Kerstin Groeper: Wie ein Funke im Feuer
Kerstin Groeper Cheyenne Indianer Lakota Traumfänger
Mit "Wie ein Funke im Feuer" legt Kerstin Groeper erneut einen kenntnisreich und spannend geschriebenen Indianerroman vor. Die "Lakota und Cheyenne Odyssee" handelt von den ersten Begegnungen zwischen Cheyenne und Lakota, ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Thema "Frauenraub" beziehungsweise auf dem Schicksal gefangener Frauen aus anderen Stämmen.
Die Lakota, aus dem fruchtbaren Waldland vertrieben von den stärkeren und mit Feuerwaffen ausgerüsteten Chippewa und Cree, sind noch relativ neu in der Prärie. Als der Lakota-Krieger Tanzt-im-Feuer und sein jüngerer Bruder Taschunka-ayuchtata auf einem Kundschaftergang versehentlich das Cheyenne-Mädchen Taischeé aufstöbern und verletzen, beschließt Tanzt-im-Feuer, das Mädchen nicht zu töten. Die Bewusstlose wird versorgt und so gelagert, dass ihre Stammesangehörigen sie finden müssen. Allerdings geht dem Lakota die junge Frau den ganzen Winter über nicht aus dem Kopf. Schließlich unternimmt sein junger Bruder eigenmächtig einen Zug gegen die benachbarten Cheyenne, stiehlt ihnen eine Handvoll Pferde und entführt Taisheé, um sie Tanzt-im-Feuer zu schenken. Der ist davon überhaupt nicht begeistert, zum einen, weil Taischeé dabei schwer verletzt wurde, zum anderen, weil er das Mädchen liebt. So beschließt er, sie zurück zu ihrem Stamm zu geleiten. Eine lange Geschichte von Kämpfen, Missverständnissen und Freundschaft zwischen den Lakota und Cheyenne beginnt.
Frauengestalten weisen kaum individuelle Züge auf
Der Roman fällt in der Zeichnung der Charaktere ein wenig ab gegenüber Kerstin Groepers großartigen Romanen "Kranichfrau" und "Die Feder folgt dem Wind". Die zahlreichen Frauengestalten, die hier, meist durch Raub oder Krieg "an den Mann gebracht werden", weisen kaum individuelle Züge auf und sind eher durch ihr Schicksal als durch ihre Persönlichkeiten auseinander zu halten. Da ist Taischeé, die mit Tanzt-im-Feuer durch eine tiefe und wahre Liebe verbunden ist. Da ist Kornblume, Tanzt-im-Feuers Schwester, die von feindlichen Indianern geraubt, dann an einen Weißen verkauft und brutal misshandelt wurde und schließlich an den freundlichen französischen Händler Paul geriet. Da ist Taschina-luta, ihre Schwester, die, als Kornblume schwanger ist, von Paul als Zweitfrau erworben wird und gemeinsam mit Kornblume nach dem Mord an Paul verwittwet ist. Da sind zwei Kiowa-Frauen, die in den Besitz zweier Lakota-Männer geraten, nachdem ihre Männer getötet worden sind. Da ist eine junge Frau, die einem Krieger als Ehesklavin dienen muss, um die Schuld ihrer Schwester zu sühnen. Abgesehen von der Frau des Taschunka-ayuchtata, der um seine Ehefrau ganz normal bei den benachbarten Brulé-Lakota wirbt, sind fast alle Frauen durch Krieg oder Raub zu den Freunden und Verwandten von Tanzt-im-Feuer gelangt.
Blass gezeichnete "Opfer-Frauchen"
Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um ziemlich blass gezeichnete "Opfer-Frauchen", die im Bett Gewalt zu erdulden haben oder zumindest ihrem jeweiligen Mann mit einer gewissen unterwürfigen Verehrung anhängen. Fast alle verhalten sich ziemlich passiv, werden nur dann aktiv, wenn sie ihren Mann im Bett oder anderswo durch bestimmte Einfälle verwöhnen wollen. Die wenigen Frauen, die aufmucken, bleiben Randfiguren und erleiden ein schlimmes Schicksal. Die entlaufene Frau des Cheyenne Falke-am-Boden muss wenig später gedemütigt zu ihrem Mann zurückkehren. Der gefangenen Kiowafrau Winu wird, wie bereits der vor Taschunka-ayuchtata flüchtenden Taischeé, gezeigt, wer der Stärkere ist, und die eifersüchtige und zänkische Wirbelwindfrau wird grausam zu Tode geschleift. Letzteres hat sie, zugegebenermaßen, verdient.
Weibliche Welt wird wenig anschaulich dargestellt
Leider erfährt der Leser trotz dieses Frauen-Themas sehr wenig über die weibliche Welt bei den einzelnen Stämmen. Es wird erwähnt, dass sie Speisen zubereiten. Aber wie? Welche Handgriffe werden ausgeführt? Welche Zutaten werden genutzt? Es heißt, die Frauen bauen die Zelte auf. Wie geht das? Welche Schritte sind nötig? Wie wird ein Zelt hergestellt? Es wird gesagt, dass Frauen Leder gerben und Kleidung herstellen. Aber wie? Was genau tun sie? Einmal wird gesagt, dass sie sich während ihrer Monats-Blutung zusammen in einem dafür vorgesehenen Zelt aufhalten müssen. Welche Szenen hätte man da schildern können, welche Gespräche! Verschenkt. Taischeé wird eingeführt als Enkelin und Schülerin einer Heilerin und als Kräuterkundige. Warum wird sie nie gezeigt, wenn sie Kräuter bestimmt, sammelt, einsetzt, ihr Wissen weitergibt, heilt? Ich möchte diese Frauen bei der Arbeit erleben, möchte ihre Lieder hören, über ihre Späße und Sticheleien lachen, ich möchte Bilder sehen. Nichts.
Sexszenen mit schrägen Formulierungen
Ein wenig plastischer versucht die Autorin zu werden, wenn sie die einzelnen Sexszenen ausmalt. Leider bleibt sie auch hier oft an der Oberfläche und bedient sich gängiger Metaphern, da werden Beine auseinandergedrückt, da fühlt die Frau seine Stärke in sich. Manches ist auch einfach schräg formuliert, so spürt zum Beispiel Falke-am-Boden, als Tanzt-im-Feuer ihm als Freundschaftsdienst seine Taischeé ausleiht, an ihr noch die "feuchte Nässe" ihres Mannes.
Kein Vergleich zu "Kranichfrau" und "Die Feder folgt dem Wind"
Dies alles hatte die Autorin in "Kranichfrau" oder "Die Feder folgt dem Wind" tausendmal besser gelöst und anschaulicher geschildert. Vermutlich, weil sie sich dort auf eine weibliche Protagonistin konzentrieren konnte. Hier will sie einfach zu viel erzählen, verzettelt sich zwischen den zahlreichen unterschiedlichen Frauenschicksalen, sodass am Ende nur passive Kleiderständer für erlittene Schicksale die Tipis bevölkern, aber keine lebendigen Persönlichkeiten.
Gelungene Schilderung eines Heyoka
Dabei hat das Buch durchaus seine Schönheiten. Einer der gelungensten Charaktere ist der Heyoka Mni-Luzahe, der aufgrund seiner Vision alles "andersherum" machen muss. Sehr plastisch schildert Kerstin Groeper das Leben eines Heyoka, seine besondere Stellung als Außenseiter, verehrt, gefürchtet und von den wenigsten verstanden, das Bild eines einsamen Menschen, der von seinen Göttern zum Leben als Clown und wandelnde Absurdität berufen wurde.
Auch der Hintergrund, die ersten Begegnungen zwischen Cheyenne und Lakota, ist ein sehr gut gewähltes, starkes Thema, das sich von gängigen Indianerromanen wohltuend abhebt. Hier geht es nicht um die Auseinandersetzungen zwischen Indianern und Weißen, sondern um eine Zeit, in der die Stämme noch weitgehend unter sich waren. Zwar ist am Anfang von den Gewehren der Chippewa und Cree die Rede, die der Auslöser für die Flucht der Lakota waren, und der freundliche und lustige Händler Paul ist zu Gast in den Zelten, doch abgesehen davon ist das Buch von Begegnungen mit den Weißen frei.
Flüssig und spannend geschrieben
Geschrieben ist das Buch sehr flüssig und spannend. Es lässt sich gut lesen und zeugt von großer Sachkenntnis, was das Leben der Lakota und Cheyenne angeht. Abgesehen von einigen Ausfällen ins Soziologendeutsch (so wird gesagt, dass beide Stämme das "Konzept" eines Heyoka oder einer Adoption kennen) oder Wirtschaftsenglisch (Oglala und Brulé trennen sich, um die "Ressourcen" des Landes besser zu nutzen) ist die Sprache sehr klangvoll und eingängig.
Fazit: Kenntnisreicher Indianerroman mit spannender Handlung und Schwächen in der Charakterzeichnung. Nicht schlecht, aber Kerstin Groeper kann mehr.
Kerstin Groeper: Wie ein Funke im Feuer. Eine Lakota und Cheyenne Odyssee. Hohenthann: Traumfänger Verlag, 2012. 539 S., Euro 24,50.
Weitere Bücher von Kerstin Groeper:
Träume von Salbei und Süßgras
Adlerkralle
Grauer Wolf
Indigene Märchen
Mohawk Love
Im Eissturm der Amsel
Im fahlen Licht des Mondes
Der scharlachrote Pfad
Die Feder folgt dem Wind
Kranichfrau
Geflecktes-Pferdemädchen
© Petra Hartmann