Kerstin Groeper: Der scharlachrote Pfad
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Eigentlich ist "Der scharlachrote Pfad" ihr Erstlings-Roman, wie die Autorin Kerstin Groeper im Nachwort verrät. Doch da das dicke Werk Verlage abschreckte, die eine solch umfangreiche "Sioux-Saga" für unverkäuflich hielten, erschien das Buch erst jetzt, nachdem Groeper sich längst als Verfasserin umfang- und kenntnisreicher Indianer-Romane einen Namen gemacht hat. Gut so, es wäre sehr schade um das Manuskript gewesen, wenn es auf ewig in der Schublade verschwunden wäre.
"Der scharlachrote Pfad" erzählt die Geschichte einer kleinen Gruppe von Lakota-Indianern bzw. Sioux, die sich mit ihren Nachbarvölkern - vornehmlich den Crow und Pawnee, bald aber auch mit den Soldaten der Weißen - auseinandersetzen müssen. Aus anfänglich kleinen, eher "sportlichen", Scharmützeln, mit denen die jungen Männer ihren Mut beweisen wollen, wird langsam aber sicher ein Kampf auf Leben und Tod, und die kleine Sippe wird von den US-Soldaten mehr und mehr aufgerieben.
Lakota und Crow auf einem neuen Weg
Die Geschichte beginnt, als eine Gruppe Lakota-Krieger ein Dorf der Crow überfallen will. Doch die "Krähenindianer" haben den Angreifern kaum etwas entgegen zu setzen. Zu geschwächt ist der Stamm, da zahllose Mitglieder einer geheimnisvollen Krankheit der Weißen zum Opfer gefallen sind. Wah-bo-sehns, eine Crow-Frau, die um ihren verstorbenen Mann trauert, wird von einem Lakota-Krieger zunächst angegriffen, dann jedoch mitgenommen und geheiratet. Tschetan, der Falke, den seine Freunde von da ab nur noch Tschetan-withko, "Verrückter Falke", nennen, wird allerdings nicht der einzige bleiben, der bald fremde beziehungsweise "Feind-Frauen" in seinem Zelt aufnimmt. Die Zeichen stehen auf Veränderung im Lager der kleinen Lakota-Gruppe, und die nach und nach aufgenommenen Fremdlinge spielen bald eine wichtige Rolle im Leben des Stammes und auf dem Weg, der nun beschritten werden soll.
Kanada als letzte Zuflucht der Sioux
Das Buch ist spannend geschrieben und zeugt von großer Kenntnis der nordamerikanischen Indianerstämme, vor allem der Lakota. Zwar sind die Handlung und die im Zentrum stehende Lakotagruppe fiktiv, doch die historischen Ereignisse, an denen die Protagonisten beteiligt sind, etwa die Schlacht am Little Bighorn oder die Flucht nach Kanada, haben sich tatsächlich so zugetragen, und viele Lakota suchten im "Land der Großmutter" Schutz vor den Gemetzeln, die die US-Kavallerie veranstaltete, und vor dem Leben in den Reservationen, in die die amerikanische Regierung sie zwingen wollte. Auch einige der handelnden Personen, wie Sitting Bull und Crazy Horse, sind historisch, und das Schicksal von Tschetan-withko und seinen Mitstreitern fügt sich gut in den historischen Gesamtzusammenhang ein.
Lakota, Crow, Pawnee, Nez-Percé und Iren in einem Lager
Dass Angehöriger anderer Stämme bei den Lakota und anderen Indianern aufgenommen wurden, ist eine Tatsache und durch viele Beispiele historisch verbürgt. Für die Autorin ist dies ein gelungener erzählerischer Kniff, um den Lesern, sozusagen durch die Augen und Ohren der lernenden Fremden, die Kultur und Lebensweise der Lakota nahe zu bringen. Allerdings ist etwas unschön, dass Groeper in der ersten Hälfte des Buches das Motiv "Aufnahme von Fremden" etwas überstrapaziert. Denn es geschieht kein Raubzug, kein Jagdritt, kein Kundschaftergang, von dem die Beteiligten nicht irgend einen Fremden mit ins Dorf bringen. Auf Wah-bo-sehns und ihre Tochter folgen bald eine Pawneefrau, der Sohn eines Crow-Medizinmanns, ein weißes Mädchen, das bei einem Pawneeüberfall davongelaufen war, noch eine Pawneefrau, ein Pawnee-Mädchen, eine Dakota-Frau, ein Crow-Krieger, zuletzt eine Nez-Percé-Indianerin und ihre Tochter, deren Stamm von US-Soldaten kurz vor der rettenden kanadischen Grenze aufgerieben worden war. Das ist manchmal ermüdend und neigt zum Stereotyp. Ähnliches war auch im Buch "Wie ein Funke im Feuer" zu bemängeln gewesen: Manche der Frauen sind schwer auseinander zu halten und unterscheiden sich nur durch die Charakterisierung ihres jeweiligen Mannes.
Frauenschicksale
Immerhin wird weniger vergewaltigt als im genannten Buch, und gerade in der Sippe Tschetan-withkos scheinen die Frauen großes Glück mit ihren Männern zu haben, sieht man mal von dem etwas dumpfen Krieger "Fisch" ab, der sich mit einer gewissen naiven Selbstverständlichkeit sein "Recht als Ehemann" nimmt, seine flüchtende Pawnee-Frau sehr brutal zurückholt, aber am Ende doch ziemlich unter dem Mokassin steht, als sie ihm ein Kind gebiert und im Zelt das Kommando übernimmt. Bei den meisten Frauen überwiegt Dankbarkeit, meist wird daraus Liebe. Vergewaltiger scheint es allein bei den Crow zu geben, die sich an einer gefangenen Lakota-Fau vergehen. Ob der später in den Stamm aufgenommene Crow "Sohn des Windes", der ihr Ehemann wird, sie in der Realität wirklich mit seinem erotischen Fesselspiel hätte von ihrer Traumatisierung heilen können, scheint fraglich.
Eine rothaarige Irin unter Indianern
Sehr schön und humorvoll dagegen die Geschichte der rothaarigen Irin Jenny, die als Kind bei einem Pawneeüberfall flüchtete und von den Lakota gefunden und aufgezogen wird. Das kleine Temperamentsbündel mischt den Stamm ordentlich auf, verprügelt Jungs, die sich heimlich an die Badestelle der Mädchen schleichen, und schockiert die Indianer, als sie später Mutter wird und Zwillinge zur Welt bringt, durch die lauten, kräftigen irischen Flüche, die aus dem Geburtszelt dringen.
"Mounties" schicken "Blauröcke" einfach weg
Außerordentlich beeindruckend auch die Darstellung der kanadischen Mounties, die, ganz wohlerzogene, distanzierte Soldaten Ihrer Majestät, mit einer gewissen britischen Contenance auf die erbarmungswürdige Schar schwer verletzter und halb verhungerter Indianer reagieren, die da ins Land kommt. Es werden Nahrungsmittel verteilt, ein Arzt kommt, und der Leiter der Mounties, erklärt den verblüfften Lakota schlicht, er werde die Blauröcke "wegschicken". So einfach kann das gehen. Da sind die Familien wochenlang auf der Flucht, werden zusammengeschossen, getrieben, krepieren, erbarmungslos verfolgt von der US-Kavallerie, und plötzlich tritt ein Mann in rotem Gewand vor diese riesengroße Übermacht und sagt ihnen einfach nur, sie sollen wegggehen, sie befinden sich auf kanadischem Hoheitsgebiet. Nicht nur für die Indianer ein kleines Wunder.
Fazit: Alles in allem ein spannender, gut geschriebener Roman, sehr sachkundig und vielseitig. Trotz der zahlreichen Wiederholungen des "Neu-Aufnahme"-Themas im ersten Teil auf jeden Fall lesenswert und empfehlenswert.
Kerstin Groeper: Der scharlachrote Pfad. Eine Sioux-Saga. Historischer Roman. Hohenthann: Traumfänger-Verlag, 2014. 795 S., Euro 16,90.
Weitere Bücher von Kerstin Groeper:
Adlerkralle
Grauer Wolf
Indigene Märchen
Mohawk Love
Im Eissturm der Amsel
Im fahlen Licht des Mondes
Wie ein Funke im Feuer
Die Feder folgt dem Wind
Kranichfrau
Geflecktes-Pferdemädchen
© Petra Hartmann