Tanja Mikschi: Auf den Pfaden des Luchses
Indianer Tanja Mikschi Ojibwe Cheyenne
Mit "Auf den Pfaden des Luchses" legt die Autorin Tanja Mikschi ihren Debütroman vor. Es handelt sich um die Geschichte eines "Halbbluts", dessen Eltern ein weißer Trapper und eine Ojibwe-Indianerin sind. Der Junge Mino-nokomis wächst in einem Dorf bei Weißen auf, lebt dort aber ziemlich isoliert. Doch endlich lernt er auch den indianischen Teil seiner Familie kennen. Und später auch das Volk der Cheyenne.
Mino-nokomis lebt in einer Blockhüte, abseits gelegen am Wald, nahe dem Dorf St. Peter. Sein Vater, der nur selten zu Hause auftaucht, pflegt ein gutes Verhältnis zum Stamm der Ojibwe, bei denen er regelmäßig zu Gast ist, Tauschgeschäfte macht und gemeinsame Jagden unternimmt. Es war wohl eher die Bequemlichkeit als die große Liebe, als er seinen indianischen Freund um dessen Tochter als Ehefrau bat, irgendjemand sollte sich halt um das Haus kümmern und kochen, so kam es zur Heirat mit Winonah. Dass die junge Indianerin sich einsam fühlen oder gar unglücklich sein könnte, weitab von ihrem Stamm und von den Weißen gemieden und verachtet, kommt ihm nie in den Sinn. Als schließlich der Junge geboren wird, den der Vater auf den Namen Silas taufen lässt, die Mutter aber in Gedenken an die Legenden ihres Volkes Mino-nokomis (Gute Mondfrau) ruft, wird er von Winonah konsequent indianisch erzogen und weiß mehr von den Legenden und Gebräuchen der Ojibwe als von denen der Weißen. Nur die Literatur der Weißen liebt er, liest fasziniert immer wieder den "Oliver Twist", auch wenn dessen letzte Seiten in seinem Buch fehlen, ansonsten hat er im Dorf keine Freunde. Erst als der Kaufmannssohn David neugierig wird und den Kontakt sucht, beginnt eine wunderbare, abenteuerliche Jugendfreundschaft, die später auf sehr harte Proben gestellt werden soll.
Von den Ojibwe zu den Cheyenne
Auf seinem ersten und einzigen Besuch bei den Ojibwe erweist er sich als wahrer Sohn des Stammes, geht auf Visionssuche, bekommt in Visionen und Träumen Kontakt zum Totem seiner Familie, dem Luchs, dessen Namen er später tragen wird: Bizhiu. Dies ist das letzte Stück heile Indianerwelt, das er erleben darf. Ab da stürzen die Ereignisse über ihn herein: Bizhiu verliebt sich in Charlotte, eine weiße Altersgenossin aus St. Peter, diese wird schwanger, beide flüchten zusammen, sicherheitshalber aber nicht zu den Ojibwe, wo man sie vermutlich zuerst suchen würde ...
Doch bei den freundlichen Cheyenne, die Bizhiu und seine Frau aufnehmen, wartet nicht nur das große Glück auf die beiden. Von den Weißen eingeschleppte Krankheiten, Hungersnöte und die weißen Soldaten bedrohen den Stamm, Überfälle und Massaker durch das US-Militär trotz mehrfach neu ausgehandelter Friedensverträge fordern einen hohen Blutzoll auch von Bizhius Familie.
Tanja Mikschi schreibt einen sachkundigen und spannenden Indianerroman
Tanja Mikschi hat einen beeindruckenden, zugleich spannenden und sachkundigen Roman geschrieben. Sie schafft es, glaubwürdige Charakterzeichnungen und indianische Legenden mit einer Handlung zu verbinden, die mitreißend ist, ohne actionlastig zu werden. Vor allem im Beziehungsgeflecht zwischen Bizhiu, David und der von beiden geliebten Charlotte oder in der Darstellung der Eltern Bizhius gelingen ihr glaubwürdige und authentische Schilderungen.
Eine Stärke des Buches ist die Art wie Tanja Mikschi unterschiedliche Bräuche und Traditionen aufeinander treffen lässt. Berührend etwa die ungeduldige Frage Winonahs an ihren Ehemann, welchen Namen ihr Sohn denn nun erhalten hat. Der Trapper ist vollkommen verwirrt, immerhin ist der Junge schon ziemlich lange wieder zu Hause und hat mit seiner Mutter gesprochen. Nein, natürlich hat er ihr seinen neuen Namen nicht mitgeteilt, das konnte er gar nicht: Ein Ojibwe würde niemals protzig seinen eigenen Namen hinausposaunen, ein absolutes Tabu.
Unterschiedliche Bräuche bei Ojibwe und Cheyenne
Herrlich und tragisch zugleich auch Bizhius unterschiedliche Erfahrungen im Umgang mit Hunden bei Ojibwe und Cheyenne. Bei den Ojibwe gibt es die herzerwärmende Sage vom ersten Menschen, dem der Hund seine Liebe schenkte, woraufhin beide für immer zusammen blieben. Bei den Cheyenne schließt Bizhiu den Hund ins Herz, der ihm als erstes entgegenläuft und ihn begrüßt - und muss, als er sich ausgerechnet diesen Hund als Geschenk aussucht, erfahren, dass er ihn gewissermaßen schon erhalten hat - denn traditionell wird dort der erste Hund, der einem Fremdling entgegenläuft und ihn begrüßt, geschlachtet und dem Gast als Mahlzeit vorgesetzt.
Historische Fakten und fiktive Biographien
Tankja Mikschi hält sich beim Ablauf der Ereignisse eng an die historischen Tatsachen und das tatsächliche Schicksal der indianischen Stämme, vor allem der Cheyenne, die in der zweiten Hälfte des Romans die zentrale Rolle spielen. Friedensverträge und immer wieder von den Weißen gebrochene Versprechungen, das Sand-Creek-Massaker, das alles sind historische Stationen auf einem Weg, in den sich die Geschichte Bizhius und seiner Familie einfügt, als hätte es sie tatsächlich gegeben. Ein Buch, an dem fast nichts erfunden ist, bis auf die Hauptfiguren. Dennoch schafft es die Autorin, eine sehr individuelle Geschichte zu erzählen und ein Ende zu finden, das von traditionellen Indianer-Roman-Abschlüssen etwas abweicht. Aber lest es selbst.
Fazit: Hervorragendes Debüt einer Autorin, von der hoffentlich noch viel mehr Bücher erscheinen werden. Handwerk und Zauber perfekt gelungen, unbedingt empfehlenswert.
Tanja Mikschi: Auf den Pfaden des Luchses. Von den Ojibwe zu den Cheyenne. Historischer Roman. Hohenthann: TraumFänger-Verlag, 2015.
Weiteres Buch von Tanja Mikschi
Als der Mond zu sprechen begann
© Petra Hartmann