Walhalla: Die gesammelte Saga 2
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Der zweite Band der Walhalla-Gesamtausgabe kommt ähnlich opulent und werthaltig daher wie der Vorgänger. Erneut werden dem Leser drei Alben der dänischen Comic-Serie in einem großformatigen Hardcover-Band präsentiert, und es gibt erneut reichhaltige Beigaben, die etwa ein Drittel des Umfangs ausmachen.
Enthalten sind die Abenteuer "Quark trumpft auf", "Im Land der Riesen" und "Die goldenen Äpfel". Wobei die Geschichte um den kleinen Riesen Quark frei erfunden ist, aber sehr geschickt zum Aufhänger und Dreh- und Angelpunkt der Fahrt Thors und Lokis ins Land der Riesen ausgestaltet wurde. Der kleine Unruhestifter wurde so passgenau in die mythologische Welt integriert, dass man sich beinahe fragen muss, wie die alten Germanen eigentlich ohne ihn ihre Geschichten erzählen konnten.
Quark: Ein nerviger Riese mit brillanter Knotentechnik
Quark hatte bereits im Abenteuer "Thors Brautfahrt" in Band zwei der Saga seinen ersten Auftritt. Damals war er nur ein kleiner Nervtöter, der in der Küche von Thrym für noch mehr Unordnung als sonst sorgte. Nun gerät der Unhold nach einem Saufgelage am Hof Utgardlokis unter die Vormundschaft Lokis. Loki war, bei einem Besuch im Riesenland, im Suff eine folgenschwere Wette eingegangen: Ihm rutschte die Behauptung heraus, er könne dem ungezogenen und respektlosen Bengel Manieren beibringen. Als er am nächsten Morgen mit einem gewaltigen Kater und einem eberzahnigen Riesenbengel in Richtung Asgard aufbricht, nimmt das Unheil seinen Lauf. Quark ist laut, verfressen, anarchisch, macht Musik und hat eine unschlagbare Technik, alle Schnüre und Tücher, die er bekommen kann, zu unlösbaren Knoten zu verschlingen - einschließlich der Schnürsenkel der Götter. Keine Diskussion nötig: Der Riese muss weg. Auch wenn Röskva, die ja schon den Fenriswolf ins Herz geschlossen hat, noch so sehr für ihn bittet und seine gute Seite sieht: Der wütende Thor spannt seine Böcke an, und gemeinsam mit Loki, Tjalfi und Röskva muss sich Quark auf die Heimreise machen.
Wettessen und Wettlauf an Utgardlokis Hof
Teil zwei, "Im Land der Riesen", erzählt die bekannte Sage von Thors Abenteuer am Hof von Utgardloki. Interessanterweise erhält die Reise durch Quark, der ja heimgebracht werden soll, nicht nur eine neue Motivation, sondern auch eine sehr interessante gegenläufige zweite Handlungsschiene. Während sich auf der Götter-Ebene das große, tragische Scheitern Thors abspielt, das ja in Wirklichkeit eine beeindruckende Demonstration der Stärke dieses Gottes ist, schafft es das Schlitzohr Loki durch einen Trick, den Quälgeist Quark im Riesenland zu lassen, obwohl er ihn ja eigentlich dank seiner verlorenen Wette hätte behalten müssen.
Im Kampf mit der Midgardschlange
In der Haupthandlung folgt die Erzählung sehr genau der in der Edda erzählten Geschichte von Thors Fahrt ins Riesenland. Thor und seine Begleiter Loki und Tjalfi werden von den Riesen mit magischen Tricks verblendet. Sie sollen in Wettbewerben ihre Fähigkeiten zeigen und versagen dem Anschein nach dabei völlig. So wird Loki beim Wettessen gegen Lohe geschlagen, als er sich zwar tapfer durch einen Trog bis zur Mittellinie hindurchfrisst und alle darin liegenden Speisen vertilgt. Doch sein Gegner Lohe hat in der gleichen Zeit nicht nur das Fleisch gefressen, sondern auch alle Knochen und seine Hälfte des Troges gleich mit. Tjalfi verliert hoffnungslos beim Wettrennen gegen Hugi. Und Thor blamiert sich gleich bei drei Wettbewerben. Zunächst schafft er es nicht, das riesige Trinkhorn in drei Schlucken auszuleeren. Dann scheitert er beim Versuch, Utgardlokis Katze hochzuheben, das Tier bleibt mit drei Pfoten am Boden. Schließlich ist er beim Ringkampf mit Utgardlokis alter Mutter so schwach, dass er zu Boden geht.
Comic vs. Edda
Am Ende unterscheiden sich Edda-Text und Comic ein wenig. Thor zieht im Original geschlagen von dannen. Erst als er die Burg verlassen hat, offenbart ihm Utgardloki, dass die Riesen jetzt alle schwer beeindruckt von ihm sind und tierische Angst vor ihm haben. Denn das angebliche Trinkhorn war nicht mit Bier gefüllt, sondern endete im Meer, und Thor hat eine gewaltige Ebbe verursacht. Die Katze war in Wirklichkeit die Midgardschlange, und er hat es tatsächlich geschafft, einen Teil des weltumspannenden Wurms vom Boden hochzuheben. Die alte Frau schließlich war das Alter. Eigentlich zwingt sie jeden zu Boden, doch Thor knickte lediglich mit einem Knie ein.
Im Comic entfällt Utgardlokis Aufklärung über diese Mystifikationen. Hier ist es Tjalfi, dessen Rolle deutlich aufgewertet wurde. Schon im vorigen Teil ist der Menschenjunge von Odins Raben dazu berufen worden, genau hinzuschauen und zu erkennen. Tjalfi begreift, dass Lokis Gegner beim Wettessen das Feuer war und dass er selbst nicht gegen einen Läufer aus Fleisch und Blut angetreten ist, sondern gegen Utgardlokis Gedanken. Tjalfi erkennt auch, dass das Trinkhorn im Meer endet und sieht im Zauberspiegel, dass Thor versucht, die Midgardschlange anzuheben. Besonders drastisch fällt die dritte Prüfung Thors aus: Im Comic ringt ihn die Alte / das Alter nicht nur zu Boden, er stirbt sogar. Erst durch Tjalfis dramatisches Bekenntnis zu seinem Gott: "Ich glaube an dich" wird Thor wieder zum Leben erweckt.
So gestaltet sich der Abschied im Comic auch völlig anders: Utgardloki will von der Zinne gerade zu seiner großen Aufklärung ansetzten, aber Loki kann lässig abwinken: "Wissen wir doch alles. Aber wir haben euch auch reingelegt." Nervensäge Quark ist nämlich wieder bei den Riesen. Pech gehabt, Utgardloki.
Die goldenen Äpfel der ewigen Jugend
Das dritte Abenteuer ist weniger bombastisch, kommt eher verspielt und lieblich daher, wenn es auch mit dem Besuch beim Riesen Tjasse durchaus Platz für Riesen-Architektur und drastische Darstellungen gibt. Vor allem bietet der Band eine sehr schöne charakterliche Ausgestaltung der Riesentochter Skadi, die auf jeden Fall auch optisch ein absoluter Höhepunkt ist. Nicht ganz so hübsch, aber liebevoll und detailreich dargestellt ist Njörd, der in seiner Küstenfestung Noatum lebt, den Fischen und Winden den Weg weist und mit den Möwen spricht. Ein schnuckeliger mittelalter Junge von der Waterkant eben. Lokis Ausrede, er habe sich in Skadi verliebt und deshalb die Entführung Iduns unterstützt, ist eine schöne Erfindung der Comic-Macher, die das Ganze geschickt abrundet. Schön auch, dass die idyllische Zweisamkeit Bragis und Iduns ein paar Kratzer erhält.
Der Band ist erneut reich an Beigaben, von denen die Skizzen zu den einzelnen Figuren und ihrer Entwicklung sicher die kostbarsten sind. Außerdem erfährt der Leser viel über den Walhalla-Zeichentrickfilm, dem die beiden Quark-Abenteuer zugrunde liegen, und darüber, wie die Arbeit am Film die Entwicklung des Comics beeinflusst hat. Im Anschluss an die Abenteuer vier und fünf sind jeweils wieder die eddischen Originalversionen der Geschichten abgedruckt, sodass der Leser rundum gut versorgt mit mythologischem Grundwissen aus der Lektüre hervorgeht. Einfach ein außerordentlich gelungenes, vorbildliches Editionsprojekt.
Fazit: So muss eine Gesamtausgabe aussehen. Eine ohnehin schon großartige Serie wurde durch diese liebevoll gestaltete Edition noch veredelt. Ausgesprochen werthaltig.
Walhalla. Die gesammelte Saga 2. Illustriert und erzählt von Peter Madsen. Meschede: Edition Roter Drache, 2020. 196 S., Euro 40.
Weitere Walhalla-Bände
Walhalla. Die gesammelte Saga 1
Walhalla. Die gesammelte Saga 3
Walhalla. Die gesammelte Saga 4
Walhalla. Die gesammelte Saga 5
© Petra Hartmann