Andrea Tillmanns: Wo liegt denn nun die Leiche?
Krimi/Thriller Andrea Tillmanns Aachen
Sirka Ehrenpreis ermittelt wieder: Die Detektivin aus Aachen, erfunden von Andrea Tillmanns, Spezialgebiet: entlaufene Haustiere, ist nun an ihren zweiten Mordfall geraten. Sie - genauer gesagt: ihr Pfegehund Schmitz - entdeckte auf einem harmlosen Spaziergang eine Leiche im Gebüsch. Und schon nimmt das Duo Schmitz & Ehrenpreis die Schnüffelarbeit auf.
Andrea Tillmanns hat mit ihrer Detektivin Sirka Ehrenpreis eine Ermittlerin der etwas anderen Art geschaffen. Mit Intelligenz, sensiblen Nachfragen und wachen Augen kommt die Achenerin wesentich weiter als der grantige Hauptkommissar Klausen, der die "unprofessionelle" Schnüfflerin am liebsten ganz aus dem Fall herausdrängen möchte. Dabei sind es gerade Sirkas anderer Blickwinkel und ihr großes Interesse für all die Kleinigkeiten in der Umgebung, die schließlich den richtigen Weg zur Lösung des Rätsels weisen. So zeigen sich etwa die kleinen Metallplaketten mit Ortswappen, die Wanderer so gern an ihren Wanderstöcken befestigen, als wertvolles Indiz. An Sirkas Seite erfährt der Leser sehr viel über diese "Stocknägel" und über den Wanderweg "Eifelstieg", den das Mordopfer vor seinem Tode noch komplett abgewandert ist.
Viele Details über den Eifelstieg und Stocknägel
Gerade die vielen Kleinigkeiten und liebevoll recherchierten Besonderheiten aus der Eifel und der Wanderei, aus Orten, Kultur, Flora und Fauna entlang des Eifelstiegs machen diesen Roman zu einer kleinen Besonderheit in der Krimiliteratur. Hier geht es nicht darum, immer perversere Morde aufeinander folgen zu lassen und immer grellere Effekte zu setzen, um eine wie auch immer geartete "Spannung" zu erzeugen. Andrea Tillmanns bezieht ihre Spannung daraus, dass sie Dinge sieht, die selbst Alteingesessenen und erfahrenen Eifel-Touristen verborgen blieben. Sirkas Gesprächspartner sind keine zwielichtigen Halbwelt-Typen, keine eiskalten Geschäftsmänner oder aggressiven Halbstarken, sondern freundliche, plauderwillige alte Damen oder Archivare, und sogar den Mörder kann man am Ende so gut verstehen und hätte wohl in einer ähnlichen Situtation selbst zugeschlagen ...
Privatdetektivin gibt Nachhilfe
Auch ihre Ich-Erzählerin Sirka Ehrenpreis ist eine ganz besondere Heldin. Sirka ist das vollkommene Gegenteil der raubeinigen Privatdetektive, die sich im Fernsehen gewöhnlich mit Mördern herumschlagen. Kein zynischer hardboiled-Schnüffler im versifften Büro, kein stilvoller Belgier mit kleinen grauen Zellen oder pfeifenrauchender, kariert gekleideter allwissender Logikgott. Sirka befasst sich hauptsächlich mit entlaufenen Haustieren, versucht immer wieder vergeblich, von ihrem Ex-Mann die ausstehenden Unterhaltszahlungen zu bekommen, und wenn die Detektivarbeit nicht genug zum Leben abwirft, muss sie sich wohl oder übel mit Nachhilfestunden etwas hinzu verdienen. In mehr als einer Hinsicht ist sie eine Seelenverwandte der gleichfalls von Andrea Tillmanns erfundenen Musiklehrerin Luise Weinstrauß, an deren Mordfälle in "Wo liegt denn nun die Leiche?" augenzwinkernd erinnert wird. Auch ein kleiner Hinweis auf die zauberhafte Aachner Krimibuchhandlung "Mimis Krims" fehlt im Buch nicht. Deutet sich hier möglicherweise ein kleines Crossover an? Es wäre sicher interessant, die drei Damen einmal gemeinsam in einem Mordfall zu erleben.
Schmitz ist ein Hund
Einen halben Punkt Abzug muss ich als Hundeliebhaber allerdings für Sirkas Begleiter Schmitz vergeben. Es ist unfassbar, dass die Ich-Erzählerin Sirka knapp 230 Seiten mit diesem Hund zusammen unterwegs ist, ohne auch nur ein einziges Mal zu verraten, welcher Rasse er angehört. Andrea Tillmanns schildert seine Besonderheiten: Schmitz hat eine ziemlich wüste Punkerfrisur, seit er kastriert worden ist, er sabbert, und er hat beim Autofahren Angst vor LKWs, gut, verstanden. Aber man kann nicht mit einem Hund, gerade einem Hund mit ungewöhnlicher Frisur, unterwegs sein, ohne dass man gefragt wird: "Was ist denn das für einer?" Wenn die Autorin nicht promovierte Physikerin wäre, würde ich sagen: Das ist physikalisch unmöglich. Man erfährt weder etwas über seine Farbe noch über seine Größe.
Andrea Tillmanns kennt in ihren Krimis zur Bundesgartenschau jedes noch so unbedeutende Kräutlein mit Namen. Wenn Sirka mit einer Zeugin im Garten sitzt, fällt ihr sofort die Clematis auf und dass dort Ringelblumen und Schmuckkörbchen blühen. Wenn das Mordopfer in ein Gebüsch eindringt, dann nicht, um irgendeinen Vogel genauer anzusehen, sondern er sucht ein Schwarzkehlchen. Keine Blume ist eine Blume bei Andrea Tillmanns. Kein Vogel ist ein Vogel. Nur Schmitz. Der ist ein Hund.
Fazit: Einfühlsam geschriebener und fein beobachteter Lokalkrimi mit vielen liebevollen Details über die Eifel und das Wandern. Nachvollziehbare Handlung und gut motivierter Mord, sehr ruhig geschrieben, kommt ohne jede oberflächliche Action- und Prügelszene aus. Auf jeden Fall empfehlenswert.
Andrea Tiillmanns: Wo liegt denn nun die Leiche? Sirka Ehrenpreis' zweiter Fall. Ein Aachen-Krimi. Nittendorf: Wurdackverlag, 2015. 228 Seiten, Euro 10,95.
Weitere Krimis von Andrea Tillmanns:
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Mathilda tanzt
Der Tote am Zülpicher See
Mimis Krimis
© Petra Hartmann