Steve Gerlach: Rage
"Rage" ist die Geschichte eines jungen Mannes, der schließlich zum Amokläufer wird, sich mit Schusswaffen eindeckt und in einem Einkaufszentrum in die Menge ballert. Ben ist eigentlich ein ziemlich durchschnittlicher Typ, Kunststudent, Bibliotheksbesucher, mit dem Pubertieren noch nicht ganz fertig, 22 Jahre alt und noch Jungfrau. Immer wieder versucht er, eine Freundin zu finden, oder ein Mädchen einfach nur auf einen Drink einzuladen, doch aus irgend einem Grunde lehnen alle ab. Für Ben ist ganz klar, wer für sein verkorkstes Leben verantwortlich ist: Seine Eltern sind schuld. Seine Lehrer. Die Weiber. Oder überhaupt alle anderen, nur nicht er selbst. In dem unauffälligen Jungen, der sich aus der Bibliothek Krimis ausleiht, braut sich etwas zusammen. Zuerst sind es nur Pornofilme aus der Videothek, bei denen er für einige Zeit seine Erfolglosigkeit vergessen kann. Dann verbotene Hardcore-Gewaltvideos aus dem geheimen Hinterzimmer des Verleihers. Schließlich, kurz vor dem großen Knall, das niedliche Kätzchen aus dem Hausflur, das brutal zu Tode gefoltert wird. Wie krank muss man sein, um so etwas zu schreiben? Die Szene ist wahrhaftig nichts für schwache Gemüter.
Wer wissen will, wie sich unauffällige Durchnittstypen zur Zeitbombe entwickeln und was in diesen Leuten vor sich geht, wird nach diesem Buch um einiges klüger sein. Wobei die allerletzte Antwort darauf, woher die Gewalt kommt, auch in "Rage" nicht gegeben werden kann. Myriaden von Männern erhalten täglich Absagen, wenn sie versuchen, eine Frau anzusprechen. Zahllose Menschen machen auch noch im Erwachsenenalter ihre Eltern verantwortlich für alles, was in ihrem eigenen Leben schiefläuft, und sind nicht bereit, die Verantwortung für ihre eigenen Erfolge und Misserfolge zu übernehmen. Was bei Ben hinzukam, dieses kleine Ingrediens, das aus einem Versager einen Massenmörder macht, wird im Buch nicht benannt. Aber das kennen wohl nicht einmal die Kriminologen.
Fazit: Sachkundig und minutiös wird hier die Entwicklung eines jungen Mannes geschildert, von der Abfuhr bis zum Amoklauf. Dieser Autor versteht sehr viel von Psychologie und hat keine Scheu vor harten und unappetitlichen Szenen. Spannend und flüssig geschrieben, aber nichts für Menschen mit schwachem Magen oder gar für Katzenfreunde.
Steve Gerlach: Rage. Übersetzt aus dem australischen Englisch von Susanne Schnitzler. Nittendorf: Wurdack Verlag, 2012. 253 S., Euro 12,95.
© Petra Hartmann

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