Jahresrückblick II: April bis Juni 2015
Jahresrückblick
Doch nun zum zweiten Teil meiner Lesefrüchte aus dem Jahr 2015. Das zweite Quartal brachte erneut viele Märchen und Klassiker, meist in elektronischer Form, etwas Phantastik und einige Lyrik. Viel Vergnügen damit!
Legende:
Ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den Text in der eBook-Fassung gelesen habe.
Blaue Schrift weist auf herausragend gute Bücher hin.
Rot markiert sind Bücher, die ich so abgrundtief schlecht finde, dass ich euch ausdrücklich davor warne.
Bei verlinkten Titeln landet ihr auf ausführlicheren Besprechungen innerhalb dieses Blogs.
April
Heinrich Heine: Über Ludwig Börne (e)
Das Dokument eines großen Zerwürfnisses. Heinrich Heine gegen Ludwig Börne, die beiden exponiertesten Vertreter einer jungen, frechen und freiheitlichen Literatur in den 1820er und 1830er Jahren, zwei verdammt gute Leute, die leider so gar nicht "miteinander konnten". Anfänglich sahen sie durchaus im jeweils anderen noch einen Verbündeten, doch bald traten die Unterschiede zu Tage. Bald machte die Gegenüberstellung von "Talent" und "Charakter" die Runde. Heine, der eindeutig bessere Schriftsteller, der sich aber mehr als Künstler sah und davor zurückscheute, beispielsweise seine herrliche Lyrik als Karrengaul der Revolution missbrauchen zu lassen. Börne, der redliche, biedere politische Journalist, der zwar ebenfalls eine geschliffene Feder führte, doch alles, was er schrieb, bierernst bzw. mit heiligem Ernst meinte. Börne warf Heine denn auch vor, ob der Mann "Die Monarchie ist die beste Staatsform" schreibe oder "Die Republik ist die beste Staatsform", würde er davon abhängig machen, was besser klinge. Heine dagegen echauffierte sich darüber, wie Börne sich mit dem schmutzigen Revolutionspöbel gemein mache und in Räumen verkehre, in denen Taback geraucht wurde. Wenn er sebst einem dieser Revolutionäre die Hand schütteln müsse, würde er sie danach im Feuer reinigen müssen, meinte Heine.
Eigentlich kein "schönes" Buch. Heine bemühte sich, nach Börnes Tod im Jahre 1837, das letzte Wort zu behalten. Sein Buch, das den beinahe heiligenmäßig verehrten Börne mit Schutz und Ironie übergoss, kam allerdings gar nicht gut an, der Schuss ging nach hinten los, und Heine erntete einiges an Entrüstung, musste sich sogar duellieren. Schon der Titel "Heinrich Heine über Ludwig Börne" sorgte für Kritik, sah man doch darin den Versuch des Autors, sich "über" den Verstorbenen zu stellen. Heine gab jedoch an, der von ihm geplante Titel sei eigentlich ein schlichtes "Ludwig Börne. Eine Denkschrift" gewesen, Verleger Julius Campe hätte jedoch gegen den Willen des Autors einen anderen Titel gewählt.
Das Buch enthält in der Mitte Heines "Tagebuch von Helgoland", das ich schon ziemlich häufig gelesen habe, es gehört zu meiner traditionellen Insellektüre. Erstmals las ich es wohl Ende der 80er oder Anfang der 90er in meiner Heine-Gesamtausgabe (Manesse Dünndruck), später meist in der Textsamlung "Heinrch Heine und Ludwig Börne - ein deutsches Zerwürfnis" von Hans Magnus Enzensberger, seinerzeit als dickes Taschenbuch bei Reclam Leipzig erschienen. Nun also als eBook. Der Text sei jedem Literaturliebhaber wärmstens ans Herz gelegt, in welcher Ausgabe auch immer.
Wilhelm Hauff: Märchen-Almanach auf das Jahr 1826 (e)
(enthält: Die Karawane; Kalif Storch, Das Gespensterschiff, Die abgehauene Hand, Die Errettung Fatmes, Der kleine Muck, Der falsche Prinz)
Hauffs Märchen-Almanache sind ein Meilenstein der deutschen Märchen-Erzählkunst und sollten eigentlich im Regal jedes Märchenfreundes neben Grimm und Andersen stehen. Die Bücher, die als Jahres-Gabe erschienen sind, enthalten jeweils eine Rahmen-Handlung, innerhalb derer mehrere Erzähler auftreten und diverse Märchen zum besten geben, wobei die Rahmenhandlung selbst eigentlich auch wieder ein großes Märchen ergibt.
Dieser Almanach auf das Jahr 1826 enthält die Geschichte einer Karawane, die durch die Wüste zieht. Abends am Feuer erzählen einige der Kaufleute und Reisenden Märchen, meist solche, zu denen sie irgend einen persönlichen Bezug haben. Das Umfeld ist ein orientalisches, wie sich Hauff ja vor allem durch Märchen im Tausendundeine-Nacht-Stil einen Namen gemacht hat. Enthalten sind viele bekannte Märchen-Klassiker wie Kalif Storch oder Der kleine Muck.
Etwas unschön ist die Organisation des eBooks zum Amanach, der wohl auf eine Billig-Ausgabe zurückgeht. Hier ist erst die Rahmengeschichte insgesamt erzählt, wobei die einzelnen Märchen weggelassen worden sind, man findet im Text nur Hinweise à la "Hier wird das Märchen vom Kalif Storch erzählt". Dann folgen die aus dem Zusammenhang herausgezogenen Einzelmärchen hinter einander weg, und zuguterletzt wird noch einmal die Rahmenhandlung erzählt und diesmal zu Ende gebracht. Da hätte man es lieber als im Gesamtzusammenhang dargebrachtes durchgängig erzähltes Werk gelesen.
Wilhelm Hauff: Märchen-Almanach auf das Jahr 1827 (e)
(enthält: Zwerg Nase, Vom Juden Abner, der nichts gesehen hat, und Almansors Rückkehr ... diverse andere wie Schneeweißchen und Rosenrot herausgeschnitten)
Der zweite Märchen-Almanach Hauffs spielt ebenfalls im orientalischen Milieu. Auch hier gibt es wieder eine Rahmenhandlung, die selbst märchenhafte Züge aufweist und innerhalb derer verschiedene Märchen erzählt werden. Diesmal geht es um einen reichen Mann, dessen Sohn vor Jahren verschwand. Seitdem lebt dieser Mann, dem es ansonsten an Glückgütern nicht fehlt, in tiefer Trauer und betet um die Rückkehr des Verschollenen. Einmal im Jahr lässt er einige seiner Sklaven frei, die sich dann jeweils mit einer Geschichte bei ihm bedanken. Als Happy End ist natürlich die Rückkehr des Sohnes zu erleben, der in der Welt schlimme Prüfungen erfuhr, doch nun als Geretteter vor seinen Vater tritt.
Auch hier ist die unglückliche Art, die Sammlung so hässlich zu zerhacken, unbedingt zu rügen. Wieder wird erst die Rahmenhandlung erzählt, dann folgen hinter einander weg die Märchen und schließlich wird die Rahmenhandlung nach dem letzten Märchen zu Ende geführt. Unschön.
Bemerkenswert ist, dass Hauff diesen Almanach für andere Autoren bzw. fremde Märchen öffnet, unter anderem wird von den Sklaven das Märchen von "Schneeweißchen und Rosenrot" erzählt. Diese Nicht-Hauff-Märchen sind jedoch herausgeschnitten, man findet im Text nur den Hinweis, dass dort ursprünglich "Schneeweißchen und Rosenrot" gestanden hat. Schade.
Ein Wort noch zum sehr deutlichen Antisemitismus Hauffs. Es ist ein seltsamer Antisemitismus, den ich nicht so recht verstehe. Wann immer ein Jude auftritt, wird im Vorfeld ziemlich viel Negatives gesagt und die angeblichen schlechten Eigenschaften jener "Rasse" aufgeführt, aber wenn die Handlung dann beginnt, benehmen sich die dargestellten Juden eigentlich nicht böse oder kleinkariert. Bei der Geschichte vom Juden Abner zum Beispiel, der zweimal Prügel bekam, bin ich automatisch auf der Seite Abners und ärgere mich eher über den Justizskandal, als der Herrscher ihn schlagen lässt. Abner hatte sich lediglich als besonders guter Spurenleser erwiesen, dem selbst Winnetou hätte Bewunderung zollen müssen. Er konnte den suchenden Wächtern genau sagen, wie das durchgegangene Pferd seines Herrschers aussah, allerdings sagte er vollkommen wahrheitsgetreu aus, dass er das Tier selbst nicht gesehen habe und auch nicht wisse, wo es ist ...
Wilhelm Hauff: Märchen-Almanach auf das Jahr 1828 (e)
(enthält: Das Wirtshaus im Spessart; Die Sage vom Hirschgulden, Das kalte Herz, Saids Schicksale, Die Höhle von Steenfoll)
Der dritte Amanach Hauffs. Diesmal spielt die Rahmenhandlung in Deutschland, im bekannten Wirtshaus im Spessart, und gab offenbar genug Stoff her, um selbst zur Hauptgeschichte und zum Filmstoff zu werden. Allerdings muss ich sagen, dass diese Wirtshausgeschichte als Rahmenhandlung für eine Märchenanthologie eher wenig geeignet ist. Da sind also ein paar Leute in einem Wirtshaus abgestiegen, das sich als Räuberhöhle entpuppt. Um nicht im Schlaf überfallen zu werden, versuchen die Gäste, sich durch Märchenerzählen wachzuhalten. Hm. Zum einen wäre es sicher klüger, sich still zu verhalten und zu lauschen. Zum anderen ist die äußere Situation ja wohl so beunruhigend, dass wohl kaum jemand schlafen könnte. Aber was solls.
Das Buch enthält den großartigen Märchenklassiker "Das kalte Herz", zeigt sich auch sonst eher dem deutschen und nordeuropäischen Milieu zugewandt, bietet mit "Saids Schicksale" aber auch einen kleinen Rückgriff in die Orient-Tradition. Insgesamt wirkt die Sammlung dadurch etwas weniger geschlossen als die beiden anderen. Sehr unschön wieder das zerhackte Erscheinungsbild des Almanachs. Hier wäre es einfach schöner gewesen, die Märchen innerhalb der Rahmenhandlung zu belassen. Schade.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen (e)
Eines der grundlegenden Werke der Romantiker, in dem unter anderem das zentrale Symbol der blauen Blume seinen Ursprung hat. Novalis schildert darin die Berufung und Lehrzeit des mittelalterlichen Dichters Heinrich von Ofterdingen (geht mit demThema aber sehr frei um, schon auf der ersten Seite findet man einen Anachronismus, als die im Mittelalter noch nicht erfundene Standuhr erwähnt wird.) Heinrich erwacht aus einem seltsamen Traum und sehnt sich fortan nach der blauen Blume. Er unternimmt zusammen mit seiner Mutter eine Reise, die ihn nach und nach zum Dichter formt. Er erfährt von Leben der unterschiedlichsten Menschen, sehr eindrücklich vor allem die Welt der Bergleute, hört diverse Erzählungen und Lieder ... Prägend ist die Begegnung mit dem Dichter Klingsohr. Besonders hervorzuheben sind die beiden Märchen, einmal das Karfunkelmärchen (eigenlich hätte der Karfunkel mit beinahe dem gleichen Recht Symbol der Romatik werden können wie die blaue Blume) und das ausgesprochen schwer verdauliche Klingsohrmärchen. Das Buch blieb Fragment, der zweite Teil, der die "Erfüllung" Heinrichs hätte zeigen sollen, bricht nach einigen Seiten ab.
Ich las das Buch erstmals in der Reclamfassung, das muss 1987 oder 88 gewesen sein. Aus der Schulzeit erinnere ich mich, dass mich einige Mitschülerinnen, die (anders als ich) einen Deutsch-Leistungskurs belegt hatten, mich fragten, ob ich ihne nicht das Klingsohrmärchen erklären könne. Ich musste meine Hilflosigkeit eingestehen. Später, Mitte der 90er Jahre, hörte ich an der Uni ein sehr gutes Referat einer Kommilitonin, nach dem ich glaubte, etwas von dem Märchen verstanden zu haben. Aber kurz danach hätte ich schon nicht mehr wiedergeben können, was das genau war. Jetzt in der eFassung habe ich das Märchen also schon zum dritten oder vierten Mal gelesen. Es ging mir diesmal wesentlich besser damit. Aber bittet mich bloß nicht, es euch zu erklären. ;-)
Wilhelm Hauff: Mittheilungen aus den Memoiren des Satans (e)
Ein junger Schriftsteller wird von Satan persönlich aufgesucht und soll dessen Memoiren aufzeichnen. Das Werk ist ein sehr interessantes Stück Literatur, vor allem durch seine Vielseitigkeit und die unterschiedlichen Handlungsfäden. Als einheitlichen Roman kann man das ganze nicht bezeichnen, eher als eine Abfolge verschiedener Episoden, die keiner Chronologie folgen und nicht immer miteinander in Zusammenhang stehen. Satan erzählt aus seinem Leben in der Menschenwelt, zum Beispiel wie er sich als Student an der Universität herumgetrieben hat, oder von Teezirkeln und Künstlergesprächen. Durchaus auch in die heutige Zeit passen könnte auch die Geschichte, in der zwei Frauen ein Gespräch führen und sich darüber austauschen, auf welche Weise sie diesen oder jenen Mann ins Jenseits befördert haben. Der unfreiwillige Zuhörer, der die Unterredung entsetzt belausche, läuft daraufhin zur Polizei, doch er macht sich nur lächerlich: Es gibt keine Bande von Mörderinnen, die verhaftet werden kann. Die beiden Damen waren lediglich zwei recht berühmte Krimiautoren, die über ihre neuen Romane sprachen. Das hätte ich mir gut und gerne bei einigen Kolleginnen von den "Mörderischen Schwestern" vorstellen können.
Sehr unschön fand ich die Darstellung des "ewigen Juden", den Satan auf seinen Streifzügen trifft und in seine Dienste nimmt. Dieser ewige Jude ist im Laufe der fast zwei Jahrtausende vollkommen heruntergekommen und wird als eine Art Bärenhäuter dargestellt, ungewaschen, lange Zottelhaare, ungeschnittene Fingernägel und so weiter. Darüberhinaus hat er ein ziemlich täppisches Benehmen und ist extrem dumm und ungeschickt, sodass sich Satan schließlich doch wieder von ihm trennt. Da ist mir das gängige Klischee, das Juden vor allem Intelligenz und eine gewisse Geschmeidigkeit bescheinigt, doch etwas lieber. Abner im Hauffschen Märchenalmanach auf das Jahr 1827 war da von einem ganz anderen Kaliber.
Hertha Vogel-Voll: Die silberne Brücke
Karl Gutzkow: Nero (e)
Ein Drama des frühen Gutzkow aus der Zeit, bevor er mit seiner "Wally" einen Literaturskandal heraufbeschwor und zusammen mit Heinrich Heine und Theodor Mundt verboten wurde. Zum Teil ein historisches Drama aus dem alten Rom, aber durchaus gegenwartsbezogen, vor allem durch den deutschen Sklaven Michel, der durch seine Bemerkungen immer wieder für Stilbrüche sorgt.
Wassili Golowatschow: Landung auf Pluto. 2 Teile (BunTES Abenteuer 1/2011 und 2/2011)
Zweiteilige SF-Novelle über ein Wettrennen zum damals äußersten Planeten unseres Sonnensystems. Interessant die Konstellation, dass der Chef der russischen Expedition und die Chefin der amerikanischen Expedition ein Ehepaar sind. Was sie dann auf Pluto entdecken, hätte keiner erwartet ... Lesenswert, allerdings etwas unglücklich auf zwei Hefte verteilt. Zu dieser Zeit hatten die Hefte der Reihe BunTES Abenteuer nämlich nur 32 Seiten (statt der heutigen 40). Als "Füller" musste nun im zweiten Band die Kurzgeschichte "Der Flüchtling" beigefügt werden, die die Häfte des Hefte ausmacht. Aber egal, es sind zwei spannende Hefte geworden, die auch optisch außerordentlich ansprechend wirken, vor allem das Titelbild von Teil 1 hat mir gefallen.
Mai
Wilhelm Hauff: Novellen (Die Bettlerin vom Pont d'Arts, Othello, Jud Süß, Die Sängerin, Die letzten Ritter von Marienburg, Das Bild des Kaisers.) (e)
Gut erzählte, sehr kunstvoll gestaltete Novellen, die man allerdings lieber nicht alle auf einmal lesen sollte. Dann fällt nämlich eine gewisse Monotonie der Erzählstruktur ins Auge. Hauff beginnt oft damit, dass er eine bestimmte düstere, rätselhafte Stimmung schafft, es gibt eine Person oder einen Ort mit einem Geheimnis, irgend etwas läuft nicht so, wie man es sich wünscht, vielleicht liegt ein Fluch vor oder eine Schuld, die jemand auf sich geladen hat. Dann irgendwann gibt es eine "Geschichte in der Geschichte", irgendjemand erzählt eine Begebenheit, die den aktuellen Zustand erklärt, und dann erfüllt sich entweder das Schicksal auch an der Person des Leser-Interesses, und sie kommt um, oder der Knoten löst sich, und es gibt ein glückliches Ende.
Insgesamt haben mir die Novellen sehr gut gefallen. Vor allem die Geschichte der Bettlerin vom Pont d'Arts und die Geschichte eines Theaters, dessen Othello-Aufführungen stets ein Todesopfer fordern, fand ich faszinierend. Auch "Das Bild des Kaisers" hat mir gefallen, auch wenn es vorhersehbar war, der Titel plaudert die Pointe ja schon aus. Mehr will ich gar nicht spoilern.
Es ist in dieser Sammlung auch der unselige "Jud Süß" enthalten, ein Stoff, der später in der Nazipropaganda weidlich ausgeschlachtet wurde. Ja, dieser Hauff greift immer wieder in die antisemitische Klischeekiste hinein, was bei einem sonst so guten und intelligenten Erzähler doppelt schmerzt. Aber auch hier muss ich sagen, dass ich bei allen Dingen, die Finanzminister Süß tut, ihn sehr gut verstehen kann und seine Handlungen für berechtigt halte. Natürlich vermehrt er das Geld seines Landesfürsten und sein eigenes, das ist sein Job. Natürlich will er seine Schwester gut verheiraten, das ist seine Pflicht als Familienoberhaupt und liebender Bruder. Letzten Endes ist der ins Auge gefasste christliche Schwiegersohn Gustav, der ein grausames Spiel mit Süß' Tochter Lea treibt und sie am Ende sitzen lässt, das größere oder besser gesagt einzige Arschloch in dem Buch, naja, Arschloch ist vielleicht etwas hart, sagen wir Schlappschwanz. Ähnlich wie beim Märchen vom Juden Abner gibt es auch hier wieder diesen eigenartig doppelbödigen Antisemitismus: "Show" und "Tell" passen einfach nicht zu einander, man sagt zwar ziemlich viel Negatives im Vorfeld über Süß, gezeigt wird aber ein recht normaler Mensch, der nur sein besonderes Geschick, hier den Umgang mit Geld, benutzt, um es zu etwas zu bringen.
Eine Art Distanzierung Hauffs findet sich im Autorenkommentar am Schluss der Geschichte:
"Beides, die Art, wie dieser unglückliche Mann mit Württemberg verfahren konnte, und seine Strafe, sind gleich auffallend und unbegreiflich zu einer Zeit, wo man schon längst die Anfänge der Zivilisation und Aufklärung hinter sich gelassen, wo die Blüte der französischen Litteratur mit unwiderstehlicher Gewalt den gebildeteren Teil Europas aufwärts riß."
Ich werde mir wohl einmal etwas Sekundärliteratur dazu besorgen müssen.
Hugo von Hofmannsthal: Das Märchen von der verschleierten Frau (e)
Fragmentarische Märchen, spielt im Gebirge/Bergmannsmilieu. Etwas symbolisch aufgeladen. Vielleicht eine gewisse Verwandtschaft zum "Heinrich von Ofterdingen"? Am Ende des sehr kurzen eBooks sind einige Notizen des Autors zum weiteren Verlauf der Geschichte begegeben. Es ergibt sich für mich aber kein Gesamtbild.
Ludwig Bechstein: Die schönsten Märchen (e)
Ludwig Bechstein ist mir vor allem als recht frommer Autor in Erinnerung gewesen, man denke nur an seine Geschichte vom Schwaben, der das Leberlein gefressen hat, oder an den Gevatter Tod. Entfallen war mir, dass der Mann auch ein außerordentlich humorvoller Märchenerzähler war. In seiner Märchensammlung finden sich immer wieder Stellen, an denen man einfach schmunzeln muss, und wo die Grimms ihre Bösewichte hart aber gerecht bestrafen, löst Bechstein den Konflikt mit Pfiff und Um-die-Ecke-Denken. Manches ist skurril, alles irgendwie liebenswert in dieser Sammlung. Köstlich etwa die Geschichte von den drei Gaben oder von den drei dummen Teufeln, die ulkige Goldraspel "Schab den Rüssel" oder der perfide "Schwan kleb an", das Bechsteinsche Gegenstück zur goldenen Gans. Sehr lesenswerte Sammlung. Holt sie euch.
Gunnar Kaiser: Letzte Gedichte (e)
Sehr ausdrucksstarke Gedichte, von denen man hoffen sollte, dass es nicht wirklich die "letzten" des Autors sind. Es geht um Gott und die Welt in diesem Lyrikband, Ausflüge in die Edda inbegriffen, um Liebe und Philosophie, es finden sich Homer-Zitate und der Blick auf eine Schopenhauer-Ausgabe, die Anrufung einiger Sternbilder genau so wie ein gelassener Blick auf die Landschaft. Die Texte sind zumeist recht ruhig und getragen, eher einem weiten Bogen folgend, und vermitteln das Bild eines Autors, der "angekommen ist", sehr genau weiß, wer er ist und was er kann. Da mag er in "Es gibt keinen Grund, meiner zu gedenken" notieren, wie gern er Konfuzius, ein zweiter Bob Dylan, ein gottesfürchtiger Danton oder ein Sokrates wäre, es endet doch mit einem "Doch ich bin es nicht". Ein wenig bereue ich es, mir diesen Gedichtband in der eBook-Ausgabe geholt zu haben. Es wäre schön, ein Papierbuch in der Hand zu halten und darin zu blättern. Vielleicht wenn es mal einen Band "Allerletzte Gedichte" gibt.
Manfred Kyber: Märchen (e)
Ebenfalls eine sehr schöne Märchensammlung. Mir hat vor allem die Geschichte vom Oberhofszeremonienmeister gefallen. Die Märchen sind recht moderne Geschichten, eher in der Tradition Andersens als der Grimms, Kyber spinnt unzählige Kleinigkeiten und Einzelheiten aus, wenn er seine Märchenwelten vor dem Leser ausbreitet. Dabei geht es oft um ganz kleine Dinge. Um die Bewohner einer Wiese zum Beispiel. Oder ein Königreich hinter dem Regenbogen, dessen König nur dreieinhalb Untertanen hat - und nun will die Prinzessin auch noch unbedingt den halben Untertanen "wegheiraten", wie soll man denn da noch ordentlich regieren?
Sven Klöpping: Aufheller. Gedichte (e)
Mir war Sven Klöpping bisher vor allem als Prosaautor ein Begriff, dies ist der erste Lyrikband von ihm, den ich las. Das Buch hat auf jeden Fall sehr viel Energie, kommt teilweise frech und versifft daher, hat aber auch sehr gefühlvolle und stille Passagen. Ein Gedicht wie "al'hambra", das sprudelndes, die Sinne kühlendes Wasser in seiner Augenblicklichkeit und Zeitlosigkeit einfängt, steht direkt neben dem gnatzigen, vom Brechreiz eines Fernsehzuschauers getriebenen "Alles geht zum Anus", das mit der Feststellung schließt: "Dann ist es an der Zeit, sich mit einer Kettensäge unterzumieten."
Es gibt Texte wie "Befruchtung", ein optisches Gedicht in der Tradition von "Fisches Nachtgesang", oder einen "brief von der mafia", der aus einer langen Liste von "erledigt"s besteht. Ein anderes füllt die Seiten mit dem immer wiederholten Wort "morden", bis es am Ende sein "m" verliert und optisch in Form eines Kreuzes am Bande ausläuft. Äußerst einprägsam.
Sehr ernst kommt das Gedicht "Caritas" daher, die Selbstaufforderung eines Menschen, der nicht mitmachen will mit Zombies, Geldschneidern und Kriegstreibern. Immer wieder ist es die Kritik an Medien, vor allem der Fernsehberichterstattung, die Klöppings Gedichte durchzieht. Dazwischen Sex, Tod, Kotze, Gentechnik, Hirnphysiologie und was da sonst noch so kreucht und fleucht.
Alles in allem ein sehr vielschichtiges Werk. Mal sehen, was da noch kommt.
Begleitheft zum Nürnberger Autorentreffen 2015
Enthält nicht nur die Vorträge der Referenten, sondern auch noch ein paar weitere Aufsätze. Besonders interessant fand ich einen Beitrag über Gerichtsmedizin und Leichenfunde, bei denen zunächst vieles auf Mord hindeutete, aber am Ende war doch nur ein Unfall die Todesursache.
Carl Einstein: Der Gaukler der Ebene und andere afrikanische Märchen und Legenden (e)
Märchen der unterschiedlichsten afrikanischen Völker. Die Titelgeschichte ist eine der längsten und ausführlichsten, wobei der "Gaukler der Ebene" ein großer Stier ist, der den Reichtum eines Stammes verkörpert. Es gibt sehr viele Ursprungssagen und viel Genealogisches. Man lernt zum Beispiel den Gott Uwolowu aus Togo kennen, über den es im Buch eine ganze Reihe von Sagen gibt. Dass die Menschen sterblich wurden, haben nach diesen Sagen ein Huhn oder ein Frosch und ein Hund verschuldet, außerdem wird beschrieben, wie Uwolowu den Aussatz und andere Krankheiten schuf und wie seine beiden Frauen, Frosch und Eisvogel, bei seinem vorgeblichen Tode um ihn weinten. Ein wenig an den biblischen Schöpfungsbericht erinnert die Geschichte von den beiden ersten Menschen aus den Sagen der Mkwule. Gott hatte oben im Himmel sehr viele Menschen und wollte auch die Erde mit ihnen besiedeln, also schleuderte er ein Paar hinab. Doch es kam zu einem Sündenfall, seither sind die Menschen sterblich. Es wird jedoch eine Auferstehung in Aussicht gestellt. Insgesamt haben sagenhafte Texte den Löwenaneil in dem Buch. Ich finde wenig, was ich als reines Märchen bezeichnen würde. Auch sind die meisten Texte recht kurz, es sind wenig ausgefeilte Erzählteste darin zu finden.
Stefan George: Das Jahr der Seele (e)
Gedichtzyklus aus knapp 100 (98) Gedichten beziehungsweise Gesängen, ein Gang durchs Jahr und die Jahreszeiten, zum Teil an alte landwirtschaftliche Kult-Handlungen angelehnt, dabei aber doch recht modern, jedenfalls das, was damals als modern galt. Regelmäßig geforme Verse, zum Teil elegisch, manchmal etwas großsprecherisch und pathetisch, Naturbeobachtungen und Seelenspiegelungen, wobei der Autor sich dagegen verwahrt, dass das Ganze autobiographisch oder auf bestimmte Personen und Orte bezogen sei, außer an den Stellen, an denen es ausdrücklich angegeben ist. Der 1897 erschienene Gedichtband gilt als erfolgreichster Georges. Mir ist er aber recht fremd geblieben.
Karl Gutzkow: Die Nihilisten (e)
Ein Roman des späteren Gutzkow und wohl auch eine gewisse Distanzierung zu seiner jungdeutschen Vergangenheit. Ein wenig werden auch die Ideale der früheren Zeit etwas durch den Kakao gezogen. So ist die "emanzipiert" lebende weibliche Heldin Hertha Wingolf absolut weltfremd und bekommt gar nicht mit, wie ihre Dienerin ihr viel zu niedrige Preise für die Nahrungsmittel und Haushaltskosten angibt. Sie glaubt, völlig selbstständig zu leben, während in Wirklichkeit ihr Vater heimlich eine Menge Geld zur Haushaltskasse zuschießt. Welch ein Abstieg nach der wilden und freien Wally. Auch Herthas Geliebter Constantin Ulrich, der revolutionäre bezeihungsweise oppositionelle politische Gesinnung zur Schau trägt, ist eher aus Eitelkeit denn aus einem glühenden liberalen Eifer heraus auf der Seite der Freiheitlichen. Nicht umsonst bezeichnet man ihn und seine politischen Freunde im Roman als "Nihilisten". Es ist eher ein Zyniker, der an nichts mehr glaubt, als jemand, der ein positives Ziel hat. Einer der besten Romane Gutzkows und ein Büch, das ich in der Printfassung schon mehrfach gelesen habe. Wobei ich euch die "Wally" natürlich eher ans Herz legen würde.
Joachim Ringelnatz: 56 Gedichte (e)
Tja, was soll man zu Ringelnatz noch sagen? Sie sind alle darin, die Gedichte, die man so kennt: Das Reh aus Gips, der zu lange Bumerang, die Schnupftabaksdose des Alten Fritz, der männliche Briefmark, das Suahelischnurrbarthaar ... Und noch viel mehr. Gehört auf jeden eReader.
Hörspiel
Geister-Schocker: Der achtbeinige Tod (Wolfgang Hohlbein)
Ein Meteor stürzt auf ein Dschungelgebiet. Kurz darauf mutieren die Spinnen, und ein geheimnisvoller Mann, der sich "Arachno" nennt, stellt sich an die Spitze der Engeborenen, um die Weißen aus dem Dschungel zu vertreiben. Wieder ein Hörspiel, das ich nachts allein im Auto gehört habe. Sollte man nicht tun.
Juni
Frank Wedekind: Mine-Haha (e)
Geschichte eines jungen Mädchen, das von klein auf in einer besonderen Erziehungsanstalt aufwächst, wobei besonders das Training körperlicher Vorzüge im Mittelpunkt steht. Läuft auf Schweinkram hinaus, es ist aber auch ganz nett, wenn man das Buch mit Rousseau im Hinterkopf liest. Und natürlich ist mir der Name der Heldin als kleiner Gruß aus dem Hiawatha sehr lieb. Hochinteressanter Lektüre also.
Gunnar Kunz: Ein Koffer voller Wunder
Peter Raffalt: Die Geschichte vom hölzernen Mann
Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandtschaften (e)
Wenn es so etwas wie meinen "Lieblings-Goethe" gibt, dann ist es dieser Roman. Ich liebe seine naturwissenschaftliche Grundlage und die Präzision, mit der hier ein chemisches Experiment auf soziale Interaktionen übertragen wird, und ich würde sehr gern einmal eine Vorlesung über die Wahlverwandtschaften in einem Chemiesaal halten. Vor allem liebe ich aber die klare Novellenstruktur dieses Romans. Zum ersten Mal gelesen muss ich ihn wohl Anfang der 90er in der Reclamfassung haben. Nun als eBook wiederentdeckt. Und es ist immer noch das beste, was Goethe je geschrieben hat.
Clemens Brentano: Das Märchen vom Myrtenfräulein (e)
Geschichte eines geheimnisvollen Myrtenbaums, in dem eine zauberhafte Frau wohnt. Erinnert zunächst etwas an den Anfang von Schneewittchen oder an das Machandelboom-Märchen, aber auch an "Klingt meine Linde". Ein armes Töpferehepaar pflegt ein Myrtenreis, aus dem ein Baum wächst. Doch dann verliebt sich der Prinz des Landes in den Baum und meint, er könne nicht mehr weiterleben, wenn er ihn nicht bekommt. Schließlich lernt er das Myrtenfräulein kennen, ist bezaubert und will es heiraten. Aber da sind noch neun böse Hexen ...
Aristophanes: Die Wolken (e)
Aristophanes: Die Vögel (e)
Aristophanes: Lysistrate (e)
Aristophanes: Die Ritter (e)
Aristophanes: Der Friede (e)
Aristophanes: Die Acharner (e) (eGesamtausgabe)
Aristophanes: Die Wespen (e) (eGesamtausgabe)
Aristophanes: Die Frauen beim Thesmophorenfeste (eGesamtausgabe)
Aristophanes: Die Frauen-Volksversammlung (eGesamtausgabe)
Aristophanes: Plutos (eGesamtausgabe)
Letztes Jahr hatte ich mir meine Lieblingskomödie von Aristophanes in elektronischer Form zu Gemüte geführt. Klar, ich bin ja Aischylos-Fan, da muss man halt ab und zu mal in die "Frösche" reinschaun und seinen Lieblings-Tragödiendichter beim Dichterwettstreit in der Unterwelt anfeuern.Da ich schon mal dabei war, habe ich mir inzwischen auch noch den Rest auf den Reader geladen. Also alle elf erhaltenen Komödien des Aristophanes. Außer den Fröschen gibt es auch die Wolken, die Vögel, Lysistrate und die Ritter als Einzelausgaben. Für den Rest habe ich mir die eGesamtausgabe auch noch geholt. Allerdings würde ich für Erstleser doch die kommentierte Gesamtausgabe von Artemis und Winkler empfehlen oder die Reclamausgaben von Fröschen, Vögeln, Wolken, Lysistrate, Frauenfest, Frauen-Volksversammlung und Frieden. Da weiß man wenigstens, wer der Übersetzer ist, und hat ein paar Hinweise zu den vom Autor zitierten und parodierten Dichtern und Politikern.
Nach den Fröschen sind meine Favoriten die Vögel (die ich nie lesen kann, ohne an den Schluss von Heines Wintermärchen zu denken) und die Wolken, die seinerzeit wohl mit dazu beitrugen, dass die Athener den alten Sokrates zum Tode verurteilten. Alle elf sind aber durchaus lesenswert.
Kalmückische Märchen (e)
Als ich das eBook herunterlud, wusste ich zugegebenermaßen nicht, was Kalmücken sind. Also: Es ist ein westmongolisches Volk, das heute eine "autonome russische Teilrepublik" bewohnt.
Sehr interessant finde ich die Komposition des Ganzen. Es hat auch eine Rahmenhadlung, in der der Sohn eines Chans (Khans) für einen Weisen einen Leichnam stehlen soll. Es handelt sich um einen toten Zauberer, in dem noch immer eine übernatürliche Macht ruht. Das Problem: Der Königssohn darf bei dieser Aufgabe nicht sprechen. Er zieht los, schnürt den toten, noch spukenden Leichnam in einen Sack und trägt ihn davon. Da der Weg recht lang ist, muss er unterwegs rasten, und der tote Zauberer bittet, für diese Zeit aus dem Sack herausgelassen zu werden. Hierauf beginnt er, dem Chanssohn eine Geschichte zu erzählen. Der hört schweigend zu. Doch kurz vor Schluss, als es am spannendsten ist, entfährt ihm eine unbedachte, ungeduldige Äußerung. Daraufhin ist der Bann gebrochen, und der tote Zauberer ist frei und schwebt zum Ausgangspunkt zurück. Der Chanssohn stiefelt also wieder los, bannt den Zauber erneut, neues Nachtlager, neues Märchen, und wieder verplappert sich der Zuhörer kurz vor Schluss, und so geht es jede Nacht, immer weiter und weiter, bis der Leser einen bunten Strauß wunderbarer kalmückischer Märchen kennen gelernt hat. Eine herrliche Geschichte.
Juliane Seidel: Assjah II - Die vergessenen Kinder
Der zweite Teil der Assjah-Reihe von Juliane Seidel. Teil 1 hatte ich letztes Jahr gelesen und war begeistert. Jetzt hat die Autorin sich von ihrem Verlag getrennt und bot den zweiten Teil zum Sonderpreis an - nur so lange der Vorrat reicht. Klar, dass ich da zugriff.
Es ist ein wunderschön illustriertes Taschenbuch mit einer zauberhaften Geschichte. Kim, ein junger Rollenspieler und Weltenbauer, hatte in Teil 1 einen magischen Gegenstand gefunden, mit dessen Hilfe er Wesen aus seinen Welten in unsere reale Welt herübertransportieren kann. Doch durch den Einsatz dieses Traumspiegels verschiebt sich das Gleichgewicht der Welten, furchtbare Wesen, die Namaren, bedrohen Kim und seine Wesen, und das Nichts greift nach den von ihm erschaffenen Welten. Auch im zweiten Teil muss sich Kim mit diesem Nichts auseinandersetzen. Doch diesmal ist seine eigene Welt bedroht. Überall verschwinden Kinder, schließlich auch eine Schulkameradin von Kim. Dann tauchen die Namaren wieder auf. Aber sind sie wirklich Feinde? Kann er ihrem Hilferuf vertrauen? Kim und seine Freunde haben eine gefährliche Luftreise und eine Odyssee durch die Wüste zu bestehen, schließlich kommt es zur Konfrontation mit einem mächtigen Gegner.
Erneut ein zauberhaftes Buch, das es wohl bald in neuem Gewand bei einem anderen Verlag zu erwerben gibt. Ich freue mich auf weitere Abenteuer mit Kim, seinen Freunden und seiner Phantasie.
Chinesische Märchen (e)
Ein Buch, das sehr viel über Götter und Heilige erzählt, vieles ist mehr der Sage und Religion zugehörig als dem, was wir unter Märchen verstehen. So erfährt man etwas über die fünf großen Alten, über den Himmelsherrn und seine Töchter und Söhne, über die Himmelskönigin, über Drachenkönige und die Mondfee, den Gott des Reichtums oder den Feuergott. Es geht um kluge und dumme Frauen, um Habgier und Großherzigkeit. Viel wird über Tiere erzählt, etwa über den Fuchs und den Tiger oder die Feindschaft zwischen Hund und Katze.
Mir hat besonders das Märchen von den zehn Bauern gefallen, die während eines Gewitters in einem Tempel Schutz suchten. Da das Unwetter immer stürmischer tobt, glauben sie, dass sich wohl ein großer Sünder unter ihnen befinden muss, dem die Götter übel wollen. Das Los bezeichnet einen der zehn, der den Tempel verlassen soll. Der arme Kerl beteuert seine Unschuld, wird aber von den neun anderen, die um ihr Leben fürchten, erbarmungslos aus dem Tempel in den Sturm hinausgejagt. Doch kaum ist er draußen, schlägt ein Blitz in den Tempel ein, und die neuen bösen Menschen, die ihn hinausgejagt haben, verbrennen mit Haut und Haar.
Mein anderes Lieblingsmärchen ist die Geschichte vom Zauberfass: Ein Mann grub auf seinem Acker ein Fass aus. Als ihm versehentlich eine Bürste hineinfiel, war plötzlich das ganze Fass voll mit Bürsten, die er auf dem Markt sehr gut verkaufen konnte. Später fiel ihm zufällig eine Münze hinein, und das ganze Fass war voller Münzen. Davon wurde er reich. Aber auch hartherzig. Er ließ seinen alten, schwachen Großvater, der zu nichts anderem mehr taugte, fortan bis zur Erschöpfung arbeiten und immer neue Massen von Geldstücken aus dem Zauberfass herausschaufeln. Doch eines Tages brach der alte Mann zusammen, starb und fiel kopfüber in das Fass, woraufhin sein Enkel überschwemmt wurde mit Massen von toten Großvätern. Für die Beerdigung ging sein gesamtes Vermögen drauf, und das Fass zerbrach ihm auch noch ...
Zu Teil 1 des Jahresückblicks: Januar bis März 2015.
Zu Teil 3 des Jahresrückblicks; Juli bis September 2015.
Zu Teil 4 des Jahresrückblicks: Oktober bis Dezember 2015.
© Petra Hartmann