Max Prosa: Flügel aus Beton
Lyrik Max Prosa
Die Sammlung ist Ausdruck einer "Suche nach dem Kern dessen, wofür es sich zu leben lohnt", verrät der Klappentext. Eine Sinnsuche in einer Welt, die als entzaubert, zu schnell, zu oberflächlich wahrgenommen wird. Ist sie das? Für Max Prosa gerinnt diese Weltsicht und die Schwere, die sie verursacht, im Bild der Flügel ais Beton, so der Titel der Sammlung und auch eines seiner bekannteren Lieder. "Wenn ich könnt', flög' ich davon / Mit meinen Flügeln aus Beton", heißt es darin, und der Konjunktiv deutet an, dass die Flügel eben doch zu schwer sind, um mit ihnen davonzufliegen. Aber: Es sind dennoch Flügel.
Zahlreiche Songtexte sind in dieses Buch eingeflossen. Manche sind auch nur in Auszügen, vielleicht Vorstufen, vertreten, etwas der Refrain des Liedes "Von Engel zu Engel", und
man hat seine eigenwillig helle Stimme mit dem leisen überkippenden Kratzen hinten im Hals dabei sehr gut im Ohr:
"Und ich sage dir
Von Engel zu Engel
Etwas an mir
Wird nicht vergehn
Etwas bleibt hier
Denn all' unsre Sommer
Wohnen in dir
Und bleiben bestehn"
Es ist eine traurige, zumindest melancholische und nachdenkliche Sammlung. Es geht um Schrammen auf dem Herzen, Verletzungen, Trauer. Aber auch um das Ganz-bei-sich-Sein, um Konzentration auf das Eigentliche. Letzten Endes ist es das kleine Aufblinken von Schönheit in dunklen Stunden, das den Beton auf dem Rücken eines Menschen zu einem Flügelpaar macht. Mit Ruhe und Vertrauen lässt sich am Ende sogar ein Leben meistern. Prosa notiert:
"Hoch oben auf dem Seil
Zählt nur das Gleichgewicht
Sei ruhig mein Gegenteil
So fallen wir beide nicht"
Prosa schreibt von einem Becher Glück, der niemals leer wird, erinnert sich an Tage im Schnee, an Freunde, an Liebe, vergangene und gegenwärtige. Am Ende zählt wohl nur die Gegenwart, der Augenblick, den man ganz erlebt:
"Solang du lebst
verschwende dich
an ein Gefühl
an ein Gesicht
ans fremde Herz
das Feuer fängt
verschwende dich
an den Moment"
Ja, es gibt neidische und missgünstige Menschen, solche, die einen runterziehen und in jeder Suppe ein Haar finden. "Wenn du ein Löwe bist: / Sie werden dir Fallgruben graben", hält Prosa im Gedicht "Die Verwandlung des Löwen" fest. Sein Fazit:
"Wir haben nichts als die,
die uns umgeben,
um auf uns selbst zu schließen,
aber: Unter ihnen sind Schöpfer.
Alles wahrhaft Große hatte Menschen,
die es bemerkten, schützten, aufzogen.
Hüte dich vor missgünstigen Augen
und halte dich an die, die staunen."
Prosa schreibt einfach und klar. Er braucht keine großen Worte, eher ist es das Kleine, Alltägliche, das bei ihm zum Gedicht gerinnt. Es ist keine ganz große Lyrik, die einem hier entgegentritt, nichts Bahnbrechendes, keine literarische Revolution, eher ein kleines, freundliches "Kopf hoch" oder "Lass dich nicht zu Boden drücken", wie es einem ein guter Freund oder lieber Zeitgenosse in einer üblen Stunde zuruft, und noch mehr ein Gespräch mit sich selbst, ein Festhalten eigener Erfahrungen und Lichtblicke.
Die Erkenntnis, unsere Welt sei zu schnell und oberflächlich, und man müsse sich an das "Eigentliche" halten, mag banal klingen. Aber das klingt sie schon seit 3000 Jahren Literaturgeschichte. So ist dieses Buch ein guter Begleiter für ein paar helle und dunkle Stunden, der einen immer wieder zu einem zustimmenden Nicken bewegt und einem leisen: Ja, so ist es.
Fazit: Nachdenkliches und melancholisches Büchlein, das einem die Flügel aus Beton etwas leichter macht. Kein schwerlötiges, bedeutungsaufgeladenes Stück Tiefsinn, sondern ein freundlicher Begleiter, auch durch dunkle Stunden.
Max Prosa: Flügel aus Beton. Gedichte 2010 - 2020. Berlin: Trabanten Verlag, 2021. 116 S., Euro 12.
© Petra Hartmann