Brief des Bundeswahlleiters / Sechster Zwischenstand zur Petition gegen Statistik-Markierungen auf Stimmzetteln
Demokratie
Unten habe ich euch mal die Stellungnahme des Bundeswahlleiters angehängt. (Das pdf war zum Anhängen offenbar zu mächtig, daher nur abgetippt. Ich kann es euch auf Mailanfrage oder PN aber gern zusenden.)
Wer noch nicht unterzeichnet hat, aber Markierungen wie "Frau" und "Jahrgang 1970-79" auf Stimmzetteln genau so kritisch sieht wie ich, kann gern hier mitmachen und unterschreiben: www.tinyurl.com/Wahlgeheimnis
Zum Brief des Bundeswahlleiters (unterzeichnet im Auftrag von Yannik Weigelt) hier drei Anmerkungen:
1) Er betont zunächst, dass das Verfahlen gültigen Gesetzen entspricht. Das habe ich nicht angezweifelt. Ich kenne allerdings den Unterschied zwischen gesetzmäßig und gerecht.
2) Ferner behauptet er, ein Rückschluss auf die konkrete Person sei nicht möglich. Anonymität sei gewährleistet, da im Wahllokal ausschließlich die Stimmen selbst gezählt werden, die statistische Auswertung aber an zentraler Stelle erfolge. Das wage ich zu bezweifeln. Ich war selbst jahrelang Wahlhelfer. Wir müssen auf jeden Stimmzettel draufgucken. Und bei aller Selbstdisziplin: Irgendwann gleitet das Auge eben doch mal über die Markierungen. Im übrigen ist mir auch bei solchen zentralen Erfassungsstellen unwohl. Letzten Endes ist mir die Art der Sicherheitsmaßnahmen egal, ich halte markierte Stimmzettel für eine Gefahr für den Grundsatz der Anonymität und der Gleichheit.
3) Geradezu zynisch erscheint mir der letzte Absatz. Dort heißt es sinngemäß: Sie sind doch selbst Schuld, warum haben Sie Dummerchen denn keinen Wahlschein beantragt? Dann hätten Sie mit ein wenig Fahrerei und Nachfragen sicher ein Wahllokal gefunden, in dem Sie anonym hätten wählen können. Dazu ist zu sagen, dass keiner meiner Bekannten, die einen markierten Stimmzettel hatten, im Vorfeld über dieses Verfahren aufgeklärt worden ist. Sie alle bemerkten es erst, als sie ihren Stimmzettel im Wahllokal ausgehändigt bekamen. Und zumindest bei meiner Schwester hatten selbst die Wahlhelfer vor Ort keine Ahnung davon und konnten sie nicht aufklären.
Ob man einem besorgten Bürger erstmal von oben herab einen Schwall Paragrafen an den Kopf werfen sollte, oder ob nicht zumindest ein freundlicher Begrüßungssatz wie "vielen Dank für Ihr Schreiben, Ihre Sorgen nehmen wir ernst. Aber lassen Sie mich erklären ..." angemessen wäre, möchte ich hier nicht beurteilen. Über Kommunikationsstil lässt sich nicht diskutieren.
Hier also der Brief:
"Sehr geehrte [...],
Ihr Wahlbezirk wurde für die Wahl zum 8. Europäischen Parlament für die Teilnahme an der repräsentativen Wahlstatistik ausgewählt. Durch die repräsentative Wahlstatistik wird ermöglicht, Daten über die Stimmabgabe der Wähler für die einzelnen Parteien nach Geschlecht und Altersgruppen zu ermitteln. Weiterhin erfasst die repräsentative Wahlstatistik durch Auszählung der Wählerverzeichnisse der ausgewählten Wahlbezirke die Geschlechts- und Altersgliederung der Wahlberechtigten und ihre Beteiligung an der Wahl. Rechtsgrundlage für diese Statistik ist das Gesetz über die allgemeine und repräsentative Wahlstatistik bei der Wahl zum Deutschen Bundestag und bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Wahlstatistikgesetz (WStatG) vom 21. Mai 1999, BGBl I S. 1023, geändert durch Artikel 1a des Gesetzes vom 27. April 2013, BGBl. I S. 962). Die repräsentative Wahlstatistik gibt es seit der Bundestagswahl 1953.
Für die Durchführung der repräsentativen Wahlstatistik wurden bundesweit rund 2.500 Urnenwahl- (von etwa 75.000) und etwa 350 Briefwahlbezirke (von etwa 15.000) nach einem mathematischen Stichprobenverfahren zufällig ausgewählt. Einbezogen wurden nur Bezirke, die mindestens 400 Wahlberechtigte (Urnenwahl) bzw. mindestens 400 Wähler (Briefwahl) bei der Europawahl 2009 umfassten (§ 3 Satz 3 WStatG). In diesen Bezirken wurden - wie von Ihnen beschrieben - Stimmzettel mit Unterscheidungsaufdruck genutzt, und zwar getrennt nach Geschlecht und jeweils sechs Altersgruppen (WStatG). Dieses Verfahren gewährleistet die Einbeziehung einer hinreichend großen Anzahl von Wählerinnen und Wählern in einer Gruppe, sodass deren Wahlentscheidungen nicht nachvollzogen werden kann [sic!].
Darüber hinaus dürfen die Wahlvorstände eines Stichprobenbezirks nur das Wahlergebnis feststellen. Die Auszählung erfolgt nur vom Statistischen Amt des jeweiligen Bundeslandes oder von Gemeinden mit einer eigenen Statistikstelle (§ 5 Abs. 2 WStatG). Eine Zusammenführung der Wählerverzeichnisse und Stimmzettel ist zu keinem Zeitpunkt zulässig. Die Ergebnisse dürfen von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder nur auf Bundes- und Landesebene veröffentlicht werden.
Eine Wahl auf einem "neutralen" Stimmzettel in einem repräsentativen Wahlbezirk ist im WStatG nicht vorgesehen. Die Wahlvorstände sind daher auch nicht mit solchen Stimmzetteln ausgestattet.
Bis zwei Tage vor der Wahl hätten Sie bei Ihrer Gemeindebehörde einen Wahlschein beantragen können. Ein Wahlschein ermöglicht Ihnen Ihre Stimme entweder per Briefwahl oder am Wahltag in einem beliebigen Wahlbezirk Ihres Wahlkreises abzugeben. Dadurch hätte die Möglichkeit für Sie bestanden, alternativ in einem nicht für die repräsentative Wahlstatistik ausgewählten Brief- bzw. Urnenwahlbezirk zu wählen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Yannik Weigelt"