Thorgals Jugend 9: Die Tränen der Hel
Comics Thorgal Roman Surzhenko Yann
"Die Tränen der Hel" nennen Texter Yann und Zeichner Roman Surzhenko den neunten Band der Serie "Thorgals Jugend", einen der drei Spin-offs der Hauptserie "Thorgal". Der Band setzt die Abenteuer des Titelhelden und seines neuen Freundes Sven Gabelbart fort. Beide sind nach der Auseinandersetzung mit Harald Blauzahn im Band "Die zwei Bastarde" vor dem Wikingerkönig auf der Flucht. Ihr Ziel: Jomsburg.
In Jomsburg will Sven Gabelbart seinen Ziehvater Palnatoki wiedersehen. Doch das Schiff kommt nicht dort an. Da der Drakkar von dem ungleich schnelleren Schiff Haralds verfolgt wird, bleibt den Flüchtlingen nur ein letzter Ausweg: Sie fahren in eine Nebelbank hinein, von der es heißt, dort sei es nicht geheuer. Eine eindrucksvolle Begegnung mit dem Totenschiff Palnatokis stimmt die Gruppe ein auf eine Reise ins Reich der Totengöttin Hel. Doch die schaurige Insel, die sich in der Nebelbank verbirgt und auf der ein tödliches, von einer Pflanze vergiftetes Wasser durstige Schiffbrüchige tötet, ist etwas anderes als das erwartete Totenreich, auch wenn Thorgal sich mutig der Brückenwächterin Modgud an der Gjallarbru stellt, die wie in den alten Eddaliedern den Zugang zu Hels Reich bewacht.
Paradiesische Insel mit fragwürdiger Ethik
Der Band "Die Tränen der Hel" widmet sich erneut dem Thema einer auf den ersten Blick paradiesischen Insel, hinter deren Fassade schreckliche Dinge lauern. Waren es im Band "Alinoe" der Hauptserie und in "Die Insel der verlorenen Kinder" aus dem Kriss-de-Valnor-Spin-off kindliche Allmachtsphantasien, die am Ende tödlich für die Erwachsenen werden, so ist die neue Insel eine Art feministischer Traum - der Traum von einer Welt der Frauen, in der vollkommener Frieden herrscht.
Doch der Frieden der Insel Bohk Lihnn ist der Frieden des Friedhofs. Die Frauen, die hier in selbstgerechtem, egoistischem Pazifismus fernab der brutalen Männerwelt leben, nehmen den Tod der Schiffbrüchigen durch "die Tränen der Hel" billigend in Kauf, mitleidslos und ohne Verantwortungsgefühl. Ja, sie alle haben ein schweres Schicksal hinter sich und erlitten Gewalt vonseiten der Männer. Aber ist das eine Rechtfertigung für ihre eigene grausame Gleichgültigkeit im Umgang mit Fremden? Die fragwürdige Ethik dieser Frauenkommune, die hart und selbstgerecht Außenstehenden die Hilfe verweigert, die eigenen Hände in Unschuld wäscht und Schiffbrüchigen zufrieden beim Sterben zusieht, um sicher und in Frieden der eigenen Friedlichkeit huldigen zu können, ruft bei Thorgals Geliebter Aaricia heftige Abneigung bis hin zum Widerwillen hervor.
Thorgals Werte: Frieden und Familie
Thorgal selbst bekennt sich einmal mehr zu Werten wie einem friedlichen Leben zusammen mit seiner - noch nicht existierenden - Familie. So mündet diese diese Serie langsam in die Hauptserie ein, deren Vorgeschichte sie bietet. In Band eins, "Die Rache der Zauberin" ist ja zu erleben, wie Thorgal von Aaricias Vater an den Opferfelsen gekettet wird, weil er es wagte, als elternloser "Sternensohn" seine Augen zu einer Wikingerprinzessin zu erheben.
Düsteres Abenteuer auf der Toteninsel
"Die Tränen der Hel" ist ein recht düsteres Abenteuer, das sehr stimmungsvoll die Atmosphäre der Toteninsel herüberbringt und mit der Frage nach Verantwortung und gefühllosem Pazifismus eine kleine philosophische Nuss zu knacken gibt. Durch das Auftreten historischer Figuren wie Harald Blauzahn, Sven Gabelbart oder Palnatoki hat dieses Abenteuer obendrein seinen ganz eigenen Reiz.
Thorgal-Ableger redlich zu Ende gebracht
Yann und Roman Surzhenko haben die Serie auf recht redliche, wenn auch nicht überragende Weise mit der Hauptserie zusammengeführt. Anders als die beiden Nebenserien über Kriss de Valnor und Thorgals Tochter Lupine, deren Handlung parallel zu den regulären Thorgal-Alben verlief, wurde hier eine Vorgeschichte geliefert, was nicht ganz einfach ist, aber ohne größere Widersprüche gelang. Insgesamt waren die drei Serien lesenswert und hatten teilweise sogar mehr Charme als die Hauptserie, ein sehr spannendes und interessantes Konzept und durchaus eine Bereicherung der Thorgal-Abenteuer. So setzt nun "Die Tränen der Hel" einen stimmungsvollen Schlusspunkt unter ein weit aufgefächertes Welten-Netzwerk. Vielleicht gibt es ja einmal eine weitere Serie über einen anderen Wegbegleiter Thorgals? Aaaricia hätte einmal eine eigene Aristie verdient, Aniel wird ohnehin noch von sich reden machen, und Jolan hat längst das Zeug zum eigenständigen Charakter. Und was wurde eigentlich aus Arghun Holzbein im Lande Qâ?
Fazit: Stimmungsvoller, düsterer Band mit historischen Nebenfiguren und einer kleinen philosophischen Nuss zum Knacken. Ordentlich gemacht und redlich erzählt. Lesenswert.
Die Welten von Thorgal: Thorgals Jugend 9 - Die Tränen der Hel. Text: Yann, Zeichnungen Roman Surzhenko. Bielefeld: Splitter, 2021. 48 S., Euro 15.
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© Petra Hartmann