Sabine Hartmann: Du schuldest mir noch was
Im Bereich Lokalkrimi hat die Sibbesser Autorin Sabine Hartmann bereits mehrfach ihre Visitenkarte abgegeben. Nun veröffentlichte sie unter dem Titel „Du schuldest mir noch was“ ihren zweiten Holle-Krimi. Schauplätze sind mehrere Dörfer in der Gemeinde Holle, neben Holle selbst auch Luttrum, Sottrum und Derneburg, aber es gibt auch einen Ausflug nach Frankfurt am Main.
Die Heldin des Romans ist die bereits aus Hartmanns erstem Holle-Krimi bekannte Künstlerin Bea. Bea will demnächst eine Auswahl ihrer Werke im Derneburger Glashaus zeigen. Allerdings: Vom Verkauf ihrer Bilder kann die junge Frau vorläufig noch nicht leben, daher hat sie sich als Putzfrau bei dem manchmal etwas launischen „Fräulein Wiese“ verdingt. Und das hat prompt ein ganz anderes Anliegen als eine saubere Wohnung: Bea soll herausfinden, ob Fräulein Wieses Tochter ihren Mann vergiftet hat. „Du schuldest mir noch etwas“, erinnert Fräulein Wiese nachdrücklich. Und um eine „alte Schuld“ geht es tatsächlich, auch wenn Bea das bei ihrer zunächst erfolglosen Stippvisite in Frankfurt bei der Beerdigung des Ermordeten noch nicht ahnt.
Tatort Holle: Raub, Mord und Ladendiebstahl
Den Vergleich mit der Mainmetropole muss die angeblich so beschauliche Gemeinde Holle hinsichtlich der Kriminalitätsstatistik allerdings nicht scheuen. Jedenfalls schafft es die Autorin, jede Menge an Raub- und Diebstahl-Delikten, aber auch Mord und Körperverletzung hier zu verorten. Eine kriminelle Jugendbande treibt hier ihr Unwesen, einer von Beas Künstler-Freunden wird regelmäßig Opfer groben Unfugs, und dann wird auch noch in die frisch eröffnete Kunstausstellung eingebrochen und mehrere Gemälde werden gestohlen.
Sabine Hartmann erzählt aus vier Perspektiven
Sehr interessant ist es, die Vorgänge und Ermittlungen aus den vier unterschiedlichen Perspektiven zu verfolgen, die die Autorin anbietet. Außer Bea sind auch der Holler Polizist Nils und der Journalist Kwonk damit beschäftigt, den Fall der geraubten Kunstwerke zu lösen. Und dann ist da noch das Früchtchen Pascal, der nicht-ganz-18-jährige halbstarke Chef einer Jugendbande, die in Holle klaut und raubt. Gerade Pascal, der ethisch und intellektuell nicht gerade viel zu bieten hat, wird durch die Autorin erzähltechnisch außerordentlich aufgewertet, da er als einziger aus der Ich-Perspektive und im Präsens redet, während Hartmann für Bea, Nils und Kwonk die Perspektive des personalen Erzählers (Er- oder Sie-Erzähler) wählte. Dass die Figur dadurch authentischer herüberkommt als die drei anderen, lässt sich allerdings nicht behaupten, tatsächlich erscheint Pascal wesentlich hohler und klischeehafter als Bea, Nils und Kwonk.
Jede Menge Holler Lokalkolorit
Der Roman punktet auf jeden Fall durch das reichlich vorhandene Lokalkolorit. Wer weiß, wie nahe der überfallene Bäckerladen, die Polizeidienststelle und der Gastronomiebetriebe liegen, in der Bea und ihre Bekannten sich treffen, wer den Derneburger Lavespfad entlanggewandert ist und den Tempel und die Pyramide mit eigenen Augen gesehen hat, wer das Glashaus und das Schloss kennt, hat sicher viel Freude am Wiedererkennen vertrauter Schauplätze. Sehr interessant ist auch die Art, wie Hartmann die einzelnen Künstler und ihre Arbeitsweisen geschildert hat. Da ist die geheimnisvolle androgyne „Mitternacht“ mit ihrer erotischen oder pseudo-erotischen Kunst. Da ist die Sottrumer Galerie, da sind Dumme-Jungenstreiche gegen einen Derneburger Künstler, und da ist Beas neue Idee, Teile ihrer Bilder mit Blattgold zu überziehen - eine Kunst, die sie extra für die Ausstellung bei einem Holler Uhrmacher und Schmuckhändler erlernt. Ein sehr schönes Beispiel für die Verschmelzung von Kunst und Kriminalfall ist auch die Aufmachung des Buchs: Der Roman wurde von dem Sottrumer Künstler Volker Witteczek illustriert, der die von Hartmann beschriebenen Tatorte stilecht in Szene setzte.
Mit dem Presseausweis ins Krankenhaus?
Ich als Journalist und leider auch erfahrener Krankenhaus-Besucher muss allerdings mit dem Mythos vom Presseausweis ein wenig aufräumen: Dass Kwonk im Hildesheimer Krankenhaus nur mit seinem Presseausweis wedeln muss, um zu einem Patienten gelassen zu werden, ist Quatsch. Entweder der Patient ist wach, dann darf er selbst entscheiden, ob er mit jemandem reden möchte oder nicht. Ist er im Koma oder anderweitig nicht verhandlungsfähig, werden nur die engsten Angehörigen eingelassen, ob mit oder ohne Presseausweis …
Insgesamt ist es ein detailreicher und spannender Roman, der den Hollern viel Spaß machen dürfte und, wie das Schlusskapitel andeutet, durchaus noch Folgen haben könnte. Schade ist, dass das Buch wohl das klassische Schicksal eines Lokalkrimis haben und außerhalb der Gemeindegrenzen nur wenig Leser finden wird.
Fazit: Lokalkrimi mit jeder Menge Holle-Flair von einer Autorin, die ihre Tatorte sehr gut kennt. Interessante Charaktere, ordentlicher Plot und jede Menge große und kleine Kriminalität. Lesenswert.
Sabine Hartmann: Du schuldest mir noch was. Ein Holle-Krimi. Mit Illustrationen von Volker Witteczek. Sibbesse: Hottenstein Buchverlag, 2023. 449 S., Euro 13.90.
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