Die Welten von Thorgal: Kriss de Valnor 8 - Der Herr der Gerechtigkeit
Xavier Dorison Mathieu Mariole Gaétan Vignaux Comics Thorgal
Mit dem achten Band, "Der Herr der Gerechtigkeit", endet die Spin-off-Serie um Kriss de Valnor aus den "Welten von Thorgal". Man möchte sagen: Gott sei Dank. Denn diese "Welten"-Bände um die ruchlose Diebin und gleichwohl heldenhafte Idealsucherin sind, nach einem furiosen Auftakt, zum Ende hin immer schwächer geworden. Dass jetzt alles einfach so in sich zusammenfällt und Kriss und Jolan einfach nur nach Hause gehen, ist nur konsequent.
Wie bereits in den vorhergehenden Bänden teilt sich die Titelheldin die Hauptrolle mit Thorgals Sohn Jolan, diesmal sogar ziemlich genau zu gleichen Teilen. Bis zur Mitte des Bandes wird die Jolan-Handlung zu Ende erzählt, ab da bis zur letzten Seite die Kriss-Handlung. Beide Stränge berühren einander nicht. Beide enden damit, dass die jeweilige Hauptfigur in Thorgals Dorf zurückkehrt. Es ist also gewissermaßen die Vorgeschichte der großen Familien-Wiedervereinigung im Band "Aniel" der Hauptserie, die ja ähnlich endete: eben mit der Heimkehr Thorgals. Jolans und Kriss' Geschichte, die sich im vorletzten Band, "Die Insel der verlorenen Kinder", getrennt hatten, enden also nun separat, aber beide an der gleichen Stelle.
Kampf auf Leben und Tod
Jolan hatten wir im vorigen Band mit einem - wortwörtlich zu verstehenden - Kliffhanger verlassen. Vom "Herrn der Gerechtigkeit" gemeinsam mit seinem größten Gegner Magnus in eine Arena nach Art der "Hungerspiele" versetzt, sollen die beiden Herrscher nun in einem Kampf auf Leben und Tod klären, wer von beiden die Herrschaft über das Nordland erhalten soll. Jolan und Magnus kämpfen, wobei Jolan als wahrer Sohn Thorgals auch dessen Humanitätsideal vertritt. Mehrfach hat er die Chance, Magnus zu töten, scheut aber immer wieder davor zurück. Magnus kennt diese Schwäche nicht und greift immer wieder an, wenn Jolan ihm Friedensangebote macht. Schließlich raufen sich die beiden aber doch zusammen und vereinigen ihre Kräfte im Kampf gegen den selbsternannten "Herrn der Gerechtigkeit".
Thorgals Ideale siegen
Dass in dem Kampf am Ende Jolans und Thorgals Ideale siegen werden, war klar, das gehört zur inneren Logik dieser Serie genau wie zum Hollywoodkino. Aber was um alles in der Welt hat die Autoren bloß geritten, als sie den Herrn der Gerechtigkeit zu einem schwächlichen Idioten machten, der zufällig Technologie des Volkes der Sterne gefunden hat und sich jetzt als Supermensch mit dem protzigen Titel aufspielt? Und was genau ist eigentlich seine Motivation? Welchen Sinn und Zweck soll das Arenaspiel überhaupt haben? Ein derart schlichter, dümmlicher Typ passt nicht zu dem Psycho, der so etwas eigentlich ausgedacht haben müsste. Eher hätte man von diesem Menschen erwartet, dass er die Macht des Sternvolkes nutzt, um sich selbst auf den Thron zu schwingen und den Rest seines Lebens mit Saufen, Fressen und anderen Annehmlichkeiten verbringt. Sei's drum. Jolan tut das, was Kriss schon zwei Alben vorher getan hat: Er entsagt, verzichtet auf die Herrschaft und geht zu seiner Familie.
Auf der Suche nach dem entführten Sohn
Die Kriss-Handlung schließt sich nahtlos an die in "Der Berg der Zeit" begonnene Geschichte an: Kriss de Valnor bewegt sich weiter durch parallele Realitäten und muss andere Versionen ihrer selbst töten, um irgendwann zu ihrem entführten Sohn Aniel zu gelangen. Hier begegnet dem Leser dann auch die einzige wirkliche Überraschung in dem Buch und ein echter Höhepunkt: Kriss erkennt, dass die letzte alternative Kriss-Version ein wesentlich besserer Mensch ist als sie selbst und obendrein auch noch bereit ist, für Aniels Wohl zu sterben. Kriss bricht die Spielregeln. Diese Frau, die ihr gegenüber kniet und sich für Aniel opfern will, ist in ihren Augen die eindeutig bessere Mutter für ihren Sohn, eine Mutter, die die Original-Kriss nie war. Feige war sie nie, die Kriegerin. Hatte nie Angst vor dem Tod. Und so sticht sie sich selbst das Messer in die Brust, um "Kriss B" ihre Stelle zu überlassen. So kann sich die Alternativ-Kriss der letzten großen Herausforderung stellen - die die Original-Kriss vermutlich nicht hätte meistern können. Und dann ... geht es eben nach Hause.
Was hat Kriss de Valnor bewegt?
Tja, schade. Die Serie war mit den ersten beiden Bänden "Ich vergesse nichts" und "Das Urteil der Walküren" kraftvoll und granatenmäßig gestartet, hatte in der Mitte noch ein paar schöne Überraschungen, vor allem durch die eiskalten, berechnenden, kühnen und unvorhersehbaren Schachzüge der Heldin im Spiel um die Macht. Aber in den letzten drei Alben war dann doch irgendwann die Luft raus. Was hat es denn nun gebracht?, möchte man fragen. Die Strapazen am Berg der Zeit - wozu waren sie gut, was hat Kriss beschickt? Hätte sie nicht wenigstens im Thorgal-Band "Aniel" nach bestandener letzter Prüfung vor Thorgal in der Myrmenschlacht vom Himmel fallen können und dem Sternensohn den Hintern retten? Verpasst. So enden existentialistische Romane und französische Intellektuellenfilme aus den 70ern. Aber doch keine Wikinger-Comics.
Fazit: Lieblos, lustlos, kraftlos. Schade
Die Welten von Thorgal: Kriss de Valnor 8 - Der Herr der Gerechtigkeit. Text: Xavier Dorison, Mathieu Mariole. Zeichnungen: Gaétan Vignaux. Bielefeld: Splitter, 2019. 48 S., Euro 15.
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© Petra Hartmann