
Sherlock Holmes und Old Shatterhand

Sherlock Holmes und Old Shatterhand? Das ungewöhnliche Zusammentreffen ist nur eine von insgesamt acht Begegnungen der besonderen Art, die Klaus-Peter Walter dem englischen Meisterdetektiv beschert. Holmes kreuzt bei seinen Ermittlungen die Wege von Buffalo Bill oder George Bernhard Shaw und schafft es sogar, den Weihnachtsmann eines Diebstahls zu überführen.
Klaus-Peter Walter lässt Sherlock Holmes' ständigen Begleiter Doktor Watson nach dem Tod seines Freundes seine reichen Archive öffnen und berichtet über einige ungewöhnliche Fälle, über die der Privatdetektiv aus der Bakerstreet zu Lebzeiten den Schleier der Diskretion gebreitet hatte. Nun packt Watson aus und erzählt zum Beispiel von einer Zugfahrt in Deutschland, auf der sich ein aufdringlicher Herr mit Kneifer zu ihnen gesellt. Holmes klärt unterwegs nicht nur durch einen geschickten Bluff einen Mord auf, sondern überführt auch den wichtigtuerischen Reisegenossen Dr. May als Hochstapler, der noch niemals in Amerika war und dessen angebliche Abenteuer als Westmann OId Shatterhand reine Phantasieprodukte sind.
Sherlock Holmes trifft Professor Higgins und die "fair Lady"
Sehr gut getroffen hat Walter die manchmal für den Leser etwas nervende Manier des Detektivs, seinem Gegenüber auf den Kopf zuzusagen, in welcher beruflichen und familiären Situation er sich befindet, und dann in einem endlosen Vortrag die Indizien herzuzählen, aus denen er diese Schlüsse zog. Da ist es doppelt erheiternd, wenn Holmes plötzlich selbst nach einem Konzertbesuch von dem genialen Sprachforscher Henry Higgins als "Opfer" auserkoren und einer Analyse unterzogen wird. Klar, dass Higgins sofort Holmes' Geburtsort errät und auch Watson ziemlich genau einschätzen kann, woraufhin Holmes sich revanchiert und seinerseits seine Erkenntnisse über Higgins verkündet. Eine köstliche Begegnung zweier verwandter Seelen und außerordentlich schwieriger Zeitgenossen.
Meisterdetektiv verblüfft Watson wie schon zu Arthur Conan Doyles Zeiten
Etwas frustrierend für den Leser ist, dass Holmes seine Indizien gewöhnlich erst dann ausbreitet, wenn er seine genialen Schlüsse bereits gezogen und vorgetragen hat. Und dass immer wieder Hintergrundinformationen aus dem Ärmel gezogen werden, die der Leser nicht vorausahnen kann. Da kann Holmes schon mal plötzlich fließend Albanisch sprechen und verfügt über Kenntnisse aus einer Zeitschrift, die er zufällig kurz zuvor gelesen hat. Oder er erweist sich als Kenner chinesischer Kunst und Fachmann für medizinische Diagnosen, die selbst den Arzt Watson in Erstaunen versetzen. Eine Manier, die man allerdings auch schon bei Arthur Conan Doyle antraf. Insofern sind die kleinen Begegnungen nichts weniger als Krimikurzgeschichten zum Mitraten, vielmehr sind sie gelungene Miniaturen, oft mit einer gewissen Parodiefreude, in denen der Schwerpunkt auf der Holmes-Atmosphäre und den ungewöhnlichen Begegnungen und Kombinationen von Charakteren liegt.
Fazit: Interessante Storys mit überraschenden Begegnungen und sehr kühnen Kombinationen. Lesenswert.
Klaus-Peter Walter: Sherlock Holmes und Old Shatterhand. Blitz-Verlag, 2011. 278 S., Euro 15,95.
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© Petra Hartmann