Antje Babendererde: Wie die Sonne in der Nacht
Indianer Antje Babendererde Pueblo Anasazi
In ihrem Roman "Wie die Sonne in der Nacht" beschäftigt sich Antje Babendererde mit der Kultur der Pueblo-Indianer und der Anasazi in Neu-Mexiko. Das Jugendbuch bietet eine spannende Handlung, eine große Liebe und viel Informationen über Geschichte und Religion dieser amerikanischen Ureinwohner - wobei Quemado Pueblo, einer der Hauptschauplätze, fiktiv ist.
"Wie die Sonner in der Nacht" ist erneut die Geschichter zweier jungen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Die Leser lernen die Pueblo-Kultur durch die Augen der Ich-Erzählerin Mara kennen, die aus Deutschland stammt und kurz vor dem Ende ihres Auslandsschuljahrs in den USA steht. Mara hat, dank eines Frankreich-Trips ihrer Gasteltern das Haus für sich allein, sie ist gerade von ihrem deutschen Freund versetzt worden, der sie eigentlich besuchen wollte, als sie plötzlich Zeuge eines Verkehrsunfalls wird. Ein Indianerjunge steht am Straßenrand, ein Riesentruck fährt viel zu schnell an ihm vorbei, der Junge kippt um, und Mara kümmert sich um den ohnmächtigen Verletzten. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass der Junge überhaupt keine Wunden von dem Lastwagen davongetragen hat: Er ist ausgezehrt, dehydriert und hat eine Schussverletzung.
Junger Pueblo-Indianer ohne Gedächtnis
Kayemo - der Name bedeutet in der Tiwa-Sprache soviel wie "Fallende Blätter" - ist stumm und hat offenbar sein Gedächtnis verloren. Langsam kommen sich Mara und der junge Mann näher, und langsam kommen seine Erinnerungen samt Sprechvermögen wieder. Aber was genau in den Bergen vorgefallen ist, wer auf ihn geschossen hat und was aus seiner Mutter in der einsamen Hütte wurde, müssen die beiden vor Ort klären. An Kayemos Seite gelangt Mara in die raue, mystische Welt der Berge, lernt eine zahme Silberlöwin kennen und begegnet in einem verborgenen Pueblo dem urzeitlichen "Raining Man", einer mythologischen Gestalt, die für Kayemos Volk eine zentrale Bedeutung hat. Die Katchina des "Raining Man" - in diesem Fall aufgefasst als eine Tanzmaske für die Zeremonien der Pueblo-Kultur - war vor langer Zeit dort verborgen worden, und Kayemo war neun Jahre lang in den Bergen fernab seines Volkes allein erzogen worden, um "rein" zu bleiben und dazu fähig zu sein, die Maske zu finden und sie einst als Tänzer und Heiliger Mann zu tragen. Seltsam nur, dass in Kayemos Heimat-Pueblo niemand etwas von dem Jungen und seiner Mission weiß ...
Wechsel zwischen den Erzählperspektiven
Der Roman ist spannend erzählt und flüssig geschrieben. Etwas verwirrend ist, dass die Autorin nach dem Auftauchen von Kayemo zwischen zwei Erzählperspektiven hin und her wechselt: Maras Part ist weiterhin aus der Ich-Perspektive geschrieben, während Kayemos Gedanken durch einen personalen Erzähler geschildert werden. Doch daran gewöhnt sich der Leser schnell.
Kult und Zeremonien bleiben ein Geheimnis
Babendererde schafft es, die Bedeutung des Geheimnisses und des Verschweigens für die Zeremonien der Pueblo-Indianer deutlich zu machen: Was heilig war, wurde und wird weiterhin vor Weißen geheim gehalten, und wer interne Informationen, etwa an einen Ethnologen oder Touristen oder in Form einer Kurzgeschichte weitergibt, bricht mehr als ein Tabu und zerstört die Wurzeln dieser Kultur. Insofern ist auch diese Geschichte ganz bewusst in einem fiktiven Pueblo angesiedelt, und die Autorin betont, dass hier nur allgemein verfügbares öffentliches Wissen aus einschlägiger Fachliteratur verwandt wurde, auch wenn sie vor Ort recherchiert hat.
Die Anasazi als "Erste Alte"
Auch zur Bezeichnung und Selbstbezeichnung der amerikanischen Völker erfährt man einiges. Etwa, dass der Name "Anasazi" inzwischen bei den Pueblo-Völkern verpönt ist. Das Wort stammt aus der Sprache der Navajo und bedeutet soviel wie "Vorfahren der Feinde". Kayemo nennt sie daher lieber die "Ersten Alten". Und auch zur Verwendung des Wortes "Indianer" hat sich die Autorin Gedanken gemacht und sich bei unterschiedlchen Völkern umgehört. Demnach "wurde der Autorin von Seiten der Zugehörigen versichert, dass sie selbst sich so bezeichnen und es bei der Bedeutung des Wortes auf den Kontext und die Art ankommt, wie es benutzt wird."
Fazit: Ein spannendes und sachkundig geschriebenes Jugendbuch, das Abenteuer, Kultur, Liebe und eine faszinierende Landschaft zu einer abenteuerlichen und lesenswerten Geschichte verbindet. Macht Lust auf mehr Erzählungen über die Pueblo-Völker.
Antje Babendererde: Wie die Sonne in der Nacht. Würzburg: Arena, 2021. 475 S., Euro 12.
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© Petra Hartmann