Sandra Pfitzner: Sophie Scholl. Der Widerstand der Weißen Rose
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Sophie Scholl, Widerstandkämpferin gegen die Nazis und Mitglied der Weißen Rose, ist Heldin des neuen "Abenteuer und Wissen"-Hörspiels von Sandra Pfitzner. Das Hörspiel erzählt die kurze Lebensgeschichte der Protagonistin, stellt die politischen und ethischen Positionen der Scholl-Geschwister und ihre Entwicklung vor und wird ergänzt durch Gespräche mit Thomas Hartnagel, dem Neffen von Sophie Scholl.
Warum nur Sophie Scholl und nicht alle fünf? Diese Frage stellte ich mir schon in den 80ern, als ich das Buch "Das kurze Leben der Sophie Scholl" von Vinke Hermann las. Oder warum nur "Geschwister Scholl"?, mag man fragen angesichts der zahlreichen Schulen, die nach Sophie und ihrem Bruder Hans benannt sind. Christoph Probst wurde mit beiden zusammen hingerichtet. Alexander Schmorell und Willi Graf - und Professor Kurt Huber, der sechste im Bunde - bezahlten ihr Engagement in der "Weißen Rose" ebenfalls mit dem Leben. Sophie stieß erst spät, als letzte der fünf, mit hinzu. Da hatten die vier anderen sich schon längst gefunden, hatten Flugblätter verfasst, gedruckt und verteilt. Und war es nicht Sophies Übermut, der letzten Endes für die Entdeckung sorgte? Im Hörspiel klingt das so an, und ich meine, das auch damals im Film gesehen zu haben. Ich weiß es nicht, ich bin nicht dabei gewesen.
Warum also nur Sophie? Es mag damit zu tun haben, dass sie die einzige Frau in der Gruppe war, vielleicht auch damit, dass sie die Jüngste war, diejenige, die eine gewisse Unschuld und Reinheit ausstrahlte, und doch diese eisenharte Entschlossenheit. Wie auch immer. Sophie Scholl wurde zur Ikone, und dieses Hörbuch ist ihr gewidmet.
Sophie Scholl und ihr kurzes Leben
Es ist, wie schon der Titel des Hermann-Buchs klarmachte, ein sehr kurzes Leben. So gewinnen Kindheits- und Jugenderlebnisse ein besonders starkes Gewicht. Der Autorin ist es wichtig zu zeigen, dass Sophie zunächst einmal ein ganz normales Kind war, ein Schulmädchen wie viele andere. Das hier wird keine Heiligen-Biographie. Dennoch: Eines war ihr schon von Klein auf wichtig: Sophie hatte ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Und so zeigt Autorin Sandra Pfitzner sie denn auch in einer frühen Szene, wie sie im Schulzimmer für Gerechtigkeit eintritt: Ihre Schwester hatte sich eine Strafarbeit eingefangen, weil sie im Unterricht eine Weile nicht aufgepasst hatte. Da hatte die junge Frau an ihren Geburtstagskuchen und an ihre Geschenke gedacht und war prompt vom Lehrer beim Träumen erwischt worden. Das ist ungerecht, empört sich Sophie, und das sagt sie auch, nachdem ihr der Lehrer das Wort erteilt hat. Wer Geburtstag hat, dem muss man es nachsehen, wenn er ein wenig abgelenkt ist, erklärt sie. Welcher Lehrer sollte dem noch widersprechen können?
Keine Heiligen-Biographie
Nein, Sandra Pfitzer schreibt keine Hagiographie. Sehr klar arbeitet sie heraus, wie Sophie und ihr zweieinhalb Jahre älterer Bruder Hans sich politisch entwickelten. Wie beide erst begeisterte Anhänger Adolf Hitlers waren und sich in ihren jeweiligen Jugendorganisationen für die "Volksgemeinschaft" engagierten. Da sind die endlosen Diskussionen, die Hans mit seinem Vater führte, der sich nicht von der Großartigkeit des "Führers" überzeugen lassen will. Auch die neu entstandenen Arbeitsplätze überzeugen den Vater nicht. "Hitler bedeutet Krieg", wiederholt der alte Herr gleich einem Mantra immer wieder. Erst als Hans - als besondere Auszeichnung - zu einem deutschlandweiten Treffen der Hitler-Jugend fahren darf, ändert sich dies. Der Jugendliche kehrt vollkommen verstört zurück und begreift, was Nationalsozialismus bedeutet: Krieg.
In der Jugend begeisterte Nationalsozialistin
Auch Sophie ist zunächst begeisterte Nationalsozialistin, macht sogar Karriere als Scharführerin ihrer Jungmädelgruppe. Die Entscheidungen, die sie trifft, sind mitunter hart: Als ein Mädchen der Gruppe dem "Dienst" fernbleibt, weil es im Geschäft seiner Eltern mitarbeiten muss, entscheidet Sophie empört: "Der Dienst an unserem Volk geht ja wohl vor." Beim ersten Mal lässt sie die junge Frau nur durch ein Gruppenmitglied abholen. Beim zweiten Mal schickt sie die Polizei, die das säumige Mädchen zur Dienststunde führt. Auch das war Sophie Scholl.
Erkenntnis und Entschlossenheit zum Widerstand
Erst nach und nach erkennen Sophie, Hans und ihre Geschwister, was Nationalsozialismus wirklich bedeutet. Doch mit der Erkenntnis ist auch die eiskalte Entschlossenheit da: Keine Zugeständnisse an das verbrecherische Regime, Sophie will nicht mehr mitmachen, sie ist dagegen, und sie wird nicht nur reden, sondern auch handeln.
Mit ihrem Freund und Verlobten Fritz Hartnagel, der Soldat ist und an alte soldatische Tugenden und Ideale glaubt - darunter Treue, Pflichterfüllung, das Einhalten seines Eides, auch wenn er auf einen schlechten Führer vereidigt ist -, führt sie harte politische und ethische Diskussionen. Sophie ist kompromisslos. Beeindruckend, was diese Beziehung aushalten musste und konnte. Die Familie muss immer wieder Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen. Ausgrenzung durch Nachbarn, weil die Scholls eben "dagegen" sind, werden stärker. Und - was man niemals vergessen darf - auch nach dem zweiten Weltkrieg und dem Ende der Nazidiktatur erfuhren die überlebenden Familienmitglieder diese Ausgrenzung weiterhin von der wohlanständigen Bürgerlichkeit in ihrem Umfeld. So sind Menschen. Leider.
Wurzeln und Kraftquellen
Das Hörspiel zeigt in Dialogen und Erzählpassagen sehr deutlich die Entwicklung der Titelheldin, ihre Ideale und auch die Quellen, aus denen sie ihre Kraft und Entschlossenheit schöpfte. Das Elternhaus, die christliche Religion, philosophische Grundlagen, das Miteinander von wenigen, aber anständigen Menschen.
Sehr interessant auch die Erzählungen von Thomas Hartnagel. Er ist der Sohn von Sophies Schwester Elisabeth und von Fritz Hartnagel und schildert im Interview, wie Sophie auch Jahre nach ihrem Tod in den Gesprächen im Familienkreis lebendig blieb. Und auch von den bereits erwähnten Anfeindungen lange nach Ende der Nazizeit. Vielleicht ist dies mit die wichtigste Lehre aus der Geschichte: Die kleinen Nazis blieben. Die gehässigen kleinen Mitläufer, Blockwarte und Denunzianten wurden nie zur Rechenschaft gezogen, und es sind keine Exoten, sondern solche Leute leben auch heute noch unter uns, geifern, hetzen und sind bereit, wieder Macht auszuüben, sobald man sie lässt.
Fazit: Spannendes und lehrreiches Hörspiel, das viel Bekanntes und auch einiges Neues über die Weiße Rose und Sophie Scholl berichtet. Keine schöne Geschichte mit Happy End, aber dafür eine umso notwendigere.
Sandra Pfitzner: Abenteuer und Wissen: Sophie Scholl. Der Widerstand der Weißen Rose. Köln: Headroom Sound Production, 2021. 83 Minuten.
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© Petra Hartmann