Jahresrückblick III: Juli bis September 2018
Jahresrückblick
Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.
Juli
Maggie Stiefvater: Rot wie das Meer
Ein etwas anderes Mädchen-und-Pferde-Buch. Den Roman hat mir eine Freundin in einer Diskussion auf Facebook empfohlen, als ich mich outete und erzählte, dass ich in der Grundschule mal einen Ponyroman geschrieben habe. Naja, den Anfang davon.
Es geht um Capaill Uisce, gefährliche und blutgierige Pferde, die im Herbst vor der Insel Thisby aus dem Meer steigen. Die Tiere sind inspiriert von der keltischen Sagenwelt, ein wenig den Kelpies ähnlich, aber sehr eigen. Stolz, schön und wild wie das Meer und todgefährlich. Jedes Jahr gibt es ein großes Wettrennen auf diesen Meerespferden, und dem Gewinner winken Ruhm, Ehre und ein stolzer Geldpreis. Doch in diesem Jahr gibt es einen Skandal: Die junge Frau Puck will teilnehmen. Und als ob es noch nicht schlimm genug wäre, dass es hier eine Frau wagt, in die Männerdomäne einzudringen, Puck setzt noch einen drauf: Sie besitzt kein Meerpferd. Sie will mit ihrer braven, schon etwas betagten Stute antreten. Dass sie das Tier verlieren oder selbst dabei sterben kann, ist Puck klar. Doch um ihr überschuldetes Elternhaus zu retten und ihre beiden Brüder zu ernähren, bleibt kein Ausweg. Aber da ist auch noch Sean, der sich auf die Capaill Uisce versteht wie kein zweiter. Dieser Meerpferdeflüsterer, der schon oft gewonnen hat und auch jetzt haushoher Favorit ist, spielt um einen hohen Preis an diesem Tag: Gewinnt er, darf er seinen geliebten roten Hengst Corr, beinahe die andere Hälfte seiner Seele, endlich selbst besitzen. Verliert er, verliert er auch seine Freiheit für immer und bleibt als Knecht auf dem Hof von Corrs Besitzer. Und zwischen Sean und Puck knistert es, beide kommen sich näher, als es für Konkurrenten in dem tödlichen Rennen üblich ist ...
Ein wahnsinnig tolles, erfrischend anderes und erfrischend blutiges Pferdebuch. Ich habe es verschlungen und war begeistert. Ganz sicher kein Ponyroman. Tausendmal besser.
Shmuel Feiner: Haskala - Jüdische Aufklärung. Geschichte einer kulturellen Revolution
Ich habe bereits einige Bücher über die Haskala, die jüdische Aufklärung im 18. und frühen 19. Jahrhundert gelesen. Aber dieses hier ist etwas ganz Besonderes. Shmuel Feiner hat nämlich nicht nur sehr viel Ahnung von seinem Stoff, sondern er bringt ihn auch so rüber, dass etwas hängen bleibt. Ich weiß nicht, ob das despektierlich ist, wenn man von einem Wissenschaftler sagt, dass er auch ein guter Erzähler sei. Aber es muss wirklich einmal gesagt werden: Er hat einen guten, flüssigen Stil und schafft es, die Bewegung der Haskala langsam vor den Augen der Leser entstehen und sich entwickeln zu lassen.
Ausführlich wird die Geschichte der "Wessely-Affäre" aufbereitet, als Naphtali Herz Wessely in seiner Schrift "Worte des Friedens und der Wahrheit" für jüdische Bildung - säculare Bildung jenseits der religiösen Unterweisung - eingetreten war. Man verfolgt die Gründung der jüdischen Freischule, der Gesellschaft der hebräischen Literaturfreunde und der Zeitschrift ha-me'asef.
Eine Besonderheit des Buches ist, dass der Verfasser Moses Mendelssohn weitgehend ausklammert. Der große "jüdische Sokrates" kommt zwar vor, hat auch mit seiner Jerusalem-Schrift und seiner Tora-Übersetzung den ihm zukommenden Raum, wird auch als großes Vorbild und Mentor der jüdischen Aufklärer gewürdigt. Aber Feiner betont auch, dass Mendelssohn größtenteils der deutschen/christlichen Aufklärung angehörte. Ein Philosoph, der mit Kant und Lessing auf Augenhöhe ästhetische oder erkenntnistheoretische Fragen erörterte, spielte in einer ganz anderen Liga als die jüdischen Maskilim, deren erstes Anliegen überhaupt erstmal war, Bildungschancen zu erlangen und sich selbst Strukturen zu schaffen. Feiner hat das recht schlüssig begründet. Dass er von Mendelsohn durchaus auch viel versteht, kann man in seiner Mendelssohn-Biografie nachlesen, die hier zur ergänzenden Lektüre unbedingt empfohlen sein soll.
Dadurch, dass der große Mendelssohn recht knapp behandelt wird, schafft der Autor jedenfalls eine Menge Raum für andere jüdische Aufklärer. Neben Wessely sind dies vor allem Isaak Euchel und Isaak Satanow, die diesen Raum auch auf jeden Fall verdient haben.
Es gibt eine Menge Abhandlungen über Philosophenschulen und -gruppen, bei denen man zwar einen ganzen Bienenkorb an Namen und Lehren an den Kopf geworfen bekommt - mir ist es oft in Büchern über die Vorsokratiker oder die Sophisten so gegangen - aber am Ende dann doch nicht mehr genau sagen kann, wer denn nun wer war und wer was gelehrt und entdeckt hat. Dieses Buch dagegen ist pädagogisch sehr nachhaltig. Es bleibt eine Menge im Gedächtnis haften, und man hat keine Probleme, die einzelnen Beteiligten zu unterscheiden und wiederzuerkennen. Noch einmal: Diese Buch ist nicht nur klug, sondern auch sehr gut erzählt.
Peter Raffalt: Der gestiefelte Kater
August
Jutta Schubert: Zu blau der Himmel im Februar
Roman über Alexander Schmorell, Mitglied der Weißen Rose, und seine erfolglose Flucht vor den Nazis. Die Handlung setzt ein, kurz nachdem die Geschwister Scholl beim Verteilen des letzten Flugblatts entdeckt und festgenommen worden waren. Ein kalter Februartag im Jahr 1943, Schmorell versucht, mit dem Zug von München in die Schweiz zu gelangen. Es hätte klappen können. Es hätte alles wie geplant laufen können mit der Flucht. Bis Klais, zwischen Garmisch und Insbruck, konnte er gelangen, kam bei einem russischen Beklannten unter. Doch er muss weiter. Und dann verpatzt es eine Freundin, die ihm Papiere und Geld nachbringen soll. Sie verpasst den Zug. Alexander Schmorell hat keine Möglichkeit mehr, irgendwo unterzukommen. Mit dem letzten Zug kehrt er zurück nach München. Und wird entdeckt.
Eine beklemmende Geschichte, zumal man als Leser ja von Anfang an weiß, wie es ausgeht. Am 13. Juli 1943 wurde er hingerichtet. Gutes Buch über eine schlechte Zeit.
Uwe Grießmann: Sagenhaftes Hildesheim
Uwe ist ein Kollege aus den Reihen der Hildesheimlichen Autoren und hat sich, wie ich, einmal mit der reichen Sagenwelt der Stadt auseinandergesetzt. Herausgekommen ist ein Taschenbuch mit elf Nacherzählungen alter Geschichten aus der Domstadt. Es gibt eine Erzählung über den Hildesheimer Silberfund, der ja mit der Varusschlacht in Verbindung gebracht wird, eine eigene Version des Rosenstock-Wunders und natürlich eine Geschichte über den Huckup.
Dabei fällt auf, dass Grießmann das Sagenhafte und Übernatürliche konsequent aus seinen Geschichten heraushält. Alles geht hier ganz natürlich, also im Einklang mit den Naturgesetzen, vor sich. So erklärt er die Behauptung, die Dame Hildesia hätte bei der Belagerung Hildesheims im Dreißigjährigen Krieg Tillys Kanonenkugeln "mit ihrer Schürze eingefangen" und so die Stadt gerettet, ganz un-wunderhaft: Hildesia hätte einfach die Waffen einer Frau eingesetzt und sei erfolgreich gewesen, wo Männer versagten: Sie ging hinaus zum gegnerischen Feldherrn und redete vernünftig mit ihm, machte ihn auf den desolaten Zustand seiner Truppe aufmerksam und schaffte es schließlich, ihn zum Abzug zu bewegen. Hier hatte sich dann tatsächlich die Schürze einer Frau als mächtiger erwiesen als Kanonenkugeln.
Meine Lieblingsgeschichte ist die Story vom "Sünte Viet", vom Heiligen Veit, in der ein missratener und versoffener Sohn von seinem frommen Vater eine hölzerne Statue ebenjenes Heiligen erbt. Erbost, weil er natürlich viel lieber Geld zum Versaufen bekommen hätte, will er aus dem Heiligen Kleinholz für den Ofen machen. Doch eine fromme, bettelarme Nachbarin erbarmt sich des Heiligen und kauft ihm die Statue für ihre letzten vier Groschen ab. Ein Kauf, den sie nicht bereuen wird, denn in der Heiligenstatue hatte der Verstorbene sein gesamtes Gekd versteckt.
Insgesamt eine sehr schöne Sammlung, die auch dadurch interessant ist, dass der Autor seinen Nacherzählungen die Originalversionen an die Seite stellt. Der Leser kann also bei Interesse nachlesen, wie es "wirklich" war. Sowohl für Alteingesessene als auch für Neubürger und Hildesheim-Touristen ein lesenswerter Streifzug durch die Sagenwelt der Domstadt, und ein nettes Geschenk ist es zudem.
Ovid: Remedia amoris - Heilmittel gegen die Liebe lat./dt. (Reclam)
Dritter Teil der Liebes-Tipps von Ovid. Die beiden anderen Bücher hatte ich im vergangenen Jahr gelesen. Sehr hübsch, wenn auch vielleicht nicht alles praktikabel erscheint. Der Dichter rät dem Leser unter anderem, schon zu Beginn einer Beziehung aufzupassen, dass man sich nicht allzu sehr verliebt. So wird einem Mann geraten, kurz bevor er zu dem Mädchen, das er liebt, ins Bett steigt, mit einer anderen, ihm gleichgültigeren, Frau zu kopulieren, damit es zwischen ihm und der Geliebten nicht mehr zum Höhepunkt kommen kann. Oder man solle sich bewusst auf die Körperteile des oder der Geliebten konzentrieren, die etwas weniger schön sind, um nicht vollkommen der Liebe zu verfallen. Das alles mit einem Augenzwinkern. Naja, wenn ich mir mal unbedingt die Liebe meines Lebens aus dem Herzen reißen muss, schlage ich es nochmal auf. Im Ernst: Ein sehr liebes Buch, lesenswert.
September
Christoph Marzi: Phantasma
Ich liebe ja die kleinen Novellenbücher aus dem UlrichBurger-Verlag. Dieses hier handelt von einem Showstar, der für den ganz großen Erfolg seine Seele verkauft hat. Jedenfalls erinnert die Geschichte von Phantasma, dem das Publikum zu Füßen liegt stark an einen faustischen Teufelspakt. Phantasma erringt alles auf der Bühne - aber er darf nicht lieben. Wann immer eine Frau sein Herz gewinnt, passiert eine Katastrophe, und die Geliebte des Künstlers kommt auf tragische Weise ums Leben. Endlich, nach langer Bühnenabstinenz, entschließt sich Phantasma zur Generalbeichte in einer großen Talkshow ...
Die Geschichte ist nicht neu, aber gut erzählt, schön komponiert und hat einen konsequenten, zielstrebigen Handlungsbogen. Etwas nervig ist, dass das Publikum den Namen des Künstlers immer wieder anbetungsvoll-atemlos als
"Phan-
tas-
ma!"
jauchzt. Und das manchmal mehrfach pro Seite. Ja, man kann sich den Tonfall dadurch als Leser sehr gut vorstellen, und es bringt auch eine gewisse leitmotivische Melodik in den Text. Aber es beschleicht einen doch das Gefühl, dass hier - vielleicht aus drucktechnischen Gründen? - Zeilen geschunden werden mussten. Das Büchlein ist mit seinen 70 Seiten arg dünn, und ohne das ständige
"Phan-
tas-
ma!"
wäre es wohl noch um zehn Seiten dünner gewesen. Aber ich will nicht meckern. Passt schon. Und gut erzählt ist es wirklich.
Andrea Tillmanns: Julia Jäger und die Legende des Lichts
Kaukasische Märchen und Sagen
Schöne Märchensammlung aus dem Verlag Saphir im Stahl, zusammengetragen aus drei inzwischen gemeinfreien Büchern. Interessanterweise habe ich keine großartigen Überschneidungen mit der Sammlung von Adolf Dirr festgestellt, die ich vor einiger Zeit als eBook gelesen habe. Man trifft Wesen wie den Wortzer und den Woijuk, begegnet dem verschmitzten Puschkin und erfährt mehr über den Halohn, liest von Werwölfen, Zauberrossen und Goldeseln. Mir haben besonders die Puschkin-Geschichten gefallen (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Schriftsteller). Vermisst habe ich die Narten. Und in meiner Ausgabe fehlt leider der Schluss des Märchens von Prinz Kurzbein und Prinzessin Zobel. Oder sollte das tatsächlich ein Ende sein? Es bricht jedenfalls ziemlich unvermittelt ab ...
Die Welten von Thorgal: Kriss de Valnor VII: Der Berg der Zeit
Cecil Scott Forrester: Die African Queen
Abenteuerroman von Hornblower-Erfinder C.S. Forrester. Ein Schnäppchen vom Bibliotheksflohmarkt in Gardelegen. Geschichte einer Missionarin und eines Schiffers, die mit einem Flusskahn durch Afrika fahren und ein deutsches Kriegsschiff versenken wollen.
1914, der Erste Weltkrieg tobt auch in Afrika, und gerade haben deutsche Soldaten eine abgelegene Missionsstation am Fluss Ulanga überfallen, geplündert und den Missionar getötete. Rose Sayer, seine Schwester, ist allein, als Skipper Charlie Allnutt mit seiner Barkasse den Fluss Ulanga entlanggeschippert kommt. An Bord hat er unter anderem Sprengstoff. Und Rose fasst den kühnen Gedanken, in den Krieg einzugreifen und ihren Bruder zu rächen. Durch Urwald, Sümpfe und Stromschnellen quält sich der Kahn, der den stolzen Namen "African Queen" trägt, vorwärts bis hin zu jenem See, auf dem ein schier unbesiegbares deutsches Kriegsschiff kreuzt ...
Ich kannte bisher nur den Film. Das Buch ist spannend und lohnt sich zu lesen. Außer der äußeren Spannung hat mir aber vor allem die Personenzeichnung und das zwischenmenschliche Knistern an Bord gefallen. Einen Roman zu schreiben, in dem es nur zwei handelnde Personen gibt, ist schon eine große Kunst.
Baroness Orczy: Die Frau des Lords
"Scarlet Pimpernell", die Geschichte des britischen Helden, der unter Einsatz seines Lebens französische Adlige vor der Guillotine rettet und nach England schmuggelt, war ein Bestseller. Und so verfasste die Baroness Orczy mehrere weitere Romane über Sir Percy und seine Getreuen.
"Die Frau des Lords" handelt von der jungen Französin Yvonne, die zusammen mit ihrem Vater, einem Herzog, vor der Revolution geflohen ist und im sicheren England weilt, während in Frankreich die Guillotine und der Terreur herrschen. Ihr Vater würde sie gern mit einem wohlhabenden Franzosen Martin-Roget verheiraten, der ihm zusagt, dafür viel Geld für die Bekämpfung der Revolution zur Verfügung zu stellen. Aber Yvonne hat sich längst in den englischen Lord Anthony verliebt. Gegen den erklärten Willen ihres Vaters heiratet sie ihn heimlich und zieht zu ihm auf sein Schloss. Doch Martin-Roget gibt nicht auf. Zusammen mit ihrem Vater schmiedet er einen Plan, um Yvonne zu entführen. Deren Ehe mit dem Lord sei sowieso nach französischem Recht ungültig, macht er dem Vater klar. Gemeinsam schaffen sie es, Yvonne auf ein Schiff zu bringen.
Was der Herzog allerdings nicht geahnt hat: Martin-Roget ist eigentlich ein Hochstapler und steht im Dienst der Revolution. Das Schiff, das sie angeblich nach Holland bringen sollte, fährt nach Frankreich, wo auf den Herzog die Hinrichtung wartet. Was Martin-Roget nicht ahnt: Lord Anthony ist ein Freund von Scarlet Pimpernell. Sir Percy und seine Getreuen machen sich auf, um Yvonne und ihren Vater zu retten ...
Klassischer Abenteuerroman mit Entführungen, Kutschfahrten durch die finstere Nacht, grausamen Bösewichten, edlen Helden und natürlich einem Happy End. Nicht die ganz große Literatur, aber gut für ein paar spannende Lesesstunden.
Karl Gutzkow: Börnes Leben (e)
Als Ludwig Börne im Jahr 1837 starb, erschien kurz darauf Heinrich Heines Buch "Heinrich Heine über Ludwig Börne", in dem Heine äußerst abschätzig über den verstorbenen ehemaligen Bundesgenossen und späteren Rivalen und Gegner schrieb. Eine Abrechnung mit einem Menschen, der sich nicht mehr wehren konnte. Und ein noch größerer Literaturakandal als seinerzeit die literarische Fehde zwischen Heine und Platen. Als skandalös wurde schon der Titel empfunden, in dem sich Heine "über" Börne gestellt habe. Auch wenn Heine später betonte, der Titel sei von seinem Verleger ohne Rücksprache festgelegt worden, er selbst habe das Buch "Ludwig Börne. Eine Denkschrift" nennen wollen. Jedenfalls ein trauriges Beispiel dafür, wie sich die beiden profiliertesten Vertreter der jungen, freiheitlichen Literatur gegenseitig zerfleischten.
Karl Gutzkow war zu dieser Zeit der vermutlich drittberühmteste im Bunde. Seine Börne-Biographie entstand zeitgleich mit Heines Buch, kam aber etwas später in den Druck, und so hatte Gutzkow Gelegenheit, im Vorwort noch ausgiebig Stellung gegen Heine und dessen Verunglimpfung des verehrten Börne zu beziehen.
Für Gutzkow war es sicher auch ein Prestigeprojekt und ein Karrieresprungbrett, hier die "offizielle" Biographie schreiben zu dürfen. Und ein wenig Eitelkeit, die dem Manne ja durchaus zu eigen war, blitzt immer wieder zwischen den Zeilen auf. Aber auch die ungeheuer große Liebe und Verehrung, die Gutzkow dem Verstornenen entgegenbrachte, denn Börne war das Idol einer ganzen Schriftstellergeneration.
Was mir im Vorfeld gar nicht so bewusst war, war der Umstand, dass Gutzkow und Börne sich gar nicht persönlich gekannt hatten und dass Gutzkow ausschließlich aus Börnes eigenen Werken, aus Sekundärliteratur und aus vielen Gesprächen mit Börnes Freunden und Bekannten schöpfen konnte. Immerhin gehörte Börne zu den eingeladenen Autoren der Deutschen Revue, Gutzkows und Wienbargs Zeitschriftenprojekt. Und es muss Gutzkow auch ziemlich gewurmt haben, dass es nicht mehr zu einer persönlichen Begegnung gekommen ist. So lässt er sich endlos lange darüber aus, wie sehr selbst Leute, die Börne oft begegnet sind und ihm nahe standen, diesen Mann "verkannt" haben, dass also persönliche Bekanntschaft keine Garantie für Einsichten in Börnes Wesen und Charakter sei.
Insgesamt also eine sehr persönliche, von Verehrung und Liebe befeuerte Darstellung. Etwas altertümlich vielleicht, aber nicht schlecht. Auch wenn ich euch für den Einstieg eher eine modernere Börne-Biographie empfehlen würde.
© Petra Hartmann
Jahresrückblick I: Januar bis März 2018
Jahresrückblick II: April bis Juni 2018
Jahresrückblick Teil IV: Oktober bis Dezember 2018