Jahresrückblick I: Januar bis März 2017
Jahresrückblick
Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.
Januar
Patricia Wrightson: Wirrun zwischen Eis und Feuer
Patricia Wrightson: Wirrun und das singende Wasser
Patricia Wrightson: Wirrun hinter dem Wind
Trilogie um einen jungen australischen Aboriginee, der dreimal berufen wird, die Welt zu retten. Wirrun begegnet den alten Traumwesen der australischen Mythen, er bewahrt das Land vor einer neuen Eiszeit, verhindert die Übernahme des Landes durch Dämonen, und das alles in einem so musikalischen Zauberton und mit einer so eigenen Sprechstimme, dass man tatsächlich glaubt, einem uralten australischen Homer zu lauschen. Ungewöhliche und sehr eigenständige Phantastik, manchmal mit einer gewissen nicht-europäischen Logik, sehr anders als klassische High Fantasy. Ich wollte mir die Trilogie eigentlich in meiner Jugend kaufen, aber es ist immer wieder etwas dazwischen gekommen. Jetzt fand ich sie also im Antiquariat. Hat sich gelohnt.
E.T.A. Hoffmann: Die Bergwerke von Falun. Der Artushof (Reclam)
Zwei klassische Erzählungen Hoffmanns. Ich war beim Lesen fest davon überzeugt, dass ich diese Bergwerksgeschichte schon kannte. Aber ich hatte sie noch nie gelesen. Das Nachwort schließlich brachte des Rätsels Lösung: Der Stoff wurde auch von Johann Peter Hebel in seinen "Kalendergeschichten" behandelt, daher kannte ich es. Aber sehr unterschiedlich in der Ausführung. Und eine sehr interessante Sichtweise auf das Bergmannsleben. Erinnerte mich auch etwas an Novalis und seinen "Heinrich von Ofterdingen". Es geht um einen jungen Mann, der im Berg verschollen ist. Erst Jahrzehnte später wird sein Leichnam wiedergefunden, er ist auf seltsame Art konserviert worden und sieht noch immer aus wie ein strahlender, jugendfrischer Bergmann, während seine damalige Braut längst eine uralte, dem Tode nahe Greisin ist.
Die Geschichte vom Artushof hat mit dem britischen König nichts zu tun. Der Artushof ist ein Gasthaus, in dem ein junger Kaufmann sitzt und eigentlich seine Rechnungen schreiben sollte. Aber es kommt einfach so über ihn, und er beginnt zu zeichnen. Sehr sympathischer Mensch. Eine Art Künstler-Novelle also.
Nikolai von Michalewsky: Kielwasser des Todes. Grüner Auftrag für "Fortuna"
Ein weiteres Umwelt-Abenteuer aus dem Mittelmeer mit dem Schiff Fortuna. Diesmal geht es um bedrohte Schildkröten.Spannend geschrieben, aber ein bisschen zerpflückt und ziemlich viel Zufälliges. Das Ende ist wirklich ein Schlag ins Gesicht.
Kathi Wallace: Assiniboin Girl
Karsten Kruschel: Das Universum nach Landau
Kurzgeschichtensammlung mit Geschichten aus einem Sonnensystem, das im gleichen Kosmos angesiedelt ist wie die Vilm-Romane und der Galdäa-Roman des Autors. In der Handlung lose mit diesen Büchern verbunden, aber durchaus eigenständig. Die meisten der Geschichten sind bereits in Anthologien erschienen, einen Großteil davon kannte ich schon. In den Einzelveröffentlichungen ist mir allerdings nie aufgefallen, dass der Autor jedesmal eine bestimmte Farbe für den Titel gewählt hat. Erst in der Zusammenstellung wurde dies nun geradezu zum Ordnungsprinzip des Buchs. Da ist ein Grün, das den verzweifelten und schließlich erfolglosen Kampf der Bevölkerung eines Planeten gegen das immer üppiger wuchernde Grünzeug charakterisiert, oder das Weiß als Signal für den drohenden Eistod der Siedler, als eine Klimakatastrophe hereinbricht. Gentechnik, Metamorphosen, Auseinandersetzungen mit fremden Lebensformen und die Frage nach dem Wohin der Menschheit ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch, und manchmal ergeben sich überraschende Zusamenhänge zwischen den Geschichten. Geschrieben ist das alles in einem unpathetischen, manchmal etwas kühlen, aber nie blutlosen Stil, sehr treffend und eingängig. Es hat nicht ganz den Zauber der Vilm-Bände, ist aber für den Fan durchaus eine gute Ergänzung.
Jonas Gawinski: Die Nacht wächst schnell nach
Die Welten von Thorgal: Thorgals Jugend 4 - Berserker
C.S. Forester: Brown von der Insel
Ich bin ein großer Fan von Foresters Hornblower-Romanen. Da war es nur eine Frage der Zeit, dass ich mir irgendwann einmal den Brown zulegen musste. Auch wenn mich zugegebenermaßen die Notiz etwas abgeschreckt hat, dass Adolf Hitler das Buch sehr geliebt haben soll ... Brown, der Titelheld, gehört zur Besatzung eines englischen Kriegsschiffs, das von dem deutschen Kreuzer "Ziethen" versenkt wird. Brown wird gefangen. Als die Ziethen auf der fiktiven Galapagos-Insel Resolution vor Anker geht, um einige Schäden am Schiff auszubessern, kann Brown fliehen. Er nimmt die Ziethen unter Feuer und schafft es durch geschicktes Ausnutzen der natürlichen Gegebenheiten, das feindliche Schiff so lange an seinem Platz festzuhalten, bis ein britisches Kriegsschiff erscheint und die gefürchtete Ziethen versenkt. Brown allerdings ist tödlich verwundet und erfährt nichts mehr von seinem Erfolg. Und der Kapitän des britischen Schiffs, der Browns unbekannter leiblicher Vater war, erfährt weder von Browns Beihilfe zu seinem Sieg noch davon, dass er überhaupt einen Sohn hatte.
Die Geschichte von der Zeugung Browns, als eine junge hübsche Frau aus gutem Hause einfach eines Tages beschließt, die Kutsche anspannen zu lassen, und vorgibt, zu einer Freundin zu fahren, dann aber in London eine mehrtägige sexuelle Beziehung zu einem ihr unbekannten Seemann pflegt und sich schließlich von ihm trennt, ohne ihm ihren Namen und ihre Herkunft zu verraten, gehört zu den schönsten Episoden des Buches und hat beinahe etwas Magisches. Diese eigenartige Geschichte steht in sehr auffallendem Widerspruch zu dem ansonsten recht kargen, nüchternen Realismus der marinehistorischen Erzählung. Fachlich und erzähltechnisch zieht der Autor alle Register seines Könnens, schildert detailreich und überzeugend das Leben an Bord eines britischen Kriegsschiffs, bietet also gewohnte Forester-Qualität. Das "David-Copperfield-Zeug", also die Beschreibung der Jugend des vaterlos aufwachsenden Brown, der von seiner Mutter konsequent auf eine Laufbahn in der Marine hin erzogen wird, hat ebenfalls etwas von den großen britischen Klassikern.
Dass das Buch mich zwar mitgenommen, aber nicht mitgerissen hat, liegt daran, dass dieser Brown einfach keinen Funken Hornblower-Persönlichkeit hat. Brown ist und bleibt ein schlichter, einfach gestrickter Mensch ohne jegliche Entwicklung, ein Soldat aus den unteren Rängen, der brav seine Pflicht erfüllt, der aber weder die Fähigkeiten noch den Ehrgeiz hat, Karriere zu machen oder Strategien auszuarbeiten, Führungsverantwortung zu übernehmen oder irgend etwas zu gestalten. Es ist so gut wie kein Innenleben vorhanden. Da ist einfach nur die Aufgabe, die er sieht, eben die Ziethen zu bekämpfen, und das tut er. Vielleicht liegt darin ja gerade die Größe dieses kleinen Menschen. Brown steht zur rechten Zeit am rechten Platz und tut, was getan werden muss. Dass er in dieser Einmannschlacht gegen den schwimmenden Goliath über sich hinausgewachsen ist, ist auf jeden Fall eine Leistung und hat eine eigene schlichte Größe. Aber mir fehlen einfach auch die Ängste und Selbstzweifel, die Reflexion eines Hornblower. Also eher 2+ als 1 mit Sternchen.
Hörspiel
Mark Brandis, Raumkadett 3: Tatort Astronautenschule
Jugendabenteuer aus der Ausbildungszeit von Mark Brandis. Der junge Mark Brandis und seine Mitschüler bereiten sich in der Astronautenschule auf Einsätze im All vor, und um Bewegungsabläufe ohne Schwerkraft trainieren zu können, wird im Wasser geübt. Doch aus dem Tauchgang wird blutiger Ernst, als die Schüler eine Leiche finden. Das ganze hält nicht ganz die Höhe der Originalromane um den erwachsenen Brandis von Nikolai von Michalewsky. Es ist eher ein Jugend- oder Kinderhörspiel und erinnert ein wenig an die Detektivbanden der alten Cassettenzeit, ist aber nicht schlecht gemacht, und technisch haben es die Hörspielmacher der Brandis-Serie ohnehin drauf.
Jan Tenner Classics 1: Angriff der grünen Spinnen
Alter Jugend-SF-Klassiker aus den 80ern, den ich mir schon seit Jahrzehnten mal reinpfeifen wollte. Sehr nett gemacht, wenn mir auch dieses ominöse Serum etwas unglaubwürdig erscheint. Naja, aber was heißt schon Unglaubwürdigkeit im phantastischen Bereich? Eine Horde von riesigen grünen Spinnen bedroht Westland und die gesamte Menschheit. Die einzige Chance, die Bestien zu stoppen, ist ein Zweikampf: Jan Tenner soll sich mit Hilfe des Serums in eine Riesenspinne verwandeln und das Leittier besiegen. Nicht gerade ganz großes Kino, aber es hat einfach diesen 80er-Jahre-Charme.
Februar
John Gurdon: Dramatic Lyrics
Ein im Jahr 1906 erschienener Lyrikband, der nun wieder als eingescanntes und on demand gedrucktes Taschenbuch erhältich ist. Ich bin vor einigen Jahren durch sein Drama "Erinna" auf John Gurdon aufmerksam geworden und habe letztes Jahr von seinen Nachkommen etwas zu seinen Lebensdaten erfahren (mein Englisch ist leider in der Korrespondenz etwas schwach auf der Brust, aber ich hoffe, dass ich alles richtig verstanden habe). Jedenfalls bekam ich dadurch Lust, noch etwas mehr von diesem Autor zu lesen. Dieses Buch ist zunächst einmal im Schriftbild außerordentlich klar und optisch sehr ansprechend, was bei Büchern dieser Machart ja selten ist. Die Sprache selbst sehr wohlklingend, die Gedichte traditionell gereimt und auch für den Laien recht gut lesbar. Gurdon widmet sich klassischen, mythologischen Themen, oft aus dem alten Hellas. Es gibt beispielsweise Gedichte über Antigone oder Callisto. Sehr gefallen hat mir ein Gedicht mit dem Titel "The Lament of Phrynichos". Gurdon erinnert hier an die Tragödie "Der Fall Milets", eine Tragödie, die damals mit einem Aufführungsverbot belegt wurde, weil es die Athener bei der Uraufführung so schockiert hat, als auf der Bühne der Untergang der Stadt und die Versklavung der griechischen Bevölkerung gezeigt wurde. Ein Vorläufer von Aischylos' "Persern". Jedenfalls gibt Gurdon hier dem Dichter seine Stimme zurück und lässt ihn einen Klagegesang über das von Persern eroberte Milet anstimmen. Außerdem ein wenig Indisches und etwas aus der altenglischen Sagenwelt. Ein schöner Gedichtband.
Anne Frank: Gesamtausgabe
- Tagebuch
- Geschichten und Ereignisse aus dem Hinterhaus
- Weitere Erzählungen
- Briefe
- Poesiealben-Einträge
- Das Schöne-Sätze-Buch
- Das Ägypten-Buch
- Fotos und Dokumente
- Miriam Pressler: Anne Franks Leben
- Miriam Pressler: Die Geschichte der Familie von Anne Frank
- Gerhard Hirschfeld: Der zeitgeschichtliche Kontext
- Francine Prose: Die Rezeption
- Anhang: Tagebuch-Version a und b, die neu gefundenen Blätter
Schon beindruckend, dass ein Mädchen, das nur knapp 16 Jahre alt wurde, eine so dicke Gesamtausgabe hat. Das Buch enthält die Ursprungs-Version des Tagebuchs, die von Anne Frank selbst überarbeitete Version, die sie erstellte, als sie im Radio einen Aufruf hörte, man solle doch Aufzeichnungen aus dieser Zeit machen, um sie später zu veröffentlichen, außerdem eine von ihrem Vater erstellte und nach ihrem Tode veröffentlichte Version, in die Teile aus der Urfassung wieder eingearbeitet wurden, sowie einige neu aufgetauchte einzelne Tagebuchblätter. Spannend fand ich, dass sie auch ein Buch mit Kurzgeschichten und Skizzen angefangen hat und dass sogar ein Romanfragment vorliegt.
Ich gehöre nicht zu denjenigen, die dieses Tagebuch in der Schule gelesen haben. Daher war die Geschichte für mich noch neu. Klar, man hatte schon mal Auszüge gelesen, hier und da Zitate gehört. Ich habe in ganz früher Zeit, glaube ich, auch mal die Verfilmung gesehen. Allerdings stellte ich dann irgendwann fest, dass ein bestimmtes Zitat, auf das ich die ganze Zeit gewartet habe, gar nicht kam, und merkte dann, dass ich es mit "Ein Stück Himmel" verwechselt hatte.
Diese Ausgabe ist eher etwas für den Wissenschaftler als für jemanden, der einfach nur das Tagebuch lesen möchte. Ich habe es mir in einer Art Wennschon-dennschon-Stimmung angeschafft, wollte natürlich alles haben. Was dann auch heißt, dass ich das Tagebuch in drei Fassungen nacheinander gelesen habe und vieles schon beim zweiten Mal auswendig hätte mitsprechen können. Vielleicht etwas ermüdend, aber ich habe es ja so gewollt. Die Ausstattung und die Beigaben sind reichhaltig und für den Hintergrund sehr hilfreich, man erhält eine Menge Material. Die Aufsätze im Anhang sind auf jeden Fall lesenswert. Eine gut gemachte und gut ausgestattete Neu-Ausgabe.
Der Inhalt dürfte bekannt sein. Es ist die Geschichte eines jüdischen Mädchens und seiner Familie zur Nazizeit in den Niederlanden. Die Familie taucht unter und lebt versteckt in einer geheimen Wohnung in der ehemaligen Firma des Vaters. Anne führt Tagebuch, erzählt von den zwischenmenschlichen Beziehungen im "Hinterhaus", von ihrer Lektüre und ihrer Art sich fortzubilden, von ihrem sich immer weiter verschlechternden Verhältnis zu ihrer Mutter, sie schreibt über ihre erwachende Sexualität und ihre Beziehung zu Peter, dem Sohn der zweiten im Hinterhaus untergetauchten Familie. Das Tagebuch bricht dann unvermittelt ab. Da war die Familie denunziert und abgeholt worden. Anne Frank starb im Februar oder März 1945 im KZ Bergen-Belsen.
Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt, ob dieses Tagebuch eine bessere oder schlechtere Schullektüre zum Thema Nazizeit und Judenverfolgung ist als das, was wir damals gelesen hatten. In meiner Klasse waren es "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" und "Damals war es Friedrich". Anne Frank führte mehr oder weniger ein Inselleben in ihrem Versteck, auch wenn sie natürlich Nachrichten von draußen begierig aufnahm. An Lernstoff über diese Zeit und Informationen hat das Buch also sehr viel weniger zu bieten als die beiden anderen. Andererseits ist es wohl gerade die "Normalität" Annes, die ein großes Identifikationspotential für junge Leser bietet. Da ist kein erhobener Zeigefinger, keine in pädagogischer Absicht geschaffene Romanfigur, sondern einfach ein Mensch wie du und ich, der auch eine Mitschülerin hätte sein können. Möglich, dass Anne viel eher die Herzen der Schüler erreicht als Friedrich und das rosa Kaninchen. Zu wünschen wäre es jedenfalls ...
Mary Hooper: Vertrau mir, kleiner Dachs (Lucys Tiere 4)
Ein Kinderbuch, das mir ins Suchnetz geraten ist, weil ich Dachse einfach so liebe. Allerdings spielt der sehr junge Dachs in diesem Buch nur eine Nebenrolle. Es geht darum, ihn nach dem Tod seiner Mutter und Geschwister aus dem Bau zu locken. Tierfreundin Lucy, die Titelheldin der Serie, schafft es am Ende, sein Vertrauen zu gewinnen, und kann damit beginnen, ihn aufzupäppeln. Ansonsten geht es um Pferde und einen Kriminalfall. Lucy gelingt es, einen Pferdediebstahl zu verhindern. Ganz nett. Aber ich gehöre offenbar nicht mehr zur Zielgruppe, es war mir einfach zu einfach.
Sternengebrüll. Denk- und Fühlgeschichten
Moderne Märchen aus dem Lucy-Körner-Verlag in der Tradition der drei legendären "Farben"-Bücher. Zauberhaft und nachdenkenswert. Man merkt aber auch, dass die Sammlung etwas später entstanden ist als die Vorgängerbände, sie hat einen etwas moderneren Ton. Eben ein Kind der Jahrtausendwende, das noch von den 80ern träumt.
Hans Kruppa: Kaito
Zauberhaftes Märchen in zauberhafter Aufmachung, einfach ein wunderschönes Buch. Erzählt wird die Geschichte eines kleinen Jungen, der irgendwie in seinem Heimatdorf und in seiner Familie nicht am rechten Ort ist. Als 13-Jähriger zieht er von zu Hause fort und macht sich auf, einem geheimnisvollen Fremden ein verlorenes Amulett zu bringen. Dann hört er den Mann auf einer besonderen Flöte spielen, und als dieser ihm als Dank für das Amulett einen Wunsch erfüllen will, wünscht sich Kaito, von ihm die Kunst des Flötenspiels zu lernen. Alle halten ihn für geistesgestört, denn er hätte haufenweise Gold und Silber erhalten und bis ans Ende seiner Tage ausgesorgt haben können. Nur sein Meister versteht ihn. Eine Geschichte über Selbstfindung und das Streben nach künstlerischer Vollkommenheit. Fast so schön wie "Die Legende von Tay Manka". Hans Kruppa kann's einfach.
Hörspiel
Jan Tenner Classics 2: Tödlicher Nebel
Ein giftiger Nebel bedroht Westland und seine Bewohner. Die Quelle ist ein defektes außerirdisches Raumschiff. Jan Tenner kann den Schaden beheben und das Leck flicken, Gefahr gebannt und ein Meilenstein für die Völkerverständigung gesetzt. Etwas skurril erscheint mir die Art, wie Jan überhaupt durch den Nebel gelangen kann: Er schrumpft dank des Superserums von Professor Futura auf Mausgröße zusammen und kann so in einen speziellen Roboter hineinkriechen, der nur von einem Steuermann in Mini-Größe gelenkt werden kann. Wer konstruiert denn bitte solche Fahrzeuge? Tanja nervt auch. Kein Wunder, dass sie bereits nach der dritten Folge ausgetauscht wurde. Es ist eine Art weiblicher Peter Shaw, nur mit noch mehr Piepston und Hysterie in der Stimme. Sehr anstrengend. Und die Argumentation ist immer die Gleiche. Diagnose: Wir werden alle sterben. Einziger Ausweg: Jan Tenner benutzt das neue Serum. Tanja: Nein, Jan, ogottogott, das neue Serum ist viel zu gefährlich, es ist noch nicht ausreichend erprobt, wenn dir nun etwas passiert ... Unglaubwürdig ist auch, dass sie die wissenschaftlichen Fähigkeiten dieses jungen Mannes so in den Himmel hebt. Verdammt, die Frau ist Assistentin des größten Wissenschaftlers ihrer Zeit. Sie sollte mindestens Doktorandin sein. Und himmelt einen popeligen Studenten an, der eine Substanz analysieren kann. Ein solch biederer älterer Herr wie Professor Futura wird sich seine Assistentin doch nicht nach ihrem Brustumfang ausgesucht haben ...?
Mark Brandis, Raumkadett 4: Hinter den Linien
Der junge Astronautenschüler Mark Brandis erhält ein spezielles Training: Als Copilot der raubeinigen Super-Fliegerin Alba Bravo darf er einen Patrouillenflug entlang der Grenze zu den Vereinigten Orientalischen Republiken begleiten. Dabei kommt es zu einem Gefecht, der Flieger stürzt ab, und Mark und Alba landen mitten im feindlichen Gebiet. Zu Fuß kämpfen sie sich bis zur Grenze zurück. Doch dann stürzt die Fliegerin in eine Grube. Akustisch gut gemacht, der Handlungsverlauf linear und stringent, das Ende etwas überraschend. Nicht schlecht, aber ich komme mit der "erwachsenen" Serie besser klar.
Jan Tenner Classics 3: Landung der Giganten
Riesenhafte Wesen bedrohen Westland und entführen Kinder. Sie wollen die Geiseln erst herausrücken, wenn sich Professor Futura in ihr Raumschiff begibt. Aber niemand will das größte Genie der Welt und seine wissenschaftlichen Errungenschaften in den Händen der Fremdem wissen. Zeit, eine neue Variante des Serums zu testen: Jan Tenner verwandelt sich nach der Injektion in ein Double des Professors. Gut gefallen hat mir, wie überhaupt an der ganzen Serie, die Grundhaltung Tenners, der Konflikte mit Außerirdischen immer wieder gewaltfrei, mit viel Verständnis und zur beiderseitigen Zufriedenheit löst. Schwer erträglich Tanjas dämliche Hysteriespiralen, aber damit hat es ja nun ein Ende. Nett der obligatorische kleine Nasenstüber an den Herrn General zum Schluss.
Jan Tenner Classics 4: Gefahr aus dem All
Ein Offizier verschwindet. Seine Entführer sind Außerirdische namens Lakoten. Ein Fall für Jan Tenner und das neue Serum, diesmal ein Unsichtbarkeitsserum, das zunächst einmal Anlass für viele Blödeleien bietet, da eben nur die Menschen, nicht aber ihre Klamotten unsichtbar werden, Jan also diesmal nackt im Einsatz ist. Das ewige Störgeräusch Tanja ist verschwunden, gut so. Etwas herzlos erscheint mir die Art, wie sie aus der Serie herausgeschrieben wurde, aber akustische Schönheit fordert nun mal Opfer. Laura, die neue Assistentin an Professor Futuras Seite, zeigt Jan jedenfalls erstmal, wo der Hammer hängt. Vielversprechend.
März
Susanne Pawlowic: Feuerjäger I: Die Rückkehr der Kriegerin
Regina Scheer: Mausche mi-Dessau. Moses Mendelssohn. Sein Weg nach Berlin
Kleines Taschenbuch aus der Reihe "Jüdische Miniaturen", das sich mit dem Weg des jungen Moses Mendelssohn von Potsdam nach Berlin beschäftigt. Ich hatte vor einigen Jahren aus derselben Reihe bereits den Band "Gesetzestreuer Jude und deutscher Aufklärer" von Hermann Simon gelesen, das ich denjenigen, die an einem Einstieg und ersten Überblick über Mendelssohns Leben interessiert sind, ans Herz legen möchte. Das hier vorliegende Büchlein "Mausche mi-Dessau" befasst sich nur mit einem kleinen Abschnitt aus dem Leben des jungen Moses Mendelssohn, eben dem Umstand, dass er sich im Jahr 1742 von Dessau nach Berlin aufmachte, um bei seinem verehrten Lehrer David Fränkel, der nach Berlin berufen wurde, weiter lernen zu können. Man erfährt etwas über den bekannten und möglichen Verlauf seines Weges und zum historischen Hintergrund. Aber ein Schwerpunkt ist auch die Beschreibung eines Versuchs, diesen Weg nachzuwandern, den einige Wissenschaftler und Verehrer des Philosophen vor einigen Jahren unternahmen.
Mirja Dahlmann: Die althochdeutschen Zaubersprüche zwischen Heidentum und Christentum
Eine Untersuchung der Zaubersprüche in alten Zeiten. Man erfährt viel über magische Vorstellungen und die Art, wie solche Zaubersprüche aufgebaut sind. Auch das eigentümliche Zusammenspiel von heidnischen und christlichen Vorstellungen wird herausgearbeitet. Ein Schwerpunkt liegt auf dem zweiten Merseburger Zauberspruch, also dem Zauerspruch mit dem gebrochenem Pferdebein. Sehr klug und vielleicht nützlich für einen meiner nächsten Romane.
Wilhelm Busch: Umsäuselt von sumsenden Bienen. Schriften zur Imkerei
Hübsches kleines Geschenkbüchlein, das ich beim Besuch einer Rolf-Kauka-Ausstellung im Wilhelm-Busch.Museum entdeckt habe. Enthält drei Aufsätze Buschs zum Thema Bienenzucht. Hab bisher nicht gewusst, dass der Mann begeisterter Imker war. Insgesamt nicht unbedingt ganz großes Kino. Das Büchlein ist dünn, es hat sein Verkaufspotential eben durch den Verfassernamen. Interessant, dass Busch in einem Aufsatz kategorisch und bissig verneint, dass Bienen ihren "Bienenvater", den Besitzer, erkennen und von anderen Leuten unterscheiden können. Da werden manche Imker widersprechen. Ein netter Mitnahme-Artikel über eine bisher unbekannte Facette des Comic-Urvaters.
Dino Lares: Wolfgang Schadewaldt. Eine Lebensskizze / Wolfgang Schadewaldt: Einblick in die Werkstätte meiner Arbeit
Dünnes Bändchen mit zwei Aufsätzen. Eine kleine Schadewaldt-Reliquie. Ein kurzer biographischer Abriss und ein paar Worte Schadewaldts zu seiner Arbeit.
Wolfgang Mohr / Walter Hauf: Zweimal "Muspilli"
Ich habe immer noch keine Textausgabe Muspilis gefunden und gelesen. Muss irgendwann mal gezielt in der Bibliothek danach fahnden. Vielleicht schaffe ich es nächstes Jahr. Dieses Büchlein enthält zwei Aufsätze die sich mit dem eigenartigen Weltuntergangsfragment beschäftigen. Man erfährt ein bisschen zu den germanischen und christlichen Vorstellungen darin und etwas zur Forschung, die in vielen Fällen einfach zu dem Schluss kam, dass Muspili schwierig und dunkel sei. Ein etwas älteres Büchlein (1977), vermutlich ist die Wissenschaft inzwischen schon weiter gekommen.
Gustav Kühne: Eine Quarantäne im Irrenhause
Einer der wichtigen Texte des Jungen Deutschlands aus dem Jahr 1835. Ich habe seinerzeit ein Kapitel in meiner Magisterarbeit darüber geschrieben. Damals gab es das Buch nur als frakturgedruckten uralten Wälzer, den man per Fernleihe ordern und dann auch nur im Lesesaal lesen durfte. Ich habe mir große Teile davon abgeschrieben. Jetzt also ist eine Print-Version erhältlich. Die ist auch ganz erträglich, ich erinnere mich an keine größeren Scanfehler.
Der Ich-Erzähler, ein junger Philosoph und Bohemien, wird von seinem Onkel, der ihn politrischer Umtriebe verdächtigt, kurzerhand entführt und in eine Irrenanstalt gesteckt. In der Gefangenschaft beginnt er ein seltsames Tagebuch, in dem er die politischen und philosophische Wirren der Zeit analysiert, sich mit Hegel und Gott auseinandersetzt und sich am Faust-Mythos abarbeitet. Als er im Irrenhaus seine Jugendliebe, die Opernsängerin Elvira Weißschuh, wiederfindet, die tatsächlich verrückt ist, und seine aktuelle Liebe, die polnische Sängerin Victorine, die während des Aufstandes gegen Russland ihre gesamte Familie verloren hat, wiedertrifft, beschließen die drei die Flucht. Ein Ausbruch, der Victorie in den Tod führt und die zwischenzeitlich geheilte Elvira, die auf einer Opernbühne erneut im "Don Giovani" auftritt, zurück in den Wahnsinn. Ein hochinteressantes Buch voller Sprachschönheit und kluger Gedanken, allerdings für heutige Leser wohl etwas schwer verdaulich ...
Hörbuch
Schatztruhe der Märchen
(Aschenputtel, Jorinde und Joringel, Rotkäppchen, Die sechs Diener, Schneewittchen, Das blaue Licht, Hänsel und Gretel, Allerleirauh, Das tapfere Schneiderlein, die Prinzessin auf der Erbse, Dornröschen, Kalif Storch, Der Froschkönig, Der Wolf und die sieben Geißlein, Rumpelstielzchen, Zwerg Nase, Der gestiefelte Kater, Hans im Glück, Tischlein deck dich, die goldene Gans, Frau Holle, König Drosselbart, Brüderchen und Schwesterchen, Die zertanzten Schuhe, Der kleine Muck, Der falsche Prinz, Des Kaisers neue Kleider, Das Lumpengesindel, Schneeweißchen und Rosenrot, Rapunzel, Gullivers Reisen, Rübezahl, Ali Baba und die vierzig Räuber, Das fliegende Pferd, Pinocchio)
Dicke Hörspielbox mit 20 CDs, von denen die meisten jeweils zwei Märchen enthalten. Die letzten CDs sind etwas anders, darauf sind Klassiker wie Gullivers Reisen, Pinocchio und Rübezahl-Sagen zu finden. Angeschafft habe ich sie mir eigentlich, weil ich unbedingt Hans Paetsch wiederhören wollte, die große Märchenerzählerstimme meiner Kindheit. Genauer gesagt: Ich wollte mir noch einmal "Jorinde und Joringel" von Hans Paetsch erzählen lassen und habe den Rest dann einfach mal mitgenommen. Tja, was soll ich sagen. Es war nicht alles Hans Paetsch darin. Die anderen Sprecher haben natürlich ihre Arbeit ordentlich gemacht, ich will nicht meckern, es stand ja auch in der Beschreibung drin, dass da noch andere dabei waren. Jorinde und Joringel war zwar tatsächlich von ihm gesprochen, aber es war nicht die Version, die ich kannte und wollte, sondern eine etwas ausgeweitete, gestreckte Fassung, in die ein absonderliches Greifen-Abenteuer hineinmontiert worden war, wohl um eine angemessene Laufzeit zu bekommen. Die restlichen Märchen waren größtenteils okay, bei manchen hatte ich aber das Gefühl, es mit billig produziertem "Füllmaterial" zu tun zu haben. Die Anzahl der in Reimform nacherzählten Märchen war für meinen Geschmack etwas zu groß. Und manchmal war der Versuch, durch eine Rahmenhandlung einen neuen "Dreh" in der Märchenpräsentation zu finden, doch etwas nervig und wirkte aufgesetzt. Da war unter anderem eine Familie, die für ihre Oma oder Tante ein Märchentheaterstück aufführte, und dann halt das Grimm-Märchen darbot, und einmal fing die Rahmenandlung im Stau auf der Autobahn an, worauf ein Vater und sein Sohn dann das Radio einschalten und dort einem Märchenhörspiel lauschten. Nun gut. Die Märchenkiste ist dick und voll und gehaltreich, und wenn auch nicht alles Gold darin ist, es waren doch einige Fundstücke darin. Hätte halt gern mehr von Hans Paetsch gehört ...
Helen Macdonald: H wie Habicht
Wahnsinnig tolle Geschichte, zauberhafte, magische Sprache und obendrein ausgesprochen lehrreich. Es geht um eine Falknerin, die einen Habicht abrichtet. Offenbar die absolute Königsklasse der Falknerei. Der Habicht, beziehungsweise in diesem Fall eine Habicht-Dame, wird beschrieben als blutgierig, schwer zu zähmen und ausgesprochen eigenwillig. Für die Ich-Erzählerin eines große Herausforderung. Eine Herausforderung, die sich aber sehr bewusst sucht, um über den Tod ihres Vaters hinwegzukommen. Erinnerungen an ihren Vater und ihre ersten Schritte in der Falknerei spielen aber keine so große Rolle wie die Auseinandersetzung mit dem britischen Schriftsteller T.H. White ("Der König auf Camelot") und seinem Buch "The Goshawk". In dem Buch, in dem es ebenfalls um die Abrichtung eines Habichts geht, hat White, wie die Falknerin schon als Jugendliche diagnostizierte, so ziemlich alles falsch gemacht, was man im Umgang mit einem Greifvogel falsch machen kann. Die Tragödie zwischen White und seinem Habicht Goth (Schreibt er sich so? Oder ist es ein Gos wie Goshawk? Ich kenne ja nur das Hörbuch.) und der langsamen Annäherung zwischen Ich-Erzählerin und Habichtdame Mabel spiegeln sich sehr schön in einander. Ich habe viel über Falknerei, Habichte und White gelernt. Werde mir die Geschichte sicher nochmal anhören.
Weiterer Jahresrückblick:
Teil II: April bis Juni 2017
Teil III: Juli bis September
Teil IV: Oktober bis Dezember 2017
© Petra Hartmann