Jahresrückblick IV: Oktober bis Dezember 2017
Jahresrückblick
Hier also meine Lesefrüchte der Monate Oktober bis Dezember. Viel Spaß beim Stöbern!
Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.
Oktober
Thomas Hettche: Die Pfaueninsel
Marie und ihr Bruder Christian sind Zwerge. Allerdings keine Märchenwesen, sondern kleinwüchsige Menschen, deren Wachstum bereits im frühen Kindesalter beendet war. Für den König, der die beiden käuflich erwirbt, eine wertvolle Bereicherung seiner Menagerie. Marie lebt künftig als "Schlossfräulein" auf der Pfaueninsel im Wannsee in einer eigenen, verwunschen Welt, erhält ab und zu Besuch von Angehörigen des Königshauses und leidet ihr Leben lang darunter, dass einmal eine Prinzessein die Kleinwüchsigen auf der Insel in Panik als "Monster" beschimpft hat. Marie erlebt die Entwicklung der Insel mit, die sich vom Kuriositätenkabinett und Märchenland zur exotischen Zoolandschaft und zum Landschaftsgarten großer Gartenbaukünstler entwickelt. Mal werden Tiere aus aller Herren Länder wahllos auf der Insel zusammengekarrt, mal soll das ganze Gelände nach einer einzigen großen Linie gestaltet werden, schließlich geht es auch um die Nutzung des Landes für Gemüseanbau und Holzwirtschaft. Zwischen Marie und dem Spross einer Gärtnerdynastie keimt die erste große Liebe auf. Aber dann passiert eine Katastrophe ... Die Geschichte spielt im 19. Jahrhundert und ist sprachlich manchmal etwas altertümelnd. Der Anfang ist etwas anstrengend, aber wenn man sich eingelesen und eingelassen hat, ist diese Pfaueninsel nicht ohne Zauber. Hat mir gefallen.
Peter Handke: Noch einmal für Thukydides (Reclam)
Wow. Eine echte Überraschung. Ich habe das Büchlein im Prämienshop eines Online-Buchhändlers entdeckt, als ich mal wieder ein paar Punkte zum Eintauschen gesammelt hatte, und habe es mitgenommen, ohne zu wissen, was mich erwartet. Zunächst einmal: Es hat überhaupt nichts mit dem Peloponnesischen Krieg zu tun ... Es handelt sich um ein schmales Prosabändchen, in dem Handke Situationen, Landschaften, Vorgänge beschreibt, nicht eigentlich Geschichten, sondern Beobachtungen, sehr genaue, detaillierte, anschauliche Beschreibungen, gewissermaßen Augenblicksaufnahmen. Elf kurze Prosatexte, in denen der Autor das tut, worin Altmeister Thukydides sein Lehrer war: genau hinsehen und auch scheinbare Kleinigkeiten mit Andacht und Sorgfalt aufzunehmen. Das klingt eher dröge, ist aber im Gegenteil ausgesprochen poetisch und hat einen ganz eigenen Zauber. Ob Handke ein Blatt an einer mit Efeu bewachsenen Wand betrachte, das sich als Zitronenfalter entpuppt, oder das Wetterleuchten über der jugoslawischen Insel Krk nachzeichnet, ob er dem fallenden Schnee in Japan oder einem Schuhputzer in Split zusieht (überhaupt der schönste Text im Buch), es braucht gar keine dramatische Handlung, diese kurzen Beobachtungen haben ihre ganz eigene Dramaturgie und Spannung. Danke, dass ich dabei sein durfte.
Günter Grass: Schreiben nach Auschwitz
Eine Frankfurter Poetik-Vorlesung, in der Grass darlegt, wie er sich an unterschiedlichen Stationen seines Lebens und Schaffens an Adornos Satz über die Unmöglichkeit, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, abgearbeitet hat. Ein Rückblick auf seine bis dahin geschriebenen Werke und die Geschichte der Bundesrepublik, immer wieder mit Blick auf den Völkermord. Seine Zwischenbilanz im Jahr 1990: "doch dem Schreiben nach Auschwitz kann kein Ende versprochen werden, es sei denn, das Menschengeschlecht gäbe sich selbst auf."
Karin Jacob (Hrsg.): Die Welt im Wasserglas
Anthologie mit Geschichten, Gedichten und Zeichnungen, die beweist, dass es möglich ist, aus einem eng begrenzten Raum eine Unendlichkeit an Möglichkeiten zu schöpfen. Magische Wesen, Urzeitkrebse, Kopfschmerztabletten - der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt außer der dünnen durchsichtigen Wand eines Wasserglases. Hat mir sehr gut gefallen.
Jonathan Philippi: Mary Island 4 - Das Geheimnis des Schlangentöters
Vierter Teil der Abenteuer auf Mary Island. Die aus Deutschland stammenden Geschwister Julie, Steven und Justy haben sich inzwischen so gut in den USA eingelebt, dass sie kaum noch von gebürtigen Amerikanern zu unterscheiden sind. Allerdings droht nun die Rückkehr nach Deutschland, denn die Mutter würde das Sorgerecht für die drei gern zurückhaben. Wenn rauskäme, dass die Geschwister bei der Aufklärung eines Verbrechens in eine Schießerei geraten sind (Im Abenteuer "Das Geheimnis der dunklen Baracke"), könnte das durchaus das Ende ihrer Zeit bei ihrem Vater bedeuten.
Das hält die Seidel-Kinder aber nicht davon ab, sich weiter als Detektive zu betätigen. Als Julie bemerkt, dass eine große Holzfigur im Schaufenster eines chinesischen Geschäfts sich immer wieder verändert, beginnt sie mit der Detektivarbeit. Ein sich aufbäumendes Holzpferd, das eine Giftschlange zertrampelt, das ist schon ein echter Hingucker. Aber manchmal trägt das Tier die Mähne nach rechts und manchmal nach links herabfallend, und die Kobra unter seinen Hufen ist manchmal auch eine Klapperschlange. Gut, dass die Geschwister einen echten Geheimpolizisten als Freund haben ...
Jonathan Philippi hat einen sehr eingängigen, flüssigen Schreibstil, und so lässt sich das Buch gut und angenehm lesen. Allerdings fallen diesmal die zahllosen Rückblenden und Erklärungen unangenehm auf, mit denen der Autor die Ereignisse aus den vorherigen drei Bänden rekapituliert. Ja, natürlich ist es machmal nötig, neue Leser in die Zusammenhänge einzuführen und alte Leser nochmal zu erinnern, was sie vor einem oder mehreren Jahren gelesen haben. Aber hier ist es einfach zu viel Rückblende, auch im Verhältnis zum Gesamttext, und notwendige Informationen hätte man vielleicht auch etwas geschmeidiger einflechten können. Im übrigen sollte eine internationale Verbrecherbande durchaus in der Lage sein, ein etwas weniger auffälliges Geheimsignal zu erfinden als diese Riesenstatue, deren Veränderungen sogar dem kleinen Justy auffallen. Vielleicht sollten die Herren Chinesen lieber Kaugummi-Automaten knacken. Okay, ansonsten ein gut erzähltes Jugendabenteuer, das Spaß macht und sich sehr zügig "wegliest".
Marcus Haas: Das Herz des Drachen
Geschichte einer jungen Frau, die einen Drachen aufgezogen hat. Als ihr Volk von einem kriegerischen Nachbarvolk überfallen wird, macht sie bei einem Angriff einen Fehler und wird zur Strafe verbannt. Was sie nicht ahnt: Die Verbannung ist Teil eines Plans, und sie steht unter Beobachtung. Nur so kann sie ihre besonderen Kräfte entwickeln und die mentale Bindung an sich und ihren Drachen aufbauen ...
Pablo de Santis: Die sechste Laterne
Magischer Realismus trifft Kafka: Silvio Balestri, ein aufstrebendes italienisches Architektengenie, kommt nach New York, um dort zu arbeiten. Sein Traum: Einen neuen Turm zu Babel bauen. "Zikurat", so der Name seines Projekts, wird jedoch auf immer ein Traum bleiben. Balestri versackt in der unteren Etage eines großen Architekturbüros, und erst nach Jahren verschafft er sich auf eigene Faust Zugang zur Chefetage. Erste Erfolge stellen sich ein, doch dann erhält er einen schier unlösbaren Auftrag: Er soll einen Verräter in den eigenen Reihen finden. Verwirrend nur, dass die Geheimorganisation "Die sechste Laterne" ihn auffordert, unbedingt einen falschen Schuldigen zu präsentieren. Denn ausgerechnet einer der drei Firmeninhaber ist Mitglied der Organisation und will den Verräter schützen. Und wieder platzt der Traum von "Zikkurat".
Nach "Die Übersetzung" und "Die Fakultät" ist dies mein dritter Roman von Pablo de Santis, und wieder bin ich in eine faszinierende, zauberhafte Welt eingetaucht. Architekturphilosophie und Sprachmagie verschmelzen hier zu einem kafkaesken, fantastischen Stück Literatur, das trotz des traurigen Endes einfach zum Augenschließen und Schweben einlädt.
Christine Runge: Liebe, Sehnsucht, Herzheimat
Gedichtband über Helgoland. Ich hatte beim Helgoland-Lesefestival die Gelegenheit, der Autorin bei ihrer Lesung vor dem Helgoländer Fahrstuhl zuhören zu dürfen. Verse über eine große Liebe und die leider immer wieder viel zu kurze Zeit auf der Insel. Verstehe ich sehr gut. Mit einigen Gastbeiträgen weiterer Helgoland-Verrückter.
Rudolf Simek: Die Schiffe der Wikinger (Reclam)
Schöne, hilfreiche, kurze Übersicht über die verschiedenen Schiffstypen und darüber, wie sie eingesetzt wurden. Ein Mitbringsel vom BuCon. Verständlich geschrieben und sehr kompetent. Werde ich sicher als Hintergrundmaterial für meine nächsten Romane gebrauchen können.
Bettina Ferbus: Spiegelzauber
Fantasy-Roman über eine junge Frau, die während einer Zaubershow auf die Bühne gebeten wird und dem Künstler assistieren soll. Doch dabei geschieht etwas, mit dem vermutlich nicht einmal der Zauberer gerechnet hat: Tanja verschwindet wirklich. Sie landet in einer fremden Welt. Im Körper einer zum Tode verurteilten Assassine. Ihr Leben wird nur dadurch gerettet, dass ein dortiger (echter) Magier sie als "Blutsklavin" benötigt und auf nicht ganz legalem Wege aus dem Kerker holt. Als unfreiwillige Blutspenderin soll sie ihm bei seinen Beschwörungen beistehen und ihm helfen, einen Dämon als Helfer zu gewinnen. Tanja und der Magier freunden sich an, und auch mit dem Dämon schließt sie eine Art Pakt. Es stellt sich heraus, dass in dieser fremden Welt offenbar einiges vor sich geht, das nicht im Sinne der Gesetze ist. Und Tanja kommt auf die Spur der echten Mörderin, in deren Körper sie gelandet ist und die nun in Tanjas Welt ihr Unwesen treibt.
Karla Schmidt: Lügenvögel
Ein Vogelei im Kopf ... So beschreibt es jedenfalls die Heldin von Karla Schmidts Novelle. Vielleicht Krebs, vielleicht eine Folge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Jedenfalls muss sie seitdem zwanghaft Worte niederschreiben, immer mehr, auf jeden Fetzen Papier. Alltagsbegegnungen und Kindheitserinnerungen. Die Geschichte einer Krankheit, die Geschichte eines verschwundenen Mädchens am Meer. Ein Urlaub mit Vater und Schwester und tausende wundersame Schmetterlinge. Traum und Realität verwischen sich immer mehr, und es ist unmöglich zu sagen, ob die Lügenvögel im Kopf nun die Wahrheit sagen oder nicht. Karla Schmidt schreibt diese surrealistisch-magische Novelle in einer so melodischen Sprache, dass man ihr unbesehen alles glauben möchte. Auch als die Heldin sich im drittenTeil zur Unternehmerin in einer postapokalyptischen Welt mausert und mit Schmetterlingsprodukten handelt.
Dagmar Börner-Klein: Gefährdete Braut und schöne Witwe. Hebräische Judit-Geschichten
Das Buch Judit ist wohl das biblische oder eben nicht biblische Buch mit der ungewöhnlichsten Überlieferungsgeschichte. Das fängt schon damit an, dass der Text in der hebräischen Bibel fehlt. In der Septuaginta, also der griechischen Fassung, ist die Judit-Geschichte erstmals vorhanden, und an einigen sprachlichen Eigenheiten kann man erkennen, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Hebräischen handelt. Das Original hat jedoch bislang niemand auffinden können. In der lateinischen Vulgata ist Judit ebenfalls vorhanden, und in der deutschen Übersetztung ... nun, für die Katholiken ist es ein biblisches Buch, aber in der evangelischen Bibel kommt es nicht vor. Schon seltsam.
Dagmar Börner-Klein hat in ihrem Buch nun die alten hebräischen Judit-Geschichten zusammengestellt. Es handelt sich um Texte, die deutlich jünger sind als die Septuaginta, ihr zum Teil ähneln, aber auch manchmal sehr stark von ihr abweichen. Manchmal ist Judit eine schöne Witwe, manchmal aber auch eine junge Braut, an der ein tyrannischer Herrscher vor der Hochzeit das Recht der ersten Nacht geltend machen will. Schließlich wird Judit sogar mit der Makkabäer-Tradition, dem Chanukkafest und der Legende um das heilige Öl, das den Leuchter acht Tage lang brennen ließ, obwohl es eigentlich nur für einen Tag gereicht hätte, verknüpft. Das Buch bietet die alten Texte in synoptischer Form dar, stellt hebräischen Text und Übersetzung nebeneinander und ordnet die Abschnitte der einzelnen Judit-Geschichten einander zu. Sehr spannend.
Michael Stoffers: Waldemar hat einen Traum
Helgoland aus der Sicht einer Möwe. Man erfährt viel über die Organisation der dortigen Möwenkolonie und die Arbeiten, denen diese Vögel nachgehen. Der Held Waldemar taugt leider wegen eines schwarzen Flecks am Schnabel nicht als Fotomodell und darf sich daher vor den Touristen nicht blicken lassen. Und wegen seiner Verstopfung kann er auch nicht beim Kack-Kommando arbeiten. Aber Waldemar hat einen Traum - und das ist bestimmt nicht die entwürdigende Arbeit bei der Essensausgabe. Und irgendwann ist er doch der beliebteste Filmstar unter den Möwen ... Sehr liebenswerte und humorvolle Geschichte, nicht nur für Helgoland-Besucher.
Horst Hoffmann: Raumpatrouille Orion - Die Jugendromane I: Operation Alpha Centauri / Planet der Rätsel
Zwei Jugendabenteuer der späteren Orion-Crew, als die Helden noch in der Ausbildung waren. Neuausgabe als edles Hardcover. Mit einem Vorwort von Horst Hoffmann und einem Nachwort von Michael Lange zum Hintergrund der Abenteuer. Ein bisschen Schulromantik und Frotzelei, die bald zum lebensgefährlichen Raumabenteuer wird. Ein erstes Kennenlernen, kleine Reibereien. Cliff McLane baggert Lydia van Dyke an, rebelliert gegen Hierarchien und dumme Vorschriften und versteht sich sehr gut mit Wamsler. Helga fehlt noch. Beide Abenteuer sind routiniert und gekonnt geschrieben. Etwas verwirrend ist, dass hier tatsächlich schon Außerirdische vorkommen. Deren Existenz wurde ja in der Serie, deren Vorgeschichte hier erzählt wird, bis zum Auftauchen der "Frogs" kategorisch ausgeschlossen. Und dass sich der als Raumkadett recht untalentierte Mitschüler Peter L. Prewster am Ende in Michael Spring-Brauner umbenennt, nun ja ...
November
Philip K. Dick: Blade Runner. Träumen Androiden von elektrischen Schafen?
Klassiker, der schon lange auf meiner To-do-Liste steht: Geschichte eines Androiden-Jägers, der entlaufene und in der Gesellschaft untergetauchte menschenähnliche Roboter aufspürt und liquidiert. Doch mit der neuesten Generation der künstlichen Menschen gibt es ein Problem. Sie sind einfach zu gut, und es scheint so, als ob hier auch der beste Empathietest versagt. Manche Menschen aus Fleisch und Blut sind in ihren Gefühlsreaktionen dumpfer als diese Androiden. Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine sind gar nicht so einfach zu erkennen. Sehr klar strukturierte Geschichte, flüssig, schnörkellos, zielstrebig und geradlinig, Auch eine hochintereessante Gesellschaft. Und dieses Streben danach, ein echtes lebendes Haustier zu bekommen, nicht etwa ein elektrisches Schaf, ist einfach herrlich. Hat mir gefallen.
Franz Rosenzweig: Der Stern der Erlösung
Franz Rosenzweigs religionsphilosophisches Hauptwerk, ein faszinierendes Buch, für dessen Lektüre man allerdings ausgesprochen wach sein muss: Rosenzweig verbindet gedankliche Präzision mit großer sprachlicher Kunst und sehr viel Bewusstsein für etymologische Reminiszenzen. Oft ist es nur ein einziger veränderter Buchstabe oder ein Bindestrich, das einen Wortsinn verändert oder um einen Hauch in die andere Richtung drückt. Eine Analyse des Wesens der Religion, beginnend mit einer Begründung, warum die Philosophie bei der Frage nach Gott notwendigerweise versagen muss, bis hin zu einer Untersuchung und zu einem Vergleich der christlichen und der jüdischen Religion. Manchmal ganz schön kompliziert. Ich habe vor Urzeiten die von meinem verehrten Hebräisch-Lehrer Reinhold Mayer herausgegebenen Gritli-Briefe Rosenzweigs gelesen, in denen viel zum Hintergrund des "Sterns" zu finden ist. Werde wohl beides nochmal lesen müssen.
Kim Scheider: Literatour-Führer Helgoland
Das Begleitbuch zum ersten Helgoländer Lese-Festival. Enthält einen kurzen Überblick über die bekannten Schriftsteller, die etwas über die Insel geschrieben haben, stellt die Teilnehmer des Festivals und ihre Werke vor, dann gibt es noch einen Lesungs-Terminkalender und - absolut lesenswert - die Beiträge zum dazugehörigen Schreibwettbewerb. Es sind sehr schöne Texte dabei, hat mir gefallen.
William M. Matson: Crazy Horse. Das Leben und Vermächtnis eines Lakota-Kriegers
Umfangreiche Darstellung des Lebens eines der bedeutendsten Lakota-Krieger. Das Besondere daran ist, dass hier offenbar erstmals die Familie von Crazy Horse aus ihren mündlichen Überlieferungen beigetragen hat. Dadurch wird das Buch sehr persönlich, wenn auch nicht allzu objektiv. An einigen Stellen merkt man deutlich, dass die Zerstrittenheit einiger Lakota-Familien noch heute eine große Rolle spielt. Der Groll gegen Red Cloud, der in seiner späten Zeit seinen Frieden mit den Weißen machte, kocht noch immer in diesem Buch und in dieser Familie. Sehr bedrückend. Ein Phänomen, das sich auch in der zuvor im gleichen Verlag erschienenen Biographie Sitting Bulls beobachten ließ. Auch im vorliegenden Buch wird ein breiter Raum verwandt, um die Geschichte der Familie nach dem Tod Crazy Horses und die Legitimation seiner Nachkommen anhand von Dokumenten und unter Eid gemachten Aussagen darzulegen. Das ist etwas, das die meisten Leser wohl nur überfliegen werden, für die Familie aber eine Sache von größter Wichtigkeit. Inhaltlich ein hochinteressantes, sehr spannend zu lesendes Buch und eine gute Ergänzung zu den vorhandenen, von Weißen verfassten Büchern. Lesenswert.
Elke Brachtendorf und Antonella Lendi: Meerjungkind
Ebenfalls ein Mitbringsel vom Helgoländer Lese-Festival, das ich bei einer Lesung der beiden Autorinnen erstand: Es ist ein Kinderbuch über ein Mädchen, das auf Helgoland in einer Fischkiste eine kleine Meerjungfrau - beziehungsweise: ein Meerjungkind - findet. Die beiden werden Freunde und unternehmen schließlich eine gemeinsame Reise nach Atlantis. Sowohl auf Helgoland als auch im Reich der Meermenschen gibt es ausgesprochen skurrile Wesen. Und dann wird es brandgefährlich.
Kristin Cashore: Die Königliche
Dritter Teil der Trilogie. Ich hatte seinerzeit "Die Beschenkte" mit Begeisterung gelesen, war schwer enttäuscht von der "Flammenden", der dritte Band ist wieder besser, aber nicht so gut wie Teil eins. Heldin des Buches ist Bitterblue, die Tochter von König Leck, die nach dem Tod ihres Vaters über das Land Monsea herrscht. Aber es reicht nicht, einfach nur den bösen König zu töten. Die Verletzungen, die Leck den Menschen in seinem Herrschaftsbereich zugefügt hat, sind so schwer und tief, dass niemand so einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Niemand will mit Bitterblue darüber reden, ein Mantel des Schweigens liegt über dieser Zeit. Doch nach und nach dringt einiges an die Oberfläche. Bitterblue herrscht über ein zutiefst traumatisiertes Volk. Und bei ihren Nachforschungen kann sie offenbar niemandem trauen.
Es gibt ein Wiedersehen mit Katsa und Bo, und auch Fire aus dem zweiten Teil taucht wieder auf. Wobei das Rätsel um Lecks Motivation und seine Herkunft nicht wirklich gelöst wird. Insgesamt muss festgehalten werden, dass die drei Bücher durchaus eigenständig sind, man hat es nicht mit dem zweiten oder dritten Aufguss der Beschenkten zu tun. Das ist für den Fan zwar traurig und etwas enttäuschend, ich möchte es aber dennoch lobend hervorheben. Die Autorin bietet jedesmal etwas Neues, ein neues Land, ein neues Problem, neue Gedanken. Aber wen Katsa und Bo im ersten Teil vom Hocker gerissen haben, der vermisst eben doch einiges.
Matthias Falke: Hinter feindlichen Linien (D9E)
Ein Wiedersehen mit Manuel, Nola und Guardes. Die drei wollen eigentlich nur ihre Ruhe genießen. Doch dann spürt sie die Den-Haag-Stiftung auf, und sie werden zwangsrekrutiert für den großen Krieg gegen die Hondh. Der Planet, zu dem sie beordert werden, ist allerdings verlassen und verwüstet. Doch dann entdecken die drei einen Hinweis auf die ursprüngliche Besatzung der Station. Spannend geschrieben.
Dirk van den Boom: Das Springledeck-Gambit (D9E)
Geschichte einer Verschwörung und eines geplanten Attentats auf eine Versammlung zahlreicher Staatschefs. Geplant ist ein Putsch, und ausgerechnet der nichts ahnende Thrax soll als neue Herrscherfigur inthronisiert werden. Nicht schlecht geschrieben, aber die Verschwörung kommt doch etwas simpel daher. Und offenbar scheint jeder Bescheid zu wissen, überall wird bereits im Vorfeld gemunkelt und geahnt, jeder hat irgendwelche Gerüchte gehört ... Nett die Rolle, die die mechanische Hoheit zu spielen gedenkt. Diese netten, durchgeschepperten Roboterkerle haben echt Musik unter ihrem Pony. Rührend das Ende des Piloten Carlisle, dafür gibt es einen Extrapunkt.
Holger M. Pohl: Mengerbeben (D9E)
Neues von der Truppe, die hinter den Linien der Hondh spionieren sollte. Neue Möglichkeiten und Verbündet werden gefunden. Ein Schlüssel scheint in manipuliertem MELK, einer Art Kunststoff, zu liegen. Gibt es die Chance, die Ausbreitung der Hondh zu stoppen, indem man den Mengerraum stört? Ein temporeiches Abenteuer, das zunächst durch die vielen Perspektivwechsel etwas anstrengend ist, aber schnell an Fahrt aufnimmt und den Leser packt.
Finstere Übernahme. Die Storys zum Marburg-Award
Die Beiträge zum Marburg-Award 2017 zusammengestellt zu einer lesenswerten Anthologie, illustriert und in limitierter Auflage. Viele gute und einige sehr gute Geschichten. Lesenswert.
Reimer Boy Eilers: Sprechen mit Seezungen
Gedichte aus 30 Jahren, der Autor erzählt von Kindheit und Jugend auf Helgoland, vom Leuchtturm seines Großvaters, aber auch aus dem Rest der Welt. Ein sehr schöner, klarer Stil und eine angenehme lyrische Stimme. Viel Meerluft. Mich haben vor allem seine Gedichte aus dem ehemaligen Jugoslawien beeindruckt. Und gerade in den späteren Gedichten findet man sehr klare Worte und Positionierungen gegen Ausländerfeindlichkeit und rechten Ungeist. Eine Sammlung, die mir gut gefallen hat.
Wolfgang Schadewaldt: Hellas und Hesperien I
Die Aufsätze Wolfgang Schadewaldts sind einfach etwas Besonderes. In der dicken, schweren zweibändigen Sammlung "Hellas und Hesperien" sind sie gesammelt. Im ersten Band findet man seine Beiträge zur antiken griechischen und römischen Literatur, 800 Seiten voller Juwelen, Band zwei enthält seine Betrachtungen über die Wirkung antiker Werke in der neuzeitlichen Literatur von Shakespeare bis zur Gegenwart. Die beiden gehaltvollen Bände sind nur noch antiquarisch zu erhalten und kosten eine Menge, aber ich hatte dieses Jahr einfach mal die Chance, mir etwas gönnen zu können, und als ich sie im Netz fand, griff ich zu. Eine Reihe der Aufsätze kannte ich natürlich schon, gerade die Beiträge über Aischylos, Homer und den Gott von Delphi, das war ein schönes Wiedersehen, natürlich auch der kanonische, aus der Tragödiendiskussion nicht mehr wegzudenkende Aufsatz über "Jammer und Schaudern".
Es gab aber auch eine Menge Neu-Entdeckungen, etwa in der neueren Komödie. Oder seine Entdeckung einer "experimentellen Philologie". Oder seine Würdigung Vergils, der bei mir zugegebenermaßen auch ein Schattendasein fristet. Und gerade in der römischen Literatur bin ich ja nicht so beschlagen. Teil zwei ist dann im nächsten Urlaub dran, wenn ich wieder den Kopf frei habe für eine neue Pilgerreise in Schadewaldts Welt.
Moses Mendelssohn: Ausgewählte Werke I: Schriften zur Metaphysik und Ästhetik
- Philosophische Gespräche
- Über die Empfindungen
- Pope ein Metaphysiker!
- Sendschreiben an Herrn Magister Lessing im Leipzig
- Gedanken von Wahrscheinlichkeit
- Betrachtungen über die Quellen und die Verbindungen der schönen Künste und Wissenschaften
- Betrachtungen über das Erhabene und das Naive in den schönen Wissenschaften
- Rhapsodie oder Zusätze zu den Briefen über die Empfindungen (Fassunen von 1761 und 1771)
- Abhandlung über die Evidenz in Metaphysischen Wissenschaften
- Thomas Abbt: Zweifel über die Bestimmung des Menschen / Moses Mendelssohn: Orakel, die Bestimmung des Menschen betreffend
- Phaedon oder über die Unsterblichkeit der Seele in drei Gesprächen
Die im Verlag Lambert Schneider erschienene zweibändige Studienausgabe im Schuber enthält ausgewählte Werke Mendelssohns in Orthografie und Interpunktion der Orignialausgaben. Vor jedem Text gibt es eine kurze Einführung, in der etwas zum Hintergrund des jeweiligen Textes, zu Thema und Inhalt, gegebenenfalls zum Anlass und zur Veröffentlichungsgeschichte gesagt wird. Auch das jeweilige Titelbild der Erstausgabe ist dem betreffenden Aufsatz vorangestellt. Beigefügt ist außerdem ein Personenregister. Teil I enthält Schriften zur Metaphysik und Ästhetik, Teil II Schriften zur Aufklärung und zum Judentum. Die Aufmachung ist, obwohl nur Paperback, sehr edel und ansprechend. Ich hätte mir noch einen Kommentarteil gewünscht, aber man kann nicht alles haben.
Im Urlaub las ich zunächst Teil I, der zweite Band ist fällig im nächsten Jahr. Einige der Texte kannte ich schon, vor allem die Philosophischen Gespräche und den Phaedon, der den Ruhm Mendelssohns als deutscher Sokrates mit begründete. Hochinteressant fand ich seine Auseinandersetzung mit David Hume. Diesen Aufsatz hätte ich damals im Studium gern zur Hand gehabt, als ich mich Anfang der 90er Jahre mit Humes Zweifel an der Erkennbarkeit von Kausalitäten und seiner Inthronisation der Gewohnheit herumschlug. Gefallen hat mir auch der zusammen mit Lessing verfasste Aufsatz über Pope, mit dem beide eine aus ihrer Sicht ziemlich dämliche Preisaufgabe der Berliner Akademie der Wissenschaften durch den Kakao zogen. Eine Ausgabe, in der es einiges zu entdecken gibt.
Armin Rösler: Die Nadir-Variante
Der schon sehr lange erwartete vierte Roman aus dem Argona-Universum. Erzählt wird die Geschichte des jungen Paz Nadir, der kurz nach Abschluss seiner Ausbildung in einer Raumschlacht um seinen Heimatplaneten beinahe ums Leben kommt, in einem eigentlich kaum flugfähigen Notbehelfsschiff entkommen kann und nun eigentlich zum Schlachtfeld zurück will. Er gerät jedoch in die Manöver eines Alienvolkes hinein, das sich für einen eigenartigen Baum interessiert. Seine Versuche, Hilfe für sein Volk zu finden, führen ihn schließlich mit der eigenwilligen Esre Sterndaal zusammen, der von Narben gezeichneten Tochter eines Herrschers, der ebenfalls auf der Spur der seltsamen Bäume ist. Mir hat das Wiedersehen mit dem Argona-Universum gut gefallen, das Warten hat sich gelohnt.
Dorthe Voss: Von Piraten und Meerjungfrauen
Geschichte über einen kleinen Jungen, der im Helgoland-Urlaub am Strand Kontakt mit den Meeresbewohnern bekommt. Die gefürchteten Geisterpiraten haben dem Meerkönig das Szepter gestohlen. Björn macht sich auf die abenteuerliche Reise, um es zurückzubringen. Ein Buch für sehr junge Leser, besser noch zum Vorlesen, reich bebildert.
Nadine Muriel und Stefan Cernohuby (Hrsg.): Das Dimensionstor
Geschichtenweber-Anthologie über eine Erfindung eines genialen Wissenschaftlers. Prof. Dr. Maximilian Groll hat es geschafft: Nach jahre- beziehungsweise jahrzentelanger Erfolglosigkeit, die ihn am Ende sogar seinen Platz am Institut kostetet, gelingt ihm endlich daheim in seinem privat eingerichteten Labor der Durchbruch. Er schafft es, ein Dimensionsportal zu öffnen. Begeistert schiebt er verschiedene Gegenstände durch die Öffnung, die nun in fremde Zeiten oder auch vollkommen andere Welten gelangen. Kopfschmerztabletten, ein Gebiss, ein Golfball ... Alles, was gerade zur Hand ist, wird durch die Öffnungen geschickt. Jeder der 18 Autoren hat seine je eigene Idee, was das Auftauchen eines solchen Gegenstandes im Mittelalter, auf fremden Planeten, in der zweiten Dimension oder auch während der Zombie-Apokalypse anrichten kann. Vieles ist einfach nur schräg, absurd und komisch, manches böse, vieles tödlich, der Schluss des Buchs ausgesprochen fies. Alles in allem eine hochinteressante und vielseitige Anthologie, die beim Lesen Spaß macht.
Steffen König: Die Dämonen vom Ullswater
Ein Roman, der sich wie eine klassische britische Horrorgeschichte liest - nur dass es nicht um Geister oder Ähnliches geht, sondern um Außerirdische. Ein junger Londoner Anwalt wird von einem alten Freund, den er lange Zeit nicht mehr gesehen hat, in dessen Landhaus eingeladen. Er und seine Frau beschließen, dort ihre Flitterwochen nachzuholen. Doch wenig später schickt der Freud ihm ein seltsames Kristallartefakt mit der Bitte, es von einem Fachmann analysieren zu lassen. Die Ergebnisse sind derart erschreckend, dass der Jurist beschließt, den Freund lieber ohne Begleitung seiner Frau zu besuchen. Er findet das Haus verlassen. Dann nimmt das Grauen seinen Lauf. Spannend und gut lesbar, vielleicht etwas vorhersehbar, aber ein sehr schönes, traditionelles Stück Horrorliteratur.
Homer: Ilias
Jedes Jahr im Urlaub ist auch die Wieder-Lektüre eines der großen alten Epen für mich angesagt. Diesmal habe ich also die Ilias mitgenommen, und zwar die zweisprachige Tusculum-Augabe, die ich mir im Jahr 1997 zulegte, als ich mir mal etwas Gutes gönnen wollte. Auf die Reclam-Fassung, die ich zehn Jahre zuvor gelesen hatte, will ich natürlich nichts kommen lassen. Es war ein schönes Wiedersehen mit meinen Helden Diomedes und Ajas, dem Telamoniden. Wurde echt mal wieder Zeit.
Martin Arnold: Thor. Von der Edda bis Marvel
Ich habe aus dem Verlag im vergangenen Jahr das Buch über Loki gelesen, das mich begeistert hat. Daher waren meine Erwartungen an das Thor-Buch sehr hoch. Allerdings: Das Buch ist nicht unbedingt der Hammer.
Es geht nur teilweise um eine Analyse der Thorsgestalt in der Edda und in der germanischen Mythologie, vor allem geht es um die Wirkungsgeschichte Thors nach der eddischen Zeit. Arnold arbeitet das Thor-Bild in den einzelnen skandinavischen Ländern, vor allem vor dem Hintergrund eines neu erwachenden Nationalgefühls, heraus. Er geht dann natürlich auf Wagner und den Kult germanischer Götter im nationalsozialistischen Deutschland ein und schildert die zum Teil haarsträubenden esoterischen Vorstellungen, die es damals gab, bis hin zu einer Art Yoga nach Runen. In Deutschland scheint Himmler mit seinen Versuchen, einen neuen Thorskult ins Leben zu rufen, bei den Nazi-Größen recht wenig Gehör gefunden zu haben. Seine Abhandlung schließt Arnold mit einer Schilderung des Marvel-Superhelden "Der mächtige Thor", mit dem die Geschichte des alten Donnergottes dem Verfasser zufolge nicht nur seinen Tief- sondern auch seinen Endpunkt erreicht hat.
Das ist zwar alles recht interessant, aber über weite Strecken bleibt seine Betrachtung der Neuzeit eine allgemeine Schilderung der Rolle, die die germanische Mythologie für die nationalen und nationalistischen Bewegungen der unterschiedlichen Länder gespielt hat. Sprich: Auf Thor konkret wird oft erst nach seitenweisen allgemeinen Darstellungen der politischen, sozialen und literarischen Rolle der eddischen Mythen eingegangen, oft dann nur noch mit einem kurzen Absatz. Die Betrachtung des Marvel-Thor schließlich ist in einer umfangreichen allgemeinen Betrachtung zum Superhelden-Comic untergebracht, fast hat der gute alte Superman mehr Anteil in diesem Kapitel als der Gott, über den ich eigentlich etwas wissen wollte. Auch sein Vergleich zwischen Edda- und Marvel-Thor ist recht oberflächlich. Er erwähnt die andere Haarfarbe, und den Umstand, dass bei Marvel ursprünglich Thors Ehefrau Sif gar nicht vorkam und der Ase eine Liebschaft mit einer Sterblichen hatte, außerdem werden der eher schlichte, bäuerliche Charakter des eddischen Thors und das mehr "heroische" Wesen des Marvel-Helden gegenübergestellt. Aber wieso sind dem Autor zum Beispiel die vollkommen anderen Familienverhältnise entgangen? Dass Thor und Loki beispielsweise in der Comicversion Brüder sind, die um die Gunst des Götterkönigs konkurrieren, hätte doch eher erwähnt werden müssen als das Fehlen Sifs. Dass Arnold Comics nicht liebt und sie für pfuibäh hält, nun gut, es gab solche Meinungen in den 70ern und 80ern noch bei älteren Leuten, aber ein wenig mehr Offenheit für die Ästhetik einer etablierten Kunstform hätte man im 21. Jahrhundert schon erwarten können. Das Ganze nur auf Pop-Ikone und Konsumgesellschaft reduzieren zu wollen, ist doch etwas oberflächlich. Und einen "Endpunkt" zu diagnostizieren? Das ist nicht wissenschaftlich, sondern Kaffeesatzleserei. Auch hätte ich anlässlich der Diskussion um Thor in der Comicwelt zumindest eine Bemerkung über den Thor der dänischen "Walhalla"-Serie erwartet.
Nun gut. Bleibt als positiv festzuhalten, dass das Buch eine gute Übersicht über das Entstehen und Erstarken eines nationalen Selbstbewusstseins und die Rolle der Mythologie dabei sehr deutlich herausarbeitet. Auch die Schilderung der unterschiedlichen Wege, die die Länder genommen haben, ist gelungen und überzeugend. Nur ist das keine Untersuchung über Thor, sondern eine Abhandlung über die Rolle der Edda und der germanischen Mythologie für die nationalen Bewegungen in diversen europäischen Ländern. Fazit: Ein Buch, aus dem ich durchaus eine Menge gelernt habe. Nur nicht so viel über Thor.
Dezember
Miriam Rademacher: Talisman II
Christine Fehér: Weil ich so bin
Ist er eigentlich Jonas oder ist sie doch eher Joana? Als die Eltern sich nach der Geburt fragen, ob sie nun eigentlich einen Jungen oder ein Mädchen bekommen haben, sagt der Arzt etwas von "Pais-Syndrom". Jonas ist ein Zwitter, wächst auf mit weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmalen, er ist beides und irgendwo dazwischen ... In der Pubertät sieht er wie ein Junge aus, aber machmal hat er das Bedürfnis, geschminkt zum Unterricht zu gehen, Ohrringe oder einen Rock zu tragen. Ein "Problembuch", eine klassische Schullektüre, vielleicht, aber ganz und gar nicht pädagogisch und mit erhobenem Zeigefinger. Es geht nicht um leidende Minderheiten und deren Schutz. Jonas ist recht selbstbewusst dabei, geht mit seinem Anderssein sehr bewusst um, und sein Umfeld steht zu ihm. Sein Vater und dessen Lebensgefährtin sind liebevolle und unterstützende, aber nicht überbetreuende Eltern. Die meisten Klassenkameraden kommen prima mit ihm klar, die Mädchen mögen "ihn", und auch die Jungen können mit seinem Anderssein umgehen - abgesehen von Marco, der unbedingt als harter Kerl dastehen möchte und Jonas als Schwuchtel verspottet. Aber Jonas geht seinen Weg mit wohltuender Selbstverständlichkeit, und er findet sogar seine große Liebe ...
Helmut Höfling: Petras Abenteuer mit Hunden
Kinderbuch aus den 80ern, das mir eine Freundin zu Weihnachten geschenkt hat. Eine Petra, die Hunde liebt, da war wohl klar, wer das lesen musste. Es ist bereits der zweite Teil von Petras Hundegeschichten, im ersten Teil hatte die kynophobe Katzenfreundin gelernt, Hunde zu lieben. Nun ist sie als Boxersitterin unterwegs, als sie zufüllig in einen Banküberfall hineingerät - und das kluge Tier ist der Held des Tages, weil es die Täter aufspürt. Schließlich kann Petra endlich einen eigenen Hund bekommen, als sie das Vertrauen eines streunenden Hundes gewinnt, dessen Besitzer verstorben ist. Dann wird noch die Geschichte eines Feuerwerhundes erzählt, der bei einer Übeschwemmung ein Baby aus den Fluten rettet. Hunde sind schon was Feines ...
Weitere Jahresrückblicke:
Teil I: Januar bis März 2017
Teil II: April bis Juni 2017
Teil III: Juli bis September 2017
© Petra Hartmann
Danke fürs Nadir-Feedback - das freut mich sehr.