bereits die Rowohlt-Monographie und ein paar andere Sachen über May gelesen hat, kennt man Mays Biographie natürlich. Aber es gibt doch zwei Sachen, die mich überrascht haben. Zum einen gibt Hetmann eine von Karl May erzählte Geschichte wieder, in der berichtet wird, wie Winnetou zu seinem Namen - "Brennendes Wasser" - gekommen ist. Das hatte ich bisher noch nie gelesen. Zum anderen macht Hetmann in May so etwas wie einen "absoluten Erzähler" aus und schildert dessen Fähigkeiten, aus Alltagssituationen oder dahingeworfenen Namen sofort eine Geschichte zu erfinden. Ein Automatismus, ein Reflex, der auch bei seiner Hochstapelei zum Tragen kam.
Was mich gewundert hat, ist, dass Hetmann "Ardistan und Dschinnistan" nicht liebte. Ich mag Mays Fantasy-Abenteuer sehr.

 

Juri Rytchëu: Die Frau vom See
Sehr schön gestaltetes Buch im Hosentaschenformat. Inhaltlich ein bisschen Tschuktschen-Legende, ein bisschen Pornografie. Aber irgendwie nett. Zwei junge Männer werden als Strafe, weil sie die Frauen des Dorfes überfallen und beschlafen, vom Schamanen in Zwerge verwandelt. Dann entdecken sie am See eine Frau, die sie in extreme sexuelle Erregung versetzt. Die beiden sind geil bis zum Anschlag, aber so winzig, dass die Frau sie nicht einmal wahrnimmt. Einer von beiden stirbt. Der andere erkennt langsam, was wahre Liebe ist ...

 

Eva von Kalm: Buchstabenblut
Ein kleines Taschenbuch, ebenfalls im Hosentaschenformat, das neun Kurzgeschichten beziehungsweise kürzere Erzählungen beinhaltet. Die Titelgeschichte handelt von einer Autorin, die allein in ihrer Kammer sitzt, buchstäblich mit ihrem Herzblut schreibt und dabei ein Monster erschafft. Eine Weiterentwicklung des Golem-Stoffs, nur dass das Monster, das sie geschaffen hat, unter der Lehmoberfläche von heißen Flammen beseelt ist. Und es zieht durch die Stadt und gefährdet ihre Freunde. Eva von Kalm erzählt von ungleichen Freundschaften, dunklen Bedrohungen, Menschen und Monstern und immer wieder vom Schreibprozess und der Fähigkeit, Wörter aufs Papier zu bannen. Sie versteht durchaus etwas vom Schreiben, die Geschichten sind gut gelungen, die Stimmung gekonnt aufgebaut und durchgehalten. Was ich nicht so sehr mag, ist, wenn ein Autor ständig seinen eigenen Schreibprozess zum Thema macht. Aber das ist natürlich eine reine Geschmackssache.

 

Monster wider Willen: Die Storys zum Marburg Award 2021
Eine Sammlung mit 20 phantastischen Kurzgeschichten der unterschiedlichsten Genres, es sind Beiträge zum Marburg-Award. Da der Marburg-Com 2021 nur virtuell stattfand, hatte ich doch glatt verpasst, mir das Exemplar zu besorgen, aber beim BuCon habe ich es den Marburgern dann doch noch abkaufen können. Es geht um Monster unterschiedlichster Art, die eines gemeinsam haben: Sie haben sich ihren derzeitigen Zustand nicht selbst ausgesucht. Der Leser trifft auf mythologische Figuren und Sagengestalten, aber auch auf Geschöpfe, deren Existenz die moderne Wissenschaft zu verantworten hat. Sehr schön gestaltete Sammlung, die sich gut lesen lässt, mit größtenteils guten Geschichten.

 

Charlotte Kerner (Hrsg.): Sternenflug und Sonnenfeuer
Das Buch enthält die Lebensgeschichten dreier berühmter Astronominnen. Ich habe es mir angeschafft wegen des Beitrags über Caroline Herschel (1750 - 1848) mit deren Bruder ich mich ja im April näher befasst hatte. Die Geschichte der "Kometenjägerin" ist sehr spannend, vor allem auch die Zeit nach dem Tod ihres Bruders, als sie nach Hannover zurückkehrte, ihre Veröffentlichungen, ihre Musik. Ihre Memoiren möchte ich unbedingt mal lesen.
Völlig neu war mir die Astronomin Maria Kunitz (1604 bis 1664). Sternenkunde in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, also unter erschwerten Bedingungen. 1650 veröffentlichte die Astronomin ihr Buch "Urania proposita", was soviel heißt wie "die zugängliche oder entgegenkommende Muse der Himmelsbeobachtung". Das zweisprachig verfasste Buch (Latein und Deutsch) wandte sich nicht nur an Fachwissenschaftler, sondern auch an Laien. Das Buch fand große Verbreitung in ganz Europa, wurde eine Art Standardwerk und gltl als erste wissenschaftliche Veröffentlichung einer Frau. Sie vereinfachte Keplers teilweise recht komplizierte Berechnungen und beseitigte Fehler in den Rudolfinischen Tafeln, arbeitete auch an der Verbesserung der damaligen Teleskope.
Die dritte im Bunde der Astronominnen ist Maria Mitchel (1818 - 1889), eine moderne Wissenschaftlerin, die einen Lehrstuhl für Astronomie erwarb - in einer Zeit, in der Frauen auf Universitäten eigentlich gar nicht erwünscht waren und erst rechte keine Chancen auf eine Universitätskarriere hatten. Legendär war ihr Aufbruch in den damals noch richtig wilden Westen, um in der Nähe von Denver/Colorado eine Sonnenfinsternis zu beobachten. Die Quäkerin aus Nantucket, die schon als Kind zusammen mit ihrem Vater die Chronometer der Walfangschiffe geeicht hat, ist schon mit 17 Jahren selbstbewusst genug, um eine eigene Schule zu gründen, Und als sie einen neuen Kometen als erste sichtet, meldet sie ihren Anspruch an und kämpft um ihr Recht als Entdeckerin: Die Goldmedaille, die sie zwei Jahre später nach langem Briefwechsel vom dänischen König erhält, geht erstmals nach Amerika und erstmals an eine Frau - und wird auch letztmals verliehen.
Alles drei sind faszinierende Biographien, die die Geschichten ungewöhnlicher Frauen und großer Forscherinnen schildern. Alle drei wurden schließlich von ihren männlichen Kollegen als gleichberechtigte und hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen anerkannt. Und auch das verbindet sie: Alle drei hatten ein familiäres Umfeld, in dem sie Unterstützung von vernünftigen Männern fanden, hatten astronomisch interessierte Väter, Männer, Brüder, Förderer in der Familie, die ihnen eine Ausbildung und Unterstützung verschafften. Es hat immer auch vernünftige Männer gegeben.

 

Anna Müller-Tannewitz: Tochter der Prärie
Jugendbuch aus dem Jahr 1970 von einer der Klassikerinnen der Indianerliteratur. Erzählt wird de Geschichte eines Pani-Mädchens namens Ikata, das von den Sioux entführt wird und schließlich nach vielen Abenteuern zu ihrer Familie zurückkehrt. Sehr nett und spannend geschrieben. Das erste Buch, das ich gelesen habe, das über einen Protagonisten vom Volk der Pani berichtet. Sonst waren diese Leute ja immer die Bösen ...

 

John Locke: Brief über die Toleranz (Reclam)
Lesenswerte Streitschrift zum Thema Toleranz, die die Grenzen zwischen Staat und Kirche absteckt. Es geht laut Locke gar nicht an, dass das Staat beziehungsweise der Herrscher dem Bürger vorschreibt, welcher Religion er anzugehören hat, vielmehr soll gewährleistet sein, dass die Religionsfreiheit der Bürger geschützt wird, sofern sie keinen Schaden anrichten und die Religionen anderer tolerieren. Ähnlich wie Aristoteles definiert Locke als Ziel des Staates, das Wohl der Bürger zu erhalten und zu fördern. Da aber kein Mensch wissen könne, welcher Glaube der richtige sei, könne der Staat keine Religion vorschreiben, sondern nur Gesetze zur Bewahrung der körperlichen Unversehrtheit und des Besitzes etc. erlassen. Stellenweise hat es gewisse Parallelen zur Ring-Parabel aus Lessings "Nathan". "Die Entscheidung in dieser Frage liegt einzig und allein beim oberen Richter aller Menschen, dem es auch obliegt, den Irrenden zu bestrafen. Bis dahin sollen die Menschen überlegen, um wie viel schwerer diejenigen dadurch sündigen, dass sie, wenn auch nicht ihrem Irrtum, so wenigstens ihrem Hochmut Ungerechtigkeit hinzufügen, wenn sie die Diener eines fremden Herrn, die ihnen nicht untertan sind, so ohne jeden Grund unverschämt quälen." Das hört sich bekannt an, nicht?
Interessant ist es auch, wenn man diesen "Brief über die Toleranz" mit Mendelssohns "Jerusalem" im Hinterkopf liest. Denn anders als der deutsch-jüdische Aufklärer, der den religiösen Gemeinschaften das Bann- und Ausschlussrecht strikt untersagt, sagt Locke ganz klar, dass das Recht der Exkommunikation den Kirchen erhalten werden muss. Mendelssohns Argument: Keinem Menschen darf der Trost und die Hilfe für die Seele verwehrt werden, die die Kirche/Synagoge allein zu bieten vermag. Locke: Wer pöbelt, fliegt raus. Denn Locke macht klar, dass eine Exkommunikation den Betreffenden nicht an Leib und Leben schädigt - deren Sicherheit ja staatliche Rechte garantieren müssen.
Ansonsten gibt es Anmerkungen, ein Literaturverzeichnis und ein Nachwort zur Einordnung des Textes. Man hat also eine recht gute Rundum-Versorgung mit dieser Ausgabe.

 

Markus K. Korb: Die Saat des Hasses
Der erste Roman von Markus K. Korb, der als Autor von Horror-Kurzgeschichten ja schon als Klassiker gelten kann. Wobei dieser Roman sich durchaus in einzelne Handlungsepisoden zerlegen lässt und so trotzdem noch als der kurzen Form zugehörig gelten kann. Erzählt wird in mehrere Stationen die Geschichte eines schier unbesiegbaren Monsters beziehungsweise zunächst einmal: eines superstarken Wesens, das sich zu einer unaufhaltbaren, zerstörerischen Macht entwickelt und eine Bedrohung für die gesamte Menschheit werden kann.
Der Held des Romans bzw. der Protagonist der Rahmenhandlung ist ein gewisser Akoni, dem sein Vater auf dem Sterbebett den Schlüssel zu einem Schweizer Bankschließfach übergibt. Akoni findet darin eine Tasche mit alten Dokumenten, Berichten, Tagebuchaufzeichnungen. Zunächst glaubt er, dass es sich um schriftstellerische Versuche seines Vaters handelt. Doch die beiliegenden offiziellen Dokumente überzeugen ihn, dass die einzelnen Geschichten offenbar tatsächlich echte Erlebnisberichte sind.
Schauplätze sind unter anderem ein Opernhaus mitten im Urwald, das ein gewisser Fitzcarraldo erbauen ließ und in dem eine verrückte Operndiva und einige Schrumpfkopfjäger den Ich-Erzähler und seine Expeditionskollegen beschäftigen, außerdem eine Pazifik-Insel im Zweiten Weltkrieg, auf der amerikanische Soldaten ein abgestürztes Flugzeug der Nazis finden, das KZ Dachau, aber auch die Schweiz der Gegenwart, die Stadt Genf, wo AKoni nicht nur die Bank, sondern auch "Kultstätten" wie die Villa Deodati besucht. Nach und nach wird die Saat des Bösen erkennbarer. Und Akoni beschließt, den Kampf dagegen aufzunehmen.
Eine sehr detailreich und spannend geschriebene Geschichte, die durch die optische Gestaltung und die unterschiedlichen Fotos und Protokolle einen besonderen Reiz hat. Hat mir gefallen. Eine gewisse Brutalität und einen hohen Ekelfaktor muss der Leser allerdings aushalten. Und das Ende ist mir persönlich etwas zu pathetisch geraten. Wie will Akoni denn nun den Kampf gegen die Bestien gewinnen, die selbst von schwer bewaffneten US- und NS-Truppen nicht gestoppt werden konnten?

 

Michael Ende: Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch
Ein Buch, das ich schon seit rund 30 Jahren auf der To-do-Liste habe, jetzt hat es mir meine Schwester geliehen. Es geht um einen bösen Zauberer, Beelzebub Irrwitzer, der sein Soll an Bosheit und Zerstörung noch nicht erfüllt hat. Der höllische Vollstreckungsbeamte steht schon vor der Tür, denn in der Silvesternacht, beim letzten Glockenschlag läuft die Frist aus, und dann will er den Zauberer abholen und zur Rechenschaft ziehen. Die letzte Chance des Schwarzmagiers: Er will einen Zaubertrank brauen, eben den santarchäolügienialkohöllischen Wunschpunsch, der alle bösen Wünsche erfüllen kann. Die Zeit drängt, Mitternacht ist nicht mehr weit, doch gibt es Komplikationen: Irrwitzers Tante, die Geldhexe Tyrannja Vamperl will den Trunk ebenfalls brauen und ist auf die Zutaten scharf. Als die beiden Bösewichte sich schließlich zusammentun und das Teufelsgebräu gemeinsam zur Vernichtung der Menschheit, der Umwelt und alles Guten einsetzen wollen, stehen nur ein Kater und ein Rabe zwischen dem Trunk und der Katastrophe. Eine verzweifelte Rettungsaktion beginnt ...

 

Joachim Wohlleben: Die Sonne Homers
Eine Aufsatzsammlung, die die Homerbegeisterung verschiedener Klassiker und ihre Auseinandersetzung mit dem Verfasser der Ilias und Odyssee schildert und unter anderem nachzeichnet, wie sie mit der "Homerischen Frage" umgegangen waren. Damals, als Friedrich August Wolf die These aufstellte "Homer gab es nicht" und darlegte, Ilias und Odyssee seien aus einzeln im Volk lebenden, mündlich überlieferten Liedern ("Volksliedern") irgendwann zusammengestellt worden, lautete die Gretchenfrage bei jeder Diskussion um den Griechen: "Wie hältst du es mit Wolf?"
Ich hatte mir das Buch Anfang der 90er angeschafft wegen eines darin enthaltenen Kapitels über Wilhelm von Humboldt, hatte auch ein paar der anderen Aufsätze gelesen, aber längst nicht alle. Nun nutzte ich den Urlaub zu einer Komplett-Lesung. Der Humboldt-Aufsatz arbeitet heraus, dass Humboldt schon irgendwie einsah, dass unsere Heroisierung der Griechen und des Altertums natürlich etwas überzogen war und dass die Leute damals nicht so edel, hilfreich und gut waren und nur ständig kulturell Hochwertiges abgesondert haben, dass vieles, was wir aus den uns überlieferten Fragmenten herauslesen, eben eine Täuschung sei, aber, wie Humboldt es sehr klug formulierte: "Eine notwendige Täuschung".
Sehr spannend fand ich auch bei der Zweitlektüre den Aufsatz über Goethe. Der Mann hat offenbar sehr gezielt an die Wolfsche These geglaubt, solange er selbst an seinem großen Epos "Hermann und Dorothea" schrieb. Anders hätte ihn das große Vorbild Homer gelähmt. Aber mit einem nicht-existenten Homer kann man ja als Ependichter getrost in die Schranken treten. Als "Hermann und Dorothea" fertig war, nahm Goethe seinen Homer wieder vor, guckte rein und stellte fest: Alles Quatsch, kein Kompilator von anonymen Volksliedern hätte so ein großes, stimmiges Werk der Weltliteratur schaffen können. Als Goethe seinen Zweifel an Homer nicht mehr brauchte, um etwaige Minderwertigkeitskomplexe loszuwerden, hat er getrost Wolf zu den Akten gelegt und wieder an den Gottvater der Dichter geglaubt.
Spannend fand ich auch, dass Karl Marx sich durchaus von Homer inspirieren lassen hat. Und auch die Kapitel über Winckelmann und Schliemann waren hochinteressant. Insgesamt eine spannende Sammlung. Nur seltsam, dass ausgerechnet Schiller, der ja den Titel lieferte, keine Kapitels gewürdigt wird.

 

Nadine Muriel und Rainer Wüst (Hrsg.): Das geheime Sanatorium
Eine Anthologie mit Geschichten über allerlei Fabelwesen, Märchenfiguren und mythische Gestalten, die in einem geheimen Sanatorium Heilung von psychischen Problemen und Krankeiten suchen. Untote, die mit dem Untotsein nicht klar kommen, Werwölfe mit Blutphobie, Feen mit Burnout, ja sogar der Tod, der sich überarbeitet hat, ist als Patient im Sanatorium zugegen.
Die Geschichten kommen daher als Episoden einer Reality-Soap über eben diese Heilanstalt. Drei Hexen in einer WG haben sich verabredet zur gemütlichen "Sanatoriumsnacht" vor dem Fernseher und machen eine Mädels-Party daraus. Teilweise kommentieren sie die Episoden, nehmen am einem den Abend begleitenden Buchstabenrätsel teil und sind allesamt verliebt in einen der Darsteller. Die Geschichten sind dadurch und durch das konstante Sanatoriums-Personal sehr eng miteinander verzahnt und verwoben. Einzig die Patienten, die jeweils im Mittelpunkt stehen, wechseln.
Enthalten sind 13 Geschichten von zehn Autoren, zum Teil spannend, zum Teil lustig, wobei aber, wie das Nachwort der Herausgeberin Nadine Muriel betont, großer Wert darauf gelegt wurde, die psychischen Probleme ernsthaft zu beschreiben und nicht lächerlich zu machen. In ihrem Schlusswort geht sie den soziologischen und psychologischen Aspekten des Andersseins nach und betont, dass abweichendes Verhalten eine Frage der Definition ist - wer wofür stigmatisiert wird, entscheidet die Gesellschaft. Insofern war es den Machern dieser Sammlung wichtig, diverse Schrullen, Macken, Störungen oder was auch immer mit Respekt zu behandeln. Ein sehr ernsthaftes Schlusswort für seine Sammlung aus dem recht freien Bereich der Phantastik.
Insgesamt ist es eine sehr dichte Anthologie ohne Brüche und Qualitätssprünge geworden, erzählerische Ausfälle und schlechte Geschichten gab es nicht. Bleibt zu hoffen, dass das Hexen-Trio nun seine Helden wirklich trifft und nicht enttäuscht wird.

 

Nanata Mawatani: Wo der Adler fliegt
Ein antiquarisches Fundstück, 1980 erschienen. Nadja, die Heldin dieses Buchs, ist eine Nachfahrin von Weißer Vogel, die in Nanata Mawatanis Büchern "Schwarzes Pferd und Weißer Vogel" und "Weißer Vogel und Kleiner Bär" die Hauptrolle spielte. Nadja hat eigentlich keine Beziehung zu ihren Cheyenne-Vorfahren. Sie wurde in Dänemark geboren, ihr Vater war Deutscher. Doch irgendwie erreichte sie dort eine Art Ruf des Medizinmanns. Sie weiß selbst nicht so recht, was sie in die Gegend des Cheyenne-Reservats trieb, doch als sie unterwegs einen Gewehrschuss abbekommt, ist sie bereits mittendrin in einer gefährlichen Auseinandersetzung um das Land, das den Cheyenne noch verblieb. Nun soll sie als Nachkommin von Weißer Vogel die Hoffnung der Cheyenne verkörpern.
Die Zeit der Indianerkriege und des wilden Westens ist längst vorbei. Aber die Bandagen, mit denen die Coal-Company um den Besitz des Indianerlandes kämpft, sind genau so hart wie damals, das Vorgehen nicht weniger brutal. Und die staatliche Gewalt steht natürlich auf den Seiten der Weißen. Doch auch Nadja und ihre Mitstreiter kämpfen mit modernen Methoden: Sie dringen ins Studio eines Fernsehsenders ein und verbreiten ihre Botschaft über die Massenmedien. Sie schmieden ein Bündnis mit anderen Indianerstämmen über das gesamte US-Gebiet hinweg. Und sie engagieren einen tüchtigen Rechtsanwalt.
Außerdem werden zahlreiche Probleme der Reservationsindianer angesprochen: Alkohol, Perspektivlosigkeit, Rechtlosigkeit, Armut, eine hohe Selbstmordrate. Es wäre Stoff für ein doppelt so dickes Buch gewesen.

 

Verlockung des Bösen: Die Storys zum Marburg Award 2022
Anthologie mit 28 Beträgen zu dem Schreibwettbewerb. Es sind sehr schöne Geschichten aus allen Spielarten der Phantastik dabei. Außer Prosatexten sind auch ungewöhnliche Formen wie Dramolette enthalten. Und die Ausgabe wurde vom Marburger Verein für Phantastik erneut sehr schön gestaltet und mit Illustrationen versehen.

 

Virginia Woolf: Orlando
Geschichte eines Mannes, später einer Frau, der/die beinahe vier Jahrhunderte lang lebte und die Veränderungen der britischen Gesellschaft erlebte. Der junge Orlando gewinnt die Zuneigung von Elizabeth I., die ältere und weibliche Version dieses Menschen "stirbt beim zwölfte[n] Schlag der Mitternacht am Donnerstag, dem elften Oktober des Jahres neunzehnhundertachtundzwanzig." Verwirrt? Aber so steht es geschrieben.
Die Geschichte hat etwas von einem Bildungsroman aus dem 19. Jahrhundert. Orlando ist zunächst ein junger Mann von außergewöhnlicher Anmut, der bei Hofe auch schnell Karriere macht. Allerdings ist dann auch eine ziemlich nervige Frau hinter ihm her. Mein absoluter Lieblingssatz in dem Buch: "Er tat, was jeder junge Mann in seiner Situation tun würde: Er bat den König, ihn als Außerordentlichen Gesandten nach Konstantinopel zu schicken."
Orlando macht seine diplomatische Sache wohl gar nicht schlecht. Allerdings wacht er nach dem ersten Drittel des Buchs plötzlich auf und ist eine Frau. Erklärt wird das nicht weiter. Ebensowenig wie die Langlebigkeit des Protagonisten bzw. der Protagonistin. Es scheint sich absolut keiner darüber zu wundern. Nur dass Orlando mit diesem Geschlecht kein Gesandter mehr sein kann, ist allen offenbar klar. Orlando entdeckt ihre Weiblichkeit, genießt sie geradezu. Sie hat allerdings einige Probleme, ihren Besitz behalten zu dürfen. Der rechtliche Status von Frauen in dieser Zeit war absolut unterirdisch.
Das Ganze ist, wenn man sich erstmal eingelesen und den unbegründeten Geschlechtswechsel akzeptiert hat, sehr angenehm zu lesen, es ist ein äußerst humorvolles Buch, das die Geschlechterrollen mit einer gewissen Leichtigkeit und feiner Ironie ausbalanciert und mit Klischees jongliert. Meine zweitliebste Stelle ist die Situation, als Orlando einem zudringlichen Liebhaber einen Frosch in den Nacken setzt. Und auch ihre Auseinandersetzungen mit Literatur und Schriftstellern sind sehr liebenswert. Alles in allem ein lesenswerter Roman, ich habe mich nicht gelangweilt.

 

Das Wunschbüro der Lilith Faramay

 

Fabienne Siegmund: Der Wolkenphönix
Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte und eine phantastische Reise. Adrian hat seine Geliebte verloren, eine Frau, die nicht von dieser Welt war, einen Wolkenphönix, verloren durch den Tod. Aber er hat die Hoffnung, die Verlorene wiederzufinden. Er folgt der Spur aus Murmeln und findet Unterstützung im sonderbaren Geschäft der Madame Mireia Mabel.
Eine traurigschöne Erzählung im unverwechselbaren Stil von Fabienne Siegmund. Eine Reise mit phantastischen Stationen und ungewöhnlichen Begegnungen, Gedanken über Liebe und Tod, den Fleiß von Bienen und eine Melodie, die noch lange nachklingt. Und Fabienne Siegmund wäre nicht Fabienne Siegmund, wenn sie die Zauberreise einfach mit einem platten Happy End entwerten würde ...

 

Judith und Christian Vogt: Schildmaid
Wow! Als mir ein Autorenkollege das Buch, über das er eine Rezension geschrieben hatte, schenkte, dachte ich noch: Naja, Großverlag, das wird irgendwelche Massenware und Fantasy von der Stange sein. Ich musste mich eines Besseren belehren lassen. Und ich habe mich gern belehren lassen.
"Schildmaid" ist ein Roman, der es wagt, literarisch anspruchsvoll zu sein und Ansprüche an den Leser zu stellen, auch und gerade im Fantasy-Genre. Sprachlich widerständig, mit rauem, an alte Sagas erinnerndem Satzbau, herb und doch manchmal lyrisch und mit betont skandinavischer Wortwahl bis hin zur Verwendung von Buchstaben wie Æ oder Ø wehrt sich das Buch gegen allzu flüchtige Überflieger und gibt dem Leser durchaus einige Arbeit auf, die aber reich belohnt wird.
Judith und Christian Vogt erzählen die Geschicke des Drachenboots Skjaldmær, eines Schiffs mit besonderer Geschichte und ungewöhnlicher "Mann"schaft. Denn diese Schildmaid ist ein Boot der Frauen: von seiner Erschafferin und ihren Helferinnen über ihre Besatzung bis hin zu ihren Göttinnen.
Eyvor, die Witwe eines Bootsbauers, hat eine Vision: Sieben Jahre lang arbeitet sie daran, ein eigenes Drachenboot zu bauen. Die Einzelgängerin wird verlacht und verspottet, bald gibt man ihr den Spottnamen Eyvor Untraum. Doch die Frau träumt ihren unmöglichen Traum weiter, den ihr wohl die Göttin Ran eingegeben hat und von dem sie selbst nicht so recht weiß, worauf seine Erfüllung eigentlich hinauslaufen soll. Und die Kunde von der seltsam anderen Frau zieht weitere Außenseiterinnen an. Skade etwa, die den Speer zu führen weiß wie ein Mann und die ihrem Gatten zusammen mit ihren beiden Kindern entflohen ist, weil der gewalttätige Berserker ihnen Gewalt antun wollte. Oder Tinna, die Skaldin, die die alten Sagas und Götterlieder vortragen kann und die Taten der Frauencrew besingen will, obwohl Frauen doch gar nicht Skalde werden können. Oder Herdis Kraka, die Frau mit der Krähe, eine Schamanin, die aufgrund ihres Potentials genau so gut Berserkerin werden könnte wie ihr Bruder, aber eben als Frau dazu nicht taugt. Jägerinnen, Knotenknüpferinnen, eine Schnitzmeisterin, die einen Drachenkopf anfertigen kann, sie alle stoßen nach und nach zu Eyvor. Die ist sich in ihrer Rolle als Kapitänin gar nicht so sicher. Doch als Skades Mann auftaucht und seine Frau zurückfordert, überstürzen sich die Ereignisse, die Schildmaid legt ab und ist plötzlich auf großer Fahrt.
Die Frauen beweisen sich zunächst als große Plünderer, die genau so gut wie männliche Wikinger irische Klöster überfallen können. Doch bald zeigt sich, dass die Göttin Ran einen besonderen Plan hatte, als sie Eyvor ihren "Untraum" sandte. Sollten die Frauen wirklich dazu ausersehen sein, den Weltuntergang, Ragnarök, aufzuhalten oder abzuwehren? Es ist eine sehr weibliche Utopie, die die Crew der Schildmaid antreibt. Während ihre männlichen Konkurrenten sich kein schöneres und ehrenvolleres Schicksal ausmalen können als den Heldentod auf dem Schlachtfeld und das Eingehen ins Kriegerparadies Walhall, haben diese Frauen den Auftrag, die Welt und das Leben zu erhalten ...
Sonderbar. Erst jetzt fällt mir auf, dass in der germanischen Mythologie von den vier Gottheiten, die für Tod und Jenseits zuständig sind, nur ein einziger männlich ist. Die Ertrunkenen landen bei Ran, der Gattin des Meeresgottes Ägir. Die auf dem Strohbett Gestorbenen fahren zur Hel in die Unterwelt. Und von den auf dem Schlachtfeld Gefallenen gehört nur die Hälfte Odin, die andere Hälfte der Gefallenen zieht in Freyas Saal ein ...
Die beiden Autoren haben es geschafft, zahlreiche sehr unterschiedliche Frauenschicksale und Charaktere auf diesem Schiff zu vereinigen. Sehr gelungen ist die Schilderung der verschiedenen Temperamente und ihr Aufeneinandertreffen. Und die Art, wie gerade Skade als Stärkste und kampfbegierigste immer wieder im entscheidenden Moment schwächelt, ist einfach ganz große Kunst, berührend und tragisch.
Fazit: Ein großartiges Buch, das ich jedem ans Herz legen möchte, der etwas mehr von Büchern erwartet als verzehrfertiges Conveniance-Food. Mein Buch des Jahres 2022.

 

Dagmar von Gersdorff: Dich zu lieben kann ich nicht verlernen
Biographie der Sophie Mereau, einer Autorin der Romantik, die heutzutage fast völlig vergessen ist. Bekannt ist sie den meisten, wenn überhaupt, noch als Geliebte und spätere Frau von Clemens Brentano. Sophie Mereau wurde zu Lebzeiten besonders gefeiert für ihre Landschaftslyrik, sie war aber auch Roman-Autorin und Übersetzerin. Die abgedruckten Gedichte sind nicht so ganz mein Fall. Ihren Roman "Amanda und Eduard" würde ich gern mal lesen, vielleicht nächstes Jahr. Sehr gut befreundet war sie mit Schiller, und auch mit Achim von Arnim und Bettina Brentano/von Arnim hat sie sich gut verstanden. Die Ehe mit Clemens muss aber die Hölle gewesen sein wegen seiner geradezu krankhaften besitzergreifenden Eifersucht. Sie starb schließlich aufgrund einer Fehlgeburt.
Die Biographie ist sehr interessant, allerdings wird die Verfasserin manchmal etwas schwülstig und pathetisch. Schön ist, dass sehr viele Originaltexte darin zu lesen sind wie Briefe oder Tagebuchaufzeichnungen. Wobei die Tagebucheinträge oft so verkürzt sind, dass die Biographin sehr viel zum Hintergrund erläutern muss, damit der Leser die knappen Stichwortlisten überhaupt verstehen kann.

 

Ida Spix: Die zerbrochenen Flöten. Jadefisch und Motecuzoma

 

Elke Morlock: Kabbala und Haskala
Ein Buch über eine der schillerndsten Gestalten der jüdischen Aufklärung. Isaak Satanow war ein Gelehrter, der aus dem Ort Satanow in Podolien in der heutigen Ukraine stammte, dort die klassische jüdische Bildung erwarb, Tora und Talmud, aber auch die Kabbala lernte, dann aber nach Berlin kam und zum Kreis der jüdischen Aufklärer in der Nachfolge Moses Mendelssohns stieß. Satanow war Schriftsteller und Philosoph und hatte für die Haskala die besondere Bedeutung, dass er der erste Direktor der Orientalischen Buchdruckerei war, eines Meilensteins in der jüdischen Aufklärung. Denn die Möglichkeit, eigene Bücher drucken und verbreiten zu lassen, konnte für die sich emanzipierenden Juden in Preußen gar nicht hoch genug geschätzt werden.
Satanow war allerdings nicht nur Geisteswissenschaftler, sondern verstand auch viel von Physik, vor allem von der Optik, und konnte meisterhaft altes jüdisches Wissen mit moderner Forschung verbinden, etwa indem er über die Theorie des Diamantenschleifens schrieb und sich zwischen Newton und dem Sefirotbaum der Kabbala geschickt hin und her bewegte.
Der Bezug zur Kabbala, die Herkunft aus dem Osten, vor allem aber die Art, wie er eigene Texte manchmal als vermeintliche neu aufgefundene und von ihm nur übersetzte Manuskripte großer Wissenschaftler der Vergangenheit ausgab, waren dafür verantwortlich, dass Satanow von vielen als ein eher zwielichtiger Charakter betrachtet wurde. Hochgebildet und ein kluger und geschickter Schriftsteller war er aber auf jeden Fall.

 

Nikolai von Michalewsky: Keine Spuren im Sand
Eine Zeitung will eine Supergeschichte haben und engagiert eine Truppe ehemaliger Fremdenlegionäre, um eine im Tschad von Rebellen verschleppte Französin zu befreien. Die Befreiung gelingt zunächst, doch auf der Flucht läuft einiges schief. Befreier und Terroristen liefern sich eine tödliche Verfolgungsjagd, auf beiden Seiten ist der Blutzoll hoch, auch Bewohner eines kleinen Dorfes in der Wüste werden mit in die Auseinandersetzung hineingezogen. Am Ende sind sowohl der begleitende Journalist als auch der Fotograf tot, die komplette Befreiertruppe ist niedergemetzelt bis auf den jüngsten im Team und die Französin. War die Freiheit der Geisel, für die man auch ein Lösegeld hätte zahlen können, wirklich diese Menge an Leichen wert? Die Zeitung jedenfalls zahlt ein hohes Schweigegeld. Sie wird nicht über ihre eigene Aktion berichten.
Der Autor Nikolai von Michalewsky ist wirklich ein Phänomen. Immer wieder schreibt er Bücher, die tragisch enden. Die Helden sind am Ende tot oder schwer in ihrer Seele und ihrem Selbstwertgefühl beschädigt. Haben alles gegeben für ein Ziel, das sich am Ende als sinnlos erwies. Oder eben alles verloren. Und der Autor konnte trotzdem davon leben, er konnte seine Bücher trotzdem verkaufen. Der Zwang zum Happy End scheint ein Mythos ...

 

Jostein Gaarder: 2084. Noras Welt
Nora, ein Kind unserer Zeit, steht kurz vor ihrem 16. Geburtstag und macht sich darüber Gedanken, wie die Welt im Jahr 2084 aussehen wird. In mehreren Träumen begegnet sie ihrer Urenkelin Nova. Nora ist klar, dass sie jetzt und heute handeln muss, wenn sie Nova ein Leben in einer halbwegs bewohnbaren Welt ermöglichen will. Doch was soll sie tun? Zusammen mit ihrem Freund Jonas entwickelt sie eine Idee, wie man die Menschen dazu bringen kann, sich mehr für die Umwelt zu engagieren. Es soll an den Spieltrieb der Menschen appellieren. Wer Tiger liebt, soll in der Tiger-Lotterie spielen und mit seinem Geldeinsatz Schutzgebiete für den Tiger finanzieren. Wer Blattläuse liebt, dem steht die Blattlaus-Lotterie zur Verfügung. Da aber alles miteinander verbunden ist, wird durch einen Schutz der Tiger-Lebensräume automatisch auch der Lebensraum anderer Tierarten mit geschützt, und am Ende profitiert auch die Blattlaus.
Eine interessante Idee, vielleicht noch nicht ganz ausgereift, aber ein Ansatz, über den man nachdenken kann. Auch wenn Nora noch ein ganz anderes vielversprechendes Eisen im Feuer hat, um die Welt zu fretten: ein magisches Familiengeheimnis ...

 

Benjamin Myers: Offene See
England, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Der junge Robert, der aus einer Bergarbeiterfamilie stammt, soll nach der Schule ebenfalls einen Job im Bergbau annehmen. Doch zuvor will er noch das Meer sehen. Er begibt sich auf die Wanderschaft, nimmt ab und zu Arbeiten als Tagelöhner an, um sich zu ernähren, und findet schließlich ein einsames Haus, in dem eine exzentrische ältere Dame lebt. Die beiden freunden sich an, er übernimmt Arbeiten im Garten und repariert das baufällige Gartenhaus, sie öffnet ihm dafür die Welt der Kunst, Kultur und Literatur. Als er im Gartenhaus das Manuskript eines Lyrikbandes findet, ist er tief berührt, doch sie weigert sich lange Zeit, es zu lesen. Es sind die Verse ihrer besten Freundin, deren Tod sie nie verwinden konnte. Dann, endlich, entdecken sie die Gedichte der Verstorbenen gemeinsam ...
Klingt so in der Beschreibung ganz nett, ist aber insgesamt ein eher nichtssagendes Buch. Gewollt tiefsinnig, aber es hat keine Tiefe. Vollkommen verzichtbar. Das zweit-unbefriedigendste Buch des Jahres.

 

Katja Etzkorn: Tlingit Moon

 

Ju Honisch: Schwingen aus Stein
In der Geheimgesellschaft Aroria sind drei wertvolle magische Bücher verschwunden. Ein Bruder und ein Schüler werden ausgesandt, um die Schriften wieder zu finden. Allerdings gibt es so gut wie keine Anhaltspunkte.
Gleichzeitig ist eine junge Gouvernante mit ihrer Schülerin auf der Flucht. Das Mädchen ist Waise und hat manchmal seltsame Anfälle. Eine kirchliche Organisation, die Bruderschaft des Lichts, will das Mädchen in ihre Gewalt bringen, denn sie wittern in dem Kind etwas "Böses". Was sie mit der Kleinen vorhaben, ist jedenfalls nichts Gutes. Die Frau und das Mädchen geraten in höchste Gefahr. Doch ein geheimnisvoller Vogelmann hilft ihnen. Zu einem Preis, den die Gouvernante zunächst noch gar nicht einschätzen kann. Und dann ist da auch noch ein sympathischer junger Mann, der die beiden beschützen will. Nur, dass der Mann nicht ganz harmlos ist, er hat etwas Wolfsartiges an sich.
Die Geschichte ist superspannend, sprachlich sehr schön, lässt sich gut lesen, hat Tiefgang und Humor gleichermaßen und hat mir sehr gut gefallen.
Einen halben Punkt Abzug gebe ich für den preußischen Bösewicht. Dessen Schurkerei ist mir ein wenig zu dünn motiviert. Nur wegen seiner Geilheit einen solchen Aufriss zu machen und sich mit Kräften anzulegen, die denen eines gewöhnlichen Sterblichen weit überlegen sind, scheint mir doch ein wenig zu hirnlos, um ein erfolgreicher Schurke zu sein.

 

Friedrich Nikolai: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker (Reclam)
Satirischer Roman aus der Zeit der Spätaufklärung, verfasst von einem der wichtigsten Berliner Aufklärer und Verleger, einem guten Freund von Lessing und Mendelssohn zudem. Der Untertitel spielt natürlich auf Tristram Shandy an, und dem guten Sebaldus Nothanker wird ähnlich übel mitgespielt wie dem Helden Sternes, nur dass Nikolai nicht zum Abschweifen neigt und eher nüchtern, knapp und unsentimental erzählt.
Der Roman setzt betont lange nach dem Punkt an, an dem andere Romane enden. Es geht nicht um die Hochzeit des Helden als Schlusspunkt. Sebaldus Nothanker ist Dorfgeistlicher, schon lange verheiratet und inzwischen dreifacher Vater. Er ist ein liebevoller und fürsorglicher Hirte seiner Gemeinde, hat allerdings zwei theologische Schwächen: Zum einen liebt er die Apokalypse, über die er eine wissenschaftliche Abhandlung verfasst, zum anderen ist er der Überzeugung, dass aufgrund der grenzenlosen Güte Gottes die ewige Verdammnis nicht ewig sein kann, sondern dass Gott irgendwann auch den schlimmsten Sünder begnadigen wird. Vor allem letzteres bringt ihn im Verlauf des Romans immer wieder in Konflikt mit seinen Vorgesetzten.
Nothanker ist gut etabliert in seiner Gemeinde und alles scheint sicher und in Ordnung, als seine Frau in einem Buch etwas über die Großartigkeit des Heldentods für das Vaterland liest. Sie liegt ihm so lange in den Ohren, er möge doch eine Predigt über dieses Thema halten, bis er sich irgendwann dazu durchringt und in der Kirche ein Loblied auf den Tod fürs Vaterland singt. Mit der Folge, dass sich zehn Landeskinder sofort zu einem Werber begeben und in die Armee eintreten. Zehn Landeskinder, die Nothankers Provinzfürst als Untertanen und Arbeitskräfte verloren hat. Sebaldus wird von seinen Kirchenoberen zur Rechenschaft gezogen, kommt in seiner Rechtfertigung fatalerweise auf die unendliche Güte Gottes zu sprechen und offenbart dadurch eine eklatant von der Protestantischen Lehrmeinung abweichende Ansicht. Widerrufen will er nicht, also verliert er seine Pfarrstelle. Sein Nachfolger wirft ihn und seine Familie erbarmungslos aus dem Pfarrhaus raus. Woraufhin Sebaldus' Frau und das neugeborene Kind schwer erkranken und schnell sterben.
Sedbaldus' Sohn geht unter falschem Namen zu den Soldaten, seine Tochter soll als Französischlehrerin und Kinderbetreuerin zu einer reichen Familie geschickt werden. Ein Freund der Familie - der Buchhändler und Verleger, der Sebaldus' Frau mit der fatalen Schrift über den Heldentod verkauft hat - vermittelt ihr die Stelle und rät ihr, sich als Französin auszugeben und ebenfalls einen neuen Namen anzunehmen. Nothanker bekommt zunächst einen Job in einer Druckerei als Korrektor.
Die nun folgende Geschichte lässt Nothanker immer wieder über seine Vorstellungen über Gottes Güte stolpern. Jedesmal, wenn er eine halbwegs ordentliche Stelle bekommen hat, gerät er mit der Geistlichkeit aneinander, die nach einer Prüfung seiner Ansichten für seine Entlassung sorgt. Doch er findet auch Unterstützer. Neben dem Buchhändler setzt sich vor allem ein Major für Sebaldus ein, der ihm sehr dankbar ist, da er durch ihn zehn Soldaten gewonnen hat. EIn treuer und redlicher Mensch, einfachen Gemüts und voller geradliniger Soldatentugend, der sich schließlich sogar für Nothanker duelliert - mit tödlichem Ausgang ...
Auch für Sebaldus' Tochter geht es auf und ab. Sie ist sehr schön, weckt Begehrlichkeiten bei Männern, die mit dem Titel Arschloch noch zu gut bedient sind, wird entführt, gerät mit ihren Arbeitgebern wegen deren Selbstsucht und Arroganz aneinander, verliebt sich, wird jedoch von ihrem Geliebten getrennt, und das nicht nur durch Standesunterschiede. Erst nach langen Irrungen und Wirrungen findet die Familie wieder zusammen. Und Nikolai kann es sich nicht verkneifen, seinen Helden auch noch in der Lotterie gewinnen zu lassen ...
Das Buch ist trotz seines Alters - es erschien in den Jahren 1773 bis 1776 - ausgesprochen flüssig lesen und ist ein echter Pageturner. Hat mir sehr viel Spaß gemacht. Auch wenn man praktisch auf jeder Seite rufen möchte: "Tu's nicht, Sebaldus!" Sehr schön.

 

Salomon Maimons Lebensgeschichte. Von ihm selbst erzählt
Eine der ersten jüdischen Autobiographien in deutscher Sprache, wie der Klappentext hervorhebt. Damals wurde das Buch von Karl Philipp Moritz herausgegeben.
Salomon Maimon war neben Isaak Satanow die zweite große schillernde Persönlichkeit im Kreise der Haskala-Gelehrten. Mit Satanow hat er auch durch seine Herkunft aus dem Osten und durch seine Kenntnisse der Kabbala einige Gemeinsamkeiten. Salomon Maimon war klassischer Talmudgelehrter. Seinen Nachnamen wählte er nach dem berühmten Moses Ben Maimon / Maimonides, Verfasser des "Führers der Unschlüssigen".
Die Lebensgeschichte dieses Gelehrten liest sich wie ein Roman der Aufklärung oder Klassik. Sie ist reich an Standardsituationen des Romans aus dem 18. Jahrhundert, und wer nicht weiß, dass es eine Autobiographie ist, könnte es glatt für ein literarisches Werk halten. Wer zeitgleich den "Sebaldus Nothanker" liest, wie ich es getan habe, kommt aus dem Wiedererkennen und Staunen kaum heraus. Da ist die Geschichte vom jungen Mann, der sich Bücher verschaffen will. Der autodidaktisch Deutsch lernt, der von Wissensdurst angetrieben wird. Da ist seine Entführung, als eine Frau ihn unbedingt mit ihrer Tochter verheiraten will. Da sind der Hunger und die Armut, und vor allem auch die Begegnung mit Heuchlern und herrschsüchtigen Obrigkeiten in der eigenen Religionsgemeinschaft, die Abweichler streng bestrafen. Nur dass Maimon, anders als Nothanker, nicht das stille Opfer ist, er fetzt manchmal bissig und sarkastisch zurück.
Legendär ist seine Diskussion mit dem Hamburger Oberrabbiner, bei der letzterer immer unwilliger wurde und schließlich auf einen "Schoffer" (Schofar) deutet, der auf dem Tisch liegt. Das Horn, "worin als Ermahnung zur Buße am Neujahrsfest in der Synagoge geblasen wird und vor dem sich der Teufel ganz abscheulich fürchten soll". Der Oberrabbiner fragt drohend, ob er wisse, was das sei. Darauf Maimon lakonisch: "O ja! Es ist das Horn von einem Bock."
Dass Maimon ein scharfer und präziser Denker war, musste sogar Kant anerkennen. Dessen "Kritik der reinen Vernunft" hatte Maimon nämlich analysiert und darin einige Schwachstellen aufgedeckt. Von Kant gibt es einen längeren Brief dazu an Maimon. Er war einer der wenigen, dessen Kritik der Königsberger Philosoph anerkannte ...
Eine unheimlich spannende Biografie, die ich jedem ans Herz legen möchte, der sich mit der jüdischen Aufklärung befasst.

 

Samuel Pepys: Tagebuch (Reclam)
Samuel Pepys war britischer Beamter, Sekretär im Schatzamt, dann im Flottenamt. Sein Tagebuch führte er in den Jahren 1660 bis 1669, in einer sehr bewegten Zeit. Es ist die Zeit des Krieges mit Holland, der Pest, des großen Brandes von London. Sein Tagebuch ist eines der frühesten Beispiele für private, persönliche Aufzeichnungen und nicht für die durchaus üblichen dienstlichen Notizen über für die entsprechenden Fachbereiche wichtigen Ereignisse. Pepys kommentiert die großen zeitgeschichtlichen Begebenheiten, aber auch Theateraufführungen, seine Gesundheit und seine sexuellen Eskapaden.
Witzig, boshaft und zynisch sind seine Bemerkungen etwa zu einer Romeo-und-Julia-Aufführung: "Das schlechteste Stück, das ich je gesehen habe, dazu schauderhaft gespielt. Habe beschlossen, nie wieder in eine Premiere zu gehen, weil die Schauspieler dauernd ihren Text vergessen." Über seine Teilnahme an Hinrichtungen ist unter anderem zu lesen: "Nach Charing Cross, um zuzuschauen, wie Major Harrison gehängt, ausgedärmt und gevierteilt wurde. Er sah sehr vergnügt dabei aus."
Pepys führt peinlich genau Buch über seine Fürze, seinen Stuhlgang und seinen Kontostand. Und jedes Jahr feiert er gleich einem zweiten Geburtstag den Jahrestag seiner gelungenen Gallenstein-Operation.
Man erfährt viel über den Zustand der Flotte und über die Gesellschaft in London. Darüber, welcher Adlige ihm gewogen ist und wer ihm zulächelt. Darüber, wann er wo welche Frauen angefasst hat und wie er sich mit ihnen vergnügte. Und darüber, wie er kochend vor Eifersucht seine Frau beobachtet und beispielsweise ihren Tanzlehrer entlässt aus Argwohn, sie hätte etwas mit dem Mann am Laufen. Als er vorübergehend seine Schwester bei sich aufnimmt, muss sie am Gesindetisch essen - damit sie gar nicht erst anfängt, sich irgendetwas von ihm zu erhoffen.
Alles in allem ein ziemliches Arschloch. Aber sein Tagebuch ist eine wichtige Quelle für alles, was sich damals in London ereignete. Und es ist einfach verdammt amüsant zu lesen.

 

Thomas Heidemann: Feuersturm. Das McGreegga-Armageddon
Die Feuersturm-Crew ist wieder da und hat ihren ersten eigenen Roman. Das Raumschiff "Feuersturm", das nach einem Meteoritensturm oder Ähnlichem ein U und ein M aus dem Namenszug am Bug verloren hat, heißt eigentlich laut Schiffspapieren "Fe erstur". Denn es war billiger, den Namen zu ändern, als ein neues Schild malen zu lassen, klar.
Bekannt sind das Raumschiff und seine Mannschaft, eine liebenswürdige und absolut irrsinnige Chaotentruppe, einigen Lesern bereits aus mehreren Kurzgeschichten in den Anthologien des Leseratten-Verlags. Jetzt also die erste eigenständige Veröffentlichung, Und der Autor Thomas Heidemann zieht wahrhaftig alle Register des gehobenen Weltraum-Irrsinns. Die Inspiration durch Douglas Adams kann und will er dabei nicht verleugnen, es wäre aber auch ohne die ausdrückliche Erwähnung im Vorwort kaum übersehen worden. Nur, dass diese Crew noch ein bisschen durchgeschepperter ist als der durchschnittliche Anhalter.
Vizekapitän Armistead Bad Axe McGregga, den nur extrem böswillige Zeitgenossen mit seinem alten uncoolen Namen Shlomo Sorgsam anreden, begreift gar nicht so recht, wie ihm geschieht, als ihm Angehörige einer fremden Zivilisation vom Planeten Mi einen besonderen Ring überreichen. Das seltsame Schmuckstück ist ein mächtiges Artefakt, mit dem man sich in der Zeit zurückbewegen und Ereignisse verändern kann. Ein Hilfsmittel, das McGregga bald bitter nötig hat. Denn nur wenig später jagt er versehentlich seinen Heimatplaneten, die Erde, in die Luft. Was folgt, ist eine schräge Abfolge von Verfolgungsjagden, Stunts, Zeitsprüngen, Schießereien, Sprüchen und Metal-Musik. Und wenn dann noch eine die Kapitänin Sazqua mit ihrer alles erschlagenden Oberweite, ein schwer bewaffnetes Mini-Küken mit lockerem Schnabel und eine fleischfressende Pflanze namens Audrey III mitmischen, ist das Chaos nicht mehr aufzuhalten ...
Ein Heidenspaß für die Fans abgedrehter Science-Fiction-Parodien. Etwas schade ist jedoch, dass die bisher erschienenen Kurzgeschichten aus den Leseratten-Anthologien nicht mit abgedruckt wurden. Für Neueinsteiger sind gewisse "Ostereier", die Heidemann versteckte, nicht zu finden, und das ist traurig. Die Vorgeschichte(n) wären sicher auch für neue Fans interessant, etwa die Motivation der Kapitänin der "Axetöter", deren Ziel im Namens ihres Raumschiffs bereits deutlich ausgedrückt ist. Wobei natürlich auch die Anthologien kaufenswert sind.

 

Brita Rose-Billert: Der Tanz des Falken
Ich habe vor ein paar Jahren das Buch "Das Geheimnis des Falken" gelesen. "Der Tanz des Falken" ist der erste Teil der Serie, zu der es inzwischen noch mehr Bände gibt.
Erzählt wird die Geschichte eines Lakota-Indianers, der zur US-Armee geht, um dort Geld für die Farm seiner Familie zu verdienen. Ryan Spirit Hawk muss sich gegen einige weiße Mitrekruten durchsetzen, freundet sich mit einem bärenhaften Mechaniker an und wird, da er ein Super-Fahrer ist, bald zum Chauffeur eines Generals. Mit diesem kommt er sehr gut klar. Doch als dessen Dienstzeit endet, gerät er an einen ziemlich miesen Uniformträger, wird obendrein in eine Falle gelockt, bei der der Geheimdienst einen Zeugen verschwinden lassen will, steht plötzlich zu unrecht als Schuldiger da und wird unehrenhaft aus der Armee entlassen. Es folgen eine Karriere als Kopfgeldjäger, schließlich ein Neustart als Rennfahrer.
Ein sehr spannender Roman, mir hat ja bereits der andere Band gefallen. Negativ lässt sich allenfalls anmerken, dass die einzelnen Lebensstationen sehr abgehackt aufeinander folgen. Es sind eigentlich vier Kurzromane statt eines langen, insofern hat man auch nicht einen durchgehenden Spannungsbogen, sondern drei bis vier Kurzbögen. Aber das schadet nicht wirklich, mir hat's trotzdem Spaß gemacht. Und ich werde mir demnächst mal die weiteren Romane über Ryan Spirit Hawk anschaun.

 

Salman Rushdie: Die satanischen Verse
Ein Buch, das ich schon ziemlich lange auf meiner To-do-Liste habe. Jetzt habe ich, auch wegen des Attentats auf den Autor, es endlich wahr gemacht. Das musste jetzt mal sein.
Zunächst: Es ist keine ganz leichte Kost. Es ist ein ziemlich dicker Wälzer, und man braucht als Leser schon einige Zeit, um in die Geschichte hinein zu kommen. Die Handlung ist ziemlich verwickelt, spielt auf mehreren Zeit- und Realitätsebenen und hat für den europäischen Durchschnittsleser mit ihren indischen und arabischen Bezügen schon einige Arbeitsaufgaben parat. Hilfreich ist das Glossar im Anhang.
Ausgesprochen ärgerlich finde ich die vielen Deutschfehler und sprachlichen Grenzwertigkeiten in dem Buch. Bei einem Großverlag eines internationalen Autors kann man schon erwarten, dass die Übersetzer, Lektoren und Korrekturleser eine Ahnung von der deutschen Sprache haben. Wenn ich lese, dass eine Frau "gebärte", dann kriege ich fast selbst Wehen. Gnarf.
Worum geht es? Rushdie erzählt die Geschichte zweier indischer Schauspieler, die zu Beginn des Buchs mit einem Flugzeug abstürzen. Auf wundersame Weise überleben sie jedoch, wobei der eine nach und nach die Züge und den Charakter eines Erzengels annimmt, während der andere sich gegen seinen Willen in einen bocksfüßigen Teufel verwandelt. Der Engel ist es denn auch, der Mohammed die legendären "satanischen Verse" eingibt, die später aus dem Koran getilgt werden.
Rushdie ist vorsichtig. Er lässt die Episode mit den Versen in doppelter, ja dreifacher Brechung spiegeln, verleiht ihr eine durch mehrfache Realitätsebenen gebrochene Unwirklichkeit. Das Ganze spielt in der halbirrealen Welt nach dem Flugzeugabsturz. Es kommt zunächst daher wie ein historischer Roman. Mohammed wird vom Oberhaupt der Mekkaner angegangen, ob er nicht bei seinem radikalen Monotheismus eine Ausnahme machen könne und die drei für Mekka so unendlich wichtigen Kulte der Göttinnen Al-Lat, Uzza und Manat erhalten. Dafür wird ihm Macht und Einfluss und eine problemlose Übernahme der Stadt versprochen. Vielleicht lässt Mohammed sich auf den Deal ein und verkündet aus staatsmännischer Berechnung, Al-Lat, Uzza und Manat seien "edle Vögel", und ihre Fürbitten seien nicht vergebens. Vielleicht hat er tatsächlich eine Vision, die ihm diese Worte in den Mund legt. Klar ist nur, dass seine Anhänger, allesamt überzeugte Monotheisten, maulen und den Aufstand proben. Daraufhin geht Mohammed erneut auf den Berg und kommt mit der Botschaft zurück: Dies seien Verse gewesen, die ihm nicht der Erzengel Gibril eingegeben hat, sondern sie seien vom Satan gekommen. Und er verkündet die Neufassung der Sure.
Diese Geschichte, die zunächst nur in Prosa erzählt wird, wird gleichzeitig von dem Schauspieler Gibril, einem der beiden Abgestürzten, wie in einer eigenen Vision mitempfunden. Wobei er selbst sich in einer Art Doppelrolle wiederfindet, gleichzeitig als Erzengel und als Mohammed, der mit dem Erzengel, also er selbst mit sich selbst, verschmilzt. Zu allem Überfluss wird später auch noch gesagt, es handele sich um ein Drehbuch für einen religiösen Film.
Trotzdem reichte bereits die Erwähnung, die literarische Bearbeitung, aus, um einen islamischen Geistlichen dazu zu bringen, die Fatwa gegen Rushdie auszusprechen.
Ich muss gestehen, als ich vor einigen Jahren den Koran las, war die satanische Stelle für mich zwar interessant, eine spannende Anekdote und ein Blick in den historisch-kritischen Apparat des Koran. Die Sprengkraft dieser Stelle war mir damals noch überhaupt nicht klar, und ich begann erst jetzt bei der Rushdie-Lektüre, sie zu ahnen.
Diese kleine Ecke ist die große Achillesferse des Koran. Wenn man bei diesen Versen zugeben musste, dass da etwas mit der Offenbarung nicht ganz astrein war, dann darf man an jeder anderen Sure auch mal ganz vorsichtig anklopfen und fragen: Na, war das hier wirklich der Erzengel, der dir das eingegeben hat? Oder war's vielleicht doch der Teufel, und du hast es nur diesmal nicht gemerkt? Letzten Endes kann aber auch tatsächlich der ganz große Sündenfall des Mohammed dahinterstecken. Nach menschlichem Ermessen sogar bestimmt. Denn das hieße, dass Mohammed aus macht- und bündnispolitischem Kalkül selbst die Botschaft gefälscht hat ...
Ich will nicht sagen, dass ich die Fatwa für gerechtfertigt halte. Aber dass der eine oder andere Geistliche da austickt und Schaum vor dem Mund hat, erscheint mir logisch. Das war ja im Christentum auch so, als die Reformatoren ihre kritischen Thesen nicht mehr auf Latein in einem kanalisierten Wissenschaftsbetrieb veröffentlichten, sondern auf Deutsch, wo es jeder lesen konnte. Ähnlich ist das hier, wenn Rushdie sich in der Sprache der Belletristik mit Millionenauflage einem Thema widmet, das fromme Muslime lieber unter der Decke gehalten hätten.

 

Erik Fosnes Hansen: Ein Hummerleben
Nichtssagend, verzichtbar, verschwendete Lebenszeit. Die Geschichte plätschert eben so dahin. Der Ansatz ist ja nicht schlecht. Es geht um den Niedergang eines Nobelhotels und um die Suche des Hoteliers-Enkels nach Spuren seiner verschwundenen Mutter. Aber es bleibt alles seicht, trotz einiger Szenen, die dramatisch hätten sein können. Es gibt exakt eine wirklich aufregende Stelle in dem Buch, und zwar auf der viertletzten Seite. Aber der extrem grelle Schockeffekt wird bereits im nächsten Absatz widerrufen. Nee, es ist absolut nichts los mit diesem Buch, Finger weg davon.

 

Athenaios von Naukratis: Das Gelehrtenmahl
Athenaios gehört zu den Vertretern der so genannten "Buntschriftstellerei". Eine Literaturgattung, deren Werke gekennzeichnet sind durch die Aneinanderreihung von kürzeren Erzählungen, Anekdoten und "Wusstest du schon?"-Texten. Titelgebend war eine Sammlung von Älian, die "Bunte Geschichten hieß" und die ich im Dezember las. Die Buntschriftstellerei begann in der römischen Kaiserzeit. Sie war aber auch im Mittelalter sehr beliebt. Also, salopp formuliert: Es ist eine Sammlung von Kurztexten, die mal mehr, mal weniger zusammenhängen und die den Leser amüsieren sollen. Einen Gesamtspannungsbogen gibt es nicht, aber Athenaios hat für seine Sammlung eine Rahmenhandlung und gliedert sie nach Büchern. Es geht darum, dass sich eine Reihe Gelehrter zu einem Gastmahl treffen und sich über alles mögliche unterhalten. Über bestimmte Gerichte, über Tischsitten, über Luxus, freigebige Herrscher, Verschwender, schöne Frauen, bedeutende Kunstwerke, fremde Völker und so weiter.
Der vorliegende Band, den ich antiquarisch erhielt, stammt aus der Sammlung Dieterich und erschien im Jahr 1985. Es handelt sich um eine Auswahl und - wie es die Übersetzer im Nachwort für sich in Anspruch nehmen - um die erste Athenaios-Übersetzung in deutscher Sprache.
Der ganze Athenaios ist so umfangreich, dass er einen Leser durchaus erschlagen kann. Ich hatte im Studium mal ein Erinna-Zitat aus dem Gelehrtenmal gesucht und erinnere mich noch mit einigem Respekt an die griechisch-englische Ausgabe in der Anglisten-Bibliothek der Uni Hannover. Irgendwie spukt mir im Kopf herum, dass es 40 Bände im Regal waren. Jetzt, bei der Nachsuche im Bibliothekskatalog, fand ich nur eine siebenbändige Ausgabe. Jedenfalls war es ein langes Regal voll. Angeschafft hatte ich mir die Dieterichs-Ausgabe übrigens auch wegen des Erinna-Zitats. Aber gerade die Stelle war nicht drin.
Insgesamt ein sehr amüsant zu lesendes Buch. Vielleicht für zwischendurch im Bus oder Zug oder auch auf dem Klo geeignet. In der Gesamtheit etwas, das eher ein buntes Rauschen im Gehirn erzeugt aber keinen bleibenden Eindruck. Insgesamt aber eine reiche sprudelnde Quelle, denn fast jeder, der in der Antike mal etwas gesagt oder getan hat, ist hier erwähnt. Insofern auch ein Buch, das ein Register braucht und das man immer wieder zum Nachschlagen benutzen kann, nur nicht unbedingt zum Lesen im Zusammenhang geeignet.

 

Torquato Tasso: Befreites Jerusalem (Reclam)
Eine uralte zerfledederte und geklebte Reclam-Ausgabe. Keine Jahresangabe, aber es ist aus der Zeit, als die Reclamhefte ein blassbraunes Design und eine Säule auf dem Titel hatten. Also aus der ersten Zeit ab 1887. Frakturgedruckt und etwas schwülstig in der Übersetzung (J. D. Gries), aber in Versen und gereimt. Im hinteren Bereich waren ein paar Seiten noch nicht aufgeschnitten.
Tja, wie ist es? Man merkt schon, dass Tasso nicht Homer ist. Wo jener mit urwüchsiger, mythischer Power einfach aus sich selbst heraus spricht, ist das hier ein zierliches Kulturpflänzchen, das schöne Verse macht und christlich-höflisch daherkommt. Man braucht einige Zeit, um hineinzukommen. Es geht um Gottfried von Bouillon und seine Kreuzfahrer, die vor Jerusalem lagern und die Stadt von den Heiden befreien wollen. Nach und nach gewinnen die Helden und Heldinnen an Kontur. Und es stimmt nicht, dass Christen nicht tragisch sein können.
Was auffallend ist: Beim Lesen habe ich verstanden, warum Goethe in seinem Tasso den Dichter als einen Liebling der Frauen dargestellt hat. Ich habe noch nie ein Schlachtengemälde gelesen, in dem so viele unterschiedliche und sorgfältig ausgestaltete weibliche Figuren vorkommen. Und das nicht nur als Nebenhandlung.
Getragen wird das Ganze vor allem von Clorinde, der jungfräulichen Amazonenriegerin, und Armida, einer sarazenischen Zauberin, die dem christlichen Heer schwer zu schaffen machen. Aber auch die fromme Christin Sofronia, die in Jerusalem beinahe den Märtyrertod erlitten hätte, und Erminia, die aus Liebe zum Christenritter Tancred in Clorindes Rüstung aus Jerusalem flieht, sind hier zu nennen. Fast alle sind in Tankred verliebt (ich auch ein wenig), nur zwischen Armida und Rinaldo knistert es auch.
Ein bisschen anstrengend, aber nicht schlecht. Und lesbarer als der "Rasende Roland" ist es auf jeden Fall.

 

Weitere Jahresrückblicke
Teil I: Januar bis März 2022

Teil II: April bis Juni 2022
Teil III: Juli bis Oktober 2022
Teil V: Dezember 2022

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick III: Juli bis Oktober 2022

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 30 Dezember 2022 · 831 Aufrufe
Jahresrückblick

Teil drei meines Lese-Jahresrückblicks auf 2022. Diese Monate wurden beherrscht von Enid Blyton, der großen alten Dame der britischen Kinderliteratur. Ich habe mir die zweite Hälfte meiner "Fünf-Freunde"-Gesamtausgabe reingezogen, die erste Hälfte war ja im Vorjahr dran gewesen. Ansonsten gab es zwei Bücher über Sprachen, dazu bulgarische Science-Fiction, Phantastik und irische und schottische Sagen, zwei Comicalben, etwas aus Goslar und ein bisschen was auf die Ohren.
Und: Bitte nicht wundern. Mein Lese-Jahresrückblick hat im dritten Quartal vier Monate. Das liegt daran, dass ich im November/Dezember wieder einen exzessiven Leseurlaub gemacht habe, und dadurch wird Teil IV vermutlich wieder die Kapazitäten für Blogeinträge sprengen ...

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

Juli

 

Martin Krueger, Robert Götzenberger: Indigene Sprachen Nordamerikas

 

Gerhard Ludwig: Geschichten vom Hotzenplotz
Der Autor ist Goslarer. Ich las das Buch für die Goslarsche Zeitung und habe diesen Artikel darüber geschrieben:
https://www.goslarsc...id,2592604.html

 

August

 

Nicole Rensmann: Gewebewelten (e)
Ich muss gestehen, ich habe der Autorin bitter Unrecht getan. Aber warum gibt sie dem Buch auch so einen ekligen Titel? Irgendwie habe ich mit "Gewebewelten" automatisch die "Körperwelten" von Gunther von Hagens assoziiert und irgendwelches widerliches Zeug über plastiniertes Fett- und Bindegewebe, in Spiritus eingelegte Muskelstränge und Hautproben unter Glas erwartet. Das ist natürlich alles Quatsch. Das Gewebe, um das es hier geht, ist einfach nur ein Teppich, in dem vier Schüler versinken. Das heißt: "einfach nur" natürlich nicht, es ist ein phantastisches Abenteuer, und demzufolge ist der Teppich auch ein magischer Teppich. Bei einer Aufräum-Aktion in der Schule geraten zwei Jungen und zwei Mädchen in den Bann ebenjenes Teppichs, der Menschen dazu zwingen kann, die Wahrheit zu sagen. Sie werden ins Gewebe hineingesogen und geraten in eine andere Welt - eine sehr gefährliche Welt, zumal darin ein seltsamer Zauberer lebt, der von den Handlangern des Todes verfolgt wird. Aber noch tausendmal gefährlicher als die Handlanger des Todes sind die inneren Dämonen, denen sich jeder der vier Jugendlichen stellen muss. Und die zwischenmenschlichen Abgründe. Denn es handelt sich bei den vieren um alles andere als um gute Freunde. Und zumindest ein Mitglied der Truppe ist ziemlich widerwärtig. Genau so widerwärtig wie plastiniertes Bindegewebe ...

 

Enid Blyton: Fünf Freunde jagen die Entführer
Die erste Hälfte der Fünf-Freunde-Gesamtausgabe hatte ich im vergangenen Jahr gelesen, jetzt fing ich die zweite Hälfte an. In "Fünf Freunde jagen die Entführer" geht es um Berta, die Tochter eines Wissenschaftlers, der mit Georges Vater befreundet ist. Verbrecher planen, das Mädchen zu entführen, um den Vater zu erpressen. Das Mädchen soll daher bei Georges Eltern bleiben, wo die Entführer es nicht vermuten. Bei George fällt Berta allerdings sofort in Ungnade, da sie einen eigenen Hund besitzt, den Pudel Sally. Noch schlimmere Eifersucht empfindet George, die doch so gern ein Junge sein würde, als Berta nun ebenfalls Jungenkleidung tragen soll und das Haar kurz geschnitten bekommt. Arme George, immer wieder trifft sie auf Mädchen, die wesentlich besser Junge spielen können als sie. Als die Entführer, die Bertas Aufenthaltsort dann doch herausbekommen, das Mädchen entführen wollen, ist es nicht Berta, sondern George, die sie mitnehmen. Und nun hat George ihre Gelegenheit zum Heldentum. Sie hält eisern den Mund und klärt die Verwechslung nicht auf. Indessen machen sich die Freunde auf die Suche nach ihrer verschwundenen Freundin. Und sie erhalten dabei tatkräftige Unterstützung durch noch ein Jungen-Mädchen: Ihre alte Freundin Jo, die in dieser Übersetzung noch als Zigeunermädchen bezeichnet wird (in neueren Fassungen soll von "Landfahrern" die Rede sein, habe ich gelesen).

 

Enid Blyton: Fünf Freunde verfolgen die Strandräuber
Diesmal gehen die fünf Freunde auf die Reise nach Cornwall. Die Landschaft ist schön, nur der Junge Jan, der sich an ihre Fersen heftet, ist ziemlich nervig. Doch er kennt einen geheimen Weg an die Küste, und sein Großvater kann eine Menge Geschichten erzählen über die alten Schmuggler und Wrackplünderer in dieser Gegend. Von ihm erhalten sie auch eine Führung durch die Höhlen an der Küste - sehr zum Ärger der "Scheuner", Mitglieder einer Asi-Familie, die die Höhlenführungen als ihr Monopol beansprucht. Denn die Scheuner sind auf der Suche nach einem Schatz, der darin versteckt sein soll. Ratet mal, wer den Schatz findet. Tipp: Es sind nicht die Scheuner.

 

Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 10, Jahrgang 1955/1956. (Bocola)
Dieser Zweijahresband schildert die Rückkehr Eisenherz' und Aletas von den Nebelinseln nach Thule. Ein wichtiger Teil ist die Reise vom Schwarzen Meer über Dnjepr und Düna nordwärts, wobei die Schiffe auch oft über Land getragen werden müssen. Eisenherz und seine Begleiter hatten sich für diese Strecke entschieden, da die Seereise über das Mittelmeer als unsicher galt, dort war ein Zusammentreffen mit Piraten zu befürchten. Der Landweg entpuppt sich allerdings als ebenfalls ziemlich gefährlich. Die Reisenden treffen auf allerlei feindselige oder zumindest zwielichtige Völkerschaften. Immer wieder müssen sie Kämpfe bestehen, einmal wird Aleta entführt, und bei der Begegnung mit einem Wildrind - es wird als Auerochse bezeichnet, sieht jedoch einem Wisent ziemlich ähnlich - wird Eisenherz so schwer verletzt, dass er eine Zeitlang nicht kämpfen kann und an Krücken geht. Forster nutzt diese Zeit, um den außer Gefecht gesetzten Prinzen mal wieder seine alten Abenteuer erzählen zu lassen, diesmal für Arn, der mehr über das Leben als Ritter wissen will. Im Vorwort wird das sehr nett erklärt damit, dass die Serie ja auf ihren 20. Geburtstag zusteuerte und dass der Autor die Chance nutzte, um neue Fans, die die alten Geschichten nicht mehr kannten, neu abzuholen. Tja, ich mag es trotzdem nicht und bin ziemlich enttäuscht, den alten Scheiß mit neuer Begründung nochmal serviert zu bekommen. Wenn auch die Geschichte mit dem Dämonenspuk und der Entenmaske zu meinen Lieblingsepisoden gehört. Sehr gelungen dagegen die Darstellung der verschiedenen Stämme und Völker, denen die Reisenden begegnen. Und später reißt der Autor optisch einiges wieder raus durch die eindrucksvollen Landschaften aus Eis und Schnee, durch die Arn, wieder daheim, streift. Ein Aufstieg auf einen hohen Berg lässt den jungen Arn nachdenklicher und beinahe philosophisch zurückkehren. Der junge Mann entwickelt sich langsam zu königlicher Ruhe und Reife. Und sehr schön das Bild, in dem Aleta, als Fremde ihre Burg in Abwesenheit Eisenherz' stürmen, mit elegantem Schwung eine brennende Fackel in ein Bett wirft und Feuer legt. Ein Handlungsablauf im eigentlich unbewegten Bild, der beinahe genial zu nennen ist.

 

Enid Blyton: Fünf Freunde wittern ein Geheimnis
Die Geschichte mit Timmy und seinem Pappkragen. Die Dialoge habe ich noch im Ohr von der endlos abgenudelten alten Hörspielcassette. Timmy hat sich am Ohr verletzt, und der Tierarzt verpasst ihm einen Pappkragen, damit der Hund sich nicht kratzen kann. Allerdings macht so ziemlich jeder spitze Bemerkungen über die prächtige Halskrause des Hundes und hänselt ihn. George wird wütend und beschließt, mit Timmy zelten zu gehen, um den Gaffern und Lästerern zu entkommen. Als die restlichen drei Freunde Julius, Richard und Anne ankommen, folgen sie ihr und wollen gemeinsam Campen. Dabei begegnen sie einem Jungen, der ziemlich verrückt zu sein scheint. Mal ist er nett, mal bösartig, mal kennt er sie, mal nicht, manchmal kann er so schnell Standort und Kleidung wechseln, dass es an ein Wunder grenzt. Es stellt sich schließlich heraus, dass es sich nicht um einen schizophrenen Jungen, sondern um ein Zwillingspaar handelt, das sich gestritten hat. Als einer der beiden jedoch entführt wird, merkt der andere dann aber doch, dass ihm sein Bruder am Herzen liegt. Zusammen mit den Freunden macht er sich auf die Suche. Und auf einer alten Ausgrabungsstätte, die den Jungen schon zuvor sehr interessiert hatte, werden sie fündig, befreien ihren Freund und setzen die Entführer gefangen. Wie es endet? "Dieses Abenteuer hat mit Timmy und seinem Pappkragen begonnen, und es scheint auch mit Timmy und seinem Pappkragen zu enden."

 

 

September

 

Die Fälle von Emmeline & Miranda Finch: Der kopflose Reiter und weitere kuriose Geschichten

 

Kontakt mit Übermorgen. Bulgarische Science-Fiction
Vor drei Jahren hatte ich "Sternmetall", eine Sammlung mit Phantastik aus Bulgarien im Verlag Torsten Low entdeckt und war begeistert. Da musste ich natürlich zugreifen, als ich nun eine neue Sammlung bulgarischer Geschichten auf dem Verlagstisch vorfand. Und ich wurde nicht enttäuscht. Diesmal sind es Science-Fiction-Storys, 19 sehr unterschiedliche Texte, oft kurz und pointiert, einige dystopisch und ganz viele von ihnen mit hintergründigem Humor, der einfach Spaß macht.
Sehr witzig fand ich "Der Vergnügungsplanet" von Radoslaw Mladenow", der auf extrem hinterhältige Weise mit den schmutzigen Phantasien der Leser spielt. Sehr drastisch auch die Geschichte "Das große Treffen", in der die Landung eines außerirdischen Raumschiffs auf der Erde beschrieben wird. Aber die Fremden haben gar kein Interesse an einem Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten, sie haben überhaupt kein Interesse an der Erde und ihren Bewohnern. Nur, dass sie, quasi nebenbei, der Menschheit zeigen, wie scheiße sie uns finden ... Eher ernst und ein wenig traurig kommt "Ich habe ein Menschengesicht geträumt" von Iwailo P. Iwanow daher. Eine Geschichte über einen Planeten voller seltsamer Lebewesen, teilweise mit einer naiven, kindlichen Intelligenz. Wesen, für die die Menschen verantwortlich sind oder sich verantwortlich fühlen sollten. Doch sie sind den Menschen herzlich egal ...
Es sind sehr viele beeindruckende Geschichten in dem Buch zu finden, manche hallen noch lange nach. Das Buch ist erst mein zweites Stück bulgarischer Literatur. Aber ich habe vor, mich in dem Bereich noch weiter umzutun.

 

Enid Blyton: Fünf Freunde auf dem Leuchtturm
Ziemlich nervig ist er ja, der Junge namens Brummer, der zusammen mit seinem Vater bei Georgs Vater zu Besuch ist. Professor Quentin und Brummers Vater sind beide gleich genial, gleich zerstreut und gleich reizbar. Und Brummer, der Besitzer eines Affen ist und das unangenehme Hobby hat, Autogeräusche nachzuahmen, fällt beiden Wissenschaftlern tierisch auf die Nerven. Auch für die fünf Freunde sind Brummer und sein Affe Schelm eine ziemliche Belastung. Aber als Brummer vorschlägt, man könne doch gemeinsam in seinen Leuchtturm ziehen und dort Ferien machen, um die genialen Wissenschaftler nicht zu stören, ist sogar George begeistert - und George besitzt immerhin eine eigene Insel. Die Kinder erkunden ihre neue Unterkunft und sind hin und weg. Allerdings geraten sie dabei zwei zwielichtigen Gestalten in die Quere. Die beiden sind Nachkommen eines Schurken, der früher Schiffe mit einem falschen Licht an der Küste in die Irre geführt und die Wracks geplündert hat. Nun suchen sie nach seinem versteckten Schatz. Und sperren die Freunde kurzerhand im Leuchtturm ein.

 

Enid Blyton: Fünf Freunde im Nebel
Erneut muss sich George mit einem Mädchen auseinandersetzen, das noch besser Junge spielen kann als sie. George und Anne verbringen ein paar Tage auf einem Reiterhof, und, zugegeben, diese Henrietta, die sich nur mit Henry anreden lässt, kann einfach besser reiten als alle anderen. Und als Julius und Richard nachkommen, merken sie gar nicht, dass Henry in Wirklichkeit ein Mädchen ist ...
Die Kinder freunden sich mit einem Zigeunerjungen namens Schniefer an, der ein lahmendes Pferd auf den Hof bringt, um es verarzten zu lassen. Allerdings ist Schniefers Vater ausgesprochen ungehalten, als der Hofbesitzer das lahmende Tier für mehrere Tage behalten will, damit das Bein richtig heilt. Die Fahrenden ziehen nämlich zu dieser Zeit immer ins Nebelmoor, und niemand weiß, was sie dort tun. Die neugierigen Freunde wollen es herausfinden, verirren sich aber hoffnungslos im Nebel. Doch dann kommen sie einem Geheimnis auf die Spur. Es geht um geschmuggeltes Falschgeld, geheimnisvolle Bahngleise im Nebel und die Geschichte einer stillgelegten Mine. Und zum Glück ist Henry auf Zack und kommt rechtzeitig zur Rettung.

 

Hörbuch

 

Valerie Salberg: Therme, Morde, Sahnetorte: Das Skelett im Kurpark

 

 

Oktober

 

Enid Blyton: Fünf Freunde und das Burgverlies
Diesmal sind die Freunde zu Gast auf einer Farm, auf der außer ihnen noch ein Amerikaner und sein scheußlicher Sohn untergebracht sind. Die Farmbesitzer sind arm, haben jedoch eine große Vergangenheit, zu ihrem Besitz gehören noch eine verfallene Burgruine und eine Kirche. Inzwischen ist die Familie allerdings so pleite, dass sie Feriengäste aufnehmen und die Marotten des großkotzigen Amerikaners und seines unerzogenen Sohnes ertragen muss. Und der Amerikaner nutzt ihre Not weidlich aus. Immer wieder will er ihnen Einrichtungsgegenstände, die wertvolle Antiquitäten sind, für einen Apfel und ein Ei abkaufen. Und dann ist da noch der sagenumwobene Schatz, der irgendwo auf dem Gelände verborgen sein soll und den der Amerikaner unbedingt bergen und sich aneignen will. Pech nur, dass die fünf Freunde sich auf das Schätzefinden und auf unterirdische Gänge wesentlich besser verstehen als er.

 

David Thomsen: Seehundgesang
Ein sehr schönes Buch, optisch wie inhaltlich, aus dem mare-Verlag. Erzählt werden schottische und irische Legenden über Selkies: Menschen, die sich in Robben verwandeln können. Oder sind es Robben, die sich in Menschen verwandeln können? Zahlreiche Sagen ranken sich um Männer, die eine schöne Seehundfrau beim Baden beobachten, ihr das abgelegte Fell stehlen und sie als ihre Frau in ihr Haus führen. Dort bleibt die Frau als freundliche, tüchtige Ehefrau und liebevolle Mutter, doch irgendwann kommt der Tag, an dem sie ihr Fell trotz aller Vorsicht des Mannes findet. Dann streift sie es über, springt ins Meer und kehrt nie wieder zu ihm zurück. Doch die Sagen wissen auch von Seehundmännern zu erzählen, die von einem Speer verletzt wurden und nun, todeswund, den Jäger in ihr unterseeisches Schloss holen lassen, denn nur er kann sie heilen. Oder von Seehunden, die blutige Rache nehmen, weil ein Mensch ihre Kinder getötet hat. Oder von solchen, die sich mit den Menschen befreundeten und ihnen Gutes erwiesen. Fast immer aber liegt über den Geschichten die Trauer und Schwermut eines trüben Tages an einem nebligen Meerufer.
Thomsens Buch ist nicht eigentlich eine Sagen-Sammlung alter aufgefundener Texte nach Art der Sammlungen der Brüder Grimm. Es ist die Geschichte eines Ich-Erzählers, der durch verschiedene Orte an der Küste wandert und immer wieder die Einheimischen nach den Robben fragt. Manchmal sind die Bewohner misstrauisch, öfter aber plaudern sie über eigene Erlebnisse, über die Familiengeschichte oder Anekdoten aus dem Ort, über Dinge, die sie gehört haben. Manchmal gibt es ein Wiedersehen in anderen Orten. Und irgendwann gerät der Wanderer auch selbst in eine Begegnung mit seltsamen Wesen, die vielleicht etwas Übernatürliches an sich haben.

 

Enid Blyton: Fünf Freunde und die wilde Jo
Noch ein Abenteuer mit Jo, einer der liebenswertesten und faszinierendsten Nebenfiguren der Serie. Die Freunde fahren ganz harmlos mit zwei Campingwagen in die Ferien und treffen auf einer Wiese mit einem Wanderzirkus zusammen. Eigentlich wollen die Kinder sich mit den Zirkusleuten anfreunden. Aber die Zirkustruppe lässt sie abblitzen. Schlimmer noch: Die Gruppe ist ziemlich unfreundlich und will die Kinder loswerden. Es geht böse zur Sache, und schließlich verschwinden die Wagen der Freunde. Doch dann taucht plötzlich Jo auf. Sie will die Zirkusleute besuchen, die Verwandte von ihr sind, freut sich über das Wiedersehen mit den fünf Freunden und staucht ihre Familie gewaltig zusammen, als sie hört, wie übel sie den Kindern mitgespielt haben. Schnell werden die Wagen zurückgeholt, und die Zirkusleute sind plötzlich von einer überschäumenden Herzlichkeit.
Die Freundschaft der Fahrenden können die Kinder dann auch bald sehr gut gebrauchen. Denn als sie vom Turm einer nahegelegenen Burgruine ein Licht sehen, kommen sie einem Entführungsfall auf die Spur. Einer von zwei verschwundenen Wissenschaftlern wird hier gefangen gehalten. Und ohne Jo und ihre Leute wären er und die Freunde nie wieder frei gekommen.

 

Malcolm Max: Die Schwesternschaft der Nacht

 

Enid Blyton: Fünf Freunde und der Zauberer Wu
Noch ein Zirkusabenteuer. Und Brummer, der Auto-Imitator, ist auch wieder mit dabei. Auf dem Grund und Boden, der Brummers Vater gehört, hat ein Wanderzirkus seine Zelte aufgeschlagen. Brummer will die Leute vertreiben, doch sie haben das verbriefte Recht, auf diesem Grundstück zu spielen. Eine besondere Klausel im Kaufvertrag, den Brummers Vater unterschrieben hat, sichert ihnen dieses Recht zu. Die Kinder freunden sich nach anfänglichen Reibereien mit den Zirkusleuten an. Und der Schimpanse Charlie schließt Freundschaft mit Brummers Äffchen Schelm. Dann passiert etwas Furchtbares: Im Turmzimmer von Brummers Vater wird eingebrochen. Alles ist verwüstet und durchsucht worden. Sind nun auch die Unterlagen für das bahnbrechende Geheimprojekt, an dem der Wissenschaftler arbeitete, verloren?

 

Enid Blyton: Fünf Freunde machen eine Entdeckung
In diesem Abenteuer lernen die Freunde Wilfried kennen, einen Jungen, dem sie eigentlich Gesellschaft leisten sollen, doch Wilfrid reagiert sehr ungehalten auf ihr Ansinnen und ist lieber mit sich und seinen Tieren allein. Denn Wilfrid hat eine besondere Gabe, sich mit Tieren zu befreunden, ähnlich wie Philipp in der Abenteuer-Serie. Die Freunde (außer Timmy) reißen sich nicht besonders darum, sich mit Wilfrid anzufreunden. Lieber wollen sie eine geheimnisvolle Insel erkunden, die vor der Küste liegt und auf der etwas Geheimnisvolles vor sich geht. Sie kommen einer Bande von Kunstdieben auf die Spur. Aber wenn Wilfrid sich nicht auf die Suche nach ihnen gemacht hätte, nachdem ihr Boot abgetrieben war, hätte dieses Abenteuer böse geendet.

 

Enid Blyton: Fünf Freunde meistern jede Gefahr
Enthält acht Kurzgeschichten:
- Fünf Freunde jagen den unsichtbaren Dieb
- Georgs Haar ist zu lang
- Guter, alter Tim!
- Ein fauler Nachmittag
- Gut gemacht, ihr fünf!
- Die fünf Freunde und das Wochenendabenteuer
- Fröhliche Weihnachten
- Als Tim die Katze jagte
Der Abschlussband der Serie. Er enthält die acht Kurzgeschichten über Julian, Richard, George, Anne und Timmy. Die Storys sind alle sehr kurz, sehr pointiert, kommen ohne größere Verwicklungen aus und sind insgesamt recht nett zu lesen. Aber eben auch sehr einfach gestrickt.

 

Fazit aus meiner Lektüre nach 22 Bänden der Fünf Freunde: Die Serie hat was, auch 80 Jahre nach der Erstveröffentlichung. Aufgefallen ist mir, wie viel Zeit sich die Autorin immer wieder nimmt, um in die Geschichte hineinzukommen. Da sind immer wieder seitenweise Schilderungen von Anreise und Wiedersehen, Strandausflügen und Picknicks, und der eigentliche Kriminalfall oder das Gefährliche und Abenteuerliche taucht erst gegen Ende des ersten Drittels auf. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was heute Schulmeinung ist. Da muss ziemlich schnell, ziemlich früh Action kommen. Sonst springen die Leser ab, heißt es. Und hier zelebriert die Autorin über Seiten hinweg das Auspacken von Picknickkörben und lässt die Freunde feststellen, wie gut es doch schmeckt, wenn man unter freiem Himmel sitzt. Oder so. Das ist schon bemerkenswert. Aber vielleicht wäre es für heutige Kinder noch immer ein großes Abenteuer, einfach mal mit dem Picknickkorb allein in den Wald zu gehen und etwas zu essen.
An die anderen Namen konnte ich mich auch nach 22 Bänden nicht gewöhnen. Für mich wird Julian immer Julian bleiben und nicht Julius. Die Reihenfolge der Bände entspricht nicht der Original-Veröffentlichungsreihenfolge, warum auch immer.
Die Charakterzeichnung, gerade der Heldin George, ist sehr gut gelungen, und insgesamt fand ich die Serie besser als die Abenteuer-Serie, die ich vor zwei Jahren las. Klar, dass unbedingt jedes Mal ein Geheimgang oder Ähnliches eine Rolle spielen muss, ist vielleicht etwas einfallslos. Aber wie sagte Enid Blyton? "Kritik von Leuten über zwölf Jahre interessiert mich nicht."
Zum Preis-Leistungs-Verhältnis: 21 Romane und acht Kurzgeschichten in 11 Doppelbänden in der Komplettbox für 49,99 Euro - das ist einfach unschlagbar, da kann man nicht meckern.

 

Wilhelm von Humboldt: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und ihren Einfluss auf die geistige Entwickelung des Menschengeschlechts (Einleitung zu Kawi-Werk)
Eine sehr schöne Ausgabe aus dem Ferdinand-Dümmler-Verlag, die ich in den frühen 90ern in einem Hannoverschen Antiquariat entdeckt hatte und seitdem als Schmuckstück in meiner Bibliothek hüte. Ein Nachdruck der postum erschienenen Erstausgabe von 1836. Vorn ist das Faksimile einer Widmung seines Bruders Alexander von Humboldt zu sehen.
Wilhelm von Humboldt war in meinem Philosophie-Studium, ich hatte ja meinen Schwerpunkt auf die Sprachphilosophie gelegt, mein ständiger Begleiter. Ich hatte mehrere Referate über ihn gehalten und auch meine Zwischenprüfung und Magisterprüfung über seine Sprachphilosophie gemacht. Da ich letztes Jahr durch ein Buch über seine Beziehungen zu David Friedländer wieder mal auf ihn gestoßen bin, dachte ich, es wäre Zeit, sich den dicken Wälzer noch einmal vorzunehmen.
Die Kawi-Sprache ist die alte Sprache der Priester und Dichter auf der Insel Java. Geschrieben wurde sie mit den Schriftzeichen, in denen auch die indische Hochsprache Sanskrit geschrieben wurde. Die Kawi-Sprache hat einige Sanskrit-Wörter aufgenommen, war aber weder mit dem Sanskrit verwandt noch hat sie durch den Kontakt ihren Charakter und ihre Eigenständigkeit verloren, wie Humboldt betont.
Er nutzte die Einleitung zu seinem Werk aber zu einer groß angelegten Gesamtschau über das Phänomen Sprache überhaupt. Dabei betrachtet er einzelne sprachliche Erscheinungen wie Wortarten und Satzbau und vergleicht Sprachen unterschiedlichen Typs miteinander. Er unterscheidet isolierende, agglutinierende und flektierende Sprachen voneinander und schätzt besonders letztere.
Als etwas fragwürdig und nicht politisch korrekt muss aus heutiger Sicht freilich seine Vorstellung bewertet werden, dass es kräftigere, energiereichere Sprachen gibt, die Unterscheidung zwischen wertvolleren und weniger wertvollen Sprachen ist inzwischen vom Tisch. Besonders hoch schätzte er Sanskrit, Griechisch und Hebräisch. Als absoluten Gegenpol zu den ausgefeiltesten flektierenden Sprachen sah er das Chinesische an, das ihm in seiner vertrackten Einsilbigkeit zwar missfiel, dem er aber für seine Konsequenz, jegliche Konjugation und Deklination zu verweigern, dann doch eine gewisse Achtung zollen musste. Dass die Chinesen trotz/wegen/mit ebendieser Sprache eine große Kulturnation mit Jahrtausende zurückreichender Kunst, Wissenschaft und Literatur werden konnten, ist dann doch der Stachel im Fleisch dieser Sprachen-Einteilung.
Beeindruckend ist aber auf jeden Fall die Vielzahl der Sprachen, die Humboldt kannte und beherrschte. Ob Englisch, Italienisch, Spanisch, Baskisch, Ungarisch, Tschechisch oder Litauisch. ob altamerikanische Sprachen wie Nahuatl, Otomí, Huastekisch, Maya, Tarahumara, Quechua, Muisca und Guaraní, ob Ägyptisch, Chinesisch, Japanisch oder Hawaiianisch - keine Ahnung, ob er in Tenochtitlan oder Macchu Picchu auf dem Markt hätte Tomaten kaufen können, aber er war in jedem Fall fähig, die unterschiedlichen Sprachstrukturen nachzuverfolgen und nebeneinander zu legen. Und so ist auch das dreibändige Kawi-Werk ein Meilenstein. Inzwischen mag es modernere Untersuchungen über die Sprache geben, aber er legte die Grundlage. Und die Einleitung dazu ist eben so etwas wie die Bibel der Sprachforscher ...

 

Hörspiel

 

Oliver Elias: Abenteuer und Wissen: Im Reich der Inkas. Der Kampf um das Gold
Hörspiel über das Inkareich und die Konfrontation mit den Spaniern. Man erfährt eine ganze Menge über die Organisation des Reichs und die Kultur und Landwirtschaft, der Schwerpunkt liegt aber auf dem Untergang und den Auseinandersetzungen der jeweiligen Herrscher mit Pizarro und seinen Nachfolgern.
Die Geschichte vom Tod des Atahualpa kennt vermutlich jeder, der in der Schule "Das Gold von Caxamalca" gelesen hat. Was mir vorher nicht ganz so klar war, sind die Verwandtschaftsverhältnisse: Atahualpa und sein Bruder Huascar haben beide bei ihren Kämpfen um die Macht versucht, die Spanier als Verbündete zu nutzen, und sind beide damit böse reingefallen. Es gab jedoch noch einen dritten Bruder, Manco Capac II, der die Herrschaft übernahm, als beide tot waren. Manco Capac begründete eine neue Inkaherrschaft in der Stadt Vilcabamba, die sich noch lange halten konnte. Insgesamt gab es fünf Brüder, die nacheinander den Inka-Titel trugen. Die letzten drei wurden von Pizarro eingesetzt.
Das Hörbuch erzählt die Geschichte der Inkas bis zum letzten Inka, Tupac Amaru. Er war ein Sohn von Manco Capac, wurde von den Spaniern schließlich besiegt und hingerichtet Sein Schwur, er werde eines Tages als Rächer zurückkehren, ist legendär, aber bis jetzt noch nicht erfüllt ...

 

Weitere Jahresrückblicke
Teil I: Januar bis März 2022

Teil II: April bis Juni 2022
Teil IV: November 2022
Teil V: Dezember 2022

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick Teil II: April bis Juni 2022

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 29 Dezember 2022 · 960 Aufrufe
Jahresrückblick

Willkommen zum zweiten Teil meines Rückblicks auf das Lesejahr 2022. In den Monaten April bis Juni habe ich ein bisschen Science Fiction gelesen, kaum Fantasy, ein paar Krimis, etwas über Astronomie, die Geschichte Afrikas, zwei Comic-Klassiker. Es sind wieder einige Helgolandica und Goslar-Bücher dabei und auch ein paar Hörbücher, die mich auf langen Autofahrten begleitet haben. Schaut halt mal durch, vielleicht ist etwas dabei für euch.

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

 

April

 

Jürgen Hamel: Friedrich Wilhelm Herschel
Biographie des Astronomen und Uranus-Entdeckers, schon etwas angestaubt, eine antiquarische Entdeckung. 1988 in Leipzig erschienen in einer Buchreihe, die so ähnlich wie die Rowohlt-Monographien daherkommt. Sehr interessant. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass Herschel auch komponiert hat. Und man erfährt auch viel über seine Schwester Caroline, ebenfalls eine engagierte Astronomin, die unter anderem acht Kometen entdeckte. Sehr detailliert werden Herschels Versuche, immer bessere Teleskope zu entwickeln, geschildert. Hat mir gefallen.

 

Carl Ludwig Reuss: Dark Shadows - Schatten der Vergangenheit
Ich habe das Buch für die Goslarsche Zeitung gelesen und rezensiert. Der Artikel dazu ist hier zu finden.

 

Amandara M. Schulzke und Nadine Muriel (Hrsg): Met-Magie
Eine Anthologie rund um den Honigwein, in der ich mit der Geschichte "Die Blaubeerbrücke" vertreten bin. Da ich selbst die Finger drin habe, mag ich hier nicht in die Details gehen, aber soviel kann gesagt werden: Es ist ein lesenswertes Buch mit vielen Lieblingsautoren und sehr vielseitigen, gut erzählten Geschichten.

 

Nanata Mawatani: Nur ein Indianer
Ein altes Schneiderbuch, das ich antiquarisch erstanden habe. Nanata Mawatani war mir durch ihre Kinderbücher "Schwarzes Pferd und weißer Vogel" und "Weißer Vogel und kleiner Bär" über eine weiße Frau, die bei den Cheyenne lebt, bereits bekannt, und ich war neugierig auf weitere Werke von ihr.
Das vorliegende Buch handelt wie die beiden anderen von Indianern, allerdings geht es diesmal um eine moderne Geschichte und nicht um einen historischen Roman. Die Autorin erzählt von einem ungleichen Freundespaar: Der weiße Junge Chris, ein Kind reicher Eltern, materiell verwöhnt, aber von seinen Eltern fast immer allein gelassen, trifft auf Tony, einen jungen Indianer, dessen Stammeszugehörigkeit nicht erwähnt wird. Tony, beziehungsweise Schneller Hase, lebt in eher ärmlichen Verhältnissen, aber er hat vieles, um das ihn Chris beneidet, darunter eine liebevolle Mutter und sehr viel Erfahrung darin, sich in der Wildnis zurechtzufinden.
Die beiden Jungen gehen gemeinsam Angeln, erforschen eine geheimnisvolle Höhle, und Chris lernt viel von seinem neuen Freund. Aber dann erfährt Chris von den Geschäften seines Vaters. Der Mann hat durch miese Machenschaften und Ausnutzen von Notsituationen die Besitzrechte an großen Teilen des Indianerlandes an sich gebracht und will nun die Bewohner vertreiben, darunter auch Tonys Familie.
Eine Geschichte, wie sie immer wieder vorkam und vorkommt, Dass die Rettung so wie in diesem Kinderbuch vonstatten gehen kann, ist leider wenig wahrscheinlich ...

 

Wolfgang Beck, unter Mitarbeit von Markus Cottin: Die Merseburger Zaubersprüche. Eine Einführung
Eigentlich ein recht dünner Band, aber dafür (und nicht nur dafür) sehr inhaltsreich und sehr gediegen, auch sehr schön und reichhaltig bebildert. Man erfährt etwas über die Entdeckung und Erforschung der Merseburger Zaubersprüche, über die darin erwähnten Götter (und darüber, was man über diese Götter weiß und nicht weiß), es sind mehrere Übersetzungen enthalten, und die Verfasser berichten auch über die Wirkung der Zaubersprüche auf die unterschiedlichen Künste, denn sie dienten als Inspirationsquelle für zahlreiche Schriftsteller, bildende Künstler und Musiker. Sehr schön gemacht, empfehlenswert.

 

Michael Stoffers: Taschenkrebse mögen keine Milch
Ein vom Autor exklusiv für das Helgoländer Lesefestival erstellter Sonderdruck, der so nicht in den Handel gelangte. Das Büchlein hat 97 Seiten, und die Geschichte soll später einmal Teil eines Bandes mit mehreren Erzählungen werden, verriet der Autor bei seiner Lesung. Ich denke aber, dass das kleine Büchlein auch durchaus separat als Urlaubslektüre für Helgoland-Besucher seinen Markt finden könnte.
Es ist eine Art Krimi. Zwei Polizisten, ein männlicher alter Hase und ein weibliches Greenhorn, erhalten den Auftrag, einen Mann zu beschatten. Der ist Mitarbeiter einer IT-Firma, arbeitet an einem wichtigen Katastrophenschutz-System, hat sich aber durch das Googeln mit Schlüsselbegriffen wie "Anthrax" und "Anheuern eines Profikillers" oder "Rohrbomben" verdächtig gemacht. Plant der Mann ein Attentat? Das Ermittler-Duo, getarnt als frisch verheiratetes Liebespaar, erhält den Auftrag, den Verdächtigen zu überwachen. Ihr Pech: Die Zielperson nistet sich ausgerechnet auf Helgoland ein.
Eine zugleich spannende und lustige Geschichte über Ermittlungen auf engstem Raum, über die anstrengenden Versuche, eine Tarnung aufrecht zu erhalten, und natürlich über den Zauber der Insel, der vielleicht auch aus einem vermeintlichen Liebespaar ein echtes machen kann - nach ziemlich viel Ärger, versteht sich.

 

Pamela Hansen: Die Inselpastorin. Mein Leben mitten in der Nordsee
Pamela Hansen ist Pastorin auf Helgoland und schreibt über ihr "Leben mitten in der Nordsee". Das Buch bietet humorvolle und interessante Einblicke in das Leben im Pfarrhaus und in der Gemeinde, in Probleme, von denen die Kirchenverwaltung auf dem Festland gar nichts ahnen kann, und in die Welt der Helgoländer. Hansen hatte jahrelang in einer Stadt nahe Detroit ihren Pfarrdienst geleistet - und nun schickte sie ihr "Boss", wie sie Gott liebevoll betitelt, auf den roten Felsen. Sie erlebt Überfahrten auf der schwankenden Fähre, hängt bei einer Seenotrettungsübung unversehens am Haken eines Helikopters, transportiert eine große Schaukel auf die Insel, leitet winzig kleine Konfirmandengruppen ... Und wenn ich etwas gelernt habe für meine künftigen Helgolandaufenthalte: Niemals schwatzend am Pfarrgarten vorbeigehen. Im Strandkorb verborgen sitzt nämlich eine Pastorin mit gespitzten Ohren und amüsiert sich köstlich über den Blödsinn, den die Touristen von sich geben.

 

Hörbücher

 

Lutz van Dijk: Die Geschichte Afrikas
Ich hatte das Hörbuch irgendwann in den Nuller Jahren mal gehört und fand es nicht so toll. Nach dem Hörspiel über Nelson Mandela, das ich im März gehört hatte, wollte ich mich nun doch noch einmal intensiver mit Afrika befassen und habe mir diese Geschichte Afrikas nochmal reingezogen. Das Ergebnis ist immer noch enttäuschend. Nichts von den alten schwarzen Königreichen, nichts von afrikanischer Kultur und Tradition, sondern es geht nur um das kolonisierte Afrika und den Weg in die Freiheit oder eben um gescheiterte Revolutionen und Korruption. Fast so, als sei Afrika wirklich der "geschichtslose" Kontinent, als den es Hegel bezeichnet hat. Da war doch mal was, bevor die Europäer kamen, oder? Man muss nicht mal Ägypten und Karthago bemühen. Ich hätte mir etwas über die alten Kulturen von Eritrea und Äthiopien gewünscht, das Königreich von Aksum, Reiche wie Ghana und Kanem. Schade. Also: Dieses Hörbuch war zweimal nichts.

 

Guiseppe Thomasi di Lampedusa. Der Leopard
Beeindruckender, groß angelegter Roman um eine sizilianische Adelsfamilie im 19. Jahrhundert, ihre Konfrontation mit der Revolution und ihr Aufgehen im Bürgertum. "Der Leopard" ist der Beiname des Don Fabrizio, Patriarch des Fürstengeschlechts Salina, der zu Beginn des Romans auf dem Höhepunkt seiner Macht gezeigt wird. Eine sehr beeindruckende, kraftvolle Gestalt mit einer großen Schwäche: sein Neffe und Ziehsohn Tancredi, frech, bürgerlich bis proletarisch beziehungsweise bohemienhaft und mit Sympathien für die Revolution. Ein Zusammentreffen zweier sehr starker Charaktere mit zwar unterschiedlichem Habitus, aber doch einer sehr großen Sympathie füreinander. Man erlebt Reichtum, Prunk und Standesbewusstsein der Familie, aber auch Intrigen und Verhandlungen um Liegenschaften und Positionen, schließlich die Arrangements zur Eheschließung Tancredis mit seiner Geliebten Angelica, bürgerlich, aber auch reichem Hause. Ein sehr detailfreudiger Roman in sehr schöner Sprache, die auch in der Übersetzung von Burkhart Kroeber sehr schön herüberkommt. Sehr ansprechend gelesen von Thomas Loibl. Hat mich auch ein bisschen an die Buddenbrooks erinnert, war aber weniger verzweigt und verschlungen und hatte weniger Personal. Das Buch war mir ein sehr guter Begleiter auf der A7 und der B6.

 

 

Mai

 

Jutta Ehmke: Twilight Zoo

 

Ingo Scharnewski: Der dreieckige Sarg (BunTES Abenteuer 50)
Geschichte eines interessanten Fundstücks in einem Schweizer Antiquariat. Der Ich-Erzähler entdeckt in einem alten Auftragsbuch eines Sagtischlers aus dem Inntal Hinweise auf einen gigantischen Sarg in Dreiecksform. Der in dieser Kiste Bestattete muss knapp 2,85 Meter lang gewesen sein und 1,31 Meter breit. Zusammen mit einem Freund mach sich der Ich-Erzähler auf die Suche nach Hinweisen auf das seltsame Artefakt, das irgendwann nach dem September 1879 in Auftrag gegeben und gebaut worden war. Die Geschichte ist reich an Details, und der Autor weiß viel an Hintergrund-Informationen über die besuchten Städte einzubringen. Auch die Hinweise auf einzelne sprachliche Besonderheiten, vor allem die rätoromanischen Einsprengsel, haben mir gut gefallen. Etwas weniger gelungen ist der Schluss. Nachdem der Autor sich so lange und detailreich auf das Ende zugetastet hat, kommt die Auflösung dann doch eher simpel daher. Der Rechercheur stößt auf einen, der weiß, was es mit dem Sarg auf sich hat, und der erzählt es ihm dann halt. Das kommt ziemlich plötzlich und ist nach der überlangen Vorbereitung dann einfach zu kurz und platt.

 

Rolf Krohn: Die Blitze (BunTES Abenteuer 1)
Eine sehr kurze Erzählung, 24 Seiten umfassend, die Nummer eins der TES-Reihe und wirklich ein würdiger erster Band. Wissenschaftler untersuchen ein Phänomen auf einem fremden Planeten: Ein Fels sendet immer wieder seltsame Blitze aus. Eine Botschaft einer fremden Zivilisation? Als einer der Experten eine Probe von dem Stein abschlägt, richtet er etwas Schreckliches an ... Sehr knapp und in ihrer Kompaktheit eine beeindruckende Geschichte. Böses Ende, gut geschrieben.

 

Hans-Martin Gutmann: Wendeblues
Der Theologe und Krimi-Autor Prof. Hans-Martin Gutmann ist gebürtiger Goslarer, daher habe ich seinen Roman "Wendeblues" für die Goslarsche Zeitung gelesen und besprochen. Außerdem verfasste ich ein Porträt des Autors.
https://www.goslarsc...id,2532499.html
https://www.goslarsc...id,2532742.html

 

Thomas Breuer: Leander und der Blanke Hans
Thomas Breuer habe ich schon vor einiger Zeit durch das Helgoländer Lesefestival kennen gelernt. Damals hatte er seinen Helgoland-Krimi "Leander und der Lummensprung" vorgestellt. Nun gibt es einen neuen Nordsee-Krimi, in dem Leander erneut als Ermittler in - zunächst nur einem - Mord tätig werden muss. Doch es bleibt nicht bei einer Leiche. Der Titelheld wird zwar diesmal "nur" auf Sylt und Föhr tätig, aber der Roman ist dennoch durch einen Brief eines geheimnisvollen "Hans Blank" mit Helgoland verbunden - im Buch und auch im realen Leben, wie der Autor beim diesjährigen Lesefestival während seiner Lesung erzählte.
Es geht um Flutkatastrophen und die zur Wiederauffütterung der Insel Sylt immer wieder angesetzten Sandaufspülungen. Vor allem aber geht es um Baufirmen, Konkurrenz um Aufträge, um nicht ganz sauber gewonnene Ausschreibungen und vor allem um sehr viel Geld. Leander findet nicht nur während einer verunglückten Wattwanderung eine Leiche, nein, auch bei einem Strandausflug mit seiner Lebensgefährtin und der extrem garstigen Tochter eines Bekannten wird ein weiterer Toter entdeckt. Die Art, wie Breuer diese Leichenfund gestaltet ist ... brrr ... einfach herrlich, grausam, bitterböse, unübertrefflich und hochverdient. Aber lest halt selbst, es ist echt ein verdammt geiler Stoff.

 

 

Hörbuch

 

Sonny Hennig: Rockmanns Erzählungen
Sonny Hennig erinnert sich an seine Zeit mit der legendären Deutschrockband "Ihre Kinder", die als erste Band (oder eine der ersten Bands) mit deutschen Texten auftrat, und erzählt von schrägen Erlebnissen und abenteuerlichen Zusammentreffen auf Tourneen oder Konfrontationen mit dem Establishment. Darunter sind so irre Erlebnisse wie grüner Urin oder eine Zusammenarbeit mit Klaus Kinski, die dann leider doch nicht die Auftrittsreife erlangte. Ein faszinierender Einblick in die deutsche Rockgeschichte der 1960er und 70er Jahre. Hat mir sehr gefallen.

 

Richard David Precht: Von der Pflicht
Hochinteressant. Precht geht dem etwas uncoolen und in Verruf geratenen Begriff der Pflicht nach, beginnend mit den alten Definitionen und Aufforderungen antiker Philosophen bis hin zur Verortung der Pflichterfüllung in modernen Gesellschaften. Besonders spannend fand ich seine im Schlussteil vorgetragene Idee, dass ein Mensch in seinem Leben zwei soziale Pflichtjahre für die Gemeinschaft leisten sollte. Das eine in seiner Jugend nach Beendigung der Schulzeit, das zweite nach dem Ende seiner Berufslaufbahn zum Beginn der Rentenzeit. Wobei letzteres nur geleistet werden sollte, wenn der betreffende Mensch dazu physisch und mental in der Lage ist. Precht fasst damit auch eine Diskussion zusammen, die er bereits vor einiger Zeit angestoßen hat, und geht Argumenten dafür, aber auch Gegengründen nach. Muss man nicht gleich unterschreiben, aber Stoff zum Nachdenken bietet es schon.

 

 

Juni

 

Horst Hoffmann: Insel im Nichts (Sternenlicht 1)
Start einer SF-Serie im Verlag Saphir im Stahl. Es geht um Weltraumabenteuer in der Nachfolge der legendären Orion-Crew. Allerdings schreibt die Menschheit inzwischen das Jahr 3166. Die Abenteuer von McLane und seiner Crew liegen über 160 Jahre zurück, das einst definierte menschliche Herrschaftsgebiet innerhalb einer Raumkugel von 900 Parsec Durchmesser ist zerbrochen in zahllose interplanetare Kleinstaaten, zu deren größeren die Sternenlicht-Vereinigung zählt und einen popeligen Durchmesser von gerade mal 10 Parsec hat. Die Raumschiffe tragen beeindruckende Namen wie "Winston Woodrow Wamsler", dessen Crew sich inzwischen den Ruf erarbeitet hat, legitime Nachfolger Cliff McLanes zu sein. Da passt es gut, dass der 19-jährige Praktikant Torben McLane, der sich mit dem Bordsystem hervorragend auskennt, für sich in Anspruch nimmt, ein Nachfahre des Orion-Commanders zu sein ...
Die Mannschaft der "3W" erlebt ein seltsames Abenteuer auf einem fremden Planeten, der von einer unbekannten Macht erfasst, aber nicht zerstört wurde. Es ist der bisher einzige Planet, der den Besuch dieses unbekannten Wesens/Volks/Wasauchimmer überlebte, gewöhnlich hinterlässt der Angreifer nur leblose Gesteinsbrocken. Die 3W-Crew will das sonderbare Phänomen erforschen, verliert zeitweise ein Besatzungsmitglied, die Zerstörung des Schiffs wird angekündigt, sofern es nicht innerhalb einer Frist den Planeten verlässt, gleichzeitig wird das Schiff durch eine unbekannte Kraft am Boden festgehalten. Dann stellt sich heraus: Die Außerirdischen wollen den Menschen etwas zeigen ...
Das Buch ist nicht schlecht geschrieben, und die Idee hat einiges Potenzial. Problematisch ist allerdings, dass der Autor zu Anfang sehr viel erklärt. Dem Leser werden haufenweise Informationen über die Entwicklung der Menschheit bzw. ihres Herrschaftsbereichs und der zerfallenen Einflusssphäre verpasst, außerdem gibt es zu Beginn sehr viele Personenbeschreibungen, die in dieser Menge schwer verdaulich und für den Leser auch schwer abzuspeichern sind. Wenn die Geschichte dann auch noch einsetzt mit einer Szene am Hof des Hunnenkönigs Etzel, in der Crewmitglied Astra Hannson in der Rolle der Brunhild auftaucht, ist die Verwirrung komplett. Astra hatte sich als Online-Rollenspielerin in einer virtuellen Welt aufgehalten und dabei glatt das Meeting in der Zentrale verpasst. Man muss sich schon ein wenig anstrengen, um in das Buch hineinzukommen ...

 

 

Jojo Vieira: Soko Mermaid (e)
E-Book, das ich auf meinen 9-Euro-Fahrt nach Nürnberg während eines unfreiwilligen Aufenthalts in Neudietendorf gelesen habe.
An der Lorelei wird eine Frauenleiche gefunden. Doch was die Polizisten zuerst für ein Meerjungfrauenkostüm halten, ist echt: Der Unterleib der Leiche besteht aus einem "Fischschwanz", jedenfalls soll das Knochenmaterial mit Walknochen verwandt sein. Um Himmelswillen, wenn davon die Presse Wind bekommt! Es stellt sich heraus, dass die Unbekannte mit Steinfischgift getötet wurde. Das bringt die Ermittler auf die Spur eines Mitarbeiters des Aquariums, der kürzlich einen Steinfisch mit nach Hause nahm ...
Ein sehr spannendes Setting, das zwei Genres kombiniert, die einander eigentlich widersprechen, die phantastische Welt der Meerjungfrauen und die rationale, analytische Welt der Ermittler. Wuchs hier etwas zusammen, das, wie bei einer Meerjungfrau Ober- und Unterkörper, gar nicht zusammen gehört?
Ein bisschen schade fand ich, dass der phantastische Aspekt dann doch gar nicht weiter ausgestaltet wurde. Nachdem die Beamten sich gehörig gewundert haben, laufen die Ermittlungen routiniert wie im samstäglichen Tatort-Krimi ab, man verhört Verdächtige, überprüft Alibis und so weiter. Einen Zusatzpunkt vergebe ich für die adelsstolze Mutter des Tatverdächtigen, die Frau war in ihrer verstaubten Blasiertheit einfach toll. Einen Punkt Abzug gibt es für die plötzliche und überraschend frühe Aufklärung des Verbrechens, die nicht gerade dem polizeilichen Scharfsinn geschuldet war. Ansonsten ist die Geschichte sehr kurz und kurzweilig, gerade recht, um sich einen unfreiwilligen Aufenthalt in Neudietendorf zu verkürzen.

 

Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 9, Jahrgang 1953/1954. (Bocola)
In diesem Doppelband ist es vor allem die christliche Seite des Titelhelden, die immer wieder die Handlung bestimmt. Schon zu Beginn geht es darum, einen heidnischen Wodans-Tempel zu zerstören und einen betrügerischen Priester zu entlarven. Später schließt Eisenherz Freundschaft mit dem Heiligen Patrick von Irland, zum Schluss unternimmt er sogar eine Pilgerfahrt nach Jerusalem. Das heißt allerdings nicht, dass Kriege und Kämpfe nun passé sind. So gilt es, erneut für König Artus in die Schlacht zu ziehen, als die Sachsen ins Land einfallen. Außerdem ist Aletas Herrschaft über die Nebelinsel in Gefahr. Ihr Schwager hat sich um Herrscher aufgeschwungen und versucht, die Königin auszubooten. Aber Aleta als Meisterin der Diplomatie und Intrige komplimentiert ihn geschickt aus ihrem Reich hinaus, und das sogar ohne Blutvergießen. Ein bezauberndes weibliches Gegenbild zum Kampfgetümmel, das Gawain und Eisenherz um sich herum entfalten.

 

Roger Leloup: Yoko Tsuno Sammelband 4: Vinea in Gefahr
- Die Titanen
- Der vergessene Planet
- Die Stadt des Abgrunds
Drei Abenteuer des japanischen Karategirls bei ihren Freunden auf dem Planeten Vinea. Im ersten Teil müssen Yoko und ihre Freunde sich mit einem Alienvolk auseinandersetzen, das optisch an riesenhafte Gottesanbeterinnen erinnert. Verständigung scheint zwischen Vineanern und Titanen nicht möglich, die Insektenwesen sind zu fremdartig, scheinen vollkommen gefühllos. Doch dann schließt Yoko mit einer der Riesengottesanbeterinnen Freundschaft, beide retten sich gegenseitig das Leben. Der Geschichte liegt die alte Weisheit zugrunde, dass letzten Endes auch der Feind menschliche Züge trägt, man muss nur danach suchen und dem Hass und der Furcht keinen Raum geben.
"Der vergessene Planet" konfrontiert die Vineaner mit ihren Urahnen. Ein seltsames Licht auf dem Mond Ixo führt Yoko und ihre Freunde an die Stätte, an denen die alten Vineaner gefährliche Chemikalien abbauen. Die gewonnene Energie senden sie mit einem gewaltigen Hohlspiegel in ihre Heimat, um ihrem zerstörten Planeten die Power für eine weitere Umkreisung ihrer Sonne zu verschaffen. Da die Sache für sie todgefährlich ist und die meisten bei den Arbeiten umkommen, werden die Arbeiter mit einem religiösen System für ihre Aufgabe fanatisiert ...
"Die Stadt des Abgrunds" schließlich bietet ein Unterwasserabenteuer auf Vinea. Optisch sehr beeindruckende Meereswelten, besonders Yokos Begegnungen mit dem Styr, einer Art Riesenmanta mit schlankeren Flügeln, ist faszinierend. Dann die "Erzengel" ... und dass sich Yoko tatsächlich in einen Androiden verliebt ...
Erneut ein sehr hochwertiges, reich ausgestattetes Hardcover-Album mit viel Hintergrundmaterial und Skizzen. Sehr beeindruckend immer wieder die Architektur und die Maschinen, die Lelloup entwirft, seine Phantasie und die Liebe zum Detail. Die Herausgabepraxis, die Alben nicht chronologisch, sondern nach Themen geordnet zusammenzustellen, ist allerdings noch immer gewöhnungsbedürftig.

 

Hörspiel

 

Berit Hempel: Abenteuer und Wissen: Frida Kahlo. Ein Leben voller Farbe
Geschichte einer beeindruckenden Frau, ihrer Farbenwelten und ihres Kampfes mit ihrem geschwächten, halb zerstörten Körper. Spannend erzählt und sehr gekonnt akustisch in Szene gesetzt. Ich habe viel Neues gelernt daraus.

 

Weitere Jahresrückblicke
Teil I: Januar bis März 2022
Teil III: Juli bis Oktober 2022
Teil IV: November 2022
Teil V: Dezember 2022

 

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Jahresrückblick Teil I: Januar bis März 2022

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 28 Dezember 2022 · 918 Aufrufe
Jahresrückblick

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, Zeit also für einen Blick zurück. Ich möchte euch einladen, mit mir meine Lesefrüchte zu sichten und die eine oder andere Entdeckung mit mir zu teilen.
Zuvor noch ein paar Worte über meine persönliche Situation. Ich lebe, habe noch immer keine Corona-Infektion gehabt, bin nur ein Jahr älter geworden und noch unsportlicher als im Jahr zuvor. Und ich bin immer noch bei der schönsten Zeitung der Welt beschäftigt.
Veröffentlicht habe ich dieses Jahr - außer haufenweise Artikeln für die Goslarsche Zeitung - nur eine Kurzgeschichte aus Movenna, nämlich "Die Blaubeerbrücke" in der Anthologie "Met-Magie" und ein paar Gedanken darüber, dass man Gott unbedingt neu erfinden muss im Magazin für Gemeindereferenten.
Geschrieben habe ich ein Kinderbuch über eine dreibeinige Straßenhündin (Arbeitstitel: "Bertha sucht das Sonnenpferd") und ein paar skurrile Kurzgeschichten aus fremden Weltraumwelten, dazu vielleicht mehr im nächsten oder übernächsten Jahr. Außerdem habe ich die Schreibwerkstatt der Goslarer Wortwerkerin besucht und dort einen Spontantext verfasst.
Was ich für das nächste Jahr schon ankündigen kann, ist mein Indianerroman "Das Herz des Donnervogels", der voraussichtlich im Mai 2023 im Blitz-Verlag erscheinen wird.
Schön war, dass ich wieder auf Cons und Veranstaltungen lesen konnte. Noch arg durch Corona-Ausfälle gebeutelt war das Helgoländer Lesefestival in der Woche nach Ostern. Sehr viel Spaß hat mir die Lesung auf dem Conventus Leonis in Braunschweig gemacht. Ich habe im Rhüdener Freibad, auf dem Marburg-Con und dem - ebenfalls heftig von Corona heimgesuchten - Buchmesse-Con gelesen.
Sehr traurig bin ich, dass ich aufgrund der Seuche gleich zwei lieb gewordene Veranstaltungsorte verloren habe. Corona, die Lockdowns und die auch später ausbleibenden Kulturfreunde haben dafür gesorgt, dass sowohl der "Trollmönch" als auch die Nürnberger Galerie im Weinlager in diesem Jahr geschlossen wurden. Da freut es mich, dass ich im Sommer die Kamikaze-Aktion mit dem Neun-Euro-Ticket gewagt und die Galerie im Weinlager nochmal gesehen habe.

 

Doch nun zum Lese-Rückblick auf das Jahr 2022. Das erste Quartal ist noch recht überschaubar. Es sind ein paar moderne Klassiker dabei, Comics, etwas Phantastik, etwas über amerikanische Ureinwohner, Goslar-Bücher und relativ viele Hörbücher. Viel Vergnügen damit!

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

 

 

Januar

 

Antje Babendererde: Wie die Sonne in der Nacht

 

Walhalla. Die gesammelte Saga. Band 4
- Die Gaben der Götter
- Das Mysterium des Dichtermets
- Durch Feuer und Wasser

 

Friedrich Dürrenmatt: Grieche sucht Griechin
Humorvoller Roman (Achtung: Kein Schenkelklopfer), den ich mir wegen des Namens der Hauptperson zugelegt habe. Der griechische Lyriker, genauer gesagt: Jambograph, Archilochos ist ja einer meiner Lieblingsdichter. Hat aber damit nicht viel zu tun, wie sich herausstellte. Arnolph Archilochos ist Schweizer, hält sich aber viel zugute auf seine griechische Abstammung, auch wenn seine Vorfahren bereits zur Zeit Karls des Kühnen ins Land gekommen waren. Er ist beschäftigt als "Unterbuchhalter eines Unterbuchhalters" in einer Riesenfirma aus der Rüstungsindustrie, die aber auch eine Geburtszangen-Abteilung hat, in der Archilochos arbeitet. Der Mann ist nicht gerade mit weltlichen Gütern gesegnet und insgesamt ziemlich unscheinbar. Aber er beschließt, jetzt endlich zu heiraten. Beim Herumformulieren an einer Kontaktanzeige meint seine Wirtin energisch, er solle auf keinen Fall nach einer Jungfrau suchen, einer in der Ehe müsse mindestens Bescheid wissen. Aber Archilochos weiß ohnehin schon, was er schreiben will. Die Anzeige lautet daher kurz und feurig: "Grieche sucht Griechin".
Als sich daraufhin die schöne Chloé Saloniki meldet, kann Archilochos sein Glück gar nicht fassen. Sie ist bereit, ihn zu heiraten. Mehr noch: Seit er ihr Ehemann in spe ist, geht es mit seiner Karriere rasant bergauf. Es grüßen ihn Leute, die er bisher nur aus der Ferne angebetet hat: der Chef seines Rüstungs-und-Geburtszangenbetriebs, der Bischof der altneupresbyterianischen Kirche, der Archilochos angehört, und so weiter. Der Mann ist geradezu berauscht davon, wie ihm fast alle bedeutenden Männer der Stadt grüßen und seiner Karriere beförderlich sind. Warum, das kann der naive und vollkommen uninformierte Mensch allerdings nicht ahnen. Es stellt sich heraus, dass Chloé Saloniki die größte Edelprostituierte der Stadt ist und mit allen diesen Männern schon intim war.
Und nun? Wie wird Archilochos mit der Sache umgehen? Wird er sie verlassen oder die angenehme Lage und den neuen Wohlstand genießen? Dürrenmatt schrieb für seinen Roman zwei Enden. Das eine zeigt Archilochos als wütenden Kriegsgott und Bombenwerfer, wie er die Familie seines Bruders, die sich auf seine Kosten durchs Leben schmarotzt, niedermacht. Und das "Ende für Leihbibliotheken" bietet ein herrlich-kitschiges Happy End. Insgesamt sehr nett, ziemlich skurril, manchmal grotesk. Sehr schön.

 

Malcolm Max: Blutrausch

 

Februar

 

Umberto Eco: Der Name der Rose
Das Buch steht schon seit langem auf meiner To-do-Liste. Jetzt also habe ich es geschafft. Ich muss gestehen, ich war überrascht, dass ein solches Buch es auf die Bestsellerlisten geschafft hat. Immerhin bietet es nicht gerade leichte Kost, sehr viel Geschichtsreferat und theologische Grundsatzdiskussionen, eine Menge lateinische Zitate ... Nicht, dass es schlecht ist, aber ich hätte nicht gedacht, dass so etwas massentauglich ist. Sherlock Holmes und Doktor Watson ermitteln in einem frühneuzeitlichen Kloster. Holmes heißt hier Baskerville, konsumiert aber gleichwohl ebenfalls Drogen und verblüfft mit kühnen Schlussfolgerungen, legt auch eine gewisse Arroganz an den Tag wie sein Kollege aus der Bakerstreet. Watson heißt hier Adson und schaut mit Staunen und Bewunderung zu ihm auf. Das Ganze gut komponiert, und die Geschichte gewinnt nicht nur durch den historischen Hintergrund, sondern auch durch den abgeschlossenen Kosmos, in dem sie spielt. Ach, Mensch, die verschwundene Hälfte der "Poetik" hätte ich auch gern gelesen. EIn gutes, aber auch sehr forderndes Buch. Der Erfolg sei ihm gegönnt.

 

Katja Brandis: Khyona. Im Bann des Silberfalken

 

Carl Ludwig Reuss: Carl & Anna: Eine Harzer Forst- und Familiengeschichte. Autobiografie von Carl Reuss und Anna Reuss.
Ich habe das Buch mit der Autobiografie des ehemaligen Goslarer Stadtförsters in der Goslarschen Zeitung vorgestellt. Der Artikel ist hier zu finden.

 

Hörspiel

 

Maja Nielsen: Abenteuer! Julius Caesar. Feldherr und Staatsmann im alten Rom
Ein lehrreiches Stück, nicht ganz schlecht. Aber die Rahmenhandlung hat mich etwas enttäuscht. Es ist halt ein Erzählstück: Bei Caesars Begräbnis trifft ein junger Soldat auf einen alten Soldaten, der Caesar von Anfang an begleitet hat, und bittet ihn, ihm etwas über den Feldherrn zu erzählen. Beide setzen sich an einem Lagerfeuer nieder, und der alte Soldat erzählt eben ...
Ich frage mich auch immer, wie es zu dieser Verherrlichung des Mannes kam. Er war der Mann, der die römische Republik zerstörte und sich zum Tyrannen aufschwang. Kein Grund, ihn zu feiern. Wollte es nur mal gesagt haben.

 

März

 

Claudi Feldhaus: Zimazans
Eine mögliche Zukunft? Der Mensch hat sich weiterentwickelt zum "homo pennatus", zum geflügelten Menschen. Riesenhafte Menschen mit Flügeln beherrschen die Welt. Der homo sapiens ist allerdings nicht ausgestorben. Die weiterhin existierenden Sapiens fristen entweder ein Dasein als Sklaven in den Metropolen der Pennati, oder sie leben in der Wildnis als Jäger und Sammler auf der untersten Kulturstufe, immer in Angst, von den Flügelwesen als Jagdbeute getötet oder versklavt zu werden. Aber dann vergewaltigt ein Pennatus eine Sapiens-Frau. Deren Tochter entwickelt ungewöhnliche Körperkraft und nicht minder hohe Geistesgaben. Ein Kampf um die Freiheit der Sapiens beginnt. Allerdings: Der junge Erbe der Pennatus-Herrschaft und die Anführerin der Aufständischen lieben einander ... Eine spannende Geschichte und eine interessante Zukunftsvision. Und zum Zugreifen hat mich vor allem das zauberhafte Titelbild animiert.

 

Günter Abramowski: Die Umarmung
Ich hatte hier im Blog ja schon einige Gedichtbände des Lyrikers Günter Abramowski vorgestellt. Dieses Buch hier ist etwas anderes. Es handelt sich um sein Erstlingswerk, erschienen 1994. Ein Buch, das keine Gedichte enthält, sondern in einer Art lyrischen Prosa verfasst ist. Kurzgeschichten mag ich die fünf enthaltenen Texte nicht nennen, eher sind es Klanggebilde, zum Teil Traumbilder oder Handlungen vor surrealem Hintergrund. Der Autor selbst nennt die fünf Beiträge im Untertitel "Innenraumfiktionen". So erzählt die titelgebende Geschichte von einem Mann, der im Krankenhaus erwacht und sich in den Garten begibt und dort den Gärtner - ja, was genau eigentlich? Umschreibungen wie "Der Schürfverwundete geht unter", "Diese Kraft reverberiert den Gärtner zum Patienten" oder "Des Patienten Leben zerplatzt wie eine Seifenblase" lassen auf eine körperliche Auseinandersetzung schließen. Da ist es nur folgerichtig, dass am Ende zwei "sportive Pfleger" hinter seinem Rücken die Jacke verschnüren ...
Andere Geschichten erzählen von skurrilen, in sich kreisenden Personen, seltsamen Reisegruppen, Traumreisen oder Wirklichkeiten, die aus einem leicht verzerrten Winkel betrachtet werden. Vor allem aber ist dieses Buch ein Spiel mit Worten und Sprache, das durch überraschende Wort-Erfindungen immer wieder aufhorchen lässt.
Insgesamt eine Sammlung, für die man viel Ruhe und ein offenes Auge braucht. Auch eine zweite Lektüre tut den Texten wohl.

 

Urs Allemann: Carruthers-Variationen
Urs Allemann ist gebürtiger Schweizer und Wahl-Goslarer, daher landete sein Buch auf meinem Schreibtisch bei der Goslarschen Zeitung. Meine Rezension dazu ist hier zu finden.

 

DC: Shazam-Anthologie
Klassische Geschichten um Captain Marvel und seine Familie. Die Geschichte vom bettelarmen Zeitungsjungen und der magischen U.Bahn. Die Halle der sieben Todsünden. Der alte, weise Zauberer Shazam. Hach, ja, eben magisch. Schade, dass die Origin-Story von Captain Marvel junior nicht drin ist, aber immerhin ist die Geschichte drin, wie Billy seine unbekannte Schwester Mary findet. Und die vier Captains. Und Uncle Marvel natürlich. Die Freundschaft und ständige Rivalität mit Superman. Das Zusammentreffen der Marvels mit der Superman-Familie. Die Geschichte von Captain Thunder. Black Adam. Und das epische Werk "The Power of Hope", das ich auch als überformatiges Album besitze. Alles in allem eine schöne Sammlung.

 

Anna Müller-Tannewitz: Avija, das Mädchen aus Grönland
Geschichte einer jungen Inuit, damals noch Eskimo genannt, die gern "Benze" werden möchte. Benze ist das Inuit-Wort für Krankenschwester. Wieder eine schöne Vokabel gelernt. Als ihr Vater verletzt wird, pflegt sie ihn und ist dabei so geschickt, dass der dänische Arzt ihr Talent erkennt und ihr die Möglichkeit einer Ausbildung eröffnet. Avija träumt davon, in Kopenhagen zu lernen und dort so etwas wie Bäume zu sehen, die sie nur von Fotos kennt. Aber dann kommt alles ganz anders, und sie soll in einem grönländischen Krankenhaus ausgebildet werden.
Ein sehr liebenswürdiges Kinderbuch von einer der Urmütter der Indianerliteratur, das auch viel vom Alltag der Inuit zeigt. 1971 erschienen und daher ein wenig angestaubt, aber nett zu lesen.

 

Walhalla. Die gesammelte Saga. Band 5
- Die Ballade von Balder
- Die Mauer
- Völvas Visionen

 

Hörspiel/Hörbuch

 

Berit Hempel: Abenteuer & Wissen: Nelson Mandela - Ein Leben für die Freiheit
Gut gemachtes Hörspiel über die Lebensgeschichte eines beeindruckenden Mannes. Ich habe eine Menge gelernt daraus.

 

Ute Welteroth: Abenteuer und Wissen: Wolfgang Amadeus Mozart - Wunderkind und Musikrebell
Ordentlich gemacht, bietet aber keine größeren Überraschungen. Vielleicht, weil ich einfach schon zu viele Mozart-Hörspiele gehört habe. Arbeitet eben die Pflicht-Stationen ab.

 

Kirsten Boie: Heul doch nicht, du lebst ja noch
Die Geschichte spielt im Juni 1945, und jeder, der das Datum liest, weiß natürlich, dass der Krieg damals schon seit einem Monat beendet war. Nur der Junge Jakob weiß das nicht. Jakob ist Jude, genauer gesagt: Halbjude. Durch seinen "arischen" Vater hatten Jakob und seine Mutter einen gewissen Schutz genossen. Doch als der Vater kurz vor Kriegsende stirbt, erhält die Mutter sofort die Aufforderung, sich bereit zu machen, sie werde abgeholt. Sie schärft ihrem Sohn ein, sich sofort zu seinen Großeltern zu begeben. Die haben die jüdische Schwiegertochter und ihren Sohn zwar nie geliebt, aber sie sollen sich nun um den Jungen kümmern.
Doch Jakob verirrt sich in der großen zerbombten Stadt Hamburg. Ein alter Mann versteckt ihn schließlich in einem halbzerstörten Haus und bringt ihm regelmäßig etwas zum Essen. Aber dann bleibt der Alte plötzlich aus. Jakobs Vorräte schwinden. Irgendwann muss er es wagen, die Ruine zu verlassen. Er versucht, Nahrungsmittel zu stehlen. Dann gerät er an eine Kinderbande, die etwas pikiert ist, als er sie mit einem zackigen "Heil Hitler!" begrüßt. Unter dem Namen Friedrich versucht er, bei der Gruppe mitzumischen. Was nicht leicht ist, zumal bei den Kindern Hermann das große Wort führt. Der war überzeugter Nazi und HJ-Führer und hasst alles, was irgendwie nach Jude oder Ausland riecht. Zum Glück ist Friedrich ja ein echter deutscher Junge ...
Es ist eine Geschichte, die unter die Haut geht. Und der Titel ist durchaus Programm für die Härte, mit der einige der Beteiligten auf ihr Leben blicken. Neben Jakob ist auch der widerliche Junge Hermann sehr detailliert und mit einigen tieferen Charakterstrichen gezeichnet. Der schwerbehinderte Vater und die tyrannische Art, wie der beinlose zynische Mann seine Familie schikaniert, haben auch Hermann hart und mitleidslos gemacht. Wenn er Mitleid empfindet, dann einzig und allein mit sich selbst, weil er an diese Familie gebunden ist, seinen Vater ständig aufs Klo tragen muss und keine Chance hat, mit einem Verwandten nach Amerika zu gehen.
Das einzige freundliche Wesen in der Gruppe ist das Mädchen Traute, die Bäckerstochter, die so gern beim Fußball mitmachen möchte und sich schließlich ihren Platz in der Mannschaft mit einem gestohlenen Brot erkauft. Aber was passiert, wenn der Vater nun ausgerechnet die mit im Haus einquartierte Flüchtlingsfamilie des Diebstahls bezichtigt? Traute muss gestehen, so schwer es ihr fällt.
Ein beeindruckendes, spannendes Hörbuch über eine schlimme Zeit, das zeigt, dass nach dem Krieg eben nicht alles vorbei war mit Hass und Gewalt.

 

Weitere Jahresrückblicke
Teil II: April bis Juni 2022
Teil III: Juli bis Oktober 2022
Teil IV: November 2022
Teil V: Dezember 2022

 

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Jahresrückblick V: Dezember 2021

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 02 Januar 2022 · 937 Aufrufe
Jahresrückblick

Und hier das letzte Fünftel meines Rückblicks auf das Lese-Jahr 2021. Es ist ein großer, internationaler Rundumschlag geworden: Jüdische Aufklärung, norwegische und dänische moderne Romane, ein persisches Versepos, Goethes Naturwissenschaft, Karl der Große, eine Art Liebesroman einer chilenischen Autorin, Helgoland, ein niederländisches Kinderbuch, ein Diplomat im Dienst Friedrichs des Großen, eine Argumentationshilfe gegen Verschwörungstheoretiker, ein Wikinger-Fantasy-Comic und Zeitabenteuer eines japanischen Karategirls ... Viel Spaß beim Lesen und Stöbern!

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

Uta Lohmann: David Friedländer. Reformpolitik im Zeichen von Aufklärung und Emanzipation
Beeindruckende Biografie eines Haskala-Gelehrten und vor allem Politikers: David Friedländer nannte sich stets mit Stolz einen Schüler Moses Mendelssohns, doch er war auch erfolgreicher Geschäftsmann und vor allem ein Mensch, der, webersch gesprochen, "harte, dicke Bretter mit Augenmaß und Leidenschaft bohrte". Friedländer ist der große Politiker und Pragmatiker der jüdischen Aufklärung. Einer, der Sachen umsetzte, sponserte, vor allem aber Kontakte knüpfte, argumentierte, Gremienarbeit leistete und hochrangige und einflussreiche Politiker für seine Ziele gewinnen konnte. Wo andere Vertreter der Haskala philosophische Schriften über Menschenrechte schrieben und die Gleichberechtigung der Juden theoretisch herleiteten, verfasste Friedländer Gutachten und Gesetzesentwürfe, lieferte statistisches Material, leistete Lobbyarbeit und gewann Unterstützer. Man denke nur an seine "Aktenstücke", die er zur Diskussion um die Vergabe des Bürgerrechts an Juden veröffentlichte. Oder auch an seinen Austausch mit Wilhelm von Humboldt über Fragen der Bildung und des Sprachunterrichts.
Uta Lohmanns Buch ist damit nicht nur eine Biografie, vielmehr zeichnet sie die Rolle Friedländers bei der Entstehung des preußischen Judenedikts von 1812 nach, schildert Grundlagen, Zusammenhänge, Ergebnisse und Sackgassen, Verdienste Friedländers, aber auch Positionen, die er nicht durchsetzen konnte. Dass Friedländer durch sein Sendschreiben an Propst Teller Teile seines guten Rufs bei Juden wie bei Christen einbüßte, ist mehr als bedauerlich. Der Mann war ein äußerst engagierter Kämpfer für die Rechte der Juden in Deutschland und hat eine Lebensleistung vorzuweisen, die einfach nur beeindruckend ist.

 

Peter Høeg: Der Susan-Effekt
Irre, einfach irre. Ich will das gleiche Zeug, was Peter Høeg raucht. Diese Susan ist eine Person, deren Erzählstimme man nicht vergisst. Eine herbe Frau, durch und durch Naturwissenschaftlerin, der kein Detail entgeht, und die trotzdem um die Ecke denken kann, wie die Freunde des Zeit-Kreuzworträtsels. Susan, die Ausnahme-Physikerin, und ihr Mann, der gefeierte Star-Pianist, stecken mitsamt ihren Kindern in Schwierigkeiten. Ein dänischer Diplomat haut sie raus, doch der Preis dafür ist hoch: Sie sollen als Gegenleistung ein Papier beschaffen - das Protokoll der letzten Sitzung der dänischen Zukunftskommission. Klingt harmlos, doch offenbar gibt es Leute, die bereit sind, für dieses Papier zu töten. Angehörige der dänischen Wissenschaftselite werden tot aufgefunden, und auch für Susan und ihre Familie wird es lebensgefährlich. Vor allem, als sie einer ganz großen Verschwörung auf die Spur kommen, in die der dänische Staat mehr als verwickelt ist. Aber Susan, ihr Mann und die beiden Kinder haben ein Ass im Ärmel. Eine geheimnisvolle Superkraft, die andere Menschen dazu bringt, sich ihnen zu öffnen und ihnen helfen zu wollen. Susan nennt es den "Susan-Effekt". Und besonders stark wirkt er, wenn alle vier zusammen auftreten und in einem bestimmten Winkel zu einander stehen.
Wie ich schon sagte: Es ist irre, aber es hat seine ganz eigene Logik. Und Teile davon könnte ich mir durchaus als real vorstellen. Dazu die gelassene, mitleidslose, nicht aus der Ruhe zu bringende Art, wie Susan erzählt und in Krisensituationen sofort schaltet. Ein ganz besonderer Roman.

 

Jostein Gaarder: Ein treuer Freund
Zauberhafte Geschichte über einen Sprachwissenschaftler namens Jakop, der ein bisschen verklemmt ist und nicht besonders gut im Knüpfen sozialer Kontakte. Seine besten Unterhaltungen führt er mit der Handpuppe Pelle, wobei Pelle deutlich schlagfertiger ist als sein Spieler. Jakop hat ein ungewöhnliches Hobby: Er geht gern auf Beerdigungen fremder Menschen und gibt sich für einen guten Freund des Verstorbenen aus. Als perfekter Hochstapler bietet er seine gemeinsamen Abenteuer mit dem Verstorbene dar und kann so für ein paar Stunden dazugehören. Pech nur, wenn man an eine Familie gerät, mit der man schon einmal getrauert hat. Und wenn es häufiger vorkommt, beginnt irgendwann das Geschichtengebäude des Trauergastes zu wanken. Aber es gibt auch die Chance auf eine große Liebe. Auch wenn die Frau von Pelle offenbar wesentlich mehr fasziniert ist als von Jakop.
Liebenswert, philosophisch, magisch. Auch wenn ich immer ein bisschen misstrauisch bin, wenn ein dickes Buch als fiktiver Brief daherkommt. Kein Mensch schreibt seiner Geliebten einen Brief von 272 Seiten.

 

Ferdausi: Schahname. Die Rostam-Legenden (Reclam)
Das Original war ein Versepos, die vorliegende Fassung ist ein Prosastück. Schlimmer noch: Es ist eine Prosa-Nacherzählung, die ausgewählte Abschnitte der Erzählungen über Rostam darbietet, zwischendurch aber größere Teile auslässt und nur den Inhalt wiedergibt. Fand ich scheiße. Die Geschichten selbst, hm, zumindest in den ersten vier Fünfteln (geschätzt) hat Rostam überhaupt keine Probleme. Er geht halt irgendwo hin, vollbringt irgendwelche Heldentaten, und fertig. Schon die Geschichte seines Vaters Zal birgt wenig Dramatik. Der wird geboren, hat weiße Haare, der Vater sieht das, lässt ihn aussetzen, der Zaubervogel Simorg zieht ihn auf, irgendwann reut es Sam, das er den Sohn ausgesetzt hat, er erfährt, wo Zal geblieben ist, holt ihn nach Hause, fertig. Keine Auseinandersetzungen, keine Probleme. Dann werden immer wieder schreckliche und Starke Gegner für Rostam aufgebaut, Rostam geht hin, erschlägt sie, fertig. Gegen Ende, als Rostam gegen seinen eigenen Sohn zu Felde ziehen muss und sich mit einem ziemlich doofen König herumärgert, kommt ein bisschen Dramatik in die Sache. Aber das ist auch nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Ich fand's fad und zäh. Am meisten Farbe und Phantasie wendet der Erzähler auf, wenn er die prachtvollen Kleider und Geschenke beschreibt, die die Helden und Könige einander machen.
Vielleicht sollte man dem Übersetzer/Nacherzähler sogar dankbar sein, dass er soviel weggelassen und in geraffte Inhaltsangaben gepackt hat.

 

Goethes Werke: Hamburger Ausgabe Band XIII: Naturwissenschaftliche Schriften
Ich hatte mir schon lange vorgenommen, einmal Goethes "Farbenlehre" zu lesen. Ein paar Auszüge kannte ich aus dem Studium und ich hatte auch seinerzeit eine sehr gute Vorlesung über Alexander von Humboldt und die Naturwissenschaft der Goethezeit gehört. Nun also wolle ich Ernst machen. Ich fand mit dem Suchwort "Farbenlehre" das oben genannte Buch bei Amazon Marketplace und schaffte es mir an. Und wenn man sich einen Band anschafft, in dem auch andere Schriften enthalten sind, dann fängt man ja auch vorn an. Es gab ein sehr schönes Wiedersehen mit der "Urpflanze", mit dem Gedicht über die "Metamorphose der Pflanzen", mit dem legendären Zwischenkieferknochen. Da waren Betrachtungen über die Gesteine des Harzes, über Skelette ausgestorbener Tiere, alle sehr schön. Auch die enthaltenen Texte über Goethe und die Naturwissenschaften, einer davon von Carl Friedrich von Weizsäcker, waren sehr lesenswert und erhellend. Nur die Farbenlehre selbst ... Ich las und las und las, das war ja alles ganz nett und mit aufmerksamen, wachen Augen betrachtet ... Aber wo waren denn nun all die Ausfälle gegen Newton? Wo war die Auseinandersetzung, der Streit, die Action geblieben? Des Rätsels Lösung: Die Herausgeber hatten sich entschieden, nur den didaktischen Teil abzudrucken, und haben den polemischen Teil weggelassen. Einmal aus Platzgründen, und zweitens sogar mit Billigung Goethes, der zu Lebzeiten vermerkt hatte, der polemische Teil könne als der weniger interessante Teil ja in späteren Ausgaben weggelassen werden. Es sei ihm ja gar nicht um Streit gegangen. Ihm nicht, aber mir, verdammt nochmal. Da sitze ich nun mit der halben Farbenlehre und fühle mich einfach betrogen. Danke für nichts.

 

Matthias Becher: Karl der Große
Kompakte Gesamtdarstellung aus der Beck-Reihe. Klein, praktisch und übersichtlich, gut für Einsteiger und durch das Hosentaschenformat auch eine gute Unterwegs-Lektüre. Bisschen spröde, aber ganz okay.

 

Isabel Allende: Ein unvergänglicher Sommer
Ich war damals begeistert von ihrem "Geisterhaus". Als ich daher dieses Leseexemplar von meiner Buchhandlung geschenkt bekam, habe ich sofort zugegriffen. Aber, hm, es ist nicht unbedingt schlecht, aber vom Hocker gerissen hat es mich nicht. Es geht um zwei Frauen und einen Mann mit südamerikanischen Wurzeln und ein ziemlich absurdes Winter-Abenteuer. (Hat also mit Sommer nix zu tun. Der Titel wird auf der letzten Seite durch eine Anspielung auf Camus erklärt.)
Es herrscht ein übler Schneesturm in Brooklyn. Richard ist mit seinem Auto unterwegs, passt eine Sekunde nicht auf und fährt von hinten auf ein anderes Auto auf. Dessen Fahrerin ist völlig aufgelöst, sie ist Kindermädchen, illegal in den Staaten und hat den Wagen ihres jähzornigen, gewalttätigen Chefs ohne dessen Wissen ausgeliehen. Richard nötigt ihr seine Karte auf, was die Frau zunächst gar nicht mitbekommt, sosehr ist sie neben der Spur. Erst später, mitten in der Nacht, steht das Mädchen Evelyn, immer noch vollkommen verwirrt, vor Richards Tür. Sie braucht dringend Hilfe. Richard ruft sicherheitshalber seine Universitäts-Kollegin, Untermieterin und Beinahe-Geliebte Lucia zur Hilfe, damit die beiden sich von Frau zu Frau unterhalten können. Es stellt sich heraus, dass die Delle im Heck des Wagens nur das kleinste Problem ist. Der Kofferraumdeckel lässt sich nicht mehr richtig schließen. Und im Koffer liegt eine Leiche.
Die drei beschließen, den Wagen nach Kanada zu bringen und ihn dort in einem See zu versenken. Die Logik dahinter war jetzt nicht unbedingt nachvollziehbar, aber so funktioniert die Geschichte. Auf der Fahrt werden dann in zahllosen Rückblenden die Lebensgeschichten der drei Personen erzählt. Allesamt tragische, zum Teil extrem gewalttätige Geschichten, so wurde Evelyns Familie Opfer einer kriminellen Gang in Guatemala, Lucia hatte Probleme mit dem chilenischen Regime, bei Richard war es eine tragische Familiengeschichte, die zum Tod seines Sohnes führte und seine Frau in den Wahnsinn trieb ... Da hat jemand mit sehr krassen Farben gemalt, um Wirkung zu erzielen. Weniger wäre mehr gewesen. Jedenfalls kommen sich Richard und Lucia bei der Leichen-Entsorgung endlich näher, und es gibt eine Art Happy End.

 

Isabel Bogdan: Mein Helgoland
Ein Essay, in dem die Autorin und Übersetzerin über ihre Beziehung zu der Insel nachdenkt. Ich entdeckte das Büchlein während meines Helgoland-Urlaubs und musste es natürlich gleich mitnehmen. Isabel Bogdan nutzt die Insel, wie ich auch, regelmäßig als Schreibort, stellt lokale Besonderheiten dar und hat sogar die neue Sensation aus den jüngsten Stürmen mit erwähnt: Der Fisch, der nach dem Sturm auf dem Schulhof im Oberland lag, und der Seetang an der Kirchturmspitze hatten ja auch schon in den Jugendkrimi "Das Geheimnis des gelben Papyrus" von Michael Stoffers Eingang gefunden, den ich ebenfalls auf der Insel las. Die Autorin reflektiert ihre Übersetzungs- und Schriftstellertätigkeit anhand klassischer Schreibratgeber, aber auch im Dialog mit James Krüss, dem großen Helgoländer Kinder- und Jugendbuchautor, der in seinem Klassiker "Mein Urgroßvater und ich" einige goldene Ratschläge und kritische Töne dazu notiert hatte. Sehr interessant fand ich, wie sie die enge Beziehung der Helgoländer untereinander schildert: Die Insulaner sind ihr Leben lang auf engstem Raum miteinander zusammen, sind aufeinander angewiesen, wissen aber auch alles über jeden, und natürlich gibt es da die eine oder andere Reiberei. Aber: "Wir haben hier eine besondere Kultur des Verzeihens", sagte ihr eine Helgoländerin. Darüber müsste man mal nachdenken. Auf jeden Fall eine empfehlenswerte Art, miteinander umzugehen. Etwas schmunzeln musste ich allerdings, als die Autorin erzählte, sie sei schon häufig zum Schreiben auf der Insel gewesen, einmal sogar zwei Wochen lang. Ich las ihr Buch nämlich am Anfang der fünften Woche meiner Schreibferien auf Helgoland.

 

Franzi von Kempis: Anleitung zum Widerspruch
Argumente, mit denen man den Tiraden von Verschwörungstheoretikern, Covidioten, Reichsbürgern, Nazis, Antisemiten usw. begegnen kann. Die Autorin stellt Fakten zusammen, bereitet Hintergründe auf, entlarvt populistische Scheinargumente und Logikfehler, die immer wieder in den Argumentationen auftauchen.
Wenn diese Leute tatsächlich an Argumenten und Argumentationen interessiert wären, könnte man ihnen damit auf jeden Fall auf den rechten Weg zurückhelfen. Da es vielen aber eben nicht um Diskussionen geht, sondern um Hass und Hetze, sind die Adressaten eher andere Leute: Es geht darum, Schwurblern im Internet oder auch im realen Leben öffentlich Paroli zu bieten, damit sich deren Argumente gar nicht erst in den Köpfen der schweigenden Zuhörer und Mitleser festsetzen können. Und vielleicht darum, Unentschlossene und Leute, die noch zu retten sind, vor dem Abdriften zu bewahren.
Mit den ganz harten Nazis zu diskutieren, bringt nichts und könnte auch gefährlich werden. Wer erstmal in die Verschwörungstheorien abgerutscht ist, für den ist jedes Gegenargument zu Futter, das ihn in seiner Ansicht bestärkt, dass alle um ihn herum nur Schlafschafe und von "ihnen" manipulierte Systemlinge sind - oder sogar Teil der Verschwörung.
Mal abgesehen davon, dass es keinen Spaß macht, sich von paranoiden Schwurblern stundenlang ein Ohr abkauen zu lassen.
Fazit: Hilfreiches, sehr gut aufbereitetes und didaktisch gut geordnetes und präsentiertes Material, das man einsetzen kann. Aber passt auf euch auf, okay?

 

Dezember

 

Annett Schaap: Emilia und der Junge aus dem Meer
Nettes, sehr schön von der Autorin selbst illustriertes Kinderbuch, das es sich mit dem Ende leider etwas zu einfach macht. Es geht um eine ungewöhnliche Freundschaft und Probleme mit den Eltern, um einen Schiffbruch, einen Leuchtturm, Piraten, Meerjungfrauen und -männer und um das Zusammenhalten. Emilia ist die Tochter eines Leuchtturmwärters. Sie liebt ihren Vater. Auch wenn der sie manchmal schlägt, wenn er betrunken ist ... Eigentlich ist Emilia längst schon die wahre Leuchtturmwärterin. Der Vater hat nur noch ein Bein und weigert sich, ein Holzbein zu tragen. Er kommt längst nicht mehr die Treppe hoch, und so ist es die Aufgabe seiner kleinen Tochter, jeden Abend, bevor es dunkel wird, die vielen Treppenstufen hinaufzusteigen und das Licht zu entzünden. Jetzt hat sie das letzte Streichholz verbraucht. Sie muss unbedingt daran denken, morgen neue zu kaufen. Ja, Emilia ist oft zerstreut, sie vergisst viele Dinge, aber die neuen Streichhölzer, daran muss sie denken, unbedingt, sonst passiert ein Unglück ... Unnötig, zu sagen, dass sie am nächsten Tag vergisst, die Streichhölzer zu kaufen. Als sie es bemerkt und bei Einbruch der Dunkelheit noch rasch zum Kaufmannsladen läuft, ist es schon zu spät. Ein Schiff verunglückt. Und als die Behörden im Leuchtturm nach dem Rechten schauen, stellen sie fest, dass der Mann betrunken ist und das Mädchen grün und blau geschlagen wurde. Die Lehrerin nimmt Emilia gleich mit. Zu ihrem Schutz, aber auch aus Kostengründen: Das Mädchen soll in einem finsteren Haus als Dienstmädchen arbeiten - bis der Preis für das zerstörte Schiff abgearbeitet ist.
Im Haus geht etwas Unheimliches vor sich. Emilia entdeckt ein Wesen, das hier versteckt gehalten wird: Der Sohn des Kapitäns und einer Nixe ist ein Junge, der als Monster gilt, weil er verkrüppelte Beine hat. Aber bei näherem Hinsehen sind es keine Beine ...
Die Geschichte ist ein sehr liebenswertes und spannendes Abenteuer und erzählt davon, wie Emilia und der zuerst recht grantige und hochnäsige Junge Freundschaft schließen. Gemeinsam kommen sie seiner Herkunft auf die Spur, und er erfährt, wie großartig er schwimmen kann - er, der bisher mühevoll trainiert hat, laufen zu lernen, um seinem Vater zu gefallen. Eine sehr schöne Geschichte. Etwas gewöhnungsbedürftig ist allerdings die immer mehr um sich greifende Mode, Geschichten im Präsens zu erzählen. Ich schätze sie nicht. Und das Ende hat mir nicht gefallen.

Spoiler

 

Christian Wilhelm von Dohm: Denkwürdigkeiten meiner Zeit. Band 1
Was für ein Ärgernis! Das bezieht sich jetzt nicht auf den Verfasser und sein Werk, sondern auf den grottenschlechten Scan. Der Autor wird sich angesichts dieses Pfuschs vermutlich im Grabe umdrehen.
Mehrere Seiten sind komplett unleserlich, bei vielen Seiten mit ungerader Seitenzahl fehlen jeweils die Zeilenanfänge, bei einigen geraden Seiten die Zeilenenden (jeweils 1-4 Buchstaben jeder Zeile). Mehrere Seiten fehlen komplett, besonders schmerzliche Lücken gibt es in den Aktenstücken zum Falle des Müllers Arnold, wodurch man teilweise nicht mehr zuordnen kann, zu welchem Gutachten und welcher Stellungnahme einzelne Seiten gehören. Mehrere Seiten sind doppelt vorhanden, manche sogar dreimal, was den Lesefluss erheblich stört.
Für den stolzen Preis von 47 Euro kann man als Kunde erwarten, dass vor dem Druck wenigstens mal ein Praktikant draufschaut und überprüft, ob alles korrekt und komplett erfasst ist. Also: Finger weg von diesem Machwerk!

Inhaltlich durchaus interessant. Dohm, der Friedrich den Großen vergötterte, ihn stets "Friedrich den Einzigen" nannte, geht durchaus offen mit den Fehlern seines Helden um. Etwa diversen falschen Entscheidungen im österreichisch-bayerischen Krieg. Sehr deutliche Worte findet Dohm in Bezug auf die Polnische Teilung, die er als schändlich und jedes Völkerrecht verletzend brandmarkt. Und auch in der Auseinandersetzung um den Müller Adolph (nein, das ist nicht der aus der Anekdote mit dem Kammergericht) zeigt er, wie Friedrich übers Ziel hinausschoss und eine sehr ungerechte Entscheidung traf. Hätte ich alle gern im Zusammenhang gelesen.

 

Isaak Euchel: Reb Henoch oder: Woß tut me damit
Eine Komödie des Haskala-Gelehrten Isaak Euchel, die zwar komisch ist, aus der aber auch etwas Resignation spricht. Es ist schon ein wenig die Frage: Was haben wir denn erreicht? Statt wahrer Aufklärung viele junge Leute, die jeden Respekt und jede Moral fahren lassen, statt selbstbewusste Juden, die gute Bürger werden, viele, die einfach den bequemeren Weg der Taufe wählen. Dazu der Niedergang der Zeitschrift "Ha-Meassef". Da mag man sich als alternder Aufklärer schon fragen: "Wos tu me damit?", wie es der alte Familienvater Reb Henoch ständig tut.
Das Stück ist insofern sehr interessant, als hier verschiedene Sprachen aufeinander treffen. Reb Henoch und seine Generationsgenossen sprechen jiddisch, manchmal durchsetzt mit hebräischen Bibel- oder Talmudzitaten. Die Aufklärer sprechen Hochdeutsch, ein paar Möchtegern-Gebildete sprechen ein komisches Zwischending zwischen Hochdeutsch und Berliner Dialekt, außerdem treten ein Engländer und ein Franzose auf. Babylon in a nutshell. Reb Henoch hat zwei Söhne und zwei Töchter, außerdem beherbergt er einen jüdischen Studenten bei sich. Allerdings verliert der Student seine Freitisch bei Henoch schon am Begin des Stücks, da ein Denunziant eine Ungeheuerlichkeit berichtet: Der Junge Mann soll auf der Straße Pflaumen gekauft und sie "unbesehen" gegessen haben. Unbesehen meint: Er hat einfach hineingebissen, ohne vorher zu kontrollieren, ob Würmer darin sind. Der Verzehr von Würmern ist laut den jüdischen Speisevorschriften streng verboten. Auch mit seinen Kindern hat Henoch Sorgen. Sie scheinen alle missraten zu sein. Die beiden Töchter sind leichtfertig, eine ist verheiratet und geht fremd, der eine Sohn hat sich mit den Aufklärern eingelassen und ist dadurch etwas aus der Spur geraten. Sehr positiv ist die Figur des "Doktor" besetzt, der sowohl den Studenten als auch den von Henoch verstoßenen Sohn unter seine Fittiche nimmt und für eine moderne Philosophie in Verbindung mit hoher Ethik steht. Für Henoch bricht jedoch eine Welt zusammen, als ausgerechnet sein anderer Sohn, den er als guten und frommen Jungen, der stets nur seine Tora studierte, ansah, plötzlich angeklagt wird, er habe ein Dienstmädchen geschwängert. "Woß tut me damit?", kann er nur noch fassungslos fragen.
Die Komödie ist etwas anstrengend zu lesen und durch ihre Vielsprachigkeit nur schwer zu dechiffrieren. Das Buch ist aber gut kommentiert, und die nicht auf Hochdeutsch verfassten Stellen sind übersetzt. Ein sehr interessantes Stück.

 

Cherokee Editor. The writings of Elias Boudinot. Edited by Theda Perdue
Elias Boudinot war Herausgeber des "Cherokee Phoenix", der ersten Zeitung eines indianischen Volkes. Der Phoenix erschien zweisprachig auf Englisch und Cherokee, wobei letzteres in der neu entwickelten und schnell verbreiteten Silbenschrift der Cherokee gedruckt waren, die Sequoyah erfunden hatte. Die Zeitung erschien in den Jahren 1828 bis 1834, Boudinot war bis 1832 Herausgeber. Er übernahm viel aus anderen Zeitungen, berichtete über die Probleme und Erfolge anderer Indianervölker, schrieb aber auch eine Menge eigener Artikel, die hier versammelt sind.
Boudinot, sein Cherokee-Name lautete Galagina Oowatie, war begeistert vom Christentum und davon, dass die Cherokee eine "zivilisierte Nation" werden würden. Eine Vision, die viele Cherokee teilten. Sie änderten ihre Lebensweise, wurden statt Jäger und Krieger nun Landwirte und Christen.
Boudinot erhielt als besonders begabter Schüler auch eine theologische Ausbildung und wurde Missionar. Er übersetzte das neue Testament in die Sprache der Cherokee. Anschließend sammelte er auf einer Vortragsreise durch die USA Spenden für eine eigene Druckerpresse und Bleilettern in Cherokee-Schriftzeichen.
Der Phoenix wurde nicht nur von den Angehörigen seiner eigenen Nation gelesen. Auch Wilhelm von Humboldt besaß eine Ausgabe und studierte sie eingehend. Und so schließt sich der Kreis wieder, und ich werde wieder an meine Literaten und Wissenschaftler zurückverwiesen. Irgendwie gleichen sich die Muster: Die Reformation begann mit der Bibel-Übersetzung durch Martin Luther, sie schuf sich eine eigene Hochsprache und wurde befeuert durch die Druckpresse. Die Haskala schuf ihr eigenes modernes Hoch-Hebräisch in der Gefolgschaft Moses Mendelssohns und seiner Tora-Übersetzung, gründete eine eigene Druckerei, die "Orientalische Buchdruckerei", und verbreitete ihre eigene Zeitung, den "Me'assef". Und die Cherokee hatten ihre von Sequoyah geschaffene Schrift, Boudinots Übersetzung des Neuen Testaments und die Druckerei, in der der Phoenix entstand.
Allerdings gab es für den Herausgeber und seine Zeitung kein Happy End. Als sich die Vertreibung der Cherokee abzeichnete - man hatte auf den Land Gold gefunden und wollte sie umsiedeln -, stimmte Boudinot für die Umsiedlung. Ihm war es wichtiger, die Cherokee als Volk zu erhalten, als um das Land zu kämpfen, was sicher die Auslöschung seines Volkes oder zumindest die Versprengung und Zerschlagung des Stammes zur Folge gehabt hätte. Insofern trat er auch in seiner Zeitung deutlich für den "Vertrag" zur Umsiedlung ein, unterzeichnete schließlich auch ein solches Papier. Nach dem "Trail of Tears", dem Auszug der Cherokee aus ihrem Land, auf dem etwa 4000 Cherokee starben, wurde Boudinot von einem Stammesangehörigen ermordet. Dessen "Legitimation", war eine doppelte: Zum einen gab es ein Cherokee-Gesetz, demzufolge jeder mit dem Tod bestraft werden sollte, der Land des Volkes verkaufte. Zum anderen trat der Mann als Bluträcher auf, denn seine Verwandten waren bei der Vertreibungsaktion umgekommen.
Die Ausgabe enthält Boudinots Zeitungstexte sowie seine Briefe und Werbeschreiben für das Phoenix-Projekt. Durch das Vorwort, weitere einleitende Texte zu den einzelnen Abteilungen und einen Kommentarteil am Ende der jeweiligen Bereiche wird der Leser gut informiert und bekommt viele Informationen zu Boudinot und zum Phoenix. Lesenswert.

 

Die Welten von Thorgal: Thorgals Jugend 9: Die Tränen der Hel

 

Yoko Tsuno: Gesamtausgabe, Band 3: Jagd durch die Zeit
- Die Zeitspirale
- Die Rache der Dämonen
- Der Astrologe von Brügge

Der dritte Sammelband der Serie bietet drei Zeitabenteuer, die Yoko Tsuno an der Seite ihrer Freundin Monya aus der Zukunft besteht. Als Monya mit ihrer "Zeitspirale" das erste Mal in Yokos Welt eintritt, hat sie schlechte Neuigkeiten: Dann im 39. Jahrhundert wird die Menschheit ausgelöscht werden. Es sei denn, Yoko schafft es, die Geschichte zu ändern. Die zweite Geschichte, kunstvoll mit der ersten verknüpft durch ein Bild einer Tempeltänzerin, das Yoko sehr liebt, erzählt, wie Yoko ebendiese Tänzerin retten muss und damit erneut in den Verlauf des Zeitflusses eingreift. Das dritte Abenteuer schließlich führt sie nach Brügge, wo Yoko einem uralten Gemälde auf die Spur kommt, das sie und Monya zeigt. Einfach schön und erneut großartig aufbereitet. Ein Klassiker.

 

Weitere Jahresrückblicke
Januar bis März 2021
April bis Juni 2021
Juli bis September 2021
Oktober bis November 2021

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick IV: Oktober bis November 2021

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 31 Dezember 2021 · 931 Aufrufe
Jahresrückblick

Mein Lese-November auf Helgoland hat, wie schon letztes Jahr, das Fassungsvermögen des Blogs gesprengt. Ihr findet im vierten Teil also nur den Oktober und zwei Drittel des Novembers. Rest folgt morgen ... Was bieten diese sieben Wochen? Ich habe den Rest der Oz-Serie gelesen, eine Menge über antike Autoren, Aufklärung und Haskala, etwas über Helgoland, Krimis, politische Literatur, aktuelle Belletristik, Science Fiction, Klassiker, Abenteuer, Kinderbücher. Viel Spaß damit

 

Oktober

 

L. Frank Baum: OZ, Complete Edition 13: The Magic of Oz (e)
"Pyrzqxgl" ist ein mächtiger Zauberspruch. Wer ihn richtig betont, kann damit Lebewesen in etwas anderes verwandeln. Ein Zauberer auf dem Berg Munch hat das herausgefunden. Aber da in Oz das Zaubern außer für Glinda und den Zauberer von Oz verboten wurde, hat der alte Munchkin-Zauberer das Wort nicht mehr benutzt. Allerdings schrieb er es, zusammen mit der Aussprache-Anweisung, auf. Eines Tages findet sein Sohn Kiki Aru diese Notiz und beginnt sofort, damit herumzuexperimentieren. Er verwandelt sich in einen Habicht, fliegt durch unterschiedliche Länder und trifft schließlich den Nomenkönig. Der wittert eine Chance, endlich Oz zu erobern, und tut sich mit Kiki Aru zusammen.
Kiki Aru hütet sich freilich, dem König das Zauberwort und die Aussprache zu verraten. Er verwandelt sich und seinen neuen Partner in Vögel. Sie fliegen in den Wald von Ugu zu den wilden Tieren, um diese als Verbündete im Kampf um Oz zu gewinnen. Hier treten sie in Gestalt von Li-Mon-Eags auf, Fabelwesen aus mehreren Bestandteilen anderer Tiere. Sie lügen den Tieren vor, die Oz-Leute hätten vor, den Wald zu erobern und die Tiere zu versklaven. Dann bieten sie den Tieren ihre Hilfe an und wollen eine tierische Armee gegen Oz aufstellen.
Gleichzeitig gibt es in der Smaragdstadt große Vorbereitungen für ein besonderes Fest: Ozmas Geburtstag steht bevor. Während Trot und Capt'n Bill für die Herrscherin von Oz besondere Blumen von einer geheimnisvollen Insel holen wollen, wird Dorothy durch den Zauberer auf eine andere Geschenkidee gebracht: Sie will einen Kuchen backen, aus dem dann eine Gruppe dressierter Affen herausspringt und Kunststücke aufführt. Nun reist sie zusammen mit dem Zauberer dem feigen Löwen und dem hungrigen Tiger in den Wald von Ugu, um dessen Herrscher, einen wilden Leoparden, um eine Handvoll Affen für die Torte zu bitten.
Die Glaskatze, die die Insel der wunderschönen Blumen entdeckt hat, führt Trot und den Kapitän dorthin. Allerdings ist die Insel verzaubert: Alle lebendigen Wesen schlagen dort Wurzeln. Auch Trot und der Kapitän wachsen dort im Boden fest. Einzig das Holzbein des alten Seemanns lässt sich noch bewegen. Aber das nützt nichts, da der andere Fuß bombenfest im Boden verwurzelt ist. Die Glaskatze hatte damals die Insel ohne weiteres betreten und verlassen können, da sie ja aus Glas besteht. Auch nun läuft sie unter Wasser wieder zurück zum Festland und sucht ihre Freunde, um Hilfe für die beiden Festgewurzelten zu finden.
Als Dorothy und ihre Freunde im Wald ankommen, läuft gerade die Beratung der Tiere, ob sie die Smaragdstadt angreifen sollen oder nicht. Der Nomenkönig Ruggedo erkennt seine alten Feinde und bittet Kiki Aru, sie zu verwandeln. Der tut dies, unter anderem verwandelt er den Zauberer in einen Fuchs. Allerdings verzaubert er auch den Nomenkönig in eine Gans. Das ist für ihn besonders unangnehm, da er eine Todesangst davor hat, die Gans könnte ein Ei legen. Eier sind für Nomen tödlich. Komischerweise hatte er zuvor in seiner Vogelgestalt zuvor keine Angst davor ...
Schließlich verwandelt Kiki Aru die Affen in riesige Soldaten, um gegen Oz zu marschieren.
Aber der Zauberer, der ihm in seiner Fuchsgestalt gefolgt war, belauscht ihn und erfährt so das Geheimnis des Wortes "Pyrzqxgl". Er verwandelt Kiki Aru und Ruggedo in eine Walnuss und eine Hickorynuss. Dann gibt der Zauberer auch seinen Freunden und den Affen ihre ursprüngliche Gestalt zurück. Die wilden Tiere sind sehr dankbar dafür. Sie sind nun überzeugt, dass die Leute aus der Smaragdstadt ihre Freunde sind und dass der Nomenkönig und Kiki Aru nichts Gutes im Schilde führten. So darf Dorothy auch ein paar Affen mitnehmen und sie für Ozmas Fest abrichten.
Mithilfe des Zauberworts werden auch Trot und der Kapitän von der Insel befreit. Capt'n Bill streift sich eine Schiffsplanke über sein gesundes Bein. Damit und mit seinem Holzbein kann er die Insel gefahrlos erneut betreten und holt eine der Zauberblumen für Ozma.
Es gibt ein rauschendes Fest, und die Affenshow und die Blumen werden von Ozma sehr gut aufgenommen. Schließlich werden Kiki Aru und der Nomenkönig im Schlosshof zurückverwandelt - und zwar als extrem durstige Ausgaben ihrer selbst. Wieder aus ihrer Nussgestalt befreit, stürzen sie sich verzweifelt auf den Brunnen im Schlosshof - der ja das Wasser des Vergessens enthält. Es erfolgt eine Komplettlöschung ihres Gedächtnisses. Beide werden gute, freundliche Bürger der Smaragdstadt.

 

L. Frank Baum: OZ, Complete Edition 14: Glinda of Oz (e)
Dorothy und Ozma besuchen ihre Freundin Glinda die Gute. Dabei werfen sie auch einen Blick in Glindas magisches Buch und erfahren, dass ein Krieg zwischen den Flatheads und den Skeezers ausgebrochen ist. Seltsamerweise haben alle drei noch nie von diesen Völkern gehört. Aber da es offenbar Völker von Oz sind, fühlt sich Ozma als ihre Herrscherin verantwortlich und beschließt, zwischen ihnen Frieden zu stiften. Ozma und Dorothy brechen in das Kriegsgebiet auf, aber weder der Herrscher der Flatheads noch die Königin der Skeezers wollen sie anhören. Sie werden beide Male gefangen genommen. Beim zweiten Mal ist die Situation besonders unangenehm: Sie sitzen im Inselkönigreich der Skeezers fest, das deren Königin mit einer Glaskuppel überwölbte. Nun sinkt die Insel auf den Grund des Sees. Unter Wasser sind Dorothy und Ozma völlig hilflos, auch die Skeezers sind gefangen, während die Königin an der Wasseroberfläche eigentlich mit ihrem Schiff den Flatheadkönig ergreifen wollte. Doch der verwandelte sie in einen Schwan. Nun ist sie so bezaubert von ihrem Spiegelbild im Wasser, dass sie sich gar nicht satt daran sehen kann.
Inzwischen sind Dorothys Freunde am Ufer angelangt, allen voran Ozma. Aber es wird schwierig, die Insel zu heben. Hierz müssen drei Adepten der Zauberkunst gefunden werden, die die Frau des Flatheadkönigs in Fische verwandelt hatte, nachdem sie ihnen ihre Magie geraubt hatte.
Dieser Band war der letzte Oz-Band aus der Feder von L. Frank Baum. Aber er hatte Nachfolger, die die Serie fortsetzten. Diese Aufgabe übernahm zunächst Ruth Plumly Thompson, dann John R. Neill, Jack Snow, Rachel R. Crossgrove sowie Elois Jarvis McGraw & Laureen Lynn McGraw. Das letztgenannte Duo verfasste den 40. Oz-Band, der der letzte offizelle Band der Serie war. Es folgten die "inoffiziellen Bände" des "International Wizzard of Oz Clubs", weitere Bücher von Familienmitgliedern des Autors L. Frank Baum und anderen Autoren. In der englischsprachigen Wikipedia sind noch weit über 50 Bände nach den offiziellen "famous Fourty" verzeichnet. Die tue ich mir jetzt erstmal nicht an. Stopp, eines muss ich erwähnen: In meiner Jugend habe ich "Ein Himmelsstürmer in Oz" von Philipp José Farmer gelesen. Das fand ich gut.
Heruntergeladen habe ich mir zusätzlich noch die eBooks "The Magical Monarch of Mo" und "Queen Zixi of Ix" die in der Welt von Oz spielen. Da schaue ich nächstes Jahr noch rein.
Ein Hinweis noch: Dieses eBook kam zwar daher als Komplettausgabe der Oz-Bücher, es fehlte aber der Kurzgeschichtenband, den ich mir separat anschaffen musste. Wenn schon, denn schon.

 

L. Frank Baum: Little Wizard Stories of Oz (e)
Der Band enthält sechs Kurzgeschichten, alle recht nett, sehr kurz und sehr pointiert, es gibt keine großen Verwicklungen und jeweils nur ein kleines Personal. So handelt die erste Geschichte davon, dass der feige Löwe und der hungrige Tiger eines Tages darüber sprechen, dass sie doch eigentlich Raubtiere sind und dann auch mal böse sein sollten. Den hungrigen Tiger gelüstet es ohnehin schon seit Jahren, mal ein Baby zu fressen. So ziehen die beiden los, um mal ihren Trieben freien Lauf zu lassen. Dann finden sie tatsächlich ein Baby, sie stürzen sich auf es und - retten es, oder was habt ihr gedacht?
Eine andere Geschichte dreht sich darum, dass der Zauberer Dorothy immer streng verboten hatte, sich allein in Oz herumzutreiben, das sei viel zu gefährlich für ein kleines Mädchen. Aber Dorothy und Toto gehen irgendwann doch wieder auf Entdeckungsreise. Sie treffen auf einen furchtbaren, bösartigen, gefährlichen Riesen, der sie packt und mitnimmt. Dorothy hat fürchterliche Angst. Aber dann stellt sich heraus, dass es nur eine pädagogische Aktion des Zauberers war: Der Riese war er selbst. Er wollte Dorothy nur mal zeigen, was alles Gefährliches passieren kann, wenn ein Mädchen allein spazieren geht.
Außerdem gibt es eine Begegnung zwischen Tik-tok und dem Nomenkönig, Jack Pumpkinhead ist mit dem Sägepferd unterwegs, dann noch ein Märchen über Ozma und den kleinen Zauberer und ein Abenteur der Vogelscheuche und des Holzfällers. Alles sehr nett und nicht allzu abgründig.
Der Band war wohl so etwas wie ein Verlegenheitsbuch, das Baum seinen Fans lieferte, als diese nach dem sechsten Band, als er ja das Ende der Oz-Serie verkündet hatte, vehement Nachschub einforderten. Seine anderen Versuche, Kinderbuch-Serien zu starten, endeten spätestens mit Teil zwei. So schrieb er dann doch irgendwann Teil sieben der Oz-Abenteuer. Aus der Oz-Nummer kam er nicht wieder raus.

 

Manfred Geier: Die Brüder Humboldt
Sehr schönes und sachkundiges Doppelporträt der beiden Brüder, das mich sehr beeindruckt hat. Ich habe mich mit beiden in den vergangenen 30 Jahren immer mal wieder befasst, mit Wilhelm als Germanist und Politologe naturgemäß etwas mehr, aber Alexander habe ich auch immer geschätzt und einige Bücher und Hörbücher von ihm und über ihn gelesen beziehungsweise gehört.
Trotzdem ist mir erst durch dieses Buch klar geworden, wie ähnlich die beiden Brüder sind. Man hat ja immer wieder sofort diesen Gegensatz zur Hand: Wilhelm der Geisteswissenschaftler auf der einen Seite, und auf der anderen Alexander der Naturwissenschaftler. Ja, das waren sie auch. Aber das ist eine oberflächliche Unterscheidung. Wenn man etwas in die Tiefe geht, findet man, dass sie aus dem gleichen Quell schöpfen und im Denken und vom wissenschaftlichen Ansatz her sehr ähnlich ticken. Beide gehen ausgesprochen ganzheitlich an ihre Forschungen heran.
Wilhelm hat den weiten Blick auf Sprache als eine ganze weite Welt, er sieht Zusammenhänge, schafft Bezüge, er geht auf das Wesen der Sprache und verliert sich nicht in kleinen Grammatikprokeleien. Er ist kein Grammatiker, sondern Sprachphilosoph, wie Alexander als Naturphilosoph daherkommt. Er seziert keine Tiere oder zupft Planzen die Staubfäden raus, sondern er schreibt Landschaftsbilder. Er erkennt Klimazonen und setzt sie in Beziehung zu Höhenmetern der Gebirge. Er ist einer der ersten, der Ökosysteme erkennt und beschreibt. Man denke auch an den rhodischen Genius, sein einziges literarisches Stück.
Von Jugend an Jugend nahm ihr Bildungsgang parallele Bahnen, ihre Gedanken kreisten um ähnliche Probleme. Was ich schon im vorigen Jahr über beide aus dem Buch "Haskala und allgemeine Menschenbildung" von Uta Lohmann lernte: Beide waren eng befreundet mit David Friedländer, mit dem sich Wilhelm auch über Bildungsfragen austauschte. Friedländer als politischer Vorkämpfer der jüdischen Schulbildung, Humboldt als Kultusminister und Bildungsreformator. Und es war auch Friedländer, der half, Alexanders Amerikafahrt zu finanzieren, als ihm sein Finanzplan zusammenbrach.
Dass Alexander für seinen Bruder als Feldforscher unterwegs war und ihm wertvolles Material über indianische Sprachen von seiner Reise mitbrachte, wurde mir auch erst jetzt klar: Der Mann wusste sehr genau, wonach er suchte, er raffte nicht einfach nur irgendwelche unsortierten Vokabelfetzen zusammen. Ethisch und politisch lagen sie auch nahe beieinander. Nur dass Wilhelm am Ende seines Lebens versuchte, aus dem kosmopolitischen Bruder einen rechten Preußen zu machen, sorgte wohl für eine Missstimmung unter den Brüdern. Und doch war Wilhelm nirgends so glücklich wie in Italien ... Ein sehr schönes Doppelporträt, sehr klug und obendrein gut geschrieben. Hat Spaß gemacht.

 

Moritz Hartung: Grünes Gesindel

 

Hörspiel/Hörbuch

 

Ulrike Beck: Abenteuer & Wissen: Johannes Gutenberg: Der Siegeszug des Buches
Ich habe vor rund 30 Jahren die Rowohlt-Monografie über Gutenberg gelesen. Damals hatte ich das Gefühl, dass der Verfasser nur sehr wenig Daten und Fakten über Gutenberg zur Verfügung hatte. Und ich habe ihn dafür bewundert, wie er trotzdem ein ausreichend dickes Buch über ihn schreiben konnte, indem er sich dann nämlich mehr mit seinem Werk und einer künstlerischen Betrachtung der Gutenberg-Bibel befasste. Die Schilderungen dieser Gutenberg-Ästhetik hatte beinahe lyrische Qualitäten.
Bei diesem Hörbuch ist es ganz anders: Ich habe den Eindruck, dass der Autorin eine unfassbar große Menge an Material zur Verfügung stand und dass es ein rappelvolles Hörbuch geworden ist.
Man kann schon feststellen, dass ein großer Teil des Materials, das als Zeugnis für Einzelheiten aus Gutenbergs Leben vorliegt, Prozessakten sind. Gutenberg muss nicht nur ein streitbarer Mann gewesen sein, er wurde auch oft selbst vor den Kadi gezogen, zum Beispiel wegen (angeblicher?) Heiratsversprechen. Und der Mann fackelte selbst nicht lange. Mal eben den Stadtschreiber seiner Heimatstadt gefangennehmen lassen, bis ihm seine Leibrente ausbezahlt wird, das ist schon ein kühner Handstreich.
Dass der Erfinder nicht mit seiner Bibel-Ausgabe, sondern mit anderen Drucken seinen Hauptumsatz machte, war mir so auch nicht klar: Der "Donat", ein Latein-Lernbuch für Schüler, war seine zweitwichtigste Einnahmequelle. Die wichtigste: Ablassbriefe. Ausgerechnet Ablassbriefe! Wenn man bedenkt, dass seine großartige Erfindung der Motor der Reformation war, ist das schon eine sehr kuriose Wendung.
Ebenfalls eine interessante Entdeckung, die geradezu rührend ist: Wusstet ihr, dass aus dem Schrifttyp Gutenbergs auch die Times New Roman hervorgegangen ist? Das freut mich.
Was ich in der Rowohlt-Monografie nicht verstanden hatte: Warum Gutenberg und sein Bruder unbedingt Spiegel in großen Mengen für die Teilnehmer der Pilgerfahrt herstellen wollten und warum sie sich einen solchen Reichtum davon versprachen. Nun ist mir die Sache klar: Die Pilger kamen in so großen Scharen, dass der überwiegende Teil von ihnen die gezeigten Reliqien gar nicht berühren konnten. Ja nicht einmal sehen konnten sie viele im Gedränge der Gläubigen. Aber wenn sie im Gedränge ihre Spiegel hochhielten, konnten sie nicht nur wie durch ein Periskop die heiligen Gegenstände und Körperteile sehen, sie konnten auch die segensspendende Aura, die Energie der Reliquien in ihren "Heilsspiegeln" einfangen und mitnehmen. Wieder was gelernt. Und der Plan ging auch auf, Gutenberg und sein Bruder verkauften tatsächlich massenweise Spiegel.
Und noch eine Sache, die ich anders im Hinterkopf hatte: Ich war immer davon überzeugt, dass Gutenberg einsam, verbittert und im Elend gestorben ist, als ihm Fust & Schöffer das Wasser abgruben und ihm die Druckerei wegnahmen. Das war offenbar nicht der Fall. Sein Fürst, der die Erfindung wertzuschätzen wusste, adelt ihn, gibt ihm ein Hofamt und sorgt dafür, dass der Mann ein Auskommen hat. Gut so, ich gönne es ihm von Herzen.

 

Ute Welteroth: Abenteuer & Wissen: Alexandra David-Néel. Die Frau vom Dach der Welt
Bemerkenswerte Geschichte einer Abenteurerin, die unbedingt nach Tibet in die verbotene Stadt Lhasa reisen wollte. Überhaupt eine sehr spannende Frau. Sie lief als Kind schon mehrfach von zu Hause weg, lernte Sprachen wie Sanskrit und Tibetisch, ernährte sich zwischenzeitlich als Opernsängerin, als Sopranistin in Indochina. Ihren Mann lernte sie in Tunis kennen. Sie traf den 13. Dalai Lama und ließ sich von einem Eremiten in die Kunst einweihen, in Eis und Schnee zu überleben - zur Ausbildung gehörte auch das Baden im eisigen Wasser, wonach sie stundenlang nackt in der Kälte hocken musste ... Sie besucht Indien, Japan und China, verbrachte zwei Jahre in einem buddhistischen Kloster. Mehrfach wird sie ausgewiesen und taucht doch immer wieder an der Grenze zu Tibet auf. Endlich dringt sie zusammen mit einem jungen Tibeter nach Lhasa vor. Er als Lama verkleidet, sie als eine Bettlerin, die ihm folgt. Unter ärmlichsten, dreckigsten Bedingungen übernachtet sie auf diversen Stationen des Pilgerpfades. Als ihr Begleiter im Eis schwer verletzt wird, schafft sie es, ihn irgendwie auf dem stundenlangen Weg bis zur nächsten menschlichen Behausung weiterzutragen oder ihn zu stützen. Schließlich erreichen sie Lhasa. Sie beteiligt sich an den Ritualen, besucht die heiligen Stätte, hört, sieht, liefert authentische Beschreibungen. Erwischt wird sie nicht, sie kann nach ausgedehntem Aufenthalt unerkannt wieder abreisen. Aber: Die Behörden waren nahe dran, Argwohn zu schöpfen. Es gibt Berichte über eine verdächtige Bettlerin mit einer sehr ungewöhnlichen Angewohnheit: Die Frau wäscht sich täglich ...
Sehr interessant, spannend erzählt, ich habe viel daraus gelernt.

 

November

 

Ursula Schmid: Mord in Cork. Krimis aus Irland

 

Carmina anacreontea. Griechisch/Deutsch (Reclam)
Schöne Ausgabe der Anakreontischen Gesänge. Achtung: Nicht der Lieder des griechischen Dichters Anakreon, sondern späterer Lyriker, die ihn und seine Art, das Leben zu besingen, liebten und nachahmten. Ich hatte mich in den frühen 90ern, während meines Studiums, in einer griechischen Lyrikanthologie an den Anakreontikern festgelesen und wollte mehr über diese Leute wissen. So ging ich in eine Buchhandlung und fragte, ob es ein Buch über Anakreontik gebe. Die Buchhändlerin tippte "Anna Kreonte" in ihren Rechner ein und fragte mich dann sicherheitshalber, wie der Nachname genau geschrieben wurde ... Es war dann aber nur noch ein Buch über die gleichnamige schlesische Dichterschule zu finden. So bin ich kein Anakreontik-Fachmann geworden. Immerhin las ich die Mörike-Übersetzung, die auch heute noch die am weitesten verbreitete ist. Es gab kaum nennenswerte Neuübersetzungen. Nicht, weil diese Lieder so uninteressant sind, sondern weil die Übersetzung von Mörike einfach so beliebt war. Und gut getroffen hatte er den Ton einfach.
Jetzt aber doch eine neue. Und ich muss sagen, der Spaß und die Liebe waren sofort wieder da. Etwa beim Gedicht von Eros, der als nackter, durchnässter Knabe vor der Tür steht, eingelassen wird und prüft ob die Bogensaite trocken geblieben ist, und dann seinem Gastgeber mal eben den Pfeil ins Herz jagt. Oder die Forderung: Gebt mir die Leier des Homer - aber ohne seine Mördersaite. Es sind die Lieder eines alt gewordenen, aber frisch gebliebenen Menschen, der der griechischen Festkultur folgt und das hohe Lied von Wein, Weib und Gesang singt, ohne dabei platt oder eklig, weil besoffen, zu wirken. Anakreon hätte an meinem Gelage immer einen Platz frei.

 

Archilochos: Gedichte Griechisch/Deutsch (Reclam)
Sehr schöne, brandneue Ausgabe der Werke meines absoluten griechischen Lieblingslyrikers. Sie enthält auch die neueren Fundstücke und ist vermutlich die vollständigste Archilochos-Ausgabe, die aktuell auf dem Markt ist. Die Übersetzung ist gut lesbar, die Texte ordentlich aufbereitet und kommentiert.
Es war ein schönes Wiedersehen mit dem Schildgedicht und dem Gedicht über die Sonnenfinsternis vom 6.4.648 vor Christus, 9.54 Uhr. Das erste Datum der Literaturgeschichte und dabei noch so ein präzises. Und immer wieder erstaunlich, wie nah und nachfühlbar die Gedanken und Gefühle dieses Dichters einem beim Lesen erscheinen. Uns trennen schließlich mehr als zweieinhalb Jahrtausende. Archilochos spricht sein eigenes Herz an und rät sich selbst, sich von Kümmernissen nicht allzusehr herunterziehen zu lassen. Er wünscht seinen Feinden die Pest an den Arsch, respektive einen Schiffbruch, nach dem sie halbtot an die Küste getrieben und von Thrakern als Sklaven verkauft werden. Er besingt den Wein und die nächtlichen Wachen im Heerlager, nennt sich selbst einen Diener des furchtbaren Kriegsgottes, der sich doch auch auf das Geschenk der Musen versteht. Verfolgt den Lykambes, der ihm seine Tochter zur Frau versprochen hat und sie ihm dann doch verweigerte, mit hasserfüllten und spottenden Versen - die den Mann und seine Tochter in den Wahnsinn und Selbstmord getrieben haben sollen. Ein Dichter, der ausgesprochen unhomerisch auftrat, der alte Traditionen und die Kriegerehik auf den Prüfstand stellte. Etwa, wenn er im Schildgedicht darauf hinweist, dass es vollkommener Blödsinn ist, den Schild, der ja dazu dienen soll, das Leben zu schützen, gerade mit seinem Leben zu verteidigen. Es galt als schimpfliches, teilweise sogar todeswürdiges Verbrechen, wenn man den Schild wegwarf, um schneller flüchten zu können. Pah, sagt Archilochos, einen neuen Schild kann ich mir an jeder Straßenecke kaufen, aber mein Leben habe ich durch diese Aktion gerettet ... Das gab in Sparta einen echten Aufschrei. Ebenfalls unhomerisch: Ich brauche keine Feldherrn mit glattem Gesicht, gepflegten Locken und tollen Klamotten, gebt mit lieber einen kleinen, krummbeinigen Kahlkopf, der Mut hat und das Herz auf dem rechten Fleck.
Absolut lesenswert und gut ausgestattet. Ein Archilochos gehört in jede Bibliothek, und dieser hier ist ordentlich aufgemacht und dabei noch wohlfeil. Tadellos.

 

Ursula Schmid-Spreer: Cork, noch mehr Mord

 

Fabienne Siegmund: Die Blätter des Herbstbringers

 

Jane Austen: Stolz und Vorurteil
Das wollte ich schon immer mal lesen. Klassischer englischer Liebes- und Entwicklungsroman des frühen 19. Jahrhunderts über eine Frau und einen Mann, die sich seit ihrer ersten Begegnung verachten und verabscheuen, aber dann endlich feststellen, dass sie sich doch lieben und für einander bestimmt sind. Es fängt ein bisschen schwergängig an, man erfährt einiges über Familienverhältnisse und Verkupplungsversuche und darüber, wie es ist, wenn man seinen Töchtern kein Erbe hinterlassen kann und sie unter die Haube bringen muss, um sie zu versorgen. Von der ersten blöden Bemerkung des Mister Darcy bis zum Happy End nimmt die Geschichte dann ordentlich Fahrt auf. Klar es ist ein bisschen kitschig und hat jede Menge Herzschmerz, aber es ist ein gutes Buch, das nicht umsonst so oft zitiert wird. Lesbar.

 

Maria Sibylla Merian: Das Insektenbuch
Sehr schönes Insel-Taschenbuch, das die "Metamorphosis Insectorim Surinamensium" enthält. Geboten werden die colorierten Stiche der Insekten und Pflanzenbilder, die Maria Sibylla Merian nach ihrer Forschungsreise nach Surinam veröffentlichte, zusammen mit einer jeweils danebenstehenden deutschen Übersetzung ihrer lateinischen Beschreibung der Tiere und Pflanzen. Eröffnet wird das Buch, prestigeträchtig und PR-stark, mit dem Bild der Ananas. Merian sieht keines der vorgefundenen Tiere isoliert, stets bildet sie den jeweiligen Schmetterling und die dazugehörige Raupe sowie den Kokon auf den zugehörigen Pflanzen ab, die sie nach Möglichkeit mit Blättern, Blüten und Früchten zeigt (das Tropenklima Surinams machte diese Gleichzeitigkeit möglich). Interessanterweise fehlen die Eier. Kannte sie die nicht? Außerdem bildet sie Käfer ab, einige Reptilien, Kröten. Viel erfuhr sie von den Angehörigen der indigenen Bevölkerung, mit der sie, wie auch mit den schwarzen Plantagensklaven, freundlichen Umgang pflegte und deren Behandlung durch die Weißen sie anprangert. Auch mehr als hundert Jahre jüngere Alexander von Humboldt machte sich ja auf seiner Südamerika-Reise gegen die Sklaverei stark. Es hätte sich auch für andere Weiße gelohnt, den Einheimischen zuzuhören: Von ihnen erfuhr die Schmetterlingsforscherin viel über die Heilkraft der Pflanzen und ihre weiteren Verwendungsmöglichkeiten. Bei vielen Pflanzen riet sie, doch hier die Möglichkeiten für Anbau und Export zu prüfen. Die Frau war schließlich erfahrene Geschäftsfrau, und die Plantagenbesitzer hätten vermutlich mit den von ihr vorgeschlagenen Landwirtschaftsprodukten große Erfolge erzielt. Verpasst. Jedenfalls wurde hier ein künstlerisch und wissenschaftlich herausragendes historisches Buch sehr schön aufbereitet und dargeboten. Es hat sich gelohnt.

 

Antonia Michaelis: Der Koffer der tausend Zauber
Ein Kinderbuch, das auf Madagaskar spielt. Der Held ist ein Straßenjunge namens Rabé, der von seinem Freund Koto einen großen Koffer "erbt". Der andere Junge war durch einen Unfall schwer verletzt worden - oder war es kein Unfall? Seit Rabé den Koffer besitzt, lebt auch er gefährlich. Zusammen mit einem Jungen aus reichem Hause und einem "Mitternachtsmaki" macht sich der Straßenjunge auf eine abenteuerliche Reise quer durch Madagaskar. Der Koffer, der nach und nach seine Geheimnisse preisgibt, führt sie zu einem Mädchen mit einer Zauberstimme. Und da der Koffer einst einem Bühnenzauberer gehört hatte, hat er immer noch einen Trick parat, wenn es für die beiden Jungen gefährlich wird.
Antonia Michaelis hat ein spannendes Kinderbuch geschrieben, das nicht nur eine Menge Abenteuer zu bieten hat, sondern auch viel Wissenswertes über Madagaskar. Vom Buschtaxi bis zum Nationalspiel "fanorona", von Tierarten bis zur Währung Ariary ist vieles erklärt, und im Anhang gibt es sogar ein kleines Lexikon der benutzten Ausdrücke aus der Sprache Malagasy. Dass die Autorin zu der Zeit, als sie das Buch schrieb, auf Madagaskar lebte, hätte die Kurzbiografie auf einer der vorderen Seiten eigentlich gar nicht zu erwähnen brauchen: Man merkt deutlich, dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Trotz der fantastischen Koffergeschichte.

 

Werner Bergengruen: Der Basilisk und andere Spuknovellen
Ich bin ja ein großer Bergengruen-Fan und schaue regelmäßig auf Amazon Marketplace und ZVAB.de rein, ob es dort irgendwelche antiquarischen Bergengruen-Bücher gibt. Wobei im Anthologie-Bereich immer die Gefahr besteht, dass ich das alles schon kenne. Sei's. Bergengruen ist jedes Wiederlesen wert. Jetzt also der Basilisk. Es handelt sich um eine Sammlung von zwölf Novellen, die sich mit dem Unheimlichen und mit Geistererscheinungen befassen. Keine Horrorgeschichten im heutigen Sinne eher klassische Novellen, meist aus Weimarer Zeit. Ich kannte alle bis auf die Titelgeschichte aus anderen Zusammenstellungen, aber das Wiedersehen war schön. Die Spenersche Ausfahrt hat mich, als ich allein im nächstlichen Zimmer war, dann doch wieder "angefasst", und auch das "Räuberwunder", die Erzählung von einem Räuber, der im Gebirge von Soldaten eingekreist ist und nicht entkommen kann und doch in seiner letzten Stunde in seiner Heimatkirche auftaucht und beichtet, ist einfach zeitlos schön. Er erliegt im Gebirge seinen Wunden, aber die Blutspur im Beichtstuhl gibt Rätsel auf.
Die Titelgeschichte "Der Basilisk" ist die jüngste in diesem Buch. Entstanden nach der Nazizeit. Zugrunde liegt die Sage, dass ein Basilisk sterben muss, wenn er sich selbst im Spiegel erblickt. Die Hauptfigur ist, anders als der namensgebende Basilisk kein Ungeheuer, ja nicht einmal in irgend einer Weise bedeutend, es geht um einen jungen Mann, alleinstehend, nicht unbedingt intellektuell herausragend, zu seinem Leidwesen auch nicht besonders groß. Schließlich tritt er in die SA ein und kann sich nun wichtig fühlen. Dann wird ein Film gedreht. Ein abendfüllender Rundumblick über das nationalsozialistische Leben in Deutschland, und auch die SA-Abteilung des Herrn Basilinski kommt drin vor. Der Mann ist stolz wie Bolle. Dann passiert das Entsetzliche: Der Film wird bei einer Gemeinschaftsvorführung gezeigt. "Mensch, dass sind unsere!", geht der Ruf durch das Kino. Da marschieren sie alle schneidig und zackig. Und dann marschiert Basilinski - und sieht sich selbst. Alle bestätigen, dass er darin vorkommt, genau wie er leibt und lebt. Er aber ist von seinem Anblick getroffen, erkennt plötzlich, was für eine kleine, hässliche, unbedeutende Person er ist. Basilinski verlässt das Kino als gebrochener Mensch. Er verliert jede Lebenskraft und jeden Antrieb. Irgendwann stirbt er und wird nach Maßgabe der SA-Bestattungsvorschrift als normaler Kamerad ohne besondere Leistungen begraben. Und nun? Basilinski giert noch immer nach Aufmerksamkeit und setzt als Gespenst "das Hauptanliegen seines irdischen Daseins fort.". Dabei ist er weder schauerlich noch geistvoll, eher phantasielos und läppisch. Schließlich wird er ganz vergessen. In der modernen, flüchtigen Zeit nimmt ihn schließlich niemand mehr wahr. "So blieb er schließlich aus; über sein weiteres Schicksal und Verhalten liegen mir keine Nachrichten vor", notiert der Verfasser. Ein verdientes Ende.

 

Jasmina Kuhnke: Schwarzes Herz
Eine Mischung aus Roman und Autobiografie. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau, deren Vater schwarz war. Die Ich-Erzählerin berichtet darüber, wie es ist, mit dunkler Hautfarbe in Deutschland aufzuwachsen, sie spricht über Alltagsrassismus, Diskriminierung und darüber, wie es ist, ständig auf dieses Schwarzsein festgelegt und reduziert zu werden. Die Heldin des Buches ist Deutsche, aber wird ständig als afrikanisch definiert. Selbst ihre Freude an Leichtathletik und ihre Leistungen im Laufen zählen offenbar nichts, da sie schwarz ist. Ein Sportlehrer verweigert ihr die verdiente Eins. Gerade aus Fairness den anderen gegenüber habe er sie eine Note herabgestuft, erklärt ihr der Mann. Denn als Afrikanerin habe sie ja einen ganz anderen Körperbau und könne eben von Natur aus schneller laufen, das sei unfair gegenüber den anderen.
Aber es geht auch um Gewalterfahrung, Missbrauch und einen widerlichen Ehemann. Schließlich um den Entschluss, den Kerl zu verlassen und eine Karriere als Schriftstellerin zu beginnen.
Das Buch ist teilweise autobiografisch und soll es auch sein. Die Verfasserin ist auf Twitter unter dem Namen Quattromilf bekannt, als Vierfachmutter, die gegen Rassismus kämpft, einigen auf die Zehen tritt, austeilt und auch viel einstecken muss. Als Roman gelesen wäre das Buch ein bisschen dünn, literarisch hat es nicht unbedingt die höchsten Ansprüche, aber als Erfahrungsbericht und Einblick in das Leben einer farbigen Deutschen ist es ein ziemlicher Brocken. Verdammt, warum kann man nicht einfach Menschen wie Menschen behandeln und sonst gar nichts?

 

Fabienne Siegmund: Das Mühlenreich

 

Sappho: Lieder. Griechisch/Deutsch (Reclam)

 

Bergengueniana V
Das fünfte Doppeljahrbuch der Werner Bergengruen-Gesellschaft ist im Oktober druckfrisch erschienen und bringt erneut einen umfangreichen Auszug abus dem "Compendium Bergenguenianum", der Skizzen-, Gedanken- und Beobachtungen-Sammlung des Autors. Ferner widmet sich dieser Band dem Roman "Am Himmel wie auf Erden" und einen Beitrag über Bergengruens publizistisches Schaffen. Es sind Auszüge aus seinem Briefwechsel mit seiner Frau zu lesen, man erfährt etwas über eine Studienfahrt durch das Baltikum, erhält eine Auswahlbibliografie seines unselbstständig publizierten Schrifttums. Schließlich ist die Verleihung des Bergengruen-Preises 2019 an Ingo Schulze dokumentiert, inklusive Laudatio und Dankesrede.Erneut ein sehr voller, reichhaltiger und lesenswerter Band.

 

Nicholas Jubber: Von Monstern und Mythen
Ein Reisejournalist auf den Spuren der großen europäischen Epen: Nicholas Jubber sieht sich die Schauplätze der alten Schlachten und mythologischen Auseinandersetzungen an und versucht dabei herauszufinden, was die Wurzeln Europas sind. Es sind meist ziemlich nationalistische Fundamente, auf denen Europa ruht.
Die Idee, die alten Handlungsorte zu besuchen, fand ich gar nicht so schlecht. Sie ist freilich nicht neu, ich musste schon zu Beginn an die legendäre Serie "Unterwegs mit Odysseus" denken. Insgesamt kamen mir die Kapitel über Epen, die ich gut kannte, ziemlich oberflächlich vor. Bei denen, die ich noch nicht kannte, war ich echt angefixt und habe das Gefühl, eine Menge Input bekommen zu haben. Generell bin ich nicht sicher, was für einen Mehrwert es haben soll, wenn ich lese, wie ein Reisejournalist an der Stelle, an der Odysseus möglicherweise den Eingang zur Unterwelt fand, seine Tabletten verlor, worunter er mehrere Stationen seiner Reise lang leiden soll.
Die Epen, denen der Autor auf den Grund gehen will, sind die Odyssee, der Kosovo-Zyklus, das Rolandslied, das Nibelungenlied, Beowulf und die Saga von Brennu Njáll. Er geht den noch lebendigen Traditionen vor Ort nach, Sängern, Puppenspielern, traditionellen Instrumenten, bildlichen Darstellungen, Schauspielen. Beklemmend, wie der Kosovo-Zyklus im Jugoslawien-Krieg von serbischen Nationalisten instrumentalisiert wurde. Sich vorzustellen, dass Radovan Karadžić eigentlich ein hochgebildeter Kulturmensch gewesen sein soll. Dichter und Psychologe, Grüner, Manager eines Fußballvereins. So viele Literaturliebhaber in den Reihen der Kriegsverbrecher. Kultur ist kein Heilmittel gegen Barbarei.
Lesen will ich unbedingt den Kosovo-Zyklus und die Saga von Brennu Njáll. Aber ich verstehe echt nicht, warum der Autor das Kalevala ignoriert hat. Und den Kalevipoeg. Schade.

 

Wolfgang Schadewaldt: Sappho. Welt und Dichtung
Eine antiquarische Entdeckung, die ich natürlich mitnehmen musste. Alles, was ich über griechische Lyriker weiß, weiß ich von Schadewaldt, bzw. hat zumindest seinen Ausgang bei Schadewaldt genommen, vor allem in den Tübinger Vorlesungen. Dies hier ist ein Einzelband über Sappho, sehr gediegen, allerdings muss ich gestehen, dass man diesem Band dann doch die Patina schon anmerkt. Er kommt etwas altväterlich daher und schafft es, kein einziges Wort über gleichgeschlechtliche Liebe fallen zu lassen. Egal, auf jeden Fall ein lesenswerter, kompetenter Autor, der für die Antike brannte und in der griechischen Literatur lebte wie kein zweiter.

 

Nikolai von Michalewsky: Banditenehre
Ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert davon, wie dieser Autor es schaffte, hochdramatische Jugendbücher mit tragischem Ende zu schreiben und zu verkaufen. Dies ist die Geschichte eines Jungen, der zum Verbrecher wurde, weil ihn ein selbstgerechter, wichtigtuerischer Polizist bei einer Fahndung nach einem geflohenen Verbrecher erst blöd anmachte und ihm dann eine Ohrfeige verpasste. Der Junge sieht sich in seiner Ehre verletzt und schwört, den Polizisten zu töten. Kurz darauf ist der Polizist wirklich tot. Der Junge ist zwar unschuldig, aber als die Polizei ihn verhören will, ergreift er die Flucht und lebt in der Wildnis. Hier schließt er sich irgendwann einer Verbrecherbande an. Als diese einen Mann entführt und Lösegeld erpressen will, wacht er auf, erkennt, dass diese Leute die falsche Gesellschaft für ihn sind, und hilft dem Opfer zu fliehen. Inzwischen ist auch seine Unschuld am Polizistenmord erwiesen. Als der Entführte erzählt, dass der Junge ihn gerettet hat, wird jede Fahndung eingestellt, der Junge könnte als freier Mann zurückkehren. Dummerweise weiß das weder der Junge noch der Polizist, dem er kurz danach begegnet. Der Junge flüchtet, der Polizist schießt, und das war es dann. Tragisch und sehr mitreißend. Sehr gut geschrieben.

 

Boris Friedewald: Maria Sibylla Merians Reise zu den Schmetterlingen
Edles Hardcover, reich bebildert und sehr informativ. Eine Biografie, die etwas über 130 Seiten hat, dazu einen Anhang mit Literaturhinweisen und mit Kommentaren zu den abgedruckten Bildern der Merian. Sehr konzentriert, leicht zu lesen und inhaltlich und gestalterisch eine kleine Kostbarkeit.

 

Frederik Hetmann: Der Kelim der Aphrodite
Ebenfalls eine antiquarische Entdeckung. Es geht um eine Art moderne Fassung der Odyssee, der Rückkehr des Odysseus zu seiner Penelope, verbunden mit der Kabbala und dem Tarot. Die Erzählperspektive schwankt zwischen Ich-Erzähler, Personalem Erzähler und Allwissendem Erzähler. In die Handlung einmontiert sind auch Dokumente, nämlich drei verschiedenfarbige Notizbücher, die von der weiblichen Hauptfigur verfasst wurden.
Eine der beiden männlichen Hauptfiguren ist Robert Suttner, eine Art Kartenleger, Magier, Lebensberater, der allerdings nicht jeden als Kunden annimmt. Mit der weiblichen Hauptfigur, die eigentlich Sophia heißt, aber als Schauspielerin die Penelope spielt, verbindet ihn mehr als eine Geschäftsbeziehung, aber sie wollen es auch nicht zu einem "Verhältnis" machen, sie betrachten und definieren sich eher als Geschwister. Sophia/Penelope ist verheiratet mit Odysseus, der dritten Hauptfigur. Man weiß nie so ganz genau, ob es tatsächlich um den mythologischen Odysseus geht, oder um eine modernen Menschen. Er benimmt sich wie der Held der Odyssee, ist aber mit einer modernen Frau verheiratet ...
Eines Tages bekommt Suttner von Sophia die Nachricht, er müsse sofort nach Paris kommen. Er hat zwar keine Lust dazu, tut es dann doch und ist ziemlich verblüfft, als Sophie verschwunden ist und ihm ihr Haus überschrieben hat. Zurück ließ sie nur einen kunstvoll gewebten Kelim mit mythologische Szenen und Symbolen, drei Notizbücher und auf dem Boden die Zeichnung eines kabbalistischen Sephirot-Baums Suttner studiert die Bücher. Es sind Erzählungen, Lebensentwürfe. Ein Büchlein erzählt die Geschichte von Odysseus nach dem Freiermord. Er hat Sophia/Penelope nämlich danach sitzen gelassen und ist wieder abgehauen auf der Suche nach Freiheit und sich selbst. Dann aber beginnt Sophia, von sich selbst zu schreiben, von ihrer Hörigkeit gegenüber einem Philosophen oder Esoteriker, der sie womöglich in einem afrikanischen Land opfern will. Langsam löst sich für Suttner das Rätsel. Schließlich wagt er einen Rettungsversuch ...
Eine spannende, verschlungene und anspruchsvolle Geschichte. Hat mir gefallen.

 

Dominique Bourel: Moses Mendelssohn
Eine schöne, volle und umfangreiche Biografie Moses Mendelssohns, das Werk umfasst 800 Seiten und ist eine Übersetzung aus dem Französischen. Der Autor bietet einen guten Überblick über die wichtigsten Lebensstationen Mendelssohns, etwa das Erscheinen des Phaedon, die Lavater-Affäre oder die Tora-Übersetzung. Dabei werden die Hintergründe ausführlich dargestellt und die handelnden Personen und ihre Beweggründe detailreich vorgestellt. Das Buch ist stellenweise schwer zu lesen, nicht aufgrund seines Satzbaus, sondern dadurch, dass der Verfasser etwas andere Schwerpunkte setzt, als eine deutsche Biografie das tut, und dass er andere Dinge für selbstverständlich oder erklärungsbedürftig hält. In die französische Tradition muss ich mich erst noch einlesen. Interessant: Der Autor nimmt Friedrich II. gegen den Vorwurf in Schutz, er habe aktiv Mendelssohns Berufung in die Akademie verhindert und seine Ernennung nicht unterschrieben. Bourel weist nach, dass die Akademie selbst in vorauseilendem Gehorsam die Aufnahme Mendelssohns nicht weiter verfolgte. Friedrich hatte also gar nichts erhalten, was er hätte ablehnen können. Alles in Allerm ein hochinteressanter, lehrreicher Ziegelstein.

 

Natasha A. Kelly (ed.): The Comet - Afrofuturism 2.0
Zweisprachige Dokumentation der Beiträge einer Tagung anlässlich des Jubiläums 100 Jahre "The Comet". Die im Jahr 1920 erschienene SF-Geschichte von W.E.B. Du Bois gilt als erste SF-Story mit einem schwarzen Helden. Sie ist in dem Band mit englischem Originaltext und deutscher Übersetzung enthalten. Die Tagungsbeiträge sind sehr interessant und vielseitig. Ein wenig war ich überrascht, denn ich hatte gedacht, es wäre ein Band, der sich schwerpunktmäßig mit afrikanischer Science Fiction befasst. War es aber nicht, auch wenn dann auch auf den "Black Panther"-Film eingegangen wurde. Afrufoturismus ist wesentlich mehr, es ist eine umfassende Bewegung, die Politik und Gesellschaft, Design, Architektur, Kunst und einfach alle menschlichen Lebensäußerungen umfasst.
Ein Wort zum Gendern: Man kann darüber geteilter Meinung sein, aber in diesem Buch wurden die deutschen Texte offenbar von einem Menschen gegendert, der von deutscher Sprache, Grammatik und Satzbau offenbar keine Ahnung hat. Ohne Sinn und Verstand einfach mal weibliche Endungen dranhauen, aber dann die männlichen Formen nicht zu berücksichtigen, die Hälfte der Adjektive nicht oder falsch zu flektieren oder geballte Nicht-Folgerichtigkeiten im Satz zu produzieren, das ist nicht nur für den Leser (m/w/d) eine Beleidigung, sondern auch eine Demütigung der Wissenschaft. ÜbersetzerInnenn sollten zumindest der deutschen Sprache mächtig sein.

 

Kübra Gümüsay: Sprache und Sein
Ich kaufte mir das Taschenbuch, als die Autorin in Goslar eine Lesung hielt. Hier mein Bericht, den ich für die Goslarsche Zeitung verfasste:

 

Goslar. Sprache verbindet, Sprache trennt, sie macht menschliche Gemeinschaft erst möglich - aber sie zeigt auch ganz klar, wer draußen ist und nicht dazu gehört: Kübra Gümüsay, Journalistin und Autorin, stellte als Gast der Frankenberger Winterabende ihr Buch "Sprache und Sein" vor, beschwor den Zauber fremder Wörter, für die es im Deutschen keine Entsprechung gibt, beschrieb Phänomene und Missstände, die man ohne das passende Vokabular nicht wahrnehmen oder ansprechen kann, und nahm die rund 100 Gäste in der Frankenberger Kirche mit ins "Museum der Sprache", ein beklemmendes Haus, in dem man besser "unbenannt" bleibt.
Im Anfang war das Bild. Eine Tante, die beim Blick aufs Meer rief: "Wie herrlich dieser yakamoz leuchtet!" Gümüsay, obwohl türkische Muttersprachlerin, kannte weder das Wort, noch sah sie überhaupt ein Leuchten. Doch nun, seit sie weiß, dass das türkische Wort die Reflexion des Mondes auf dem Wasser beschreibt, sieht sie es bei jedem nächtlichen Spaziergang am Meer. "Denn Sprache verändert unsere Wahrnehmung. Weil ich das Wort kenne, nehme ich wahr, was es beschreibt", sagt die Autorin.
Aber es sind nicht nur die schönen Dinge, für die oft die Worte fehlen. "Sexuelle Belästigung" etwa ist ein Begriff, den es erst seit kurzem gibt. Wie soll eine Frau, die den Tatbestand gar nicht in Worte fassen kann, ihn definieren, anprangern, sich überhaupt bewusst machen? Und ist es ein Wunder, wenn ein übergriffiger Mann sein Verhalten nur als "Flirten" begreift?
Während in Deutschland über Gendersternchen und sprachliches Sichtbarmachen von Frauen diskutiert wird, gibt es Sprachen, in deren Grammatik Geschlechter überhaupt nicht vorkommen, beispielsweise Türkisch. Was dazu führen könne, dass man sich längere Zeit über einen fremden Menschen unterhalte und erst nach einer halben Stunde frage, ob es um einen Mann oder eine Frau gehe. Eine Erfahrung, die Gümüsay auch aus der eigenen Familie kennt. So habe ihr Sohn, der zunächst Türkisch gelernt habe, immer wieder die Geschlechter von Personen falsch angegeben und irgendwann, wenn sie ihn korrigierte, nur noch entnervt gefragt, warum das überhaupt wichtig sei. Nicht, dass es in der Türkei viel zur Emanzipation beigetragen habe, räumte sie ein. Die türkische Gesellschaft habe eine der weltweit höchsten Quoten an Frauenmorden. Aber ohne sprachliche Gleichberechtigung werde auch die gesellschaftliche schwierig.
Wie sehr Bezeichnungen ausgrenzen, machte Gümüsays Bild vom "Museum der Sprache" deutlich. Sie schilderte einen großen Ausstellungsraum, durch den die "Unbenannten" flanieren. In Glaskästen zum Anschauen dagegen stehen "Bezeichnete": "Der Gastarbeiter", "die Muslimin", "der schwarze Mann". Jeder, der mit einem Etikett bedacht wird, wird entindividualisiert, verliert seine Menschlichkeit, wird auf ein einziges Merkmal reduziert und seiner Facetten beraubt. Und wer sich auflehnt, erhält vielleicht etwas Aufmerksamkeit und einen größeren Glaskasten, aber er wird nie ein "Unbenannter". "Wenn ich als äußerlich erkennbare Muslimin bei Rot über die Straße gehe, gehen mit mir 1,9 Millionen Musliminnen bei Rot über die Straße", schilderte die Kopftuch tragende Frau die Wirkung solcher Etiketten auf die Wahrnehmung. Sie warb stattdessen dafür, Sprache als etwas Verbindendes, als Werkzeug zur Verständigung zu nutzen. Und: "Wir brauchen mehr Leute, die noch staunen können, die überrascht werden können. Menschen mit Demut."
Nach der Lesung signierte sie Bücher für die Besucher. Die Taschenbuchausgabe von "Sprache und Sein", war an diesem Tag druckfrisch erschienen und per Kurier nach Goslar gebracht worden.

 

Michael Winterhoff: Deutschland verdummt
Ein sehr bedrückendes Buch, das mir von meiner Schwester (Lehrerin) sehr ans Herz gelegt wurde.
Es ist eine Argumentation gegen die aktuell in Mode gekommene Lehre, man solle Schüler ihren Lehrstoff weitgehend selbst entdecken und erarbeiten lassen, während der Lehrer mehr oder weniger auf die Rolle eines Moderators im Hintergrund reduziert wird. Der Autor diagnostiziert zunehmende Verblödung der Kinder, soziale Inkompetenz und mangelnde Fähigkeit und Bereitschaft, sich überhaupt mit Dingen zu befassen, die keinen Spaß machen. Für die oberen Klassen und später im Studium ist es zwar durchaus wichtig und gewollt, dass die jungen Menschen selbstständig arbeiten und forschen. Aber in den unteren Schulklassen ist es für Kinder unheimlich wichtig, dass sie ein Gegenüber haben, dass sie Grundlagen, Strukturen, Regeln erhalten, eine Basis, auf der dann die Persönlichkeit wachsen kann. Winterhoff zeichnet ein düsteres Bild einer verlorenen Generation, er schildert Menschen, die sich nach ihrer freiheitlichen Schulkarriere nicht einmal aufraffen können, ihren Hartz-IV-Antrag selbst auszufüllen. Das klingt jetzt überspitzt. Aber in seiner Argumentation bleibt der Autor ganz bodenständig, liefert Zahlen und Fakten, bietet Interviews mit Lehrern, Schulleitern, Eltern, Psychologen. Wie gesagt, sehr bedrückend.

 

Delia Owens: Der Gesang der Flusskrebse
Bei uns sagt man "Jottwedeh", "wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen" oder "am Arm der Welt", in der Heimat des Marschmädchens ist es "wo die Flusskebse singen": ein abgelegener Ort, wohin sich kaum jemals ein Mensch verirrt. Es ist die Welt des Mädchens Kya, das hier allein lebt, manchmal gefangene Fische an den Tankstellenpächter verkauft und ansonsten wild und frei in der Gegend zwischen See und Land lebt. Kyas Mutter hat ihren gewalttätigen, stets besoffenen Mann verlassen, dann gingen die Geschwister nach und nach weg, bis schließlich irgendwann auch der Vater verschwand. Seitdem schlägt sich Kya allein durch. Die Wälder und Wasserläufe kennt sie inzwischen wie keine zweite. Im Dorf werden alle möglichen Gerüchte über sie erzählt, und es scheint sogar eine Art Wette zu geben, wer die wilde Frau als erstes flachlegen wird.
Eines Tages wird ein junger Mann tot und halb im Wasser liegend aufgefunden. Ein unsympathischer Supersportler aus reicher Familie, mit großer Klappe und chauvinistischem Auftreten, von dem es heißt, habe ein Techtelmechtel mit Kya gehabt. Der Verdacht fällt auf das Marschmädchen, die Polizei ermittelt gegen sie, es kommt zum Prozess.
Ein zauberhaftes Buch, das die herbe Poesie des Marschlandes einfängt, die Romantik eines "wilden" Mädchens, den Zauber des Strandguts und der Wissenschaften, aber zugleich auch eine Krimi-Handlung und eine modernisierte Fassung der "Zwölf Geschworenen" zeigt. Magisch, logisch und tragisch.

 

Otfried Preußler: Krabat
Kinderbuch-Klassiker, der mir allerdings nicht so gut gefallen hat. Die Geschichte eines Jungen, der sich als Lehrling an einer besonderen Mühle verdingt. Hier lernt man nicht nur das Mahlen, sonderrn auch das Zaubern. Allerdings auf eine sehr ungesunde Weise, denn jedes Jahr kommt einer der Müllergesellen ums Leben. Der Müller und Schwarzmagier, der hier das Sagen hat, hat eine Art Teufelspakt abgeschlossen. Als der junge Krabat merkt, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht, ist es schon zu spät: Fliehen ist aussichtslos. Es gibt nur eine Möglichkeit, den Dienst dieses Meisters lebend zu verlassen: Ein Mädchen muss seinen Anspruch auf einen Jungen geltend machen und ihren Geliebten vom Müller fordern. Allerdings wird er nur frei, wenn das Mädchen ihn auch im Dunkeln erkennt und ihn zweifelsfrei innerhalb der Gesellenschar identifizieren kann - auch wenn alle beispielsweise in Raben verwandelt sind.
Es ist nicht direkt schlecht erzählt, wenn auch sehr schematisch und altertümlich. Es ist vielmehr die bedrückende, lichtlose Atmosphäre der Mühlenwelt, die mich beim Lesen sehr runtergezogen hat. Und die Art, wie Krabat das Mädchen für sich gewinnt, kam mir doch sehr leicht und unglaubwürdig vor. Er nimmt magisch Kontakt zu ihr auf, liebt sie wohl auch, aber von ihrer Seite aus sieht die "Beziehung" doch relativ ärmlich aus. Dass sie ihn tatsächlich liebt und bereit ist, für ihn ihr Leben aufs Spiel zu setzten, kommt mir ziemlich seltsam vor. Sie kennt ihn ja überhaupt nicht.

 

Timo Stickler: Die Hunnen
Versuch, ein Volk näher zu fassen, von dem man vieles nicht weiß. Die Definition "Was ist ein Hunne?" bleibt ziemlich offen, und man weiß nicht so recht, ob die Reitervölker, die damals China bedrohten, tatsächlich identisch sind mit denen, die später in Europa als Hunnen bezeichnet worden sind. Etwas fassbarer wird es in römischer Zeit, aber viele Rätsel bleiben. Man erfährt mehr über die Politik der Völker an den Grenzen des Imperiums, über Handelsbeziehungen, Austausch, gemeinsame Interessen, Tribute und Kriege. Schönes Informationspaket im Hosentaschenformat.

 

Wolfgang Detel: Aristoteles. Eine Einführung
Eine in diesem Jahr erschienene überarbeitete und erweiterte Ausgabe der Einführung aus dem Jahr 2005. Neu aufgenommen wurden Rhetorik und Poetik (Schande! Wie konnte die Erstausgabe ohne die beiden auskommen?). Das Kapitel über Physik, Theologie und Biologie wurde aufgeteilt, die Metaphysik überarbeitet und erweitert. Insgesamt gibt es acht Kapitel, sieben davon über Themen der Philosophie des Aristoteles und eines über den Neoaristotelismus. Das Buch gibt einen guten Überblick, ist jedoch stellenweise auch ein bisschen spröde, wie der Philosoph, um den es geht. So ist das erste Kapitel über Dialektik und Analytik mit der Vorstellung der logischen Schlussverfahren für Unvorbereitete sicher ein ziemlich hartes Brett.

 

Michael Stoffers: Das Geheimnis des gelben Pergaments

 

Holger M. Pohl: D9E - Parasit
Der Abschlussband der D9E-Reihe. Die Hondh werden besiegt beziehungsweise unschädlich gemacht. Alles folgt dem uralten Plan, den ein Vertreter eines nicht minder alten Volkes ausgesonnen hat. Es ist eine Art Finalshow, bei der jeder Einzelheld und jede Planetenbevölkerung, der oder die in der Serie einen kleinen Beitrag zum Zurückdrängen der Eroberer geleistet hat, noch einmal auf die Bühne kommen darf, sich verbeugen und dann seinen Baustein ins Gesamtkonzept einpassen. Einzig Parasit ist eigentlich im Plan gar nicht vorgesehen. Dabei ist es gerade er, in dessen Händen schließlich alle Fäden zusammenlaufen. Und er ist es auch, der die letzte Konfrontation mit einem Angehörigen der alten Völker in konstruktive Bahnen lenkt. Es ist ein Ende, das irgendwie schade ist, denn im Prinzip hätte ich gern noch ein paar Jahre lang die Abenteuer der neunten Expansion mitverfolgt. Aber es geht ja doch irgendwie weiter. Und auf mich wartet ja noch der Loganische Krieg. Insgesamt hatte das Ende, die konzertierte letzte Aktion aller Beteiligten gegen die Hondh eine gewisse Logik und zieht eine Art Resümee aus der Gesamtserie. Wenn man bereit ist, an Pläne zu glauben, die mehr als eine Generation - und dann sogar Jahrtausende - überdauern, kann man das Ende sicherlich genießen. Ich glaube im privaten Leben zwar nicht daran, aber für den Verlauf eines literarischen Abenteuers kann ich mich gern darauf einlassen.

 

Tim James: Elementar
Kurzweilige, humorvolle Einführung ins Periodensystem der Elemente, mit viel Wissenswertem und einer Menge "nutzlosem Wissen". Ein Buch, das einfach Spaß macht und darlegt, wie das Periodensystem beinahe das ganze Universum erklärt. Der Autor schafft es tatsächlich, jedes der aktuell 118 bekannten Elemente mindestens einmal zu erwähnen. Bloß zum Dysprosium will ihm dann doch nichts besonderes einfallen. So stellt er es schließlich als nutzlosestes und dümmstes Element aller Zeiten dar, als einen Stoff, der zwar ein paar Sachen kann, aber es gibt bei jeder seiner Eigenschaften und Nutzungsmöglichkeiten mindestens ein Element, das es besser kann ... Man lernt den reaktionsfreudigsten und gefährlichsten Stoff aller Zeiten kennen, erfährt etwas über einen Forscher der literweise Urin verdampfen ließ und dabei Phosphor entdeckte, über den größten Pechvogel der Chemiegeschichte, der zahlreiche Elemente entdeckte, aber den Ruhm immer wieder von anderen weggeschnappt bekam. James erzählt von großen Entdeckungen und von hartnäckigen Irrtümern, von der Widerlegung der Phlogiston-Theorie, von griechischen Atomisten, von Alchimisten und modernen Atomphysikern ... Kurzum: Das Buch ist eine großartige Fundgrube - auch und gerade für Nicht-Chemiker.
Meine Beschäftigung mit dem Periodensystem hat mir übrigens einen außerordentlich merkwürdigen Traum eingebracht.

 

Frederik Hetmann: Enteignete Jahre
Als mich beim Weihnachtsessen im Familienkreis meine Schwester fragte, welches Buch mich bei meinem Leseurlaub am meisten beeindruckt hat, sagte ich: "Enteignete Jahre". Und das ist wirklich ein Buch, das mich sehr beschäftigt hat und an dem ich immer noch knabbere. Gekauft habe ich es als eine Art "Wundertüte". Ich schaute bei Amazon Marketplace nach, was sie da an alten Büchern von Frederik Hetmann haben. Das Buch, das ich erhielt, stammt aus dem Jahr 1962 und war da bereits in der dritten Auflage erschienen.
Was mich erwartete, wusste ich nicht. Es ist gar keine große Literatur, nicht einmal ein Abenteuerbuch, auch keine wissenschaftliche Abhandlung, nur eine Momentaufnahme. Der Autor beziehungsweise der Herausgeber hat mit jungen Menschen gesprochen, die aus der DDR in die Bundesrepublik geflüchtet sind. Es handelt sich um zehn Lebensgeschichten, eine Frau und neun Männer erzählen, wie es passieren konnte, dass sie in ihrem Land nicht mehr bleiben konnten und wollten. Das wirklich Erschreckende daran: Es sind gar nicht die großen Gegner des Sozialismus, keine Kämpfer gegen das System, keine Revolutionäre, die mit viel Pathos und großer Begeisterung für die Freiheit und gegen die Diktatur des Proletariats aufgestanden sind. Es sind meist ganz normale Schüler, Auszubildende, Studenten, die aufgrund irgend einer dummen Kleinigkeit aneckten. Und dann ging etwas los, das sich nicht wieder stoppen ließ. Da ist Helga, die einfach nur an ihrer Arbeitsstätte Apfelsinen aß, die ihr Verwandte aus dem Westen geschickt hatten. Seitdem hat ihr Chef sie auf dem Kieker. Während der Buchhändler-Lehre bekommt sie Rügen, sie bestelle die "falschen" Bücher. Sie liest nicht das, was ihre Pflicht ist, sondern, was ihr Spaß macht, tauscht mit anderen Westbücher, dann kommt ein neuer FDJ-Sekretär und will den Laden in Schwung bringen, sie wird gemeldet, weil sie das falsche Radioprogramm kennt, der Sekretär steht eines Tages vor der Haustür und will mit ihrer Mutter über ihre falsche Einstellung sprechen ... Ein Artikel über Frieden, den sie für die Wandzeitung verfasst hat, enthält einen unerwünschten Satz ... Sie erhält die Drohung: Wenn du nicht aus der Kirche austrittst, fliegst du aus der FDJ ...
Wolfgang bezeichnet sich selbst als "Sohn der Arbeiterklasse". Er wird in der Grundschule schon für die FDJ geworben, die zunächst eher ein unpolitisches Freizeitangebot ist. Dann wird die Organisation fordernder, zu anderen Hobbys oder überhaupt für private Interessen bleibt kaum Zeit. Immer mehr wird er für die Gruppenarbeit vereinnahmt, fährt sogar zum Deutschlandtreffen der FDJ. Und dann gründet er mit Freunden eine Tanzkapelle. Läuft auch gar nicht schlecht, bis sie auf einem FDJ-Fest einen Schlager spielen, den sie im Westradio gehört haben ... In die Partei will er nicht eintreten. Den Militärdienst lehnt er ab, er will keine Waffen tragen. Man verweigert seiner Mutter die Arbeitserlaubnis, lässt aber durchblicken, die Stelle könne sie haben, sowie ihr Sohn zur Armee geht. Man droht ihm damit, er werde seinen Job beim Hüttenkombinat verlieren... Da geht er.
Werner war gläubiger Marxist. Ein Suchender, Fragender, der sich intensiv mit der Philosophie beschäftigte. Er schreibt seine Diplomarbeit über das Problem der Freiheit. Aber er ist Mitglied der falschen Gruppe.
Einer ist Mitglied einer kirchlichen Laienspielgruppe, einer macht mit Freunden einen Ausflug ins Kino in den Westen ... Es sind nie die ganz großen Staatsfeinde, die hier isoliert, gemobbt, aus dem Land getrieben werden. Es ist nicht nur die Elite, die die DDR verließ, auch der Mittelbau wurde in diesen Jahren herausgebissen. Es ist schon erschütternd zu sehen, wie dieser Staat große Teile seiner Zukunft aus dem Land getrieben hat. Ein Buch, über das ich viel nachgedacht habe.

 

Friedrich Christian Delius: Wenn die Chinesen Rügen kaufen, dann denkt an mich
Ein Buch, das ich bei meiner Übernachtung in der Buchhandlung entdeckte und erwarb. Der Ich-Erzähler ist ein gefeuerter bzw. verrenteter Wirtschaftsjournalist mit dem Spitznamen "Kassandra", der aufgrund seiner kritischen Berichte einfach nicht mehr willkommen war. Nun hämmert er seine Gedanken in die Tastatur, um die Datei eines Tages seiner Enkelin zu hinterlassen.
Kassandra warnte immer wieder vor der Macht und Einflussnahme der Chinesen, die in Europa immer mehr Unternehmen aufkaufen und damit auch Einfluss auf die Politik der "übernommenen" Staaten ausüben. Aber auch die Art, wie mit Griechenland in der Krise umgegangen wurde, um es mal neutral zu formulieren, spielt einer bedeutende Rolle im Roman. Es gibt spitze Kommentare zur Politik der MÜK (maßlos überschätzte Kanzlerin), vor allem aber über bequeme, inkompetente Journalisten, die ihre Hausaufgaben nicht machen, Zahlenwerke nicht studieren und durchschauen und aus Bequemlichkeit und Inkompetenz einfach die Darstellungen der betreffenden Pressesprecher übernehmen. Bedrückend.

 

Nikolai von Michalewsky: Harte Grenze
Spionage-Thriller aus der Zeit des Kalten Krieges für Jugendliche. Es geht um geheime Unterlagen eines Wissenschaftlers aus der DDR. Diese sollen in der Nordsee übergeben werden. Um den Kapitän des Schiffs gefügig zu machen, hat der westliche Geheimdienst seine Tochter zur Flucht in die Bundesrepublik gelockt und dort entführt. Der Deal: Er kriegt seine Tochter zurück und kann die Sache vertuschen, dafür kriegt der Westen die Papiere ... Aber es gibt einen Verräter, ein russisches Schiff taucht auf. Es kommt zum Schusswechsel, zu einem Schiffbruch. Schließlich zum Wettrennen durchs ewige Eis und zu immer mehr Toten. Am Ende können sich nur der Protagonist, der westliche Agent Brandhorst, und die entführte junge Frau halbtot in eine Station retten. Ein Happy End? Der Autor schafft es wieder, einen kleinen Stachel in dem heroischen Retten der Unterlagen zu verbergen. Am Ende sind alle Menschen umsonst gestorben. Die Amerikaner hatten exakt diese Unterlagen bereits ein paar Tage vorher durch einen Überläufer erhalten. Böse.

 

Kim Rabe: Berlin Monster
Das Buch hatte meine Schwester ja bereits in "Wonnes Welt" vorgestellt. Und sie meinte, ich müsse es unbedingt auch lesen. So nahm ich es in den Urlaub mit. Ja, es ist superspannend, vielleicht etwas mainstreamig, aber das ist ja nicht schlecht. Die Geschichte ist handwerklich gut erzählt, die Hauptfigur sympathisch - eine klassische Privatdetektivin im versifften Büro, überschuldet und dringend auf den Fall angewiesen, nur diesmal eben mit übernatürlicher Auftraggeberin. Die Idee, dass aufgrund einer Bombenexplosion plötzlich alle Fabelwesen und fiktiven Personen aller Kulturkreise zum Leben erweckt werden, hat Potential. Schade, dass sich Gott nicht manifestierte. Auf die anderen Wesen christlicher Verehrung hat ja schnell der Vatikan die Hand gelegt und die Wesen eingefangen. Darüber hätte ich gern mehr gehört. Und dass der Vater der Heldin nicht mehr auftaucht, hat mich überrascht. Dass andererseits eine gewisse andere Figur sich schließlich als Strippenzieherin entpuppt, war zu erwarten. Ganz interessant.

 

Weitere Jahresrückblicke
Januar bis März 2021, April bis Juni 2021, Juli bis September 2021, November bis Dezember 2021

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick III: Juli bis September 2021

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 30 Dezember 2021 · 847 Aufrufe
Jahresrückblick
Mein Lese-Rückblick auf das dritte Quartal 2021 ist recht kurz. Ich las die Oz-Serie weiter, dazu die Comic-Klassiker "Prinz Eisenherz" und "Yoko Tsuno", ansonsten sind diesmal eine Handvoll Bücher dabei, die ich berufsbedingt als Redakteurin der Goslarschen Zeitung lesen musste, also Bücher von lokalen Autoren, Autobiografien, ein Krimi, der in Goslar spielt, und Werke von Künstlern, die in Goslar aufgetreten sind. Dazu ein paar Hörspiele, und das war's dann auch schon. Viel Spaß beim Stöbern!

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

Juli

Michael Hofmann: Aufklärung (Reclam)
Diesmal keine europäische Gesamtschau, sondern eine Darstellung, die sich sehr konkret auf die deutsche Aufklärung bezieht. konkreter noch: auf die Literatur der Aufklärung. Das Büchlein gehört ja auch zur Reihe "Literaturstudium" des Reclam-Verlags.
Zum Einstieg gibt es einige philosophische Betrachtungen, ausgehend von Horkheimer und Adorno, die den Bogen bis ins 21. Jahrhundert schlagen, es gibt auch ein Kapitel über die Grundlagen, mit hohem Kant-Anteil. Dann aber steigt der Autor in die Literaturgeschichte ein, schildert Gottscheds Regelpoetik, beschreibt die Entwicklung der Lyrik im 18. Jahrhundert und des Romans, die Dramentheorie, die Wahrheitssuche bei Lessing und den Humor bei Wieland. Moses Mendelssohn fehlt. Er taucht nur auf als Stichwortgeber Lessings, bzw. wird erwähnt als Briefpartner Lessings und Nicolais. Schade.

Yoko Tsuno - Gesamtausgabe: Band 1. Die deutschen Abenteuer
- Die Orgel des Teufels
- Zwischen Leben und Tod
- Wotans Feuer

Faszinierende Serie aus meiner Jugend, die inzwischen in einer sehr gut ausgestatteten und ausgesprochen werthaltigen Gesamtausgabe zu haben ist. Das sehr lesenswerte Vorwort ist üppig bebildert und zeigt vor allem durch den Vergleich von Comic und Fotos von den Handlungsorten (Rotenburg ob der Tauber, Burg Etz, der Rhein mit Loreleyfelsen), wie präzise und detailversessen Roger Leloup gearbeitet hat. Einfach sehenswert.
Etwas irritierend war zunächst, dass in dieser Gesamtausgabe die Abenteuer nicht nach Erscheinungsdatum geordnet sind, sondern nach Themen. So bietet der erste Band drei Abenteuer, die in Deutschland spielen, Band zwei enthält drei Abenteuer mit den Außerirdischen von Vinea, in Band drei folgen dann Zeitabenteuer ... Wenn man sich erstmal darauf eingelassen hat, ist es gar nicht schlecht, die Alben in diesem Zusammenhang zu lesen.
Im ersten Band hat mich vor allem das mittlere Abenteuer, "Zwischen Leben und Tod" beeindruckt. Vor allem, als ich im Vorwort las, dass es dazu einen realen Hintergrund gibt.

L. Frank Baum: The lost Princess of Oz
Prinzessin Ozma ist verschwunden. Und nicht nur die Prinzessin: Der Entführer ist zugleich ein Dieb, der Ozmas magisches Bild stahl, in dem alles zu sehen ist, was sich in Oz und dem Rest der Welt zuträgt. Diese Möglichkeit, Ozma wiederzufinden, scheidet also aus. Als sich dann auch noch herausstellt, dass Glindas magisches Buch, in dem man alles über das Verschwinden Ozmas hätte nachlesen können, gestohlen wurde, werden die Freunde langsam besorgt. Außerdem sind die Zaubergeräte des Zauberers von Oz verschwunden. Und last not least kam auch noch eine magische Bratpfanne abhanden, die Cayke, der Kuchenbäckerin vom Hochplateau im zu Oz gehörenden Land der Yips gehörte.
Es bilden sich zwei Suchteams: Dorothy, begleitet von Betsy Bobbin, Trot, Glinda, dem Zauberer und Buttonbright machen sich auf ins Land der Winkies, um dort nach Ozma zu suchen. Cayke zieht in Begleitung des Froschmanns, eines durch Magie zufällig vergrößerten Froschs, der durch seine Gestalt und seine große Klappe bei den Leuten von Yip eine große Nummer ist, suchen die magische, mit Diamanten verzierte Bratpfanne.
Dorothy und ihre Freunde reisen durch das Land der Thi und Herkus. Letztere halten Riesen als Sklaven. Bei ersteren gibt es wohlschmeckende Pfirsiche zu essen, und Buttonbright steckt einen goldenen Pfirsichkern ein - trotz der Warnungen der This, der böse Schuhmacher Ugu habe ihn verzaubert. Der Herrscher der Herkus ist sehr freundlich und verrät ihnen, wie sein Volk stark genug wurde, die Riesen zu beherrschen: Es verfügt über magisches "energy compound" (Energiepillen?), von dem er den Leuten aus Oz sechs Stück schenkt. Hier erfahren die Oz-Leute auch mehr über Ugu den Schuhmacher, der aus dem Land der Herkus stammt und eines Tages auf dem Dachboden magische Bücher eines seiner Vorfahren entdeckte. Das bringt die gruppe auf die Idee, der Schuhmacher könnte etwas mit dem Verschwinden Ozmas zu tun haben.
Sie ziehen weiter und treffen unterwegs zunächst auf Cayke und den Froschmann, dann auf eine Kolonie von Bären, darunter sehr niedliche Plüschtiere, aber auch ziemlich raubeinige Wesen, die die Eindringlinge gern töten würden. Der König der Bären erweist sich aber als sehr freundlich und begleitet sie auf ihrer Suche, gemeinsam mit einem rosafarbenen Teddy, der weissagen kann.
Dann geht Buttonbright mal wieder verloren. Er fällt in ein Loch. Als sie ihn finden und herausziehen wollen, fragt der Zauberer den kleinen rosa Bären, wo Ozma ist, und erhält die Antwort, sie befinde sich ebenfalls in dem Loch. Buttonbright wird heraufgezogen. Doch im Loch ist danach keine Ozma mehr zu finden. Neue Prophezeiung des Bären: Sie ist jetzt bei der Reisegruppe. Aber auch unter sich entdecken sie keine Ozma, was der Reputation des Bären nicht gut tut.
Schließlich stehen sie vor dem bösen Schuhmacher, der ihnen mit allerlei Zauber zusetzt. Dorothy hält dagegen mit dem Zauber ihres magischen Gürtels. Sie verzaubert ihn in eine Taube. Er zaubert sich wieder groß, behält aber seine Taubengestalt, und kann mit der magischen Pfanne, die eine Zauberpfanne ist, ins Quadlingland davonfliegen.
Die Gruppe findet ihre gestohlenen magischen Hilfsmittel in Ugus Schloss und nimmt sie wieder an sich. Als die Freunde erneut den rosa Bären befragen, sagt dieser, Ozma sei in Buttonbrights Jackentasche. Hier finden sie den goldenen Pfirsichkern und stellen fest, dass Ugu Ozma dort hinein gehext hat. Sie befreien die Prinzessin.
Alle sind total happy und kehren in die Smaragdstadt zurück. Tage später taucht dort auch Ugu die Riesentaube auf und bittet Dorothy um Verzeihung, weil er sich so schlimm benommen hat. Sie vergibt ihm. Als sie ihm anbietet, ihm mit dem Gürtel wieder seine ursprüngliche Gestalt zurückzugeben, lehnt er aber ab und zieht es vor, eine Taube zu bleiben ...


Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 8: Jahrgang 1951/1952 (Bocola)
Der achte Doppelband bringt für Prinz Eisenherz und Aleta zunächst einmal Familienzuwachs. Zwillinge. Klar, dass der junge Arn da eifersüchtig wird. Immerhin bekommt er nun schon eigene Waffen. Wir erleben einen spannenden Wettkampf im Abrichten von Jagdfalken, in dem Prinz Eisenherz granatenmäßig gegen Aleta verliert. Die Zähmung Bolthars durch eine nordamerikanische Indianerin, die sich auch als Retterin des entführten Arn hervortut. Eindrucksvolle winterliche Jagdszenen. Eine beeindruckende Zeichnung der alten germanischen Götter auf der Regenbogenbrücke. Sehr schön.
Etwas geärgert habe ich mich über die neue Funktion des jungen Knappen Arf. Als ihm auf dem Weg über die Alpen die Zehen abfrieren und er als verkrüppelter Mensch nicht mehr als Krieger infrage kommt, verzweifelt er. Daraufhin macht ihm Eisenherz Lust auf eine Karriere als Schreiber. Er soll nun Biograf des Prinzen werden und seine Taten aufschreiben. Ja, aber muss das bedeuten, dass wir den ganzen alten Scheiß nochmal lesen müssen? Das Vorwort lobt zwar die kreative Art, wie Forster seine alten Zeichnungen wieder verwendet und neu arrangiert. Aber ich fühle mich trotzdem etwas verschaukelt.

Yoko Tsuno - Gesamtausgabe: Band 2: Von der Erde nach Vinea
- Unterirdische Begegnung
- Die Vulkanschmiede
- Die dritte Sonne von Vinea

Wie schon im ersten Band sind auch hier thematisch zusammengehörende Abenteuer zusammengestellt. Yoko Tsuno lernt das Volk von Vinea kennen. Die blauhäutigen Außerirdischen stammen zwar von einem anderen Planeten, leben jetzt aber unter der Erde. Man könnte also sagen, dass diese Außerirdischen quasi Innerirdische sind. Während Yoko in ihren deutschen Abenteuern von ihrer Freundin der Organistin Ingrid Halgerd begleitet wird, sind es hier die blauhäutigen Schwestern Khany und Poky, mit denen sie Freundschaft schließt. Zusammen schaffen sie es sogar die Vineaner zurück in ihre Heimat zu bringen.
Die Darstellung der Technik und der Maschinen der Vineaner ist beeindruckend. Wie schon in den deutschen Abenteuern penibel, detailreich und ziemlich authentisch herüberkommend. Witzig die Entstehungsgeschichte Vineas: Der Autor blickte auf ein verblichenes Nivea-Werbeplakat und hatte plötzlich diesen Blauton im Kopf ...


August

Max Prosa: Flügel aus Beton. Gedichte 2010-2020

Barbara Beuys: Maria Sibylla Merian. Künstlerin, Forscherin, Geschäftsfrau
Nach dem Hörspiel aus der Reihe "Abenteuer und Wissen" wollte ich mehr erfahren über die Schmetterlingsforscherin. Das vorliegende Buch ist eine sehr interessante und lesenswerte Biografie der Merian. Die Autorin räumt auch mit einigen Klischees auf über die Frauen der damaligen Zeit. Die Verfasserin arbeitet sehr schön heraus, dass extreme Unmündigkeit der Frauen erst im 18./19. Jahrhundert entstand. Im Mittelalter oder der frühen Neuzeit, auch noch im 17. Jahrhundert gab es ganz selbstverständliche weibliche Berufs- und Geschäftstätigkeit, Handel und Handwerk waren diesem Geschlecht nicht verschlossen. Das Selbstbewusstsein, mit dem Maria Sibylla Merian ihre Werke anpries und sich selbst vermarktete, ihren Farbenhandel und ihre Jungferngruppe leitete und die Geschäfte der Familie führte, war demnach gar nicht so unerhört, wie es späteren Generationen vorkam. Da ist vieles zerstört worden in den Jahrhunderten danach.

Edith Nesbit: Melisande
Ich habe wieder mal versucht, meine Nichte zu Edith Nesbit zu bekehren. Am Ende saß ich ganz allein auf meinem neuen Kuschelteppich und las zum drölfmillionstenmal das Märchen von der Prinzessin, zu deren Taufe die böse Fee Malevola nicht eingeladen war, die dem Kind daraufhin eine Glatze wünschte. Als Melisande groß genug war, schenkte ihr Vater daraufhin einen Wunsch, den er einst von seiner Patenfee erhalten hatte. Auf Anraten ihrer Mutter wünscht sich Melisande schließlich blonde superlange schnellwachsende Haare, die nach jedem Schneiden doppelt so schnell nachwachsen. Tja, die Königin hatte halt keine Ahnung von Mathematik, und die Haare wuchsen und wuchsen und wuchsen. Sagte ich schon, dass ich coronabedingt zwei Jahre nicht beim Friseur war? ;-)


Mirano Peter: Und plötzlich war alles anders
Autobiografie eines jungen Mannes, der mit 19 Jahren plötzlich eine Hirnblutung bekam und seitdem schwerbehindert ist. Ich habe das Buch in der Goslarschen Zeitung vorgestellt:
https://www.goslarsc...id,2228173.html


Hörspiel

Berit Hempel: Abenteuer und Wissen: Isaac Newton. Pionier der Physik
Hörspiel-Biografie eines Physik-Genies, das auch die Katzenklappe erfand. So wird es jedenfalls berichtet. Das Hörspiel zeigt die ungeheure Vielseitigkeit dieses Mannes, seine optischen Entdeckungen, die astronomischen, die Gravitationsgesetze, dazu Universitätspolitik und Querelen mit Kollegen. Man erfährt auch, dass Newton, der aus ärmeren Verhältnissen kam, sich das Studium eigentlich nicht leisten konnte, aber als begabter junger Mann ein Stipendium bekam. Das war kein reines Zuckerschlecken, denn als Stipendiat hatte er die Aufgabe, die reichen Studenten zu bedienen: "Newton, leere meinen Nachttopf", mit dem Kommando eines blasierten Kommilitonen hebt das Hörspiel denn auch an. Wie gut, dass er trotzdem durchhielt. Und wie gut, dass er zum Landwirtsberuf vollkommen ungeeignet war, was wäre der Menschheit sonst verloren gegangen.


September

Peter Langsdorff: Ein verhängnisvolles Geschenk
Das Buch ist vom Autor in Goslar verortet worden. Daher las und besprach ich es für die Goslarsche Zeitung. Meinen Artikel dazu findet ihr hier:
https://www.goslarsc...id,2246017.html


L. Frank Baum: OZ, Complete Edition: The tin woodman of Oz (e)
Dieser Roman klärt eine Frage auf, die man eigentlich schon längst hätte stellen müssen.
Die altbekannte Geschichte, wie der Holzfäller zu einem Wesen aus Zinn wurde, hat etwas mit seiner großen Liebe zu tun. Nick Chopper und ein Mädchen namens Nimmie Amee waren ein Liebespaar, aber eine Hexe wollte sie auseinanderbringen. Sie verfluchte seine Axt, diese trennte ihm immer wieder verschiedene Körperteile ab, die aber immer wieder von einen geschickten Schmied durch metallene Glieder ersetzt wurden. Zuletzt ging der ganze Leib entzwei, der Schmied leistete Großartiges, und seither besteht der Holzfäller zu 100 Prozent aus Zinn. Allerdings hatte er auch kein Herz mehr. Und damit konnte er auch kein Mädchen mehr lieben. Die Hexe hatte also gewonnen.
Ja, aber warum hat er das Mädchen dann nicht wieder aufgesucht, als ihm der Zauberer von Oz ein neues Herz gegeben hatte?
Diese kritische Frage stellt ihm ein junger Gillikin namens Woot, der auf seinen Wanderungen am Schloss des Holzfällers im Winkieland vorbeikommt. Immerhin hat der Holzfäller, das weiß jeder, doch nun das beste Herz in ganz Oz.
Der Holzfäller und sein Freund die Vogelscheuche schweigen betroffen. Es sei so, erklärt der Holzfäller, dass er versehentlich um ein mitfühlendes/freundliches (kind) Herz gebeten habe, nicht aber um ein liebendes. Er ist also total sensibel und weichherzig, nur lieben, das könne er mit seinem Herzen leider doch nicht. Trotzdem: Das Mädchen muss gefunden werden. Man kann es ja nicht so allein sitzen lassen, beschließt der Holzfäller. Er sei ihr etwas schuldig. Und er sei so eine tolle Partie, sie werde ihn bestimmt gern nehmen, auch wenn er sie nicht lieben könne. So will er sich aufmachen, das Mädchen finden und sie als seine Braut heimführen. Die Vogelscheuche und Woot der Wanderer begleiten ihn.
Weil ihm die Sache doch etwas peinlich ist und er Aufsehen vermeiden will, umgehen sie die Smaragdstadt auf ihrem Weg ins Munchkinland in nördlicher Richtung und reisen durch Gillikin-Land. Dabei gelangen sie in das Schloss der bösen Riesin Mrs. Yoop. Diese verwandelt sie in Tiere: Woot in einen grünen Affen, den Holzfäller in eine Zinn-Eule und die Vogelscheuche in einen mit Stroh ausgestopften Bären. Im Schloss der Riesin gibt es noch eine Gefangene: Polychrome, die Tochter des Regenbogens wird hier als Kanarienvogel in einem Käfig gehalten. Die vier Freunde können fliehen, behalten aber ihre Gestalt. Sie gelangen ins Munchkin-Land zur Farm von Jinjur, die mit dem Holzfäller und der Vogelscheuche befreundet ist (in der Geschichte mit der Frauen-Revolution in Oz hörte sich das noch ganz anders an). Jinjur bringt sie in die Smaragdstadt, wo Ozma sie wieder zurückverzaubert und die Form des grünen Affen auf Mrs. Yoop überträgt.
Als die Freunde nun zu dem Ort reisen, an dem der Zinnmann vor sich hinrostete, bis Dorothy ihn fand, entdecken sie etwas Überraschendes: Dort steht eine verrostende unbewegliche Figur eines Zinnsoldaten, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Nick Chopper hat. Als sie ihn ölen, kann er wieder reden und sprechen und erzählt seine Geschichte, die der Geschichte des zinnernen Holzfällers sehr ähnelt.
Captain Fyter, so der Name des zweiten Zinnmanns, war der Geliebte von Nimmie Amee. Aber der schneidige Soldat war der Hexe ein Dorn im Auge, so verzauberte sie seinen Säbel, und der hieb ihm nach und nach Körperteile ab, die ein kunstfertiger Schmied durch zinnerne Glieder ersetzte. Zuletzt wurde Captain Fyter zum vollständigen Zinnmenschen ohne Herz und begann zu rosten.
Die beiden zinnernen Zwillinge beschließen, ihre Ex-Geliebte Nimmie Amee aufzusuchen und sie wählen zu lassen, wen von beiden sie heiraten will. Gemeinsam reisen sie weiter.
Als sie zur Werkstatt des Schmieds gelangen, entdecken sie auch ihre alten Körperteile wieder. Da es ja keinen Tod gibt in Oz, sind diese Glieder noch quicklebendig, man könnte sie wiederverwenden. Allerdings sind die Bausätze nicht vollständig. Nick Chopper hat eine sehr interessante Unterhaltung mit seinem ehemaligen (fleischlichen) Kopf, aber beide vertragen sich nicht. Der Kopf will seine Ruhe haben und in seinem dunklen Schrank liegen, und der Zinnmann verachtet Fleisch-Wesen schon lange und ist sehr eitel, was seinen glänzenden, unverwüstlichen Körper, der auch keine Nahrung braucht, angeht. Captain Fyter würde seinen Fleischkopf auch gern nochmal sehen, doch der ist verschwunden.
Schließlich erreichen sie den Hof von Nimmie Amee. Aber überraschenderweise will sie keinen der beiden Zinnmenschen heiraten. Sie lebt mit einem Fleischmenschen zusammen. Sein Name ist Chopfyt. Ein ziemlich durchschnittlicher Typ, aber aus Fleisch und Blut. Und es stellt sich heraus, dass er von dem Schmied aus den zerhauenen Gliedern des Holzfällers und des Soldaten zusammengefrankensteinert wurde. Auch eine Art Happy End. Allerdings fragt man sich dann, wieso der Schmied nicht einfach den Verletzten ihre abgehauenen Glieder wieder an den Körper genietet hat, da sie ja doch weiter verwendbar bleiben.
Und noch etwas, das mir jetzt erst auffiel: Zinn rostet ja gar nicht. Eisen tut das, aber Zinn nicht. Die Geschichte mit den Tränen und dem Verrostet-im-Wald-Herumstehen ist also ziemlicher Quatsch.



Friedhelm Kändler: WoWo
Friehelm Kändler: WoZwo
Friedhelm Kändler: WoWo jagt Dr. Ey

Ich habe mir die drei WoWo-Bände aus den 90ern noch einmal vorgenommen anlässlich eines Auftritts Friedhelm Kändlers in Goslar. War ein schönes Erlebnis. Die Lektüre und der Abend im Kulturkraftwerk. Meinen Artikel dazu findet ihr hier:
https://www.goslarsc...id,2203471.html

G.H. Harzig: Symphonie des Lebens - Zwischen Dur und Moll
G.H. Harzig: Wanderer zwischen den Welten

Die ersten beiden Bände einer dreiteiligen Autobiografie. Da der Verfasser in Oker lebt, habe ich die Bücher gelesen und in der Goslarschen Zeitung vorgestellt. Den Artikel dazu findet ihr hier:
https://www.goslarsc...id,2261530.html

Till Burgwächter: Dio Digitale
(Till Burgwächter ist zwar Braunschweiger, aber mit seinen Lesungen Stammgast im Goslarer Trollmönch, und so kam ich auch in den Genuss eines Rezensionsexemplars. Eine Besprechung in der Goslarschen folgt noch.)

Mit Klassikern wie „Die Wahrheit über Wacken“ oder „Juhr Gait tu Hewi Mettäl“ hat sich Till Burgwächter längst in die Herzen der Schwermetall-Fans eingeschrieben. Jetzt geht der Braunschweiger Autor in seinem neuen Buch „Dio Digitale“ der Frage nach, ob Heavy Metal eine Zukunft hat - und wie diese aussehen könnte.
Die Lage scheint ernst: „Die elenden Streaming-Plattformen gönnen den Künstlern, ohne die sie keine milliardenschweren, börsennotierten Monsterfirmen wären, sondern nur ein käsiger Programmierer, der mit 30 noch in seinem Kinderzimmer hockt, nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln“, schreibt Burgwächter in seiner bitterbösen, rabenschwarzen und liebenswert-drastischen Ausdrucksweise. Die Szene ist am Vergreisen, die Musiker am Aussterben und Verwesen: „,Black Sabbath†˜ wurde an einem einzigen Tag im November 1969 aufgenommen. Logisch, dass die Protagonisten und ihre Nachfolger über 50 Jahre später nicht mehr durchgehend taufrisch aus der Wäsche gucken. Ronnie James Dio? Schon 2010 gestorben. Lemmy von Motörhead? Seit 2015 im Land, wo Jacky und Cola fließen. Slayer? Iron Maiden? Judas Priest? Kiss? Black Sabbath? Alle entweder eingemottet oder kurz davor, die finanzielle Pommesgabel ins Publikum zu werfen.“ So die Bestandsaufnahme.
Wie aber ist die vielgeliebte metallhaltige Musik dann zu retten? Ist etwa die digitale Unsterblichkeit durch moderne Hologrammtechnik der Weisheit letzter Schluss? Mit Grausen erinnert sich Burgwächter an ein Ereignis 2016 in Wacken, „als die Dio Disciples, eigentlich eine lauwarme Tribute-Band, plötzlich Besuch vom Meister selbst bekamen. Der trötete in bester Laune †šWe Rock†˜ über den Acker, obwohl er, damals seit sechs Jahren tot, maximal seinen Gottesacker hätte bespaßen dürfen.“ Dann lieber Frischzellenkuren, die Erschließung neuer Zielgruppen durch Gebärdendolmetscher oder der Versuch, in der Pornoszene oder bei Yogakursen Fans abzuwerben? Burgwächter hat jedenfalls einige krause Ideen im Kopf, die offenbar einer vollen Dröhnung Schwermetall geschuldet sind. „Keine Panik, noch ist der eiserne Drops nicht gelutscht. Wir haben Grunge und Nu Metal überstanden, wir schaffen auch das.“
Bitter, sarkastisch und mit dem schwermetallischen Herzen auf der spitzen Zunge schwärmt und lästert sich Burgwächter durch die Szene und verfällt in melancholische Erinnerungen an die Zeit, als Probenräume noch nach Schweiß, Moder und Rattenkot rochen. Für Fans der „besten Musik der Welt“ ein absolutes Muss. Und für Nicht-Fans (gibt es die wirklich?) eine Einstiegsdroge, zu deren Einnahme ernsthaft geraten werden kann. Lesenswert.

Hörspiel/Hörbuch

Robert Steudtner: Abenteuer und Wissen: Carl Benz. Pionier des Automobils
Carl Benz ist der Ich-Erzähler dieses Hörbuchs, das heißt, man hört seine heisere Erzählstimme immer wieder kommentieren und berichten, und er erinnert sich an Stationen und Fortentwicklungen seiner Erfindung. Aber die eigentliche Heldin ist seine Frau Bertha Benz. Sie packt eines Tages ihre Kinder in das neu erfundene Automobil und macht sich auf zur ersten großen Automobilfahrt quer durchs Land. Eine abenteuerliche Reise, die irgendwie Tschitty-Tschitty-Bäng-Bäng-Kopfkino entstehen lässt. Sehr liebenswürdig. Interessant auch der Blick in die Zukunft, den Kathrin Lichius, Entwicklungsingenieurin bei Daimler, wagt. Nicht schlecht.

Maja Lunde: Die Geschichte des Wassers
Ein Hörbuch, das ich auf gut Glück in der Buchhandlung für eine längere Autofahrt gekauft habe (die Alternative wären die drei ??? gewesen). Es ist eine Geschichte, die auf zwei Ebenen spielt, wobei zwischen den Erzählsträngen kapitelweise hin- und hergewechselt wird. Außerdem haben beide Erzählstränge eine Vorgeschichte, sodass immer wieder Rückblenden erfolgen. Im Prinzip ist es also eine Geschichte, die auf vier Ebenen verläuft.
Die eine Handlung spielt im Norwegen der Gegenwart oder auch etwas in der Zukunft. Eine knapp 70-jährige Frau kommt zurück in ihren Heimatort und sieht bestürzt, dass der Gletscher schon fast komplett verschwunden ist. Allerdings wird noch immer Eis abgebaut und in Kisten auf Schiffe verfrachtet: Der Bürgermeister, der die Jugendliebe der Heldin war, hat den Gletscher an schwerreiche Scheichs verkauft, die mit dem letzten norwegischen Eis ihrem Luxusleben den ultimativen Kick geben, während sich die Klimakatastrophe nicht nur ankündigt, sondern schon da ist. Die Frau stiehlt eine Anzahl der Eiskisten und lädt sie in ihr Segelschiff. Damit wagt sie die gefährliche Überfahrt nach Frankreich, um ihren Ex-Geliebten zur Rede zu stellen und ihm dieses letzte Eis vor die Tür zu legen.
Der zweite Handlungsstrang spielt im Jahr 2041 in Frankreich. Es ist die Geschichte eines Vaters, der zusammen mit seiner Tochter vor der Klimakatastrophe nach Norden flüchtet, wo es noch Wasser geben soll. Sie erleben schreckliche Szenen in Flüchtlingslagern, die andere Hälfte der Familie - seine Frau und sein Sohn - sind auf der Flucht von ihnen getrennt worden und bleiben verschollen. Schließlich bricht im Lager auch noch die letzte Ordnung zusammen, die Wasserreserven und die medizinische Versorgung sind dahin. Für den Vater und seine Tochter ist der Tod vorprogrammiert. Das letzte bisschen Hoffnung bietet ein altes Schiff, das nahe einem ausgetrockneten Flusslauf aufgebockt ist. Aber es zeichnet sich kein Regen ab, und der Fluss wird wohl nie wieder Wasser führen. Da machen die beiden eine Entdeckung und finden einen Schatz. Nein, kein Gold.
Sehr gut vorgelesene, eindringliche Geschichte, etwas moralisch, aber leider gar nicht so unrealistisch. Die Katastrophe hat schon begonnen ...

Weitere Jahresrückblicke
Jahresrückblick I: Januar bis März 2021
Jahresrückblick II: April bis Juni 2021
Jahresrückblick IV: Oktober bis Mitte November 2021
Jahresrückblick V: Mitte November bis Dezember 2021

© Petra Hartmann


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Jahresrückblick II: April bis Juni 2021

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 29 Dezember 2021 · 876 Aufrufe
Jahresrückblick

Der zweite Teil meines Jahresrückblicks auf meine Lesefrüchte 2021. Erneut habe ich mich mit den Kinderbuch-Klassiker-Serien "Fünf Freunde", "Prinz Eisenherz" und "Oz" befasst, außerdem findet ihr wieder etwas über Aufklärung und Haskala, Phantastik, Musik, Lyrik, Antike und ein paar Sachen zur Lage der Nation. Viel Spaß damit, vielleicht ist ja etwas dabei, das ihr gebrauchen könnt!

 

Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.

 

April

 

Friedrich II: Antimachiavell nebst zwei kleineren politischen Aufsätzen
- Betrachtungen über den gegenwärtigen Zustand des europäischen Staatskörpers
- Fürstenspiegel

Friedrich der Große versucht in diesem Büchlein, das Werk "Der Fürst" von Nicolo Machiavelli zu widerlegen. Das ist sehr rührend, weil der noch junge Friedrich ethisch argumentiert, wo Machiavelli technisch argumentierte. Friedrich schrieb also bei so ziemlich jedem Rat Machiavellis, dass ein anständiger Fürst so etwas niemals tun würde. Aber es war im "Fürsten" ja gar nicht um die Frage "Wie werde ich ein guter Fürst?" gegangen. Machiavelli schrieb einfach nur über die Mechanismen der Macht. Wie wird man Herrscher eines Landes, das einem nicht gehört? Wie erlangt man Macht? Wie erhält man sich seine Position? Welche Gegner soll man besser töten, welche sich zu Freunden machen? usw. Sehr interessant auch vor dem Hintergrund der schlesischen Kriege zu lesen. Also, noch einmal: Eine Widerlegung Machiavellis ist das nicht, Friedrich hat gar nicht kapiert, dass es niemals eine Schrift war, die sagte, wie ein Fürst ein moralisch untadeliger Mensch werden kann. Machiavelli sagte einfach nur: Wenn du A haben willst, musst du B tun. Das ist etwas anderes.

 

Enid Blyton: Fünf Freunde helfen ihren Kameraden
Ein neuer Sommerurlaub der drei Geschwister Julian, Dick und Anne bei ihrer Cousine George. Allerdings sind diesmal Georges Eltern verreist, und die fünf Freunde sind mit der Köchin allein. Das heißt, ganz allein doch nicht. Es taucht ein zweites "wildes Mädchen" auf, das ganz ähnlich veranlagt ist wie George: Josefine, genannt Jo gerät prompt mit George aneinander. Zwischen den beiden Hitzköpfen sprühen Funken. Aber auf Dick steht die junge Jo und würde alles für ihn tun.
Wieder einmal haben die geheimen und genialen Forschungsergebnisse Onkel Quentins die Aufmerksamkeit von Verbrechern erregt. Die Kinder sind gerade erst angereist, da wird auch schon eingebrochen. Die Diebe suchen Unterlagen zu einem Projekt Quentins, werden aber nicht fündig. Schließlich entführen sie George, um die Herausgabe der Materialien zu erzwingen.
Es ist Jo, die die Botschaft überbringt, denn ihr Vater steckt hinter der Entführungsaktion. Der Austausch scheitert, da die Kinder die falschen Dokumente liefern. Jo steht dabei zwischen den Fronten. Sie hasst George und wünscht ihr die Pest an den Hals, ist also durchaus zufrieden damit, dass das Mädchen, das ihr selbst so ähnlich ist, sich in einer üblen Situation befindet. Andererseits ist sie Dick geradezu hörig und würde alles für ihn tun. So hilft sie schließlich auch bei der Befreiung Georges.
George wird in einem nahezu unzugänglichen Haus am Meer, mit steilen Klippen und dem obligatorischen Geheimgang, gefangengehalten. Doch die Flucht gelingt. Die Verbrecher stürzen mit einem Hubschrauber ab, werden verhaftet, und Jo, deren Vater ja nun nicht mehr als Sorgeberechtigter zur Verfügung steht, findet bei einer Verwandten der Köchin Joan ein neues zu Hause.
Insgesamt ein schönes, spannungsvolles Abenteuer mit toller Landschaft und Klippen-Festungs-Atmosphäre. Und die Spiegelung Georges und die Psychologie Jos waren sehr eindrucksvoll. Den Titel verstehe ich allerdings nicht.

 

Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 4: Jahrgang 1943/44 (Bocola)
Der vierte Doppeljahrgang. Diesmal gibt es im Vorwort Erklärungen zum neuen Layout ab 1943 (neuer Titelkopf), und man liest etwas über die Darstellung von Verstümmelten, körperlich Behinderten. Immerhin erschienen die Geschichten während des Zweiten Weltkriegs. Der Kommentator weist darauf hin, dass Forster ohne falsche Rührseligkeit zwei Behinderte vorstellt, die dank der Ermunterungen des Prinzen ihren Weg finden.
In diesem Band sterben Eisenherz' Knappe Beric und der Ritter Tristan. Die Aleta-Handlung wird ausgesprochen dramatisch. Die Inselbewohner waren von Eisenherz' ehemaligen Weggefährten überfallen worden und hatten sich effektiv zur Wehr effektiv gesetzt, sprich: die Piraten getötet hatten. Nun hält Eisenherz, der die Leichen seiner Begleiter findet, ohne die Vorgeschichte zu kennen, Aleta und ihr Volk für durch und durch böse. Vom Wahnsinn gepackt, entführt er schließlich Aleta aus ihrem Palast, legt sie in Ketten und schleift sie als seine Sklavin hinter sich her durch die Lande, damit jeder ihre Verworfenheit sehen kann. Die Seiten dürften das Herz jedes BDSM-Fans höher schlagen lassen.
Ansonsten bietet der Band eine Rückkehr in die Sümpfe und eine Wiederbegegnung mit der Hexe, Seeabenteuer, die Liebesgeschichte zwischen der selbstbewussten Ingrid und dem blonden Eric, den sie vor dem Ertrinken rettet, eine an Leonardos Zeichnung der menschlichen Proportionen gemahnende Folterszene mit dem in einem Holzkreis ausgespannten Eisenherz und ein Solo-Abenteuer Gawains. Außerdem beginnen hier die Zusatzabenteuer der Serie "The medieval Castle" mit den Ritterknaben Arn und Guy am unteren Bildrand.

 

Christian Thielemann: Meine Reise zu Beethoven
Eine interessante Betrachtung des Dirigenten, der sich hier am Leitfaden der Symphonien eine Reihe eigener Konzertabende zusammenstellt. Er überlegt, was es eigentlich heißt, Beethoven aufzuführen, stellt Betrachtungen über das jeweilige Metrum an, erläutert die Besonderheiten und kommt immer wieder an Stellen, an denen Beethoven vertrackte Wendungen und harte Kopfnüsse zu bieten hat und es dem Musiker sehr schwer macht, ihn zu verstehen. Da tun sich an scheinbar leichten Stellen plötzlich doch Abgründe auf, und das Stück entgleitet den Interpreten. Thielemann denkt über Biographisches nach und über die Art, wie Dirigenten-Kollegen an die einzelnen Stücke herangegangen sind.
Insgesamt ein sehr spannendes Buch. Ich entdeckte es während meiner Übernachtung in einer Goslarer Buchhandlung, über die ich einen Artikel für die Goslarsche Zeitung schrieb, in einem Regal mit noch nicht weggeräumten Relikten aus dem Beethovenjahr 2020, und da habe ich mich einfach festgelesen.

 

Manfred Geier: Aufklärung. Das europäische Projekt
Schöne, sehr lesbare und spannend geschriebene Darstellung einer Bewegung, die in unterschiedlichen Ländern sehr unterschiedlich auftrat. Es geht um die Aufklärer in England, Frankreich und Deutschland. Wie bereits in einigen Büchern über die Aufklärung, die ich gelesen habe, wird vor allem der Gedanke, dass es sich um eine europäische Bewegung handelt, in den Vordergrund gestellt.
Mir hat das Buch besonders Lust auf die Lektüre John Lockes gemacht, ich habe mir gerade das Reclamheft mit seinem Brief über die Toleranz angeschafft. Auch die französischen Enzyklopädisten muss ich mir mal anschauen. Das Kapitel über die deutschen Aufklärer bot mir dagegen wenig Neues, da bin ich schon ziemlich tief im Stoff drin.

 

Mely Kiyak: Haltung. Ein Essay gegen das Lautsein
Hm. Ja, nein, vielleicht. Das Büchlein ist sehr schmal, gerade mal 61 Seiten, ein Essay. Es geht darum, dass man, wenn man Nazis, Covidioten, Reichsbürgern und dem ganzen Pack widerspricht, nur dazu beiträgt, dass sie stärker werden. Ja, vielleicht leben diese Leute wirklich nur von der Aufmerksamkeit, die man ihnen widmet. Ich bin nur nicht sicher, ob man Nazis wirklich ignorieren sollte, ob man tatsächlich schweigen darf. Stillsein, Haltung zeigen, alles sehr schön. Aber der Satz "Wer schweigt, stimmt zu" geht mir im Kopf herum. Es haben schon einmal zu viele Leute geschwiegen.

 

L. Frank Baum: Rinkitink in Oz
Vier Fünftel des Buches lang hatte ich das Gefühl: "Wow, das ist wirklich das beste Oz-Buch, das ich je gelesen habe." Dann bekam ich einen Schreikrampf und hätte am liebsten meinen eBook-Reader an die Wand gepfeffert.
Der Held des Buches ist Prinz Inga, Sohn von König Kitticut und Königin Garee, des Herrscherpaars der Insel Pingaree. Die Insel war früher einmal angegriffen worden von dem Doppel-Inselkönigreich Regos und Corregos, doch König Kitticut konnte die Feinde zurückschlagen, da er drei magische Perlen besaß: Die blaue Perle verleiht ihrem Träger übermenschliche Kräfte, die rosafarbene schützt ihn vor jeder Verletzung, und die weiße Perle gibt weise Ratschläge. Als der Prinz alt genug ist, verrät der König seinem Sohn das Geheimnis der drei Perlen und zeigt ihm, wo in seinem Palast sie versteckt sind.
Eines Tages kommt der König Rinkitink zu Besuch nach Pingaree. Der Mann ist nicht böse, nur total von sich überzeugt, gutmütig, tollpatschig, ein bisschen feige und memmig, auch etwas nervig. Dann tauchen erneut Feinde aus Regos und Corregos auf, zerstören alles und führen die gesamte Inselbevölkerung als Sklaven in ihr Königreich. Einzig Inga, Rinkitink und sein sprechender Reitziegenbock Bilbil werden nicht entdeckt und bleiben zurück. Inga holt die Zauberperlen aus ihrem Versteck und setzt den Feinden nach. Allein wäre er sicher schneller erfolgreich, aber mit dem weichlichen, memmigen Rinkitink an der Backe gibt es immer wieder Probleme.
Schwierig wird es auch, da es sich um zwei Inseln handelt. Wenn Inga gerade Regos erobert hat, versammeln sich seine Gegner auf Corregos und andersherum. Einmal wimmert Rinktink so lange rum, bis Inga ihm einer seiner Perlen überlässt, damit ihm keim Harm widerfährt. Natürlich geht sie prompt verloren. Einmal verliert verliert Inga die blaue und die rosafarbene Perle, weil er sie in seinen Schuhen aufbewahrt hat. Die Schuhe werden von einem armen Kohlebrenner gefunden, dieser schenkt sie seiner lieblichen Tochter, von der sie Inga aber schließlich wieder erlangen kann.
Es sieht so aus, als könnte Inga den Kampf gewinnen, aber seine entführten Eltern bleiben verschwunden. Der König und die Königin von Regos und Corregos haben die beiden dem Nomenkönig anvertraut und ihn gebeten, auf die Gefangenen aufzupassen.
Bis dahin war es superspannend, das Hin und Her mit den Perlen amüsant, Rinktikink teilweise lustig. Und dann kommt plötzlich die Stelle zum Schreien: Inga, der bisher alle Probleme mithilfe seines eigenen Verstands und der Perlen lösen konnte, gerät im Reich des Nomenkönigs unversehens in eine offenbar ausweglose Situation. Und plötzlich - aaaarrrgh! - schaut Dorothy in Oz auf das magische Bild, das alles zeigt, was in Oz und im Rest der Welt vor sich geht, und sieht, dass Inga und seinen Eltern übel mitgespielt wird. Sie und der Zauberer von Oz greifen ein, großes Hokospokus, rosafarbene Wölkchen, alles wieder in Ordnung, Nomenkönig gebändigt, Pingaree-Königsfamilie frei, und sogar der sprechende Ziegenbock, der sich als verzauberter Prinz entpuppt, wird wieder zurück verwandelt. Ich habe mich ja so geärgert, aber sowas von!

 

Antje Babendererde: Schneetänzer

 

Eduard Mörike: Das Stuttgarter Hutzelmännchen (Reclam)

 

Volkmar Kuhnle (Hrsg.): Tod des Helden
Eine Anthologie, in der ich mit der Geschichte "Geisterreiter" vertreten bin. Da ich selbst einen Text beigesteuert habe, bin ich nicht ganz objektiv und werde hier nichts weiter über das Buch sagen. Nur soviel: Es sind außer meiner Geschichte noch ganz viele tolle Beiträge darin, und das Cover ist wirklich sehenswert.

 

Igor Levit und Florian Zinnecker: Hauskonzert
Auch jemand, den ich seit dem Ende meines Twitter-Accounts vermisse. Die Musik und die Tweets von Igor Levit habe ich mit Begeisterung verschlungen, und da musste ich mir dann natürlich auch das Buch holen.
Was ist das für ein Buch? Eine klassische Biografie schon mal nicht. Florian Zinnecker konnte den Pianisten dafür gewinnen, ihn ein Jahr lang begleiten zu dürfen. Was daraus wurde, war für beide offen. Dann kam Corona. Keine Konzerte. Aber es passiert etwas anderes.
Die beiden treffen sich regelmäßig. Levit kann nicht auftreten. Aber auf Twitter gibt er seine inzwischen legendären "Hauskonzerte". Und dann spielt er auch noch die "Vexations". Wie verrückt muss man sein, um diese "Quälereien" - 840 mal das gleiche Motiv wiederholen - zu spielen? 15 Stunden am Klavier, und das Ganze live gestreamt ... Aber Corona ist ja auch verrückt.
Dass die beiden Gesprächspartner in diesem Jahr dann irgendwie doch auch Levits Biografie mit transportieren, liegt in der Natur der Sache. Auch wenn Levit - der furchtbarste Moment für einen Biografen - über seine Vergangenheit gesteht: "Du, ich erinnere mich eigentlich an gar nichts."
Doch, es ist ein gutes Buch geworden. Wenn auch ein sehr ungewöhnliches. Aber gerade darum.

 

Enid Blyton: Fünf Freunde auf großer Fahrt
Die Freunde haben ein verlängertes Wochenende lang schulfrei bekommen und nutzen es für einen viertägigen Ausflug. Unterwegs dahin wird aber Timmy am Bein verletzt. Während Julian und George einen Experten für verletzte Tiere (keinen richtigen Tierarzt, aber immerhin ...) aufsuchen, fahren Dick und Anne mit ihren Rädern schon weiter zur Farm, in der sie übernachten wollen. Die beiden geraten aber auf den falschen Hof. Eine alte, taube Frau will sie am liebsten wegschicken, da ihr Sohn keine fremden Leute auf dem Hof haben will. Sie lässt Anne dann aber aber heimlich im Haus und Dick im Stall übernachten. Hier hat Dick eine seltsame Begegnung: Jemand ruft leise seinen Namen und übergibt ihm dann einen Zettel mit einer kryptischen Nachricht. Am nächsten Morgen entdeckt der Sohn der Frau die beiden Kinder und jagt sie fort.
Später stellt sich heraus, dass de Sohn der Tauben zufällig auch Dick heißt und eigentlich der Empfänger der Botschaft hätte sein sollen. Der Versuch, einen Polizisten darüber zu informieren, scheitert an der Borniertheit des Mannes.
Die Freunde schaffen es schließlich, die Geheimbotschaft zu entschlüsseln, sie finden heraus, dass die Diebesbeute, auf die der böse Dick scharf ist, in einem versenkten Boot auf dem Grund eines Sees liegt. Anhand der Landmarken, die in der Botschaft genannt werden, können sie das Boot finden und schließlich auch den Schatz bergen. Da sie tagsüber von dem erwachsenen Dick und seiner Freundin beobachtet werden, ist dazu eine abenteuerliche nächtliche Tauchaktion nötig. Später können sie dank des freundlichen Beinahe-Tierarztes auch endlich ihre Geschichte der Polizei erzählen, dann wird das saubere Pärchen verhaftet.
Die Geschichte ist insofern etwas besonderes, als sie sehr schnell getaktet ist. Die Freunde haben nur vier Tage Zeit, ihr Abenteuer zu erleben und den Schatz zu finden. Da muss man schon zügig und effizient ermitteln und kombinieren.

 

Enid Blyton: Fünf Freunde als Retter in der Not
Der Kapuzinerberg, ein Berg voller Schmetterlinge, an dem es auch eine Schmetterlingsfarm gibt, ist diesmal das Ferienziel der Fünf. Die Freunde kommen auf dem Thomashof unter, wo auch Toby, ein Freund von Julian und Dick, lebt, ein Junge, der eigentlich ganz in Ordnung ist, aber einem durch seine ständigen Streiche und seine Scherzartikel ganz schön auf die Nerven gehen kann.
Toby hat einen Cousin, Kurt, für den er sehr schwärmt. Kurt ist Pilot beim Militär. Doch plötzlich ist Kurt verschwunden, zusammen mit seinem Freund Rolf. Beide sollen ein Flugzeug geklaut haben. Wenig später stellt sich heraus, dass das Flugzeug abgestürzt ist. Alles sieht so aus, als seien die beiden jungen Männer Verräter, die den streng geheimen Superflieger einer fremden Macht ausliefern wollte. Aber Toby glaubt nicht daran, dass Kurt so etwas tun würde. Die fünf Freunde nehmen die Ermittlungen auf. Dazu müssen sie sich auch zu der Schmetterlingsfarm schleichen, auf der sich ziemlich üble Leute herumtreiben. Eine spannende Geschichte, die besonders nett wird durch Tobys kleinen Bruder und sein Schwein.

 

 

Mai

 

Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 5: Jahrgang 1945/1946. (Bocola)
Endlich lichtet sich Eisenherz' Wahnsinn. Es dauert lange, aber schließlich fallen er und Aleta sich in die Arme, das Paar ist perfekt. Wo andere Heldengeschichten enden, nämlich mit dem Kuss und der anschließenden Ehe, dreht Forster allerdings voll auf. Ab jetzt geht es also um Eisenherz UND Aleta. Und die schöne Königin der Nebelinseln zeigt durchaus ungewöhnliche Talente. Als großartige Schwimmerin ist sie ja schon bekannt. Nun versucht sie sich als Ritterin, vor allem aber zeigt sie sich als brillante und zugleich intrigante Staatsmännin und Politikerin. Dabei bleibt sie stets Dame beziehungsweise Königin. Ja, sie wird auch schon mal entführt und von Eisenherz zurückerobert, aber die Rolle als blondes Opferfrauchen liegt ihr ganz und gar nicht, sie ist eine Frau, die gewohnt ist, dass man ihr huldigt. Sowohl auf Camelot als auch in Thule.

 

Lukrez: De rerum natura / Welt aus Atomen dt/lat (Reclam)
Poesie und Naturwissenschaft, Versmaß und Atomphysik - geht das zusammen? Lukrez muss es wohl geglaubt haben. Sein Epos "über die Natur der Dinge", das der Reclam-Verlag aus gutem Grunde unter dem Titel "Welt aus Atomen" veröffentlichte, ist im Wesentlichen eine in Verse gegossene Darstellung der Lehre der Atomisten, einer Gruppe der griechischen Naturphilosophen, denen Lukrez angehörte. Ein Epos über Atome und darüber, wie sie sich zusammenfinden, das ist keine uninteressante Kombination. Allerdings sind die Gedankengänge der Atomisten schon in Prosa manchmal ziemlich harter Stoff. Aber nun stellt euch mal euer Physikbuch in 7400 Versen vor. Sagen wir mal so: Spaß macht es nicht. Es ist, wie gesagt, sehr interessant und natürlich sehr gut aufbereitet. Nur für Hardcore-Nerds zu empfehlen.

 

Max Prosa: Die Reise des lausigen Kapitäns
Eine Art Theaterstück, etwas absurd oder surreal, sehr schöne sprachliche Bilder. Ein gestrandeter Kapitän, der von Aufbruch, Sternen und Einsamkeit singt. Im Gitarrenkasten landen dabei nicht viele Münzen, denn wer singt, was er will, verdient nicht viel. Zwei Studenten reden und trinken gelegentlich mit ihm, und er versucht, sie vom Studium abzuhalten. Die beiden sind erschreckend vernünftig, sie denken unter anderem daran, wie sie ihre Miete bezahlen können. Während der Kapitän sie auffordert, nicht mitzuspielen. Vergebens. Ich glaube, das Stück müsste man mal auf de Bühne sehen, vor allem die Gesänge hören.

 

Thorgal 38: Die Selkie

 

Léopold Sédar Senghor: Bis an die Tore der Nacht
Ein sehr schöner, zweisprachiger Lyrikband, den ich antiquarisch erstanden habe. Der Autor war gleichzeitig Dichter und Politiker, von 1960 bis 1980 war er der erste Präsident des Senegal, als Schriftsteller wurde er mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Die Gedichte sind zum größten Teil Gesänge, bestimmten afrikanischen Musikinstrumenten wie Kora (eine Art Harfe), Balafong (Xylophon) oder Khalam (dreiseitige Gitarre) zugeordnet. Er besingt afrikanische Dörfer, Feste, Instrumente, Tiere, die Savanne, aber auch biblische Themen und Gestalten wie die Königin von Saba.
Er gilt als ein Mitbegründer der Negritude, einer afrikanischen oder afrofranzösischen intellektuellen politisch-kulturellen Strömung. Senghor war offenbar nicht ganz unumstritten, da er sich kulturell und politisch sehr stark an Europa orientierte. Er schrieb ja auch auf Französisch. Die Gedichte jedenfalls haben es in sich, das ist eine ganz eigene Melodie, ein sehr starker Rhythmus mit eindrucksvollen Bildern. Schon faszinierend, dass jemand gleichzeitig Politik und Gedichte machen kann.
Auf ihn gestoßen bin ich übrigens, als ein Facebook-Freund aus dem Senegal fragte, ob ich nicht mal in seinem Land lesen könnte. Gern sogar, wenn wir nur erstmal Corona überstanden haben.

 

Enid Blyton: Fünf Freunde im alten Turm
Nach einer fiesen Erkältung fahren die Kinder in die Berge, um sich auszukurieren. Sie sollen auf einer Farm wohnen, aber ihr Chauffeur verfährt sich versehentlich, sodass sie zunächst vor einem unheimlichen Turm im Wald landen, der offenbar bewohnt und von modernster Technik gesichert ist. Auch fährt der Wagen plötzlich schwerfälliger, als sei er schwerer geworden oder als sei die Handbremse angezogen.
Die Freunde kommen dann doch noch zur Farm. Aber dort hat Timmy Probleme mit den anderen Hunden, die ihn angreifen und verletzten. Die sieben Hunde des schweigsamen und etwas muffeligen Herrn Hansen bleiben weiter eine Bedrohung für Timmy. Und der Mann verhält sich so abweisend gegenüber den Kindern, dass sie ihn schon für einen Schurken halten. So ziehen die Freunde in eine kleine Bergütte, die zur Farm gehört. Überall liegt Schnee, und sie haben von dort aus auch einen guten Blick auf den Turm.
Sie freunden sich mit dem seltsamen Schäfermädchen Elli an, das sich allein mit eine Lamm und einem Hund in der Wildnis herumtreibt. Und sie erleben seltsame Dinge: Der Berg vibriert, vom Turm her sehen sie ein merkwürdiges Leuchten. Dann sehen sie ein Gesicht in einem Fenster des Turms, eine alte Frau, die offenbar Hilfe braucht. Dabei behauptet der Aufseher des Gebäudes fest, er sei der einzige Bewohner.
Schließlich zeig Elli den Freunden einen Brief, den sie von der alten Frau zugesteckt bekommen hat, ein Hilferuf, den das analphabetische Schäfermädchen nicht lesen konnte. Als sie Herrn Hansen den Brief zeigen, wird der wütend und schnauzt sie an, sie sollten die Finger davon lassen und sich vom Turm fernhalten.
Das tun sie natürlich nicht. Durch einen - klar - Geheimgang dringen sie in den Turm ein, um die alte Frau zu retten. Sie werden prompt von Schurken gefangen, die hier ein seltenes Metall abbauen, um später Bomben daraus herzustellen, schließlich aber werden sie von Herrn Hansen und seinen Hunden gerettet. Der Mann war doch kein Böser, er hatte nur selbst schon Nachforschungen wegen des Metalls angestellt und ahnte, dass es gefährlich für die Kinder würde. Eine seltene Wendung für ein Blyton-Buch. Normalerweise sind die Leute, die die Kinder anschnauzen, doch immer die Schurken, man muss es ihnen nur noch beweisen.

 

Constance de Salm. 24 Stunden im Leben einer empfindsamen Frau
Ein Buch, das mir meine Schwester geschenkt hat. Sie meinte, das müsste ich unbedingt lesen.
Es geht um eine Frau, die sieht, wie ihr Geliebter in die Kutsche einer anderen Frau steigt. 24 Stunden lang wird sie von Eifersucht und Verzweiflung, Hoffen und Bangen hin und her getrieben, immer wieder kommen kleine Nachrichten und Informationsschnipsel zu ihr und jagen ihren Adrenalinpegel noch mehr in die Höhe. Alle paar Minuten schreibt sie ihrem Freund einen neuen Brief, lässt ihn durch Boten zu ihm tragen, versucht dann, die Briefe zurückzuholen, forscht seine Bediensteten und Freunde aus. Es ist Hysterie pur, ein Wechselbad der Gefühle, bis sich am Ende alles auflöst: Er war als Trauzeuge bei der fremden Frau und hatte bei ihr Gelegenheit, seinen Onkel zu sprechen, der ihm nun die Erlaubnis gab, seine Freundin, eben die Briefpartnerin, zu heiraten. Am Ende des Buches wird dann die Hochzeit der beiden verkündet. Krank, aber gut geschrieben. Echt lesenswert.

 

Katja Behrens: Der kleine Mausche aus Dessau. Moses Mendelssohns Reise nach Berlin im Jahre 1743
Ein zentrales Ereignis in der Geschichte der deutschen und jüdischen Aufklärung: Der junge Moses Mendelssohn bricht aus Dessau nach Berlin auf, weil sein geliebter Lehrer David Fränkel als Rabbiner nach Berlin berufen worden war. Das Datum ist bekannt, die Reiseroute und die Erlebnisse des jungen Moses aber kaum.
Für Katja Brandis ist diese Reise nicht nur die Gelegenheit, unterschiedliche Gesellschaftsschichten, Religionsangehörige und Nationalitäten vorzustellen, denen ein Reisender in jenen Tagen in Preußen begegnen konnte, sondern vor allem auch das fast babylonische Sprachengeflecht, das zu dieser Zeit in den deutschen Ländern anzutreffen war. Moses' Muttersprache ist das "Judendeutsche", das Jiddische, auch spricht er recht gut Hebräisch, ist im Umgang mit biblischen und Gebetstexten erfahren. Das Hochdeutsche, die Sprache der Gelehrten und der Reichen, ist vom Jiddischen sehr klar unterschieden, und als er gar unterwegs einen hessischen Handwerksburschen trifft, mit dem er sich anfreundet und zusammenschließt, beginnen Gespräche im herrlichsten Kauderwelsch. Eine Begegnung mit einem Zigeunerpaar (Sinti, Roma?) und einer jüdischen Räuberbande, mit einem preußischen Soldaten und reichen Kaufleuten machen das Sprachmosaik perfekt. Der junge Moses hört zu, lauscht den unterschiedlichen Klängen uns ist fasziniert.
Dieses Reisebuch ist eine einzige große Liebeserklärung an die Sprache und die Vielzahl der Idiome, und die Autorin zeigt sehr schön, wie hier der Grundstein gelegt wird für die große Sprachkunst des späteren Bibel-Übersetzers und Philosophen Moses Mendelssohn. Ja, so könnte es wirklich gewesen sein, damals auf dem Weg von Dessau nach Berlin.

 

Elisabeth Steinkellner: Papierklavier
Eine Graphik Novel, ein Prosabuch mit Comiczeichnungen dazu, im Prinzip so etwas wie Gregs Tagebuch oder Dork Diaries für etwas Ältere. Eine sehr schöne Geschichte über eine 16-Jährige namens Maia und ihre Familie und ihre Freunde. Die Familie ist nicht besonders reich. Trotzdem lässt sich die Heldin nicht unterkriegen. Mit viel Humor kommentiert und hinterfragt sie Alltagserlebnisse und macht sich abseitige philosophische Gedanken über den Rest der Welt und die Leute, denen sie in ihrem Job Smoothies verkauft.
Ihre Schwester ist musikalisch unheimlich begabt, aber ein klavier kann sich die Familie nicht leisten. Und als die alte Nachbarin stirbt, die ihr immer Klavierstunden gegeben hat, bleibt ihr nur noch das Üben auf einer aufgemalten Tastatur, dem "Papierklavier"...
Das Buch sollte eigentlich den katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis bekommen. Aber da eine Freundin der Heldin eine "Frau mit Penis" ist, stellten sich die Bischöfe quer. Schade eigentlich. Aber andererseits: Ohne den Eklat hätte ich sicher gar nicht erfahren, dass es dieses Buch gibt. Und das wäre doch schade.

 

Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 6: Jahrgang 1947/1948 (Bocola)
Ja! Das war der erste Band, den ich noch nicht aus der Carlsen-Zeit kannte, und ich bin hin und weg davon. Zugegeben: Ein Ritter der Tafelrunde hat nicht allzu viel im vorcolumbianischen Nordamerika zu suchen, aber die Zeichnungen sind einfach nur genial. Schön auch, wie Forster sich anhand von Landschaftsaufnahmen und geologischen Thesen an die damalige Welt herantastet und versucht, die Niagara-Fälle von vor 1500 Jahren zu rekonstruieren.
Aleta, hochschwanger, zeigt sich erneut als große Staatsmännin und Völker-Lenkerin. Und dann ist da plötzlich dieser kleine Schreihals, der am Knauf des singenden Schwertes herumknabbert. Eisenherz ist Vater eines waschechten Amerikaners geworden, und er nennt ihn nach seinem Jugendfreund: Arn. Wieder in Europa zurück, hat er nichts Eiligeres zu tun, als seinen damaligen Rivalen um die Gunst der schönen Ilena aufzusuchen und ihn als Taufpaten einzuladen. Arn wäscht ihm gehörig den Kopf, dass er Aleta geheiratet hat. Schließlich hatten doch beide geschworen nie eine andere Frau als Ilena zu lieben. Doch schon krabbelt ein kleiner Hosenscheißer um die Ecke und straft seinen Vater lügen. Auch Arn ist verheiratet und gerade Vater geworden und nannte - oh Wunder - seinen Sprössling Prinz Eisenherz.

 

 

Juni

 

Christine de Pizan: Das Buch von der Stadt der Frauen
Die Autorin gilt als die erste Schriftstellerin, die von ihren Werken leben konnte, und das im Jahr 1405 fertiggestellte Buch von der Stadt der Frauen gilt als eines der ersten feministischen Werke der europäischen Literatur.
Als ich dieses Jahr erstmals von dem Buch hörte, war ich etwas vor den Kopf gestoßen. Ich hatte mich an der Uni mal mit literarischen und sozialen Utopien des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit befasst, mit Städten und Inseln wie Utopia, Nova Atlantis, Civitas Solis und Christianopolis, aber mir war diese "Cité des Dames" noch nie untergekommen. Als Entwurf einer Gegenwelt gehört sie doch mit dazu ... Nach der Lektüre muss ich aber sagen: Es ist vielleicht doch keine Utopie, es ist eher eine Sammlung von Berichten über tüchtige, kluge und ethisch vollkommene Frauen, nicht der Entwurf eines alternativen Landes.
Die Ich-Erzählerin, mit der sich Christine de Pizan wohl selbst identifiziert, berichtet, sie habe sich sehr geärgert über das frauenfeindliche Buch "Lamentationes Matheoli" von Matthaeus aus Boulogne-sur-Mer. Daraufhin erscheinen ihr drei Frauen, vielleicht eher Allegorien, die die Vernunft, die Rechtschaffenheit und die Gerechtigkeit verkörpern. Sie fordern die Autorin auf, die Stadt der Frauen zu gründen - nicht aus Stein und Holz, sondern auf dem Papier, in Form eines Buches.
Das Buch, das daraufhin entsteht, besteht aus drei Teilen, in denen jeweils eine der drei Besucherinnen der Schriftstellerin Frauen aus der Geschichte (wobei auch Mythologie und Bibel als historisch betrachtet werden) schildert, die besonders klug, rechtschaffen oder gerecht waren. Für jedes Laster, das in der Schmähschrift des Matthaeus den Frauen zugeschrieben wird, werden hier tadellose, herausragende Frauen vorgestellt, die die höchste Tugend und Bildung verkörperten.
Das Buch ist etwa spröde, und das Lesen dieser Kataloge tugendhafter Frauen kann auf Dauer durchaus etwas zäh werden. Aber es schadet nichts, das Buch mal gelesen zu haben und es jetzt als Nachschlagwerk im Regal stehen zu haben.

 

Walhalla: Die gesammelte Saga, Band 3:
- Die Schlange der Tiefe
- Freyas Halsschmuck
- Die Herausforderung des Riesen

 

Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 7: Jahrgang 1949/1950 (Bocola)
Sagte ich schon, dass Aleta eine Frau ist, die Wert darauf legt, dass ihr gehuldigt wird? Nun, die riesengroße Taufgesellschaft und den Erzbischof, der die Zeremonie vornimmt, verdanken die beiden Säuglinge Arn und Prinz Eisengerz zweifellos ihrem Talent, König Artus um den Finger zu wickeln. Jedenfalls ist es eine eindrucksvolle Szene. Zu erleben sind auch ein untalentierter Zauberer und ein Schloss voller vermeintlicher Monster, und Eisenherz bekommt einen neuen Knappen. Boltar, der poltrige Wikinger, wird von Aletas indianischer Dienerin gezähmt. Nachdem sie ihn mit dem Tod bedroht hat, ist er vollkommen verliebt in sie. Es gibt ein paar nette Gedanken aus der Perspektive des kleinen Arn, und Eisenherz erhält aufgrund eines fehlgegangenen Experiments mit Schießpulver kurzfristig eine neue Frisur. Aber dass Eisenherz aufbricht, um christliche Missionare nach Thule zu holen, nein, das halte ich für keine gute Idee.

 

Stefan Kruecken: Sturmwarnung. Das aufregende Leben von Kapitän Schwandt
Kapitän Schwandt ist vielen durch seine Artikel für die Hamburger Morgenpost bekannt, vor allem aber durch sein Eintreten gegen Fremdenhass und Nazis. Im Buch erzählt der Kapitän von seinem Leben, spart auch die unschöneren Seiten des Seefahrerdaseins nicht aus, redet über Alkohol, Tattoos, Handgreiflichkeiten und den Umgang untereinander an Bord. Aber da sind auch eher humorvolle, augenzwinkernde Geschichten wie das Kapitel "Als ich die MS Europa versenkte", da war der Kapitän gebeten worden, an einem modernen Simulator seine Steuermannskunst zu zeigen.
Ein Satz, den man sich wirklich einrahmen sollte: "„Auf meinen Reisen habe ich überall auf der Welt gute Menschen kennengelernt. Und auch ein paar Arschgeigen. Das hat nichts mit Hautfarbe, Pass oder Religion zu tun." Passt schon.
Lesenswert auch die ausgewählten Kolumnen, die am Ende des Buches mit abgedruckt wurden. Etwa die verzweifelte Suche nach einem ganz normalen Herrenfriseur. Oder über Blockflötenterror zur Weihnachtszeit.

 

 

Hörspiel

 

Sandra Doedter: Abenteuer und Wissen: Astrid Lindgren. Eine kunterbunte Welt
Astrid Lindgren, die Mutter von Pippi Langstrumpf und Ronja Räubertochter, von Michel aus Lönneberga und Karlson vom Dach, Gründerin von Bullerbü und Nangijala und überhaupt die beste Freundin aller Kinder, für deren Rechte sie auch vehement eintrat. Die Frau, die mit einem Märchen die schwedische Regierung stürzte ... Ich bin wie alle Kinder der 70er mit ihr aufgewachsen und habe mich später im Studium mit ihr befasst. Nun war das Wiedersehen beziehungsweise Wiederhören sehr schön. Die ersten Schritte eines Kindes auf einem Hof wie aus den Michel-Geschichten. Die Arbeit für die Lokalzeitung, die Beziehung zu ihrem Chef, aus der ein unehelicher Sohn entstammte. Der Wunsch der kranken Tochter: "Erzähl mir von Pippi Langstrumpf". Der Zweite Weltkrieg - und Lindgren in ihrem "Spionage-Job", als sie für die Regierung Briefe auswerten musste. Der Ruhm. Die vielen Schreiben ihrer Fans aus allen Ländern. Aber auch die nervenden schon tausendmal beantworteten Fragen der Journalisten: "Wie kam es zu Pippi Langstrumpf?", auf die sie irgendwann resigniert antwortete: "Wissen Sie es wirklich nicht?" Eine großartige, für Generationen prägende Schriftstellerin. Und auch eine gute Hör-Biografie. Hörenswert.

 

Berit Hempel: Abenteuer und Wissen: Leonardo da Vinci. Die Welt des Universalgenies
Spannend, informativ und mit vielen neuen Eindrücken. Für mich noch um einiges faszinierender als das Michelangelo-Hörspiel aus der gleichen Reihe, das ich kurz zuvor gehört hatte. Sicher weil ich über Michelangelo einfach schon wesentlich mehr weiß. Wusstet ihr, dass Leonardo Linkshänder war? Weil er beim Schreiben immer mit dem Handballen die Tinte verschmierte, kam er als Kind auf eine geniale Idee: Er schrieb einfach in Spiegelschrift, schon wurde nichts mehr verwischt. Seltsamerweise war er wesentlich mehr als Veranstaltungsmanager und Bespaßer seines Fürsten unterwegs und organisierte Festattraktionen. Auch Kriegsmaschinen hat Leonardo, der eigentlich absoluter Pazifist war, in Mengen entworfen. Überhaupt: Maschinen aller Art nahmen einen wesentlich größeren Raum in seinem Leben ein als das bisschen Malerei. Aber "das bisschen", dazu gehören immerhin das letzte Abendmahl und die Mona Lisa. Was für ein Bisschen!

 

Weiter Rückblick
Jahresrückblick I: Januar bis März 2021
Jahresrückblick III: Juli bis September 2021
Jahresrückblick IV: Oktober bis Mitte November 2021
Jahresrückblick V: Mitte November bis Dezember 2021

 

© Petra Hartmann




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Jahresrückblick I: Januar bis März 2021

Geschrieben von Petra , in Jahresrückblick 28 Dezember 2021 · 979 Aufrufe
Jahresrückblick
Tschau 2021, das war's ja wohl schon fast. Bleibt nur noch, ein bisschen zurückzublicken und meine Lesefrüchte Revue passieren zu lassen.
Kurz ein noch persönliches Resümee: Ich bin gesund, vollständig geimpft und geboostert, bin gut durch die Pandemie gekommen und hatte auch keinen Krankenhausaufenthalt, wie einige von euch nach Lektüre meines Weihnachtsmärchens "Die Botschaft" befürchteten. Die einzigen Spuren, die Corona an meinem Körper hinterlassen hat, sind meine extrem langen Haare - ich als bekennende Stoppelputzfrau war nämlich pandemiebedingt fast zwei Jahre lang nicht mehr beim Friseur ...
Ich schreibe immer noch für die Goslarsche Zeitung, die schönste Zeitung der Welt, dank der ich mir dieses Jahr sogar meinen alten Wunschtraum erfüllen konnte, einmal in einer Buchhandlung zu übernachten und darüber eine Reportage zu schreiben.
Was habe ich literarisch geleistet? Anfang Dezember habe ich meinen Indianerroman "Der Flug des Jungen Adlers" fertiggeschrieben. Jetzt muss ich das alles nur noch abtippen und einen Verlag dafür finden. Ansonsten habe ich eine neue Movenna-Geschichte verfasst, die nächstes Jahr in einer Anthologie über Met erscheinen soll. Meine Veröffentlichungen waren dieses Jahr überschaubar: Die Geschichte "Geisterreiter" erschien in der Anthologie "Tod des Helden", und das war's auch schon. Zurzeit läuft ein supertolles Projekt mit Thomas Hofmann und Ernst Wurdack, auch hier muss noch etwas abgetippt werden, hoffentlich hauen die beiden mich nicht, weil es so lange dauert ...
In der Hildesheimer Allgemeinen ist ein großer Artikel über mich erschienen.
Ich hatte in diesem Jahr neun Lesungen. Meist mit kleinem Publikum, aber vielleicht war es gerade deshalb so schön.
Ich habe meinen Twitter-Account verloren. Das tut immer noch weh, ging aber nicht anders.
Mein Blog hat die Zwei-Millionen-Aufrufe-Marke geknackt. Und ich habe jetzt eine Gastrezensentin: Meine Schwester Yvonne stellt in der Abteilung "Wonnes Welt" Bücher vor.

Schauen wir nun auf meine Leseliste des ersten Quartals 2021. Ich habe mich schwerpunktmäßig drei Kinder-Klassiker-Serien gewidmet: Ich setzte meine 2020 begonnene Lektüre der OZ-Bände fort, habe mir die Gesamtausgabe der "Fünf Freunde" von Enid Blyton zugelegt und lese mich nach und nach durch die Prinz-Eisenherz-Gesamtausgabe von Bocola hindurch. Spoiler: Die beiden letztgenannten Serien habe ich dieses Jahr noch nicht komplett geschafft. Man wächst mit seinen Aufgaben. Ansonsten gibt es wieder etwas Phantastik, Lyrik, Aufklärung, Helgoland und Indianerromane. Schaut doch mal rein, vielleicht ist etwas für euch dabei. :-D


Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.


Januar (14)

L. Frank Baum: OZ, Complete Edition 6: The Emerald City of Oz (e)
In dieser Geschichte bricht das materielle Elend der realen Welt in den Erzählkosmos Baums ein. Die Farm, auf der Dorothy mit ihrem Onkel und ihrer Tante lebt, ist überschuldet, die Familie muss den Hof aufgeben. In dieser Notlage beschließt Dorothy, die beiden alten Leute, die nie an Oz geglaubt haben, mit in ihre Wunderwelt zu nehmen. Den beiden gehen die Augen über, als sie die Smaragdstadt sehen. Allerdings, das Hofleben ist nichts für die beiden einfachen alten Herrschaften. Sie möchten gern arbeiten, was ihnen aber in Ozmas Palast abgenommen wird. So macht sich eine gewisse Schwermut unter ihnen breit. Ozma will sich etwas für die beiden ausdenken und schickt Dorothy und ihre beiden Angehörigen samt einiger altbekannter Begleiter zu einer Rundfahrt durch einige interessante Orte ihres Landes aus. Sie besuchen unter anderem eine Stadt, die von Papierpuppen bewohnt ist, die beim leisesten Windhauch davonfliegen, und sie treffen auf das Volk der Rigmaroles, das für seine extrem geschraubte Sprache bekannt ist. Anstatt einfach "Ja" oder "Nein" zu sagen, beantworten diese Leute jede Frage mit einem endlos verdrechselten Sermon, der im Prinzip auch nichts anderes als eine Bejahung oder Verneinung darstellt, aber einige Stunden dauert.
In der Zwischenzeit gibt es allerdings Probleme in der Smaragdstadt. Der böse Nomenkönig erinnert sich an die Niederlage, die ihm Dorothy und Ozma zugefügt haben, und beschließt, Oz mit einer wahrhaft furchterregenden Armee zu erobern. Da sie die tödliche Wüste nicht durchqueren können, tun die Nomen das, was sie am besten können: Sie graben einen Tunnel unter der Wüste hindurch, der genau unter Ozmas Palast enden soll. Zwar sieht Ozma dank ihres magischen Bildes, das ihr alle Vorgänge in Oz und der ganzen Welt zeigt, die herannahende Armee überdeutlich, aber sie ist nun einmal aus Prinzip gegen Blutvergießen, will also nicht kämpfen. Das Hin-und-Her zwischen Dorothys ahnungsloser Reisegruppe, den bösartigen Angreifern und den Beratungen im Kreise Ozmas ist ein klassisches Mittel, Spannung zu erzeugen, und funktioniert auch diesmal.
Am Ende löst sich die Sache dann recht einfach auf. Im Schlosshof, wo der Tunnel der Angreifer enden soll, steht ein Brunnen, dessen Wasser jeden, der davon trinkt, das Gedächtnis verlieren lässt. Mit Magie sorgen die Ozianer dafür, dass es die Angreifer unterwegs recht schön trocken und staubig haben, und als die Armee aus dem Tunnel stürzt, stürmen die Soldaten wie Verdurstende auf den Brunnen los. Allen voran der Nomenkönig. Alles vergessen, die Armee ist hilflos und wird von den freundlichen Ozianern ausgesprochen liebenswürdig nach Hause komplimentiert. Und auch für Dorothys Onkel und Tante findet sich schließlich noch etwas zu tun.
Dieser Band hätte eigentlich der letzte Band der Oz-Serie werden sollen. Darum beschreibt Baum, wie Glinda einen Zauber um das Land webt, damit Oz endlich Ruhe vor Eindringlingen von außen hat: Künftig ist das Land von einem magischen Schild umgeben, der es unsichtbar macht. Ende, Aus, Schluss, Vorbei mit den Reisen aus unserer Welt nach Oz. So dachte der Autor jedenfalls. Die Fans forderten jedoch so nachdrücklich noch weitere Fortsetzungen, dass er dann doch wieder zur Feder griff ...

Brita Rose-Billert: Sheloquins Vermächtnis

Eckhard Wallmann: Helgoland. Eine deutsche Kulturgeschichte
Eine unendliche Fleißarbeit, eine Lebensaufgabe geradezu hat der ehemalige Inselpastor Eckhard Wallmann da auf sich genommen. Eine Kulturgeschichte Helgolands von den frühesten Zeugnissen aus Antike und Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert, 672 Seiten stark, reich bebildert und mit ausführlichen Testauszügen aus den literarischen Betrachtungen über die Insel. Das Register des Buchs liest sich wie ein "Who's who?" der Literatur- und Kunstgeschichte vieler Jahrhunderte, denn wer immer seinerzeit Rang und Namen hatte, hat sich auf Helgoland blicken lassen, spätestens als sich die Insel zum mondänen Seebad entwickelte.
Das Buch ist ein sehr schönes Lesebuch und hat mich durch einen fünfwöchigen Lese-Urlaub auf dem roten Felsen begleitet. Ich habe viele alte Bekannte wieder getroffen, aber auch eine ganze Menge neue Autoren entdeckt. Schade fand ich nur, dass die Auswahl der ausführlicheren Leseproben sehr zu Ungunsten meines geliebten Ludolf Wienbarg ausgefallen ist, während etwa Fanny Lewald, die mehrfach auf der Insel weilte, einen ausgesprochen großen Raum erhält. Ich habe den Verfasser damals, als er sein Buch vorstellte, beim ersten Helgoländer Lesefestival getroffen und mit ihm auch über Wienbarg gesprochen. Ihm war Wienbarg zu nationalistisch, wie er erklärte, so fiel das Kapitel über ihn sehr schmal aus.
Dafür hat er, eine kleine Kostbarkeit, auch Theodor Mundts Helgoland-Schilderung abgedruckt. Als Mundt-Fan, der über den Jungdeutschen auch noch seine Doktorarbeit geschrieben hat, habe ich mich darüber natürlich ganz besonders gefreut. Heine ist Pflicht, natürlich, und Wallmann, der schon vor Jahren eine separate Veröffentlichung über Heine und Helgoland vorgelegt hat, lässt den Begründer der Nordseelyrik hier ausführlich zu Wort kommen. Ansonsten gab es viele Neuentdeckungen und sehr viel Lesenswertes. Das Buch ist eine wahre Fundgrube und sei jedem Helgoland-Fan ans Herz gelegt.

Markus Heitkamp: Die Reisen des jungen Haselhorn

Thorgals Jugend 8: Die zwei Bastarde

Werner Schneiders: Das Zeitalter der Aufklärung
Kompakte Übersichtsdarstellung aus der Reihe CH. Beck Wissen. Gut für Einsteiger geeignet, die sich einen ersten Eindruck verschaffen wollen. Bietet einen guten Überblick über die Aufklärung als europäische Bewegung und nimmt die Länder England, Frankreich und Deutschland in den Fokus.

L. Frank Baum: OZ, Complete Edition 7: The Patchwork-Girl of Oz (e)
Eigentlich hatte der Autor die Oz-Serie mit dem siebten Band enden lassen wollen. Doch die Fans schrieben ihm immer wieder Briefe und baten um Fortsetzungen. So entstand die Geschichte vom Patchwork-Mädchen.
Held der Geschichte ist ein Munchkin-Junge namens Ojo, der zusammen mit seinem Onkel in einer ziemlich einsamen und abgelegenen Gegend wohnt. Doch irgendwann beschließt der alte Onkel, den Zauberer Dr. Pipt zu besuchen. Der ist seit sechs Jahren dabei, ununterbrochen seinen Kessel umzurühren, um Lebenspulver zu schaffen, und wird just zu diesem Zeitpunkt fertig. Wir erinnern uns: Magie ist, sofern sie nicht von Glinda, Ozma oder dem Zauberer Oz ausgeübt wird, eigentlich verboten im Land, und das Lebenspulver hatte schon so seltsame Wesen wie den Gump, Jack Pumpkinhead und das Sägepferd zu Leben erweckt. Pipt jedenfalls braucht das Pulver, um für seine Frau eine Haushaltshilfe zu schaffen. Das neue Dienstmädchen, das die Frau schon mal vorgebaut hat, besteht in der Hauptsache aus einer alten Patchwork-Decke. Pipts Frau wählte dieses Äußere für die neu zu belebende Dienerin, damit sie nicht eitel werde, sondern schön demütig bleibe. Ojo, der dem neuen Mädchen etwas Gutes tun will, schüttet aber heimlich noch ein paar Zutaten ins Gehirn des Wesens, so erhält sie Verstand, Humor und eine gehörige Portion Eitelkeit.
Als Pipt das Konstrukt mit dem Pulver zum Leben erwecken will, passiert ein Unglück. Zwar wird die Fetzenpuppe tatsächlich lebendig, aber durch eine unbedachte Bewegung stürzt eine Packung Versteinerungspulver auf Pipts Frau und Ojos Onkel, die sofort zu Stein werden. Eine Prise Lebenspulver könnte die beiden zwar wieder zum Leben erwecken, aber der magische Stoff ist durch die Erschaffung des Patchwork-Märchens verbraucht. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder Dr. Pipt rührt weitere sechs Jahre in seinem Kessel, um neues Lebenspulver herzustellen. Oder: Ojo macht sich auf die Suche nach den Zutaten zu einem anderen Zaubermittel, dessen Rezept in einem von Pipts Zauberbüchern steht. Gebraucht werden: Wasser aus einem dunklen Brunnen, drei Haare vom Schwanzende eines Woozy, ein Tropfen Öl aus dem Gelenk eines lebenden Menschen, ein sechsblättriges Kleeblatt und der linken Flügel eines gelben Schmetterlings.
Ojo macht sich auf, die Zutaten zu suchen. Dabei wird er begleitet vom Patchwork-Mädchen, das sich nun Scraps nennt, und der gläsernen Katze des Doktor, die dieser vor Jahren schon mit Lebenspulver belebt hatte. Eine Weile läuft ihnen auch noch Dr. Pipts Grammophon mitsamt des vierbeinigen Grammophontischs hinterher, das versehentlich bei der Katastrophe eine Prise Lebenspulver abbekommen hatte.
Das Ganze lässt sich zunächst an wie eine 0815-Queste, hat aber durchaus ihre Besonderheiten, schon durch das verfolgende Grammophon und die Eitelkeiten des Patchwork-Mädchens. Schon bald treffen sie das gefürchtete Wesen Woozy, das irgendwie als "quadratisch" beschrieben wird und Menschen in Angst und Schrecken versetzen kann. In Wirklichkeit ist das Wesen jedoch harmlos und hilfsbereit und würde den Suchern gern drei Haare aus seiner Schwanzquaste überlassen. Allein: Das Tier ist zu stark und zu unzerstörbar, die Haare sitzen bombenfest. So bietet es an, die Wanderer zu begleiten, und auf diese Weise können sie tatsächlich drei Woozy-Haare mitnehmen, mitsamt dem daran hängenden Tier.
Unterwegs treffen sie auch den Shaggy-Man, der sich ihnen anschließt. Er verrät ihnen, dass es in der Nähe der Smaragdstadt zahlreiche sechsblättrige Kleeblätter gibt. Es sei zwar bei Strafe verboten, sie zu pflücken, doch man könne ja die Herrscherin Ozma um eine Ausnahmegenehmigung bitten. Leider ist Ojo ungeduldig. Als er unterwegs ein sechsblättriges Kleeblatt sieht, pflückt er es heimlich und steckt es ein. Dumm nur, dass Ozma nichts entgeht, was in ihrem Reich passiert. Als die Gruppe die Smaragdstadt erreicht, wird Ojo wegen des Kleeblattdiebstahls verhaftet.
Ojo kann schließlich seine Situation erklären, und Ozma verspricht Hilfe. Aber sie stellt auch klar, dass das Kleeblattpflückverbot kein dummes Gesetz ist, das man einfach übertreten darf. Es hat einen sehr ernsten Hintergrund: Sechsblättrige Kleeblätter sind eine starke magische Zutat für Zauber aller Art. Das Pflücken eines Kleeblatts ist also die Vorbereitung zum Übertreten des strengen Magieverbots und birgt in sich die Gefahr, dass da jemand heimlich (schwarze) Magie zu praktizieren beginnt.
Da eine Zutat ein Flügel eines gelben Schmetterlings ist und Gelb die Farbe des Winkie-Landes, begibt sich die Gruppe nach Westen, ins Land des zinnernen Holzfällers. Unterwegs finden sie auch noch den dunklen Brunnen, dessen Wasser für den Zauber gebraucht wird. Und als sie den zinnernen Holzfäller treffen, der gerade seine Gelenke ölt, damit sie nicht rosten, ist klar, woher sie die Zutat "ein Tropfen Öl aus dem Gelenk eines lebendigen Mannes" bekommen. Fehlt nur noch die allerletzte Zutat.
Doch nun stoßen sie auf eine Barriere, die sich nicht umgehen lässt: das gute Herz des zinnernen Holzfällers. Um einen gelben Schmetterlingsflügel zu bekommen, müssten sie einem Tier einen Flügel ausreißen. Der Holzfäller, der sonst alles für Hilfesuchende tun würde, verbietet ein für alle Mal, einen seiner Schmetterlinge zu töten oder zu verletzen. Damit ist jede Möglichkeit, das Gegenmittel herzustellen zunichte gemacht.
Niedergeschlagen kehrt der Suchtrupp zurück in die Smaragdstadt. Doch hier ist inzwischen Glinda, die Dea ex Machina von Oz, angekommen. Und für die gute Hexe ist es ein Leichtes, den Versteinerungszauber wieder aufzuheben. Glinda erweckt Onkel Nunkie und die Frau von Dr. Pipt wieder zum Leben, dem Doktor selbst aber nimmt sie all seine magischen Fähigkeiten. Ende gut, alles gut.
Die Geschichte ist nett erzählt, hat durch Scraps und eine sich andeutende Beziehung des Patchwork-Mädchens mit der Vogelscheuche sogar einen kleinen romantischen Aspekt, bietet sehr viel Humor und hat durch die Idee, dass der Holzfäller die allerletzte Zutat einfach verweigert, sogar eine kleine Besonderheit im ewig gleichen Heldenreisen- und Artefaktsuche-Plot zu bieten. Die Auflösung, dass am Ende Glinda einfach nur ein bisschen Hokuspokus macht und alles ist Friede-Freude-Eierkuchen, ist allerdings ziemlich billig und enttäuschend. Schade.

Walhalla. Die gesammelte Saga, Band 1
- Der Wolf ist los
- Thors Brautfahrt
- Odins Wette

Sprüche der Väter. Das Weisheitsbuch im Talmud (Reclam)
Die Vätersprüche sind das bekannteste Buch des Talmud, und die jetzt neu erschienene Reclam-Ausgabe wird das ihrige tun, um die Sammlung weiter zu verbreiten. Es geht um Lehrsätze bekannter Toralehrer, um Bibel-Auslegung, religiöse Fragen, aber auch um ganz alltägliche Begebenheiten, die unter Gesichtspunkten der Ethik betrachtet werden, allgemeine Lebensrichtlinien und mehr. Das Ganze ist mit einem umfangreichen Kommentarteil versehen und enthält zusätzlich ein Glossar. Sehr interessant ist das Nachwort, in dem unter anderem Parallelen des Talmud zur Stoa herausgearbeitet werden. Lesenswert.

Walhalla. Die gesammelte Saga, Band 2
- Quark trumpft auf
- Im Land der Riesen
- Die goldenen Äpfel


Hörspiel

Sandra Pfitzner: Abenteuer und Wissen: Michelangelo. Einsamer Rebell mit Pinsel und Meißel
Biographie eines Ausnahmekünstlers und seiner faszinierenden Werke. Hempel zeigt den Maler und Bildhauer in seiner Liebe zur Kunst und seiner Begeisterung, aber auch in seiner Schroffheit. Einen Künstler, der bedeutend genug war, auch Päpsten die Stirn zu bieten, einen glühenden Republikaner, der seinen David als Kämpfer für die Freiheit schuf und der doch Zeit seines Lebens von den Geldbeuteln reicher Familien, vor allem der Medici, abhängig blieb. Im Hintergrund lebt immer noch das Bild des Bußpredigers Savonarola und sein tragisches Ende weiter, eines Mannes, den Michelangelo nie vergessen hat. Aber es gibt auch liebenswürdige Anekdoten, wie die Geschichte des Fauns, den der junge Künstler zuerst mit vollkommenem Gebiss gemeißelt hatte und dem er dann nach einer Kritik seines Förderers die Zähne einschlug. Oder die Geschichte, wie Michelangelo den ersten Schneemann (oder zumindest einen der ersten Schneemänner) schuf. Sehr schön.

Berit Hempel: Abenteuer und Wissen: Ernest Shackleton. Gefangen im Packeis
Wie einige von euch wissen, wollte ich als Kind ja mal Polarforscher werden ... ;-)
Die Geschichte der Shackleton-Expedition ist eines der faszinierendsten Antarktis-Abenteuer. Ich lernte sie damals durch Arved Fuchs und seine Endurance-Tour auf Shackletons Spuren kennen und habe nicht nur Fuchs' Buch über die Antarktis-Expedition Spuren gelesen, sondern auch die Bücher des Expeditionsleiters Shackleton selbst und einiger anderer Beteiligter.
Geplant war eigentlich eine Durchquerung der Antarktis zu Fuß. Doch das Schiff, die "Endurance", scheiterte und wurde von den Eismassen zerquetscht. Shackleton schaffte es, seine Crew rund zwei Jahre lang nach dem Untergang seines Schiffs zusammenzuhalten und schließlich alle unversehrt nach Hause zu bringen. Eine Leistung, die vor allem seinen Fähigkeiten als Führungspersönlichkeit und Psychologe geschuldet war. Schon bei der Auswahl seiner Mannschaft achtete er weniger auf Qualifikation als auf Persönlichkeit und Teamfähigkeit und darauf, eine gruppe aus möglichst unterschiedlichen Individuen und zum Teil seltsamen Charakteren zu schaffen. Legendär ist seine Frage, ob der Betreffende denn auch singen könnte. Einen Mann hat er einfach nur mitgenommen, weil er so lustig aussah. Als die Mannschaft dann im ewigen Eis festsaß, zahlte sich diese Arte der Auswahl aus. Es gab Theateraufführungen, Gesang, Gedichte, auch in der Extremsituation blieb die Mannschaft mental gesund, niemand drehte durch ...
Sehr schön war, dass Arved Fuchs als späterer Leiter einer Shackleton-Gedächtnis-Expedition aus eigener Erfahrung über die Gegebenheiten vor Ort sprechen konnte. Einiges versteht man sicher besser, wenn man vor Ort gewesen ist, und so konnte Fuchs auch Entscheidungen Shackletons nachvollziehen, die er zuvor rätselhaft fand.



Februar

Frederik Hetmann: Moses. Die Entdeckung Gottes
Ich bin ja ein großer Fan von Frederik Hetmann und mit seinen Jugendbüchern aufgewachsen, die irgendwie immer ein bisschen "anders" waren als andere Jugendbücher, etwas anspruchsvoller und anspruchgebender, politisch, wissenschaftlich, aufklärerisch. Dieses hier ist ganz besonders anders. Tatsächlich ist es für ein Jugendbuch ein ziemlich unerhörtes Buch, denn es tritt zwar zunächst in der Verpackung eines historischen oder biografischen Romans für junge Leser auf, begeht aber dann ein großes Wagnis und eine "Zumutung" für Leute, die einfach nur ein bisschen Zerstreuung und Abenteuer in einem Buch suchen: Der Autor legt, bevor er zu erzählen beginnt, seine Quellen offen, stellt ausführlich seine wissenschaftliche Basis dar, diskutiert historische Ereignisse, Überlieferungen und politische Hintergründe, sodass der Leser beinahe "übervorbereitet" ist, wenn die tatsächliche Erzählung anhebt.
Das Buch gliedert sich in drei etwa gleichberechtigte Teile. Teil eins legt dar, was wir aus der Bibel über Moses wissen, sondiert das Quellenmaterial, gleicht Informationen mit einander ab, erzählt auch davon, wie der Auszug aus Ägypten noch heute von Juden mit dem Pesach-Fest gefeiert wird. Teil zwei befasst sich mit wissenschaftlichen Forschungen, etwa mit der Textinterpretation und archäologischen Funden, mit der zeitlichen Einordnung der beschriebenen Ereignisse und ihrer Plausibilität, aber auch mit der These "Moses gab es nicht" und damit, dass Moses möglicherweise ein Ägypter gewesen sein könnte. Erst nach diesen beiden Vorbereitungsschritten hebt der dritte Teil an, eine romanhafte Biographie und Abenteuer-Geschichte über einen jungen Mann aus Ägypten, der eine besondere theologische Sendung hat. Und jeder Leser weiß dabei, wo der Autor sichere Quellen hat, was er warum dazu erfand und wieso er die Geschichte so und nicht anders erzählt. Ein faszinierender Ansatz. Und das in einer Zeit, in der wir selbst bei erwachsenen Lesern immer wieder überlegen: Ist das zu kompliziert, ist das zu anspruchsvoll, müssen wir es noch mehr vereinfachen, damit der Leser sich beim Lesen bloß nicht die Mühe machen muss, ein wenig nachzudenken oder die Wikipedia aufzurufen? Im Zeitalter der Übersimplifizierung ein schöner Ansatz. Auch und gerade im Jugendbuchbereich.
Hetmann lässt einen hebräischen Schreiber die "wahre Geschichte des Moses" aufzeichnen. Ein Papyrustext, der später an der Westmauer des Jerusalemer Tempels entdeckt und auf Umwegen in die Hände des Autors gelangt, so die Erzählfiktion.
Der Schriftsteller macht Moses in seinem Roman zu einem Sohn der Pharaonin Hatschepsut, einem geheimen Seitensprung mit einem einflussreichen Hebräer, einem Kind, auf dem besondere Hoffnungen der Herrscherin ruhen. Die Geschichte mit dem im Nil treibenden Körbchen, in dem der Knabe anlandet, wird zu einer großartig inszenierten Show für das Volk, Moses soll zum Kronprinzen erhoben werden. Später wird er gezeigt als kritischer Schüler, der die alten Mythen hinterfragt, und als Leiter einer bedeutenden Expedition ins Goldland Punt. Doch dann gibt es eine Palastrevolution, Hatschepsut wird vergiftet, ihr Sohn gefangengesetzt. Moses kann fliehen. In der Wüste findet er zu Gott. Dem einen.
Hetmann erzählt, wie Moses die Hebräer als sein Volk wählt und sie aus Ägypten führt. Er erzählt auch von Moses' Vater, der seinen Sohn unterstützt. Aber der Haken an der Sache ist, dass Moses an diesen gefundenen einen Gott wirklich glaubt ...
Faszinierendes Stück Jugendliteratur. Es sollte mehr davon geben.

L. Frank Baum: OZ, Complete Edition 8: Tik-Tok of Oz (e)
Achter Band der Abenteuer aus Oz, die der Verfasser ja eigentlich schon mit Band sechs beenden wollte. Diesmal gibt es eine neue Heldin aus der Menschenwelt, die in Oz ankommt. Statt um Dorothy dreht es sich diesmal um die junge Betsy Bobbin, die aufgrund eines Unwetters zusammen mit ihrem treuen Maultier Hank an der Küste des Zauberlands angespült wird. Aucht Tik-Tok, der Kupfermann spielt eine gewisse Rolle, aber warum er Titelheld dieses Buchs wurde, bleibt mir schleierhaft.
Das Buch hebt an mit einem ganz anderen Handlungsstrang: Königin Ann aus Oz' Nachbarland Oogaboo will Oz erobern und stellt eine Armee auf. Das ist recht lustig, da sie für jeden Armee-Angehörigen einen prunkvollen Dienstrang vergibt und am Ende 16 Leiterlinge hat, aber nur einen einzigen Soldaten. Der wollte allerdings unbedingt normaler Soldat sein, weil er Heldentaten vollbringen möchte und nicht bloß hinten stehen und rumkommandieren. Glinda erfährt jedoch rechtzeitig von den Angriffsplänen und verzaubert den Weg, sodass die Truppe sich verläuft und in einem einsamen, feuchtkalten Nebelland ankommt.
Betsy und Hank sind derweil in einem Land gestrandet, in dem Rosen leben. Es sind ziemlich feindselige Pflanzen, die von den Fremden nicht viel halten und die Besucher aus dem Land vertreiben bzw. töten wollen. Das ist Aufgabe des einzigen Menschen in diesem Land, des Gärtners. Doch als er das Urteil der Rosen gerade vollstrecken will, plumpst plötzlich der Shaggy Man ins Rosenland, dorthin gezaubert durch Ozmas Zaubergürtel. Der Shaggy Man ist auf der Suche nach seinem Bruder, der vermutlich Gefangener des Nomenkönigs ist.
Der aus der "Straße nach Oz" bekannte Herz-Magnet des Shaggy Man zeigt sofort Wirkung: Der Gärtner wendet ihm seine Sympathie zu, die Rosen jedoch, die keine Herzen haben, bleiben unbeeindruckt. Dorothy, Hank, der Shaggy Man und Ozga, die Rosenkönigin, die die Besucher abgepflückt haben, verlassen das Land. Kurz danach treffen sie Polychrome, die Tochter des Regenbogens, die sich mal wieder auf dem Erdboden verirrt hat und nun warten muss, bis sie ihren Vater wieder am Himmel sieht, um heimzukommen. Außerdem finden sie in einem Brunnen Tik-Tok, den der Nomenkönig dort hinein geworfen hat. Sie holen ihn aus dem Loch, ziehen ihn auf, und der Maschinen-Man ist sofort wieder denk, sprech- und kampffähig wie zuvor. Wenig später begegnen sie Königin Ann und ihrer Armee. Die Königin befiehlt, dass sie alle gefangen und gebunden werden sollen. Aber der ehrenhafte Soldat weigert sich standhaft, Mädchen zu fesseln, und quittiert den Dienst.
Im Gespräch mit der Gruppe erfährt die Königin vom reichen unterirdischen Reich des Nomenkönigs und beschließt, dass es sinnvoller sei, dieses Land zu erobern, als Oz zu unterwerfen. Tik-Tok stellt sich ihr als neuer Soldat zur Verfügung.
Der Nomenkönig erfährt vom Herannahen der Gruppe. Er ist inzwischen geheilt vom Vergessenstrank, den er im 6. Band geschluckt hat. Um die lästigen Eindringlinge loszuwerden, sorgt er dafür, dass sie sich in ein Gummiland verirren und dann durch einen Tunnel in ein anderes Land stürzten, wo der furchtbare Titti-Hoochoo regiert. Dieser hasst Eindringlinge und geht gewöhnlich ziemlich unliebenswürdig mit ihnen um. Was der Nomenköng allerdings nicht erwartet: Die Gruppe kann Titti-Hoochoo erklären, dass sie gar nicht freiwillig durch die Röhre plumpste und dass der Nomenkönig schuld daran ist. Titti-Hoochoo, der über Kräfte verfügt, die selbst dem Nomenknönig Angst machen, beschließt, diesen zu bestrafen, und schickt sie in Begleitung eines Drachen wieder nach oben. Der Drache trägt ein besonderes Halsband, das den Nomenkönig, sowie er seiner ansichtig wird, seiner Zauberkräfte beraubt. Außerdem hat er sechs Eier bei sich, vor denen Nomen tödliche Angst haben (siehe Buch drei der Serie). Der Nomenkönig wird besiegt und aus dem Land verbannt, wobei die sechs Eier immer hinter ihm herrollen.
Der neue Nomenkönig zeigt der Gruppe, wo der Bruder des Shaggy Man zu finden ist. Er wird in einem unterirdischen Wald gefangen gehalten und ist obendrein noch mit dem Fluch der Hässlichkeit belegt. Nur ein Kuss kann diesen Bann brechen. Doch nicht jeder kann den richtigen Kuss geben. Als Betsy es versucht, passiert nichts. Auch Ozga als ehemaliges Feenwesen kann nichts ausrichten. Erst der Kuss der Regenbogentochter Polychrome löst den Zauber.
Inzwischen bittet der alte Nomenkönig um Gnade. Kein Nome kann außerhalb der Unterwelt glücklich leben. Er wird wieder eingelassen unter der Bedingung, dass er sich benimmt.
Zuletzt ist großes Nach-Hause-Gehen angesagt. Polychrome findet den Regenbogen. Die Oogaboo-Leute und die Ozianer werden per Wunschgürtel in die Smaradgdstadt geholt. Wobei auch Betsy Bobbin, Maultier Hank und der Bruder des Shaggy Man in Oz bleiben dürfen.
Es gibt ein großes Fest, und Betsy lernt Dorothy kennen und wird ihre Freundin.
In diesem Buch erklärt Baum auch endlich, warum alle Tiere in Oz sprechen können, nur Toto nicht. Es hatte wohl ziemlich viele Leserbriefe zu dem Thema gegeben. Jedenfalls stellt Dorothy sich die Frage jetzt auch, und Ozma meint nur lächelnd, warum sie denn glaube, dass Toto nicht sprechen könne. Toto lässt sich schließlich beknien, unter der Bedingung, dass sie ihn danach nie wieder zum Sprechen auffordere, und erklärt in fließendem Menschisch, natürlich könne er sprechen, er habe bloß keine Lust dazu, und es sei ihm zu blöde. Und dann bellt und knurt er weiter. Alles Hundebrauch.
Insgesamt ein ziemlich durchschnittliches Buch. Einiges Hin und Her, seltsame Geschöpfe, bekannte Gesichter, und zum Schluss wird der Wunschgürtel eingesetzt. Kann man lesen, muss man aber nicht.


Diana Menschig: Jaspers Reise zur Erkenntnis. Eine Herbstlande-Novelle

Enid Blyton: Fünf Freunde erforschen die Schatzinsel
Letztes Jahr hatte ich ja die Abenteuer-Serie durchgekaut. Da war es jetzt einfach Zeit, sich auch mal Enid Blytons größtem Klassiker zu widmen: Den fünf Freunden. Vorweg: Ich habe die Serie als Kind nicht gemocht, weil ich massive Vorbehalte gegenüber George hatte. Das Mädchen, das ein Junge sein wollte, hat mich immer wieder verärgert, weil die Message, die bei mir ankam, lautete: Es ist nicht in Ordnung, ein Mädchen zu sein. Ganz ehrlich: Ich bin als Kind auf Bäume geklettert, habe mich im Wald herumgetrieben, hatte immer mein Taschenmesser in der Hose, aufgeschlagene Knie, trug unaufwändige, leicht zu reinigende Kleidung, fiel alle Nase lang in unseren Dorfbach und kam mit triefenden, schlammverschmierten Klamotten nach Hause, habe auch schon mal zugehauen, wenn mich jemand angriff ... Aber ich hatte nie das Bedürfnis, ein Junge zu sein, das alles kann man als Mädchen schließlich genau so. Da muss man nicht so tun, als seien Jungs irgendwelche höheren Wesen. Also, kurz und gut: Ich fühlte mich von George massiv beleidigt. Zumal dieses quietschige Furchtmädel Anne als weibliches Rollenmodell ja nun wirklich zu nichts etwas taugt.
Naja, abgesehen davon muss ich zugeben, dass mich jetzt beim (Wieder-)Lesen die Serie nachhaltig beeindruckt hat, auch und gerade durch die doch sehr ausgefeilte Charakterzeichnung Georges. Mein vorläufiges Zwischenfazit ist, dass die Serie tatsächlich Blytons beste ist.
Da ich einen leichten Vollständigkeitskomplex habe, habe ich mir gleich die Gesamtausgabe zugelegt: Eine schöne Sammeledition mit elf Bänden im Schmuckschuber, darin enthalten sind 21 Romane und acht Kurzgeschichten, zum Gesamtpreis von 49,99 Euro, ein absolutes Schnäppchen also. Woran man sich gewöhnen muss, sind die Namen. Julian heißt in dieser Ausgabe Julius, George heißt Georg, Dick ist Richard, Timmy ist Tim. Bei Anne bin ich nicht ganz sicher, ob ich sie als Ann kennengeleint habe.
Das erste Abenteuer erzählt, wie die vier beziehungsweise fünf Freunde sich kennenlernten. Die Geschwister Julius, Richard und Anne werden von ihrer Mutter über die Ferien zu Verwandten ans Meer geschickt. Der wunderliche und hochgelehrte Onkel Quentin und seine Frau Fanny nehmen die drei auf. Die Tochter der beiden heißt Georgina und wird sofort fuchsteufelswild, als sie von den Neuankömmlingen mit diesem Namen angeredet wird. Georg erweist sich als tougher Freund, hat allerdings auch das explosive Temperament Quentins geerbt. Und sie besitzt drei faszinierende Dinge bzw. Lebewesen: eine Insel, die sie von ihrem Großvater geerbt hat, ein Boot, um zur Insel hinauszufahren, und den Mischlingshund Tim, den sie allerdings vor Quentin verstecken muss.
Langsam wächst die Freundschaft zwischen den Geschwistern und ihrer wilden Cousine. Schließlich nimmt George ihre Freunde mit auf ihre Insel. Im alten Piratenschiff entdecken sie eine geheime Karte und den Hinweis auf verstecktes Gold, das in der Burgruine zu finden sein soll. "Ingots" nannte Blyton das. Das musste ich erstmal googeln. Es heißt soviel wie Barren. Eine abenteuerliche Suche beginnt. Allerdings: Es stellt sich heraus, dass die Kinder die Insel nicht für sich allein haben ...

Enid Blyton: Fünf Freunde auf neuen Abenteuern
Die drei Geschwister Julius, Richard und Anne sind wieder zu Besuch bei ihrer Cousine George. Sie verbringen die Weihnachtsferien dort. Allerdings sind es keine reinen Ferien, denn da die beiden Jungen während der Schulzeit krank geworden sind, soll nun ein Hauslehrer sie unterrichten. Auch George, die ihr erstes Schulhalbjahr hinter sich hat und teilweise sehr schlechte Leistungen erbrachte, soll in den Genuss dieses Nachhilfeunterrichts kommen. Allerdings blockiert sie vollkommen, als der Lehrer sie als "Georgina" anredet. George ist bockig und redet nicht mit dem Lehrer. In der Folge wird George mehr und mehr isoliert und gequält. Ihr wunder Punkt ist ihre Sorge um Timmy, und durch diesen Hund wird sie erpressbar. Ihre Erziehungsberechtigten beschließen, dass Timmy so lange draußen in der Kälte bleiben muss, bis Georgina sich unterwirft. Der Hund geht beinahe an einer Lungenentzündung zugrunde, bis George sich überwindet und wieder am Unterricht teilnimmt. Enid Blyton exerziert hier den alten Autoren-Grundsatz durch: "Tu deiner Hauptfigur weh." Sie spannt dabei den Bogen, bis er fast bricht. Und erschwerend kommt noch hinzu, dass die anderen drei Kinder den Hauslehrer eigentlich ganz in Ordnung finden und sich von ihm einwickeln lassen. Da ist es am Ende außerordentlich befriedigend, wenn sich am Ende des Abenteuers, das natürlich wieder mit einem Geheimgang zu tun hat und mit aus Onkel Quentins Labor gestohlenen Papieren, herausstellt, dass der Mann ein Schurke ist. Da hatten Timmy und George, die ihn von Anfang an nicht leiden konnten, den absolut richtigen Riecher.

Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 1, Jahrgang 1937/38 (Bocola)
Das musste jetzt einfach mal sein. Prinz Eisenherz in der Bocola-Ausgabe, jeweils zwei Jahrgänge in einem Hardcover-Band. Ich bin damals in den 90ern irgendwann in der Carlsen-Ausgabe stecken geblieben. Mal sehen, wie weit ich diesmal kommen.
Die Ausgabe macht nicht nur optisch eine Menge her, sie bietet auch jeweils in den Einleitungen tolle Hintergrund-Informationen und Material zur Einordnung und Entstehung der Storys. Der erste Band erzählt von Eisenherz' Kindheit und Jugend in den Sumpflanden, der Hexe und ihrem Sohn, man erlebt die ersten Reitversuche des Prinzen (herrlich das Bild mit dem Sturz vom Pferd), dann erste Abenteuer am Artushof, die Freundschaft mit Gawain. Ich liebe ja die Geschichte, in der Eisenherz sich mit einer abgezogenen Entenhaut als Dämon verkleidet und eine ganze Raubritterburg in Angst und Schrecken versetzt. Und dann ist da noch die Entführung Ilenes, die großartige Zeichnung, auf der Eisenherz auf der Bordwand steht und die Laute schlägt. Das tragische Ende der ersten großen Liebe. Und natürlich das singende Schwert. Ein schönes Wiedersehen.

Enid Blyton: Fünf Freunde auf geheimnisvollen Spuren
Julian, Dick und Anne kommen in den Ferien erneut zu Besuch zu ihrer Cousine George. Doch die geplanten Ferien mit Ausflug zur Felseninsel fallen beinahe ins Wasser, als Tante Fanny erkrankt und ins Krankenhaus muss. Onkel Quentin reist ihr hinterher, um sie zu betreuen. Und die Kinder bleiben zurück unter Aufsicht der garstigen neuen Angestellten. Sie und ihr schrecklich unerzogener Sohn führen sich auf wie kleine Tyrannen, schikanieren die Kinder und versuchen obendrein auch noch Timmy zu vergiften. Da machen die Freunde kurzen Prozess, schnappen sich Georges Boot und einige Vorräte und hauen einfach ab. Es geht zur Felseninsel, wo sich die Kinder in ihrer Ruine einnisten. Allerdings: Es verdichten sich die Anzeichen, dass sie nicht allein auf der Insel sind. Und schließlich finden sie heraus, warum die böse Frau sie nicht zur Insel fahren lassen wollte. Ihr Mann hält hier ein Kind versteckt, das er entführt hat. Klarer Fall, dass die Freunde das Kind befreien und für die Verhaftung der sauberen Familie sorgen.

Enid Blyton: Fünf Freunde auf Schmugglerjagd
Die Freunde hatten sich so auf die gemeinsamen Osterferien gefreut. Aber dann fällt ein Baum auf das Haus von Onkel Quentin, Tante Fanny und George. Dort können sie nun nicht mehr bleiben. Aber ein Wissenschafts-Kollege von Onkel Quentin, dessen Sohn zugleich ein Schulfreund von Julian und Dick ist, bietet ihnen eine Unterkunft in einem unheimlichen Schloss im Moor, das einst ein Schmugglerzentrum gewesen sein soll. Dass der Wissenschaftler eingeschworener Hundefeind ist, macht die Sache nicht gerade einfacher, aber George schafft es, ihren Timmy mit einzuschmuggeln. Ein alter Geheimgang - Blytons Lieblingszutat zu ihren Abenteuerbüchern - eröffnet hier großartige Möglichkeiten. Und dann kommen die Kinder einer rätselhaften Sache auf der Spur. Jemand gibt vom Burgturm aus geheimnisvolle Signale ins Moor ab. Offenbar gibt es hier noch immer Schmuggler. Und Onkel Quentin, der einen großartigen Plan entworfen hat, wie man das Moor trockenlegen und nutzbar machen kann, kommt den Verbrechern in die Quere. Sie kidnappen ihn kurzerhand. Aber die Männer haben nicht mit dem Spürsinn der Kinder und vor allem Timmys gerechnet. Bei einer dramatischen Suchaktion und Begegnung in den Geheimgängen ist Timmy der Held des Tages. Doch dann gerät der Hund selbst in Gefahr ...


Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 2: Jahrgang 1939/40 (Bocola)
Ebenfalls optisch und inhaltlich sehr schön, versehen mit einem gehaltvollen Vorwort. Es geht um den Kampf gegen die Hunnen und den eindrucksvollen Fall der Festung Camorans, wir lernen den flinken kleinen Ganoven Flitz kennen, den grausamen Tyrannen Piscaro, den finsteren Kalla Khan und die schöne Hulta, schließlich ist da noch ein vermeintlich böser Riese, der um sich her ein Paradies für Arme geschaffen hat. Das Album berichtet auch, wie Eisenherz seine besondere Stahlkette bekam, neben dem singenden Schwert sein wichtigstes Ausrüstungsstück. Außerdem hat dieser Doppeljahrgang eindrucksvolle Bilder des Vesuv zu bieten.


Enid Blyton: Fünf Freunde beim Wanderzirkus
Einen kleinen Kulturschock habe ich doch bekommen, als ich von "Wohnwagen" gelesen habe und dann feststellte, dass es möglich ist, sie von Pferden ziehen zu lassen. Campingfahrten in mobilen Häuschen sind also keine Erfindung des Automobilzeitalters. Wieder was dazugelernt.
Diesmal sind die Freunde in den Ferien nicht bei George, sondern im zu Hause von Julian, Dick und Anne. Als ein Wanderzirkus durch die Stadt kommt, freunden sie sich mit einem Zirkusjungen namens Nobby an, der mit seinem zahmen Schimpansen ebenso vertraut ist wie George mit ihrem Timmy. Der Anblick der Zirkuswagen inspiriert George zu der Idee, man könnte doch mal mit solchen Wagen eine Ferientour machen. Die Kinder erhalten die Erlaubnis dazu, und die Eltern von Julian, Dick und Anne, mieten für die Kinder zwei Pferde und zwei Wagen. Sie fahren durch die Landschaft, lassen sich an einem schönen See nieder, wo sie auch die Zirkusleute und ihren Freund Nobby wiedertreffen. Nobby ist ein Waisenkind, und sein Vormund ist ein ziemlich übel gelaunter aggressiver Mistkerl, der die Kinder vom Zirkusgelände vertreibt. Eigentlich will er sie auch ganz des Ortes verweisen, aber die Kinder bleiben in der Nähe. Dass sie Nobbys Vormund damit ganz gehörig in die Quere kommen, merken sie erst später. Denn einer der beiden Wohnwagen parkt genau über den versteckten Eingang zu einer Höhle, in der Nobbys Vormund das Diebesgut versteckt, das er während der Touren des Zirkus zusammenklaut. Die Kinder und Nobby kommen dem Dieb auf die Spur. Am Ende wird der Mann verhaftet, und Nobby findet gute Adoptiveltern.



März

Christel Scheja und Uta Hesse: Im Bann der Wilden Jagd

Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann
Ein absolut liebenswertes, zauberhaftes Buch, das von einer vollkommen absurden Idee ausgeht: Immer, wenn die alte Selma von einem Okapi träumt, stirbt innerhalb des nächsten Tages ein Mensch aus dem Dorf. Jetzt hat sie erneut diesen Traum. Und obwohl es eigentlich niemand weitersagen soll, verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Alle haben Angst, nur einer wartet schon lange auf den Tod, doch gerade ihn trifft es nicht. Dazwischen: Eine junge Frau, Selmas Enkelin, die sich in einen buddhistischen Mönch verliebt, der auf dem Weg nach Japan ist. Ihr Vater, der in der Welt herumreist und seiner Familie einen Husky hinterlässt. Ein älterer Herr, der es seit Jahrzehnten nicht über sich bringt, einer Frau seine Liebe zu gestehen. Ein Sägeattentat auf den Hochsitz eines aggressiven Nachbarn - samt Rettungsaktion mit Klebstoff und Nägeln. Es ist zart, phantastisch, philosophisch, irre und zauberhaft zugleich und in einem wunderschönen Sprachrhythmus geschrieben. Und dann sieht der weltreisende Vater tatsächlich ein echtes Okapi ...

Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 3: Jahrgang 1941/42 (Bocola)
Der dritte Doppelband der Prinz-Eisenherz-Abenteuer. Erneut opulent ausgestattet, mit Bildern zum Träumen und einem gehaltvollen Vorwort. Dieser Band bietet nicht nur die erste Begegnung mit Eisenherz' Geliebter Aleta, der Königin der Nebelinseln, sondern auch eine Feier seines 18. Geburtstags. An Bildern ist mir vor allem der beeindruckende Riesenkrake im Brunnen in Erinnerung geblieben und die Flucht der schönen Prinzessin Melodia mit dem schlanken Kapitän Hektor in Eisenherz' Boot. Und dann natürlich die afrikanischen Abenteuer: Die Begegnung mit dem Gorilla und dem Elefanten war schon überwältigend. Ich glaube, zu der Zeit hatte ich in meiner Jugend auch das Jugurtha-Album mit der Afrika-Fahrt auf Hannos Spuren gelesen, das passte sehr gut zusammen. Außerdem fällt ein kleiner Schatten auf die Freundschaft zwischen Eisenherz und Gawain. Weil Gawain noch ein bisschen länger feiern und turteln will, bricht Eisenherz allein zum Kundschaftergang auf. Er soll überprüfen, ob der alte Römerwall im Norden noch in Ordnung ist und zur Verteidigung gegen die Feinde Englands taugt. Eisenherz begegnet dem römischen Soldaten Julian, der hier treulich Wacht hält, bricht dann in abenteuerlicher Verkleidung nach Norden auf und wird prompt von einer Schar Pikten gefangen und grausam gefoltert. Schließlich taucht der verspätete Gawain sehr zerknirscht auf und setzt alles daran, seinen Freund zu retten.

Enid Blyton: Fünf Freunde auf der Felseninsel
Ein neues Abenteuer auf Georges Insel. Allerdings sieht es zuerst so aus, als ob die fünf Freunde die Insel in diesen Ferien gar nicht nutzen können. Denn Georges Vater, Onkel Quentin, will dort an einem Konzept für eine Art neue Energieform forschen. George stimmt schließlich zu, ihm die Insel zu leihen. Die Kinder bringen ihm mit Georges Boot auch regelmäßig Nahrungsmittel rüber. Aber Georges Vater ist ein wichtiger, berühmter Mann, und seine Erfindung weckt Begehrlichkeiten. Eines Tages gibt er die vereinbarten Zeichen vom Turm der Ruine aus nicht mehr, die zeigen sollen, dass alles in Ordnung ist. Kein Wunder, denn er wurde von Verbrechern gefangen. Aber die Schurken haben ihre Rechnung ohne die fünf Freunde gemacht. Zumal diese ja sehr erfahren im Benutzen der Geheimgänge sind. Die Geschichte vom Geheimgang, in dem Timmy seine Heldentaten vollbringt und Quentin rettet, ist nicht neu und erinnert an die Schmugglergeschichte und das Moor. Auch, dass die Kinder sich mit dem Mündel eines der Verbrecher anfreunden, diesmal ist es der kunstbegeisterte Martin, haben wir so ähnlich schon schon beim Campingwagen-Abenteuer gelesen. Martin kann nach der Verhaftung seines Vormunds dann eine Kunstschule besuchen. So steuert alles auf ein Happy End zu.

L. Frank Baum: OZ, Complete Edition 9: The Scarecrow of Oz (e)
Zunächst auch hier der Hinweis: Die im Titel genannte Vogelscheuche taucht zwar auf, aber eigentlich hat sie nur eine Nebenrolle. Wie bei "Tik-Tok of Oz" ist der Titel also irreführend. Die Heldin des Buchs ist erneut ein junges Mädchen aus der Menschenwelt, nach Dorothy und Betsy nun also die dritte. Das Mädchen Trot ist aber etwas handfester als Betsy und nicht so farblos wie sie. Außerdem hat sie bereits in anderen Büchern Baums mitgespielt, bevor er auf die Idee kam, sie nach Oz zu versetzen. Aus dieser Zeit kennt sie auch Buttonbright, den sie in Oz wiedertrifft.
Trot ist zusammen mit ihrem Freund, dem einbeinigen Seemann Capt'n Bill in einem kleinen Boot unterwegs, als sie von einem Unwetter gepackt, unter Wasser gerissen, dann aber von einigen ihnen aus einem anderen Abenteuer bekannten Meermädchen, die sonst im Buch nicht weiter vorkommen, gerettet und in eine unterseeische Höhle gebracht werden. Hier begegnen sie einem Wesen, das sich gleichfalls verirrt hat: Es ist ein Ork. Und wer jetzt Bilder von Tolkiens Orks vor Augen hat, kann gar nicht falscher liegen. Baums Ork ist eine Art nackter, vierfüßiger Vogel mit einem kräftigen Propeller als Schwanz, sehr selbstbewusst und von seiner Großartigkeit überzeugt, aber sonst ein guter Freund und Wegbegleiter. Trot, Bill und der Ork wandern durch die Höhle und versuchen einen Ausgang zu finden. Sie erreichen zunächst eine Insel, auf der ein ziemlich übel gelaunter Mensch wohnt. Außerdem finden sie hier magische Beeren, mit deren Hilfe sie, ähnlich wie in Alices Wunderland, ihre Größer verändern können. Dank dieser Beeren schrumpfen Trot und Bill, und der Ork kann sie übers Meer tragen. So gelangen sie ins Land Mo. In Mo regnet es Limonade und schneit Popcorn, außerdem finden sie hier Buttonbright, der mal wieder verloren gegangen ist. Während der Ork allein weiterfliegt, vergrößern die Menschen zwei Vögel mit deren Einverständnis mithilfe von Zauberbeeren und lassen sich von ihnen nach Oz bringen. Sie landen jedoch nicht direkt in Oz, sondern in Jinxland, das zwar irgendwie dazugehört, aber durch eine Bergkette von Oz getrennt ist. Hier herrscht zurzeit ein Premierminister, der den König entmachtet hat und nun dessen Tochter Gloria mit einem reichen Bürger verheiraten will. Die Prinzessin aber liebt den Gärtnerburschen Pon. Um ihr diese Liebe auszutreiben engagieren sie eine Hexe, die Glorias Herz einfrieren soll. Dabei kommt ihr Capt'n Bill in die Quere, wird in einen Grashüpfer mit Holzbein verwandelt, dann vereist die Hexe Glorias Herz. Allerdings geht der Plan des üblen Duos nicht auf, denn mit ihrem Eisherz kann sie auch den bösen Bürger nicht lieben.
Dies bekommt die gute Hexe Glinda mit, als sie in ihrem Zauberbuch liest. Sie entsendet die Vogelscheuche, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Es gibt etwas Hin und Her, bei dem die Vogelscheuche überwältigt und verbrannt werden soll, doch dann kehrt der Ork, der zwischenzeitlich in sein Heimatland zurückgefunden hat, mit einem großen Schwarm seiner Artgenossen zurück und startet einen Luftangriff. Die böse Hexe wird durch einen Schrumpfzauber gezwungen, ihre Zauber wieder rückgängig zu machen. Bill wird wieder zum Menschen, Gloria kann wieder lieben, sie wird Herrscherin von Jinxland und heiratet Pon. Und Trot, Bill und Buttonbright gehen mit der Vogelscheuche nach Oz, wo es ein großes Fest gibt. Trot und Bill dürfen in Oz bleiben.
Nicht gerade ganz großes Kino. Aber ich mag Trot, sie gefällt mir wesentlich besser als Betsy. Auch Capt'n Bill und der Ork sind liebenswerte Charaktere. Und das Wiedersehen mit Buttonbright war schön. Ich mag ihn einfach.

Enid Blyton: Fünf Freunde im Zeltlager
Diesmal sind die fünf Freunde mit ihren Zelten unterwegs. Damit jemand auf die Kinder aufpasst, begleitet ein Lehrer von Julians und Dicks Schule die Gruppe. Komisch, mit den beiden Campingwagen durften die Kinder allein auf Tour gehen. Aber egal. Der Lehrer ist ein Insektenliebhaber und die meiste Zeit beschäftigt, hinter irgendwelchen Schmetterlingen herzulaufen, so kommt er den Kindern nicht weiter in die Quere. Obendrein ist er schwer in Ordnung - für einen Erwachsenen.
Die Gruppe schlägt ihre Zelte in der Nähe einer Farm auf. Hier können sie nicht nur Nahrungsmittel kaufen, sondern sie finden sogar einen Freund, nämlich den Sohn der Bäuerin. Sein Stiefvater allerdings ist ein echtes Arschloch, quält den Jungen, herrscht als absoluter Tyrann über den Hof, wenn er denn zu Hause ist, und will auch die Kinder vertreiben. Vor allem, als die Freunde beginnen, nach den geheimnisvollen "Geisterzügen" zu fragen, wir er extrem aggressiv.
Die Geisterzüge. Da sind offenbar Züge, die fahren auf einer Seite des Berges in einen Tunnel hinein, kommen aber auf der anderen nicht wieder heraus. Ein Geheimnis, das die Fünf natürlich aufklären müssen.
Besonders eindrucksvoll und unvergesslich: Die Szene, in der ein Zug genau unter dem Berg durchfährt, auf dem die ahnunghslosen Freunde gerade sitzen. Der Boden bebt, Rauch steigt aus dem Boden auf. Und die sonst so mutige George bricht in Panik aus, wqeil sie denkt, sie sitzen auf einem Vulkan, der gleich Lava spucken wird. Ausgerechnet die Schisshäsin Anne bleibt vollkommen cool und gelassen. Klar. Wie der Leser weiß, hatte sie ihre erste Begegnung mit diesem "Vulkan" schon vorher. Da hatte sie die Panikattacke und glaubte an den Vulkan, wurde dann aber aufgeklärt ... Ein klassisches Abenteuer mit Geheimgängen, getarnten Tunneln mit künstlichen Felswänden, Gefangennahme und Befreiung, nächtlichen Kundschaftergängen und am Ende der Verhaftung des Bauernhof-Tyrannen, woraufhin sein Stiefsohn glücklich aufatmen kann.

Birk Meinhardt: Wie ich meine Zeitung verlor
Erschütterndes Buch über den NIedergang einer Zeitung vom ehemaligen Leitmedium bis zum "Gesinnungsblatt". Birk Meinhardt, einstige Edelfeder des Blattes erkennt nach und nach Muster aus seiner DDR-Vergangenheit wieder. Es geht ganz langsam, scheibchenweise. Anfangs sind es Kleinigkeiten, die irgendwie nicht stimmen. Etwa, dass er gefragt wird, ob ein kritischer Leserbrief zu seinem Artikel abgedruckt werden soll. Ja, natürlich, sagt der Journalsit. Und erfährt dann, dass ein Kollege in einem anderen Fall dem Abdruck nicht zugestimmt hat. Dann sind da Artikel, die nicht gedruckt werden, weil die Ergebnisse, obwohl korrekt recherchiert, einfach nicht zur Politik des Hause passen. Etwa die Geschichte eines vorverurteilten Rechtsradikalen, der abe rin der Angelegenheit völlig unschuldig war. Immer wieder werden Artikel unterdrückt. Schließlich kündigt der Autor. An Ende nimmt er dann doch das güpnstige Probeabo seines Blattes an. Nein, nicht, weil er die Texte lesenswert findet. Sondern, weil er sie lesen will, "um zu verachten". Leider kein fiktiver Roman. Ein Buch, das weh tut.

Enid Blyton: Fünf Freunde geraten in Schwierigkeiten
Erneut begeben sich die fünf Freunde auf Campingtour, diesmal aber ohne einen beaufsichtigenden Erwachsenen. Sie fahren mit ihren Fahrrädern durch die Lande, als sie einem Jungen begegnen. Der Fremde heißt Richard - wie auch der Bruder von Julian und Anne, der aber Dick genannt wird. Richard würde die Freunde gern begleiten, und sie lassen sich breitschlagen, ihn mitzunehmen. Er will nur seine Mutter um Erlaubnis fragen. Als er diese nicht antrifft, kehrt er zu den Freunden zurück und lügt sie an: Er behauptet, dass sie ihm den Ausflug erlaubt hat. Zusammen radeln sie weiter.
Später will er im Haus seiner Tante übernachten, doch dann wird er von einem Auto verfolgt. Die Männer wollen ihn kidnappen, da sein Vater sehr reich ist, Den Tipp haben sie von einem ehemaligen Leibwächter, de rfür die Familie gearbeitet hat, aber entlassen wurde, weil Richard Lügengeschichten über ihn erzählt hat. Es kommt dann jedoch zu einer folgenschweren Verwechslung: Die Kidnapper, die Richard nicht persönlich kennen, entführen versehentlich Dick. Nach einigem Hin und Her können die Freunde Dick in einem abgelegenen Haus aufspüren, das allerdings von einem hohen Zaun umgeben ist. Richard wird ihnen im Verlauf des Abenteuers immer unsympathischer, er ist feige, eine Memme und lügt wie gedruckt. Sie nutzten die Gelegenheit, als ein Auto durch das Tor fährt, doch dann schließt sich das Tor, und sie sitzen auf dem Grundstück in der Falle. Ein Versuch, Dick zu befreien, gelingt fast, doch dann werden die Freunde geschnappt. Schließlich bekommen sie sogar mit, dass nicht Dick, sondern Richard derjenige ist, den sie suchen. Am Ende erweist sich Richard dann aber doch als mutiger Junge und guter Freund. Er überwindet seine Angst und versteckt sich im Kofferraum eines Autos, das kurz danach das Grundstück verlässt. Nach draußen gelangt, sucht er eine Polizeidienstzstelle auf, berichtet von seinem Abenteuer und lotst die Beamten in das abgelegene Haus. Happy End mit mehreren Verhaftungen. Und Richard ist endlich anerkannt als Freund.

Julie Bender: Der Schatz des Arabers

Pia Tafdrup: Tarkowskis Pferde



Hörspiel

Sandra Pfitzner: Abenteuer und Wissen: Sophie Scholl

Oliver Weckauf und Tanja Bruns: Harzliche Geschichten
Oliver Weckauf und Tanja Bruns: Confused, Teil 1
Oliver Weckauf ist ein Hörspielmacher aus Hahnenklee. Ich lernte ihn kennen, als er für seine Zivilocourage ausgezeichnedt wurde, da er einen betrunkenen Messerstecher entwaffnet und das Opfer erstversorgt hat. Über ihn und sein Studio habe ich in der Goslarschen Zeitung berichtet.

Sandra Pfitzner: Abenteuer und Wissen: Maria Sibylla Merian. Expedition zu den Schmetterlingen


Weitere Jahresrückblicke:
Jahresrückblick II: April bis Juni 2021
Jahresrückblick III: Juli bis September 2021
Jahresrückblick IV: Oktober bis Mitte November 2021
Jahresrückblick V: Mitte November bis Dezember 2021

© Petra Hartmann






Das Herz des Donnervogels, 2023

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Der Klappentext:
Ein Indianer taucht in dem verschlafenen Küstenstädtchen Kitty Hawk auf. Die Witwe Murdoch ist überzeugt, dass der Fremde ein Kundschafter ist und bald seine roten Spießgesellen zum Morden und Plündern mitbringen wird. Doch Junger Adler hat andere Pläne. Er träumt vom Fliegen und wartet auf das Eintreffen zweier verrückter Fahrradhändler.
Karl-May-Fans kennen Junger Adler bereits aus dem Roman Winnetous Erben. Die Vorgeschichte zu diesem Buch wird nun von Petra Hartmann erzählt.

 

Buch-Infos:
Petra Hartmann DAS HERZ DES DONNERVOGELS
Band 18, Abenteuer-Roman
Exklusive Sammler-Ausgabe
Seiten: 282

Taschenbuch
VÖ: April 2023
Künstler: MtP-Art (Mario Heyer)
Künstler (Innenteil): MtP-Art (Mario Heyer)
Preis: 12,95 Euro

 

Bestellen beim Blitz-Verlag

 

Das E-Book ist zum Preis von Euro 3,99 erhältlich.

Unter anderem bei Amazon

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Falkenblut, 2020

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Blut und Tod, so weit die Falkenaugen reichen: So hatte sich Valkrys ihren ersten Flug als Walküre nicht vorgestellt. Ragnarök, die Endzeit-Schlacht, ist geschlagen. Die Götter tot, die Welt ein Flammenmeer, das Götterreich Asgard droht, in die Tiefe zu stürzen. Einzig Widar, den Sohn und Erben Odins, kann die Walküre retten. Doch der neue Götterkönig schweigt sich über seine Ziele aus ...

Es ist eine schaurige Welt, in der sich die junge Walküre behaupten muss. Doch Valkrys wäre keine echte Falkin, wenn sie einem Kampf aus dem Weg gehen würde. Todesmutig und mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor stürzt sie sich in die Begegnungen mit Jöten, Thursen, Reifriesen, Seelenräuberinnen, Werwölfen, Berserkern, Hexen, Meerungeheuern und dem furchtbaren Totenschiff Naglfari.

 

 

Petra Hartmann: Falkenblut.

Sibbesse: Hottenstein, 2020.

Broschiert, 247 S., Euro 11.

ISBN 978-3935928991

 

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Bestellbar unter anderem bei Amazon

Hörbuch: Drachen! Drachen! 2020

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Fatal wäre es, Drachen zu unterschätzen! Wer glaubt, genug über sie zu wissen, hat schon verloren. Diese 23 meisterlichen Geschichten aus verschiedenen literarischen Genres belegen, dass das Thema aktuell, überraschend und packend ist - und gelegentlich fies!

Die Autoren: Rainer Schorm, Achim Mehnert, Andrea Tillmanns, Malte S. Sembten, Frank G. Gerigk, Christel Scheja, Fiona Caspari, Hendrik Loy, Christiane Gref, Linda Budinger, Miriam Pharo, Carsten Steenbergen, Rebecca Hohlbein, Frank W. Haubold, Melanie Brosowski, Astrid Ann Jabusch, Thomas R. P. Mielke, Karsten Kruschel, Marc A. Herren, Petra Hartmann, Monika Niehaus, Uwe Post.

 

Herausgeber: Petra Hartmann, Frank G. Gerigk

Sprecher: Tim Schmidt

Blitz-Verlag

Ungekürzte Lesung

mp3-Download

611 Minuten, 495.91 MB

9783991093435

 

Zu bestellen unter anderem bei Thalia oder bei Amazon.

Nestis und die verbotene Welle, 2017

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Meerprinzessin Nestis und ihre Freunde sind sauer: Lehrer Seestern meint, dass laute Haifischmusik nichts für Kinder ist. Und der Kronrat stimmt ihm zu. Deshalb bekommt die Band »Ølpæst« Auftrittsverbot in der gesamten Nordsee. Doch plötzlich ist deren Musik überall zu hören: Ein Piratensender strahlt die Hits der Knorpelfischgang lautstark aus.

Als eine hochexplosive Kugelmine über dem blauen Glaspalast im Meer dümpelt und ein führungsloser Öltanker in die Nordsee einfährt, droht eine wirkliche Ölpest. Gelingt es den Meerkindern, ein Unglück zu verhindern?

 

Petra Hartmann: Nestis und die verbotene Welle. Mit Illustrationen von Olena Otto-Fradina. Hildesheim: Verlag Monika Fuchs. Voraussichtlich ab Juni 2017 erhältlich.

Buch-Infos: ca. 152 Seiten, 14,2 x 20,6 cm, Hardcover, zahlreiche s/w-Illustrationen, mit Fadenheftung, Euro 14,90, ISBN 978-3-977066-00-1

 

Leseprobe

 

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Demantin, 2016

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Demantin, der junge König von Antrium, liebt die griechische Königstochter Sirgamot. Doch ihr Vater ist strikt gegen die Hochzeit. Immerhin ist Sirgamot erst zwölf Jahre alt. So zieht Demantin in die Welt, um Ruhm zu erwerben, den Namen seiner Geliebten durch seine Taten zu verherrlichen und sich dem griechischen König als Schwiegersohn zu empfehlen. Er besteht heldenhafte Kämpfe, erwirbt sich die Freundschaft der Königin und des Königs von England und besiegt ein schauriges Meerweib. Letzteres allerdings erweist sich als verhängnisvoll. Denn die sterbende Unholdin verflucht Demantin und prophezeit, dass seine Geliebte mit dem üblen König Contriok verlobt werden soll. Kann Demantin noch rechtzeitig zurückkehren, um die Hochzeit zu verhindern?

 

Berthold von Holle / Petra Hartmann: Demantin. Ein Ritter-Epos
128 Seiten | 12 x 17 cm | Softcover | Klebebindung |
Verlag Monika Fuchs | Hildesheim 2016
ISBN 9-78-3-940078-34-6
8,95 EUR

 

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Leseprobe

 

Crane, 2016

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Gayol, der Sohn des ungarischen Königs, hat in jugendlichem Übermut den alten Hofmarschall seines Vaters zum Wettkampf herausgefordert und eine peinliche Niederlage erlitten. Aus Scham flüchtet er und gerät ins Reich des deutschen Kaisers, wo er unerkannt unter dem Namen Crane (Kranich) eine Stellung als Kämmerer annimmt und bald sehr beliebt ist. Doch als der Fremde und die Kaiserstochter einander näher kommen und Hofbeamten Unzucht und eine unstandesgemäße Liebschaft wittern, beginnt eine schwere Zeit für Königssohn und Kaiserstochter. Kann Gayol sich auf die Treue Acheloydes verlassen? Und kann die lebensbedrohliche Krankheit der Prinzessin noch geheilt werden?

 

Berthold von Holle / Petra Hartmann: Crane. Ein Ritter-Epos
84 Seiten | 12 x 17 cm | Softcover | Klebebindung |
Verlag Monika Fuchs | Hildesheim 2016
ISBN 978-3-940078-48-3
6,95 EUR

 

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Leseprobe

Hut ab, Hödeken! 2015

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Ein rasender Bischof auf dem Rennstieg.
Wegweiser, die sich wie von Geisterhand drehen.
Jäger in Todesangst.
Bierkutscher mit unheimlicher Fracht.
Ein stammelnder Mönch,
der plötzlich zum brillanten Redner wird.
Sollte da Hödeken seine Hand im Spiel haben?
Sagen um einen eigenwilligen Geist
aus dem Hildesheimer Land,
frisch und frech nacherzählt
von Petra Hartmann.

 

Petra Hartmann: Hut ab, Hödeken!

Hildesheim: Verlag Monika Fuchs.

101 S., Euro 7,95.

ISBN 978-3-940078-37-7

 

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Leseprobe

Freiheitsschwingen, 2015

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Deutschland in den 1830er-Jahren: Für Handarbeit, arrangierte Ehe und Kinderkriegen hat die junge Bürgermeistertochter wenig übrig. Stattdessen interessiert sie sich für Politik und Literatur und greift sehr zum Leidwesen ihres Vaters selbst zur Feder, um flammende Texte für die Gleichberechtigung der Frau und die Abschaffung der Monarchie zu verfassen. Angestachelt von der revolutionären Stimmung des Hambacher Festes versucht sie, aus ihrem kleinbürgerlichen Dasein auszubrechen und sich als Journalistin zu behaupten. Gemeinsam mit ihrer großen Liebe verschreibt sie sich dem Kampf für ein freies, geeintes Deutschland und schlägt den Zensurbehörden ein Schnippchen. Die Geheimpolizei ist ihnen jedoch dicht auf den Fersen, und die junge Journalistin begeht den verhängnisvollen Fehler, ihre Gegner zu unterschätzen

 

Petra Hartmann: Freiheitsschwingen

Personalisierter Roman

München: Verlag Personalnovel, 2015

ca. 198 Seiten. Ab Euro 24,95.

(Einband, Schriftart und -größe, Covergestaltung etc. nach Wahl.)

 

Bestellen unter:

www.tinyurl.com/Freiheitsschwingen

 

Timur, 2015

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Wer ist der bleiche Jüngling im Verlies unter der Klippenfestung? Prinzessin Thia will ihn retten. Doch wer Timurs Ketten bricht, ruft Tod und Verderben aus der Tiefe hervor. Als der Blutmond sich über den Horizont erhebt, fällt die Entscheidung ...

 

Beigaben:

Nachwort zur Entstehung

Original-Erzählung von Karoline von Günderrode

Autorinnenbiografien

Bibliografie

 

Petra Hartmann: Timur

Coverillustration: Miguel Worms

Bickenbach: Saphir im Stahl, 2015.

ISBN: 978-3-943948-54-7

Taschenbuch, 136 S.

Euro 9,95

 

 

Ulf, 2015

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Ein Roman-Experiment mit ungewissem Ausgang: Ulf (Magisterstudent unbekannter Fachrichtung), stammt aus einem Dorf, das mehrmals jährlich überschwemmt wird. Zusammen mit Pastor Dörmann (Geistlicher unbekannter Konfession) und Petra (Biografin ohne Auftrag) überlegt er, was man dagegen tun kann. Als ein vegetarisches Klavier die Tulpen des Gemeindedirektors frisst und das Jugendamt ein dunkeläugiges Flusskind abholen will, spitzt sich die Situation zu. Nein, Blutrache an Gartenzwergen und wütende Mistgabelattacken sind vermutlich nicht die richtigen Mittel im Kampf für einen Deich ...
Mal tiefgründig, mal sinnlos, etwas absurd, manchmal komisch, teilweise autobiografisch und oft völlig an den Haaren herbeigezogen. Ein Bildungs- und Schelmenroman aus einer Zeit, als der Euro noch DM und die Bahn noch Bundesbahn hieß und hannöversche Magister-Studenten mit dem Wort "Bologna" nur eine Spaghettisauce verbanden.

 

Petra Hartmann:

Ulf. Ein Roman-Experiment in zwölf Kapiteln.

eBook

Neobooks 2015

Euro 2,99

Erhältlich unter anderem bei Amazon

Vom Feuervogel, 2015

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Ein Tempel in der Wüste. Heilige Männer, die sich dem Dienst des Feuervogels geweiht haben. Ein Hirtenjunge, der seinem Traum folgt. Aber wird der alte und kranke Phönix wirklich zu neuem Leben wiederauferstehen, wenn der Holzstoß niedergebrannt ist? Eine Novelle von Idealen und einer Enttäuschung, die so tief ist, dass kein Sonnenstrahl je wieder Hoffnung bringen kann.

 

Petra Hartmann:

Vom Feuervogel. Novelle.

Erfurt: TES, 2015.

BunTES Abenteuer, Heft 30.

40 Seiten, Euro 2,50 (plus Porto).

Bestellen unter:

www.tes-erfurt.jimdo.com

 

eBook:

Neobooks, 2015.

Euro 1,99.

Unter anderem bei Amazon

Nestis und die Hafenpiraten, 2014

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Endlich Sommerferien! Nestis und ihre Freunde freuen sich auf sechs Wochen Freiheit und Abenteuer. Doch ausgerechnet jetzt verhängt der Kronrat ein striktes Ausgehverbot für alle Meerkinder. Denn in der Nordsee treibt plötzlich ein furchtbares “Phantom† sein Unwesen. Möwen, Lummen und Tordalke werden von einem unheimlichen Schatten unter Wasser gezerrt und verschwinden spurlos.

Nestis beschließt, den Entführer auf eigene Faust zu jagen. Als ein Dackel am Strand von Achterndiek verschwindet, scheint der Fall klar: Die gefürchteten “Hafenpiraten" müssen dahinter stecken. Zusammen mit ihrem Menschenfreund Tom wollen die Meerkinder der Bande das Handwerk legen ...

Petra Hartmann: Nestis und die Hafenpiraten
Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2014
ISBN 978-3-940078-84-1
14,90 EUR

 

 

Leseprobe unter

 

www.tinyurl.com/nestis2

Blitzeis und Gänsebraten, 2014

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Weihnachten im Potte †¦

†¦ ist so vielfältig wie die Menschen, die dort leben. Und deshalb findet sich auf diesem Bunten Teller mit 24 Hildesheimer Weihnachtsgeschichten für jeden etwas: romantische Erzählungen und freche Gedichte, Erinnerungen an die Nachkriegszeit, Geschichten von neugierigen Engeln, eifrigen Wichteln und geplagten Weihnachtsmännern. Der Huckup und die »Hildesheimer Weisen« fehlen auch nicht. Was es aber mit dem Weihnachtswunder an der B6 auf sich hat, erfahren Sie auf Seite 117. - Greifen Sie zu!

 

 

Petra Hartmann & Monika Fuchs (Hrsg.): Blitzeis und Gänsebraten. Hildesheimer Weihnachtsgeschichten.

Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2014.

144 Seiten | 12 x 17 cm | Paperback |

ISBN 978-3-9400787-57-5
8,90 EUR

 

Leseprobe

Beim Vorderhuf meines Pferdes, 2014

Eingefügtes Bild

Das Messer zuckte vor. Fauchend wich die riesige Katze zurück. Doch nur, um sofort wieder anzugreifen. Das Mädchen, das auf dem Leichnam seiner Stute kauerte, schien verloren.
Acht Jahre ist Steppenprinzessin Ziris alt, als sie bei einem Sandkatzenangriff ihr Lieblingspferd verliert. Ist es wirklich wahr, was ihr Vater sagt? "Alle Pferde kommen in den Himmel ..."
Drei Erzählungen aus der Welt der Nearith über edle Steppenrenner, struppige Waldponys und die alte graue Stute aus Kindertagen.

Petra Hartmann: Beim Vorderhuf meines Pferdes. Neue Geschichten aus Movenna. eBook, ca. 30 Seiten. Nittendorf: Wurdack-Verlag, 2014. Euro 0,99.

Erhältlich unter anderem bei Amazon.

Darthula, 2014

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Darthula ist die Tochter eines irischen Kleinkönigs, der über das nebelreiche Land Selama herrscht. Als schönste Prinzessin Irlands lebt sie allerdings nicht ungefährlich. Als sie den mächtigen König Cairbar abweist und ihm nicht als seine Braut folgen will, nimmt das Unheil seinen Lauf. Cairbar überzieht das kleine Selama mit Krieg und Vernichtung und rottet Darthulas Familie aus. Mit ihrem Geliebten Nathos wagt die junge Frau die Flucht über die stürmische See. Aber Wind und Wellen sind unzuverlässige Verbündete ...

Beigaben zur Neuausgabe:
Vorwort der Autorin mit Infos zur Entstehungsgeschichte
Übersetzung des "ossianischen Originals"
Autorinnenbiographie und Veröffentlichungsliste

Buch-Informationen:
Petra Hartmann: Darthula, Tochter der Nebel.
Bickenbach: Verlag Saphir im Stahl, 2014.
Taschenbuch. 126 S., Euro 9,95.
ISBN 978-3-943948-25-7

Bestellen bei Saphir im Stahl

Pressearbeit für Autoren, 2014

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Petra Hartmann, Autorin und langjährige Lokalredakteurin, gibt Tipps für die Pressearbeit vor Ort. Sie erklärt die Wichtigkeit der „Ortsmarke“ für eine Zeitung, gibt Tipps zum Schreiben von Artikeln, zum guten Pressefoto und zum Umgang mit Journalisten. Anschaulich, verständlich, praxisorientiert und für Autoren jedes Genres anwendbar.

Petra Hartmann: Pressearbeit für Autoren. So kommt euer Buch in die Lokalzeitung.
eBook. Neobooks, 2014. Ca. 30 Seiten.
Euro 1,99
Diverse Formate, für alle gängigen eBook-Reader.
Erhältlich z.B. bei Amazon, eBook.de, Thalia, Hugendubel, Weltbild u.a.

Nestis und der Weihnachtssand, 2013

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Als kleine Weihnachtsüberraschung gibt es für Fans des "großen" Nestis-Buchs "Nestis und die verschwundene Seepocke" jetzt ein kleines bisschen Weihnachtssand: Der Verlag Monika Fuchs hat aus der "Ur-Nestis", einem Helgoland-Märchen aus dem Jahr 2007, jetzt ein eBook gemacht. Mit einem wunderschönen Cover von Olena Otto-Fradina und mit ein paar exklusiven Einblicken in Nestis' Nordseewelt.

Klappentext:
"November 2007: Orkantief Tilo tobt über die Nordsee und reißt große Teile der Helgoländer Düne ins Meer. Wer soll nun die Robbenküste reparieren? Meerjungfrau Nestis wünscht sich einfach mal vom Weihnachtsmann 500.000 Kubikmeter Sand ..."

Bonus-Material:
Die Autorin im Interview mit Wella Wellhorn von der Meereszeitung "Die Gezeiten"
XXL-Leseprobe aus "Nestis und de verschwundene Seepocke"

Petra Hartmann: Nestis und der Weihnachtssand. Ein Helgoland-Märchen. Mit Illustrationen von Olena Otto-Fradina. Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2013. 99 Cent.

Erhältlich für den Amazon-Kindle

Nestis und die verschwundene Seepocke, 2013

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Eine ausführliche Leseprobe findet ihr hier:
www.tinyurl.com/nestis


Wütend stampft Meerjungfrau Nestis mit der Schwanzflosse auf. Ihre Schwester Undine ist von den Menschen gefangen worden – und weder Meerkönig noch Kronrat wagen, die Kleine zu retten. Aber Nestis fürchtet sich nicht einmal vor den furchtbarsten Monstern des Meeres. Zusammen mit ihren Freunden bricht sie auf zur Rettungsaktion, und es zeigt sich, dass tollpatschige Riesenkraken und bruchrechnende Zitteraale großartige Verbündete sind.
Petra Hartmann entführt ihre Leser in eine etwas andere Unterwasserwelt mit viel Humor und Liebe zum Detail. Trotz des phantastischen Meermädchen-Themas findet der Leser auch sehr viel naturnahe Beobachtungen aus Nord- und Ostsee, lernt die Meerbewohner und ihre Probleme kennen. Dabei werden unter anderem auch die Meeresverschmutzung, Fischerei und die wenig artgerechte Haltung von Haien in Aquarien behandelt.
Zauberhaft dazu die Zeichnungen von Olena Otto-Fradina.

Text: Petra Hartmann
Bilder: Olena Otto-Fradina
| Hardcover | 14,8 x 21 cm
Verlag Monika Fuchs | Hildesheim 2013
151 S., Euro 14,90
ISBN 978-3-940078-64-3


eBook:
Amazon-Kindle, 2154 KB
Euro 6,99
http://amzn.to/JJqB0b

Autorenträume, 2013

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Autorinnen und Autoren schicken ihre Leser in vergangene Zeiten, ferne Länder, phantastische Welten, spannende Abenteuer und bringen sie zum Träumen.
Wovon aber träumen Autoren? Vom Nobelpreis? Vom Bestseller? Vom Reich-und-berühmt-werden? Oder einfach nur davon, eines Tages vom Schreiben leben zu können? Vom Lächeln auf dem Gesicht eines Kindes, wenn das neue Märchen vorgelesen wird? Oder sind es schreckliche Albträume, die der angebliche Traumberuf mit sich bringt? Werden Schriftsteller nachts im Schlaf gar von Verlegern, Lektoren, Rezensenten oder Finanzbeamten bedroht?
Monika Fuchs und Petra Hartmann starteten eine »literarische Umfrage«, wählten aus den über 300 Antworten 57 phantasievolle Beiträge aus und stellten sie zu diesem Lesebuch zusammen. Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen des Autorenalltags und träumen Sie mit!
Von jedem verkauften Buch wird 1 Euro an das Hilfswerk Brot & Bücher e.V. der Autorin Tanja Kinkel gespendet, die auch das Geleitwort zum Buch schrieb.

Petra Hartmann und Monika Fuchs (Hrsg.):
Autorenträume. Ein Lesebuch.
ISBN 978-3-940078-53-7
333 S., Euro 16,90

Bestellen beim Verlag Monika Fuchs

Mit Klinge und Feder, 2013

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Phantasie statt Völkerschlachten - das war das Motto, unter dem die Phantastik Girls zur Schreibfeder griffen. Mit Humor, Gewitztheit und ungewöhnlichen Einfällen erzählen sieben Autorinnen ihre Geschichten jenseits des Mainstreams der Fantasy. Kriegerinnen und gut bewaffnete Zwerge gehören dabei genau so zum Personal wie sprechende Straßenlaternen, Betonfresser oder skurrile alte Damen, die im Bus Anspruch auf einen Behindertensitzplatz erheben. Dass es dennoch nicht ohne Blutvergießen abgeht, ist garantiert: Immerhin stecken in jeder der Storys sechs Liter Herzblut. Mindestens.

Mit Klinge und Feder. Hrsg. v. Petra Hartmann und Andrea Tillmanns.
Mit Geschichten von Linda Budinger, Charlotte Engmann, Petra Hartmann, Stefanie Pappon, Christel Scheja, Andrea Tillmanns und Petra Vennekohl.
Homburg/Saar: UlrichBurger Verlag, 2013. 978-3943378078
247 S., Euro 9.
Bestellen bei Amazon

eBook:
396 KB, Euro 5,49.
Format: Kindle
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Das Serum des Doctor Nikola, 2013

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Berlin, 1927. Arbeitslos, pleite und mit der Miete im Rückstand: Bankierssohn Felix Pechstein ist nach dem "Schwarzen Freitag" der Berliner Börse ganz unten angekommen. Da erscheint das Angebot, in die Dienste eines fremden Geschäftsmannes zu treten, eigentlich als Geschenk des Himmels. Doch dieser Doctor Nikola ist ihm mehr als unheimlich. Vor allem, als Felix den Auftrag erhält, Nikola zu bestehlen ...

Petra Hartmann: Das Serum des Doctor Nikola
Historischer Abenteuerroman.
ISBN 978-3-938065-92-1
190 S., 12,95 Euro.
Bestellen beim Wurdack-Verlag

Leseprobe

Hörbuch: Der Fels der schwarzen Götter, 2012

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Bei einer Mutprobe begeht der junge Ask einen folgenschweren Fehler: Er schlägt einem der schwarzen Götter die Nase ab. Der unscheinbare Dreiecksstein wird Auslöser eines der blutigsten Kriege, die das Land jemals erlebt hat.
Bald wissen die Völker des Berglandes nicht mehr, wen sie mehr fürchten sollen: die schwarzen Götter, die weißen Dämonen oder die sonnenverbrannten Reiter aus den fernen Steppen ...

Der Fels der schwarzen Götter.
Hörbuch. 8 Stunden, 57 Minuten.
Sprecherin: Resi Heitwerth.
Musik: Florian Schober.
Action-Verlag, 2012.
CD/DVD: 16,95 Euro
mp3-Download: 11,95 Euro

Hörbuchfassung des 2010 im Wurdackverlag erschienenen Buchs "Der Fels der schwarzen Götter".

Termine

Lesungen

 

Samstag, 18. Januar: "Die Blaubeerbrücke" und "Der schwarze Frosch", Radiolesung in der Sendung "High Noon" auf Radio Tonkuhle. Beginn: 12 Uhr.

Im Bereich Hildesheim zu empfangen auf 105,3 MHz, Auswärtigen sei der Livestream empfohlen.

 

Buchmessen, Cons, Büchertische

 

Samstag, 10. Mai: Marburg-Con. Bürgerhaus Weimar (Lahn) - Niederweimar, Herborner Straße 36, 35096 Niederweimar. Beginn: 10 Uhr. Büchertisch und Lesung sind angefragt. Infos folgen.

 

Donnerstag, 29. Mai: Ich bin beim Nürnberger Autorentreffen mit dabei und werde auch auf dem Büchertisch vertreten sein.

 

 

 

In Planung

 

Donnerstag, 26. Juni: Lesung aus "Das intergalaktische Bestiarium". Haus des Buches / Literaturhaus, Gerichtsweg 28
04103 Leipzig. Zusammen mit Thomas Hofmann. Beginn: 19.30 Uhr. Noch nicht bestätigt. Infos folgen

Links

Meine Heimseite:

www.petrahartmann.de

 

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Die Falkin auf Facebook:

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Biografie

Petra Hartmann, Jahrgang 1970, wurde in Hildesheim geboren und wohnt in Sillium. Sie studierte Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft in Hannover. Auf den Magisterabschluss folgten die Promotion mit einer Doktorarbeit über den jungdeutschen Schriftsteller Theodor Mundt und ein zweijähriges Volontariat bei der Neuen Deister-Zeitung in Springe. Anschließend war sie dort fünf Jahre Lokalredakteurin. Ferner arbeitete sie für die Leine-Zeitung in Neustadt am Rübenberge, die Nordsee-Zeitung in Bremerhaven, die Neue Presse in Hannover und die Volksstimme in Gardelegen. Derzeit ist sie bei der Goslarschen Zeitung beschäftigt.
Als Schriftstellerin liebt sie vor allem das fantastische Genre. Sie verfasst hauptsächlich Fantasy und Märchen. Bekannt wurde sie mit ihren Fantasy-Romanen aus der Welt Movenna. Mit den Abenteuern der Nordsee-Nixe Nestis legte sie ihre erste Kinderserie vor. Sie errang mit ihren Geschichten dreimal den dritten Platz bei der Storyolympiade und wurde 2008 mit dem Deutschen Phantastik-Preis ausgezeichnet.

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Leserunden zum Nachlesen

Leserunde zu "Darthula, Tochter der Nebel" auf Lovelybooks. Mit Autorin Petra Hartmann und Cover-Künstler Miguel Worms: http://www.lovelyboo...nde/1201913120/

 

Leserunde auf Lovelybooks zu "Nestis und die verschwundene Seepocke": Mit Autorin Petra Hartmann und Verlegerin Monika Fuchs:

http://www.lovelyboo...nde/1166725813/

 

Leserunde auf Lovelybooks zu "Mit Klinge und Feder": Mit den Autorinnen Linda Budinger, Petra Hartmann, Stefanie Pappon, Christel Scheja, Andrea Tillmanns und Petra Vennekohl: http://www.lovelyboo...nde/1156671163/

 

Leserunde zu "Falkenblut" auf Lovelybooks: https://www.lovelybo...263/2687604262/

Geschichten über Nestis

Bücher
"Nestis und die verschwundene Seepocke. Ein Meermädchen-Roman." Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2013.
"Nestis und die Hafenpiraten. Ein Meermädchen-Roman." Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2014.

"Nestis und die verbotene Welle. Ein Meermädchen-Roman." Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2017.

 

Mini-Buch

"Nestis und der Weihnachtssand. Ein Helgoland-Märchen." Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2017.

eBooks
"Nestis und der Weihnachtssand. Ein Helgoland-Märchen." Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2013.
"Nestis und die verschwundene Seepocke. Ein Meermädchen-Roman." Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2013.

"Nestis und die Hafenpiraten. Ein Meermädchen-Roman." Hildesheim: Verlag Monika Fuchs, 2014.

Hörbuch
"Eine Hand voll Weihnachtssand." In: Petra Hartmann: "Weihnachten im Schneeland". Gelesen von Karin Sünder. Mit Musik von Simon Daum. Essen: Action-Verlag, 2010. (mp3-Download und CD-ROM)

Beiträge zu Anthologien
"Weihnachtssand für Helgoland." In: "Wenn die Biiken brennen. Phantastische Geschichten aus Schleswig-Holstein." Hrsg. v. Bartholomäus Figatowski. Plön: Verlag 71, 2009. S. 163-174.

Hödeken-Lesestoff

Buch

Petra Hartmann: Hut ab, Hödeken! Sagen aus dem Hildesheimer Land. Hildesheim: Verlag Monika Fuchs. 101 S., Euro 7,95. ISBN 978-3-940078-37-7. Unter anderem erhältlich bei Amazon.

 

Hörbuch

Petra Hartmann: Hut ab, Hödeken! Sagen aus dem Hildesheimer Land. 2 CD. Hildesheim: Verlag Monika Fuchs. Euro 14,95. ISBN: 978-3940078414. Unter anderen erhältlich bei Amazon.

 

eBook

Petra Hartmann: Hut ab, Hödeken! Sagen aus dem Hildesheimer Land. Hildesheim: Verlag Monika Fuchs.

 

Geschichten

Das Wagenrennen auf dem Rennstieg. In: Hildesheimliche Autoren e.V.: Hildesheimer Geschichte(n). Ein Beitrag zum 1200-jährigen Stadtjubiläum. Norderstedt: Book on Demand. 196 S., Euro 9,99. ISBN 978-3734752698. Unter anderem erhältlich bei Amazon.

Die glücklose Hasenjagd. In: MVP-M. Magazin des Marburger Vereins für Phantastik. Marburg-Con-Ausgabe. Nr. 19b. S. 36-40.

 

Lesung

Das Wagenrennen auf dem Rennstieg, Radio Tonkuhle, Sendung vom April 2015.

 

Movenna-Kompass

Übersicht über die Romane und Erzählungen aus Movenna


Bücher

Geschichten aus Movenna. Fantasy. Nittendorf: Wurdack-Verlag, 2004. 164 S.
Ein Prinz für Movenna. Nittendorf: Wurdack-Verlag, 2007. 188 S.
Der Fels der schwarzen Götter. Nittendorf: Wurdack-Verlag, 2010. 240 S.

 

eBooks

 

Geschichten aus Movenna. Fantasy. Nittendorf: Wurdack-Verlag, 2014.
Ein Prinz für Movenna. Nittendorf: Wurdack-Verlag, 2014.
Der Fels der schwarzen Götter. Nittendorf: Wurdack-Verlag, 2014.

Beim Vorderhuf meines Pferdes. Nittendorf: Wurdack-Verlag, 2014.

Hörbuch

Der Fels der schwarzen Götter. Action-Verlag, 2012.


Movennische Geschichten in Anthologien und Zeitschriften

Die Krone Eirikirs. In: Traumpfade (Anthologie zur Story-Olympiade 2000). Hrsg. v. Stefanie Pappon und Ernst Wurdack. Dresden, 2001. S. 18-25.
Flarics Hexen. In: Geschöpfe der Dunkelheit (Anthologie zur Story-Olympiade 2001). Hrsg. v. Stefanie Pappon und Ernst Wurdack. Dresden, 2002. S. 22-28.
Raubwürger. In: Kurzgeschichten, September 2004, S. 20f.
Furunkula Warzenkraish. Elfenschrift, dritter Jahrgang, Heft 2, Juni 2006. S. 10-14.
Der Leuchtturm am Rande der Welt. In: Elfenschrift, vierter Jahrgang, Heft März 2007, S. 18-21.
Gewitternacht. In: Im Bann des Nachtwaldes. Hrsg. v. Felix Woitkowski. Lerato-Verlag, 2007. S. 57-60.
Pfefferkuchen. In: Das ist unser Ernst! Hrsg. v. Martin Witzgall. München: WortKuss Verlag, 2010. S. 77-79.
Winter-Sonnenwende. In: Mit Klinge und Feder. Hrsg. v. Petra Hartmann und Andrea Tillmanns. Homburg/Saar: UlrichBurger Verlag, 2013. S. 51-59.
Der Reiter auf dem schwarzen Pferd. Ebd. S. 60-68.

Die Blaubeerbrücke. In: Met-Magie. Hrsg. v. Amandara M. Schulzke und Nadine Muriel. Hamburg: Acabus Verlag, 2022. S. 163-174.

 

 

Movennische Geschichten in Fanzines

Föj lächelt. In: Alraunenwurz. Legendensänger-Edition Band 118. November 2004. Hrsg. v. Christel Scheja. S. 23.
Raubwürger. In: Drachenelfen. Legendensänger-Edition Band 130. Januar 2006. Hrsg. v. Christel Scheja. S. 3-5.
Goldauge. In Phantastische Geschichten mit den Phantastik Girls. (Broschüre der Phantastik Girls zum MarburgCon 2007)


Aufsätze

Wie kann man nur Varelian heißen? Über das Unbehagen an der Namensgebung in der Fantasy. In: Elfenschrift, 5. Jahrgang, März 2008. S. 16f.


Movennische Texte online

Aus "Geschichten aus Movenna":
König Surbolds Grab
Das letzte Glied der Kette
Brief des Dichters Gulltong
Der Kranich
Die Rückkehr des Kranichs

Aus "Ein Prinz für Movenna":
Der Leuchtturm am Rand der Welt
Furunkula Warzenkraish
Gewitternacht

Aus "Der Fels der schwarzen Götter":
Der Waldalte
Hölzerne Pranken
Im Bann der Eisdämonen

Die Bibliothek der Falkin

Übersicht über die Romane und Novellen über die Walküre Valkrys, genannt "die Falkin"

Bücher

Die letzte Falkin. Heftroman. Dortmund: Arcanum Fantasy Verlag, 2010.
Falkenblut. Sibbesse: Hottenstein-Verlag, Sommer 2020.

eBooks

Falkenblut. Vier Fantasy-Romane. eBook-Ausgabe. Chichili und Satzweiss.com, 2012. (vergriffen)

Falkenfrühling. Novelle. eBook. Dortmund: Arcanum Fantasy Verlag, 2011. (vergriffen)

Falkenfrühling. Novelle. In: Best of electronic publishing. Anthologie zum 1. Deutschen eBook-Preis 2011. eBook. Chichili und Satzweiss.com, 2011. (unter anderem erhältlich bei Thalia und Amazon)


Aufsatz

Aegirs Flotte - ein Nachruf. In: Fandom Observer, Dezember 2011. S. 16-18. Online-Magazin und Blogversion

Drachen! Drachen! 2012

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Frank G. Gerigk & Petra Hartmann (Hrsg.)
DRACHEN! DRACHEN!
Band 01, Drachen-Anthologie
ISBN: 978-3-89840-339-9
Seiten: 384 Taschenbuch
Grafiker: Mark Freier
Innengrafiker: Mark Freier
Preis: 14,95 €
Bestellen beim Blitz-Verlag

Fatal wäre es, Drachen zu unterschätzen! Wer glaubt, genug über sie zu wissen, hat schon verloren.
Diese 23 meisterlichen Geschichten aus verschiedenen literarischen Genres belegen, dass das Thema aktuell, überraschend und packend ist - und gelegentlich fies!

Die Autoren:
Rainer Schorm, Achim Mehnert, Andrea Tillmanns, Malte S. Sembten, Frank G. Gerigk, Christel Scheja, Fiona Caspari, Hendrik Loy, Christiane Gref, Linda Budinger, Miriam Pharo, Carsten Steenbergen, Rebecca Hohlbein, Frank W. Haubold, Melanie Brosowski, Astrid Ann Jabusch, Thomas R. P. Mielke, Karsten Kruschel, Marc A. Herren, Petra Hartmann, Monika Niehaus, Uwe Post.
Originalveröffentlichung!

Die Schlagzeile, 2011/2012

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Petra Hartmann: Die Schlagzeile.
Personalisierbarer Roman.
PersonalNovel Verlag, 2011.
eBook: PersonalNovel, 2012.
Personalisieren und bestellen

Verschlafen und idyllisch liegen sie da, die Orte Barkhenburg, Kleinweltwinkel und Reubenhausen. Doch dann stört der Diebstahl einer Heiligenfigur die Ruhe: Ein jahrhundertealter Hass bricht wieder aus und ein hitziger Streit entflammt, der aus Freunden Feinde und aus friedlichen Nachbarn sich prügelnde Gegner macht. Mittendrin: Eine Journalistin, die bereit ist, für eine Schlagzeile im Sommerloch alles zu geben. Mit viel Einsatz und einer Prise Humor versucht sie, das Geheimnis um die verschwundene Hubertus-Statue aufzuklären, und muss sich dabei mit erregten Politikern, aufgebrachten Dorfbewohnern und einem nervösen Chefredakteur herumschlagen. Aber die Journalistin lässt sich nicht unterkriegen - bis ihr ein Anruf fünf Minuten vor Redaktionsschluss die Schlagzeile zunichtemacht...

Falkenblut, 2012

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Petra Hartmann: Falkenblut.
Vier Romane in einem Band.
E-Book
Satzweiss.com - chichili agency, 2012.
3,99 Euro

 

Nicht mehr lieferbar!

Neuausgabe in Vorbereitung.


Die Abenteuer der jungen Walküre Valkrys beginnen an ihrem ersten Arbeitstag und ausgerechnet dort, wo die germanischen Götter- und Heldensagen enden: Ragnarök, die Endzeitschlacht, ist geschlagen, Götter und Riesen haben sich gegenseitig aufgerieben, die wenigen Überlebenden irren ziellos durch die Trümmer des zerbrochenen Midgard. An der Seite des neuen Götterkönigs Widar muss sich Valkrys nun behaupten. Dabei trifft sie auf Jöten, Thursen, Reifriesen, Seelenräuberinnen, Werwölfe, Berserker, Hexen, riesenhafte Meerungeheuer und das furchtbare Totenschiff Naglfari. Leseempfehlung ab 12 Jahren.

Meine Bücher 1998 - 2011

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Petra Hartmann
Falkenfrühling
eBook
Arcanum Fantasy Verlag
ISBN: 978-3-939139-59-1

Wegen Verkauf des Arcanum-Verlags ist die Ausgabe nicht mehr erhältlich, aber die Zweitveröffentlichung in der eBook-Anthologie "Best of electronic publishing" gibt es noch als epub oder Kindle-Ausgabe.

Valkrys träumt davon, eine echte Walküre zu sein. Sie springt, noch Kind, vom Dach des Langhauses.
Alle Ermahnungen ihrer Eltern sind vergeblich, sie macht sich an den Aufstieg zum Gipfel der nahen Klippe, besessen vom "Traum vom Fliegen" ...

Fünfter Platz beim Deutschen eBook-Preis 2011.

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Petra Hartmann
Die letzte Falkin
Roman.
Arcanum Fantasy Verlag
ISBN 978-3-939139-62-1
Bestellen beim Arcanum-Verlag

Blut und Tod, so weit die Falkenaugen reichen: So hatte sich Valkrys ihren ersten Flug als Walküre nicht vorgestellt. Ragnarök, die Endzeit-Schlacht, ist geschlagen. Die Götter tot, die Welt ein Flammenmeer, das Götterreich Asgard droht, in die Tiefe zu stürzen. Einzig Vidar, den Sohn und Erben Odins, kann die Walküre retten. Doch der neue Götterkönig schweigt sich über seine Ziele aus †¦


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Petra Hartmann
Der Fels der schwarzen Götter
Roman
Wurdack Verlag
ISBN 978-3-938065-64-8
Bestellen beim Wurdack-Verlag


Hochaufragende Felswände, darin eingemeißelt weit über tausend furchteinflößende Fratzen, die drohend nach Norden blicken: Einer Legende zufolge sind die schwarzen Klippen das letzte Bollwerk Movennas gegen die Eisdämonen aus dem Gletscherreich.
Doch dann begeht der junge Ask bei einer Mutprobe einen folgenschweren Fehler: Er schlägt einem der schwarzen Götter die Nase ab. Der unscheinbare Dreiecksstein wird Auslöser eines der blutigsten Kriege, die das Land jemals erlebt hat. Und die Völker des Berglandes wissen bald nicht mehr, wen sie mehr fürchten sollen: die schwarzen Götter, die weißen Dämonen oder die sonnenverbrannten Reiter aus den fernen Steppen ...


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Petra Hartmann
Darthula
Heftroman
Arcanum Fantasy Verlag
ISBN 978-3-939139-32-4
Bestellen beim Arcanum-Verlag


Darthula, die schönste Prinzessin der Nebellande, beschwört Krieg, Tod und Vernichtung über ihr heimatliches Selama herauf, als sie den Heiratsantrag des mächtigen Königs Cairbar ausschlägt. Zusammen mit ihrem Geliebten flüchtet sie in einem kleinen Segelboot übers Meer. Doch Wind und Wellen sind unzuverlässige Verbündete ...


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Petra Hartmann
Weihnachten im Schneeland
Hörbuch
Action-Verlag
Download bei Audible
CD bestellen beim Action-Verlag

WEIHNACHTEN IM SCHNEELAND von Petra Hartmann vereint vier wundervolle Kurzgeschichten für Kinder ab 6 Jahren. Schon die Titel regen die Phantasie der Kleinen an und verleiten zum Schmunzeln und Staunen:
- "Der Reserve-Weihnachtsmann"
- "Die Weihnachts-Eisenbahn"
- "Eine Handvoll Weihnachtssand"
- "Paulchen mit den blauen Augen"



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Petra Hartmann
Ein Prinz für Movenna
Paperback
Wurdack Verlag
ISBN 3-938065-24-9
Bestellen

Mit dem Schild oder auf dem Schild
- als Sieger sollst du heimkehren oder tot.
So verlangt es der Ehrenkodex des heldenhaften Orh Jonoth. Doch der letzte Befehl seines sterbenden Königs bricht mit aller Kriegerehre und Tradition: "Flieh vor den Fremden, rette den Prinzen und bring ihn auf die Kiesinsel." Während das Land Movenna hinter Orh Jonoth in Schlachtenlärm und Chaos versinkt, muss er den Gefahren des Westmeers ins Auge blicken: Seestürmen, Riesenkraken, Piraten, stinkenden Babywindeln und der mörderischen Seekrankheit ....


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Petra Hartmann
Geschichten aus Movenna
Paperback
Wurdack Verlag
ISBN 3-938065-00-1
Bestellen


Verwünschte Hexen!
Warum zum Henker muß König Jurtak auch ausgerechnet seinen Sinn für Traditionen entdecken?
Seit Jahrhunderten wird der Kronprinz des Landes Movenna zu einem der alten Kräuterweiber in die Lehre gegeben, und der Eroberer Jurtak legt zum Leidwesen seines Sohnes großen Wert auf die alten Sitten und Gebräuche. Für den jungen Ardua beginnt eine harte Lehrzeit, denn die eigenwillige Lournu ist in ihren Lektionen alles andere als zimperlich ...


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Wovon träumt der Mond?
Hrsg. v. Petra Hartmann & Judith Ott
Wurdack Verlag
ISBN 978-3-938065-37-2
Bestellen

Der Mond - König der Nacht und gleichsam Verbündeter von Gut und Böse ... Seit jeher ranken sich Legenden voller Glauben und Aberglauben um sein Licht, das von den einen als romantisch verehrt und von den anderen als unheimlich gefürchtet wird. Seine Phasen stehen für das Werden und Vergehen allen Lebens, er wacht über die Liebenden, empfängt die Botschaften der Suchenden, Einsamen und Verzweifelten und erhellt so einiges, was lieber im Dunkeln geblieben wäre. 39 Autorinnen und Autoren im Alter von 12 bis 87 Jahren sind unserem nächtlichen Begleiter auf der Spur gewesen. In 42 erfrischend komischen, zutiefst nachdenklichen und manchmal zu Tränen rührenden Geschichten erzählen sie die Abenteuer von Göttin Luna und Onkel Mond, von erfüllten und verlorenen Träumen, lassen Perlmuttschmetterlinge fliegen und Mondkälber aufmarschieren. Und wer denkt, dass nur der Mann im Mond zuweilen die Erde besucht, irrt sich! Auch umgekehrt erhält er gelegentlich unverhofften Besuch dort oben.


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Drachenstarker Feenzauber
Herausgegeben von Petra Hartmann
Wurdack Verlag
ISBN 978-3-938065-28-0
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Öko-Feen, Büro-Feen, Todes-Feen und Bahn-Feen, geschäftstüchtige Drachen, goldzahnige Trolle, Sockenmonster, verzauberte Kühlschränke, Bierhexen, Zwirrrrrle, Familienschutzengel, Lügenschmiede, ehrliche Anwälte, verarmte Zahnärzte und andere Märchenwesen geben sich in diesem Buch ein Stelldichein.
51 Märchenerzähler im Alter von zwölf bis 76 Jahren haben die Federn gespitzt und schufen klassische und moderne Märchen, lustige, melancholische, weise und bitterböse Erzählungen, so bunt wie das Leben und so unvergesslich wie das Passwort eines verhexten Buchhalters.


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Zwischen Barrikade, Burgtheater und Beamtenpension.
Die jungdeutschen Autoren nach 1835.
ibidem-Verlag
ISBN 978-3-89821-958-7
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"Das Junge Deutschland“ - dieser Begriff ist untrennbar verbunden mit dem Bundestagsbeschluss vom 10. Dezember 1835, durch den die Werke der fünf Schriftsteller Heinrich Heine, Theodor Mundt, Karl Gutzkow, Ludolf Wienbarg und Heinrich Laube verboten wurden. Das Verbot markierte Höhe- und gleichzeitig Schlusspunkt einer literarischen Bewegung, die erst wenige Jahre davor begonnen hatte. Die Wege der Autoren trennten sich. Und doch gab es auch danach immer wieder Begegnungen und Berührungspunkte.
Petra Hartmann zeichnet die Wege der Verbotenen und ihrer Verbündeten nach und arbeitet Schnittstellen in den Werken der alt gewordenen Jungdeutschen heraus. Sie schildert insbesondere die Erfahrungen der Autoren auf der Insel Helgoland, ihre Rolle in der Revolution von 1848, aber auch die Versuche der ehemaligen Prosa-Schriftsteller, sich als Dramatiker zu etablieren. Irgendwo zwischen Anpassung und fortwährender Rebellion mussten die Autoren ihr neues Auskommen suchen, endeten als gescheiterte Existenzen im Irrenhaus oder als etablierte Literaten, die doch körperlich und seelisch den Schock von 1835 nie ganz verwunden hatten, sie leiteten angesehene Theater oder passten sich an und gerieten nach Jahren unter strenger Sonderzensur beim Publikum in Vergessenheit. Die vorliegende Untersuchung zeigt, was aus den Idealen von 1835 wurde, wie vollkommen neue Ideen - etwa die Debatte um Armut und Bildung - in den Werken der Jungdeutschen auftauchten und wie die Autoren bis zum Ende versuchten, ihr „Markenzeichen“ - ihren Stil - zu bewahren.


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Von Zukunft trunken und keiner Gegenwart voll
Theodor Mundts literarische Entwicklung vom Buch der Bewegung zum historischen Roman
Aisthesis-Verlag
ISBN: 3-89528-390-8
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Theodor Mundt - Schriftsteller, Zeitschriftenherausgeber, Literaturwissenschaftler und Historiker - verdankt seinen Platz in der Literaturgeschichte vor allem dem Umstand, daß seine Veröffentlichungen am 10. Dezember 1835 verboten wurden. Das vom deutschen Bundestag ausgesprochene Verbot, das sich gegen die vermeintlichen Wortführer des "Jungen Deutschland", Heine, Gutzkow, Laube, Wienbarg und eben Theodor Mundt richtete, war vermutlich die entscheidende Zäsur in den literarischen Karrieren aller Betroffenen. Daß sie mit dem schon berühmten Heinrich Heine in einem Atemzug genannt und verboten wurden, machte die noch jungen Autoren Gutzkow, Laube, Mundt und Wienbarg für ein größeres Publikum interessant. Doch während Gutzkow und auch Laube im literarischen Bewußtsein präsent blieben, brach das Interesse an Mundt und seinen Werken schon bald nach dem Verbot fast gänzlich ab. Seine weitere Entwicklung bis zu seinem Tod im Jahr 1861 wurde von der Literaturwissenschaft bislang so gut wie vollständig ignoriert. Diese Lücke wird durch die vorliegende Studie geschlossen. Nachgezeichnet wird der Weg von den frühen Zeitromanen des jungen Mundt bis hin zu den historischen Romanen seines Spätwerks.


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Faust und Don Juan. Ein Verschmelzungsprozeß,
dargestellt anhand der Autoren Wolfgang Amadeus Mozart, Johann Wolfgang von Goethe, Nikolaus Lenau, Christian Dietrich Grabbe, Gustav Kühne und Theodor Mundt
ibidem-Verlag
ISBN 3-932602-29-3
Bestellen beim Ibidem-Verlag


"Faust und Don Juan sind die Gipfel der modernen christlich-poetischen Mythologie", schrieb Franz Horn bereits 1805 und stellte erstmalig beide Figuren, speziell den Faust Goethes und den Don Giovanni Mozarts, einander gegenüber. In den Jahren darauf immer wieder als polar entgegengesetzte Gestalten aufgefaßt, treten Faust und Don Juan in den unterschiedlichsten Werken der Literaturgeschichte auf.

Bei Lenau sind sie Helden zweier parallel aufgebauter Versepen, bei Grabbe begegnen sie sich auf der Bühne und gehen gemeinsam zugrunde. Theodor Mundt stellt als Lebensmaxime auf, man solle beides, Faust und Don Juan, in einer Person sein und beide in sich versöhnen.

Anhand der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Johann Wolfgang von Goethe, Nikolaus Lenau, Christian Dietrich Grabbe, Gustav Kühne und Theodor Mundt zeichnet Petra Hartmann die Biographien Fausts und Don Juans in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach, einer Zeit, die beide Helden stark prägte und auch für heutige Bearbeitungen beider Stoffe grundlegend ist."

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