Jahresrückblick Teil II: April bis Juni 2022
Jahresrückblick
Willkommen zum zweiten Teil meines Rückblicks auf das Lesejahr 2022. In den Monaten April bis Juni habe ich ein bisschen Science Fiction gelesen, kaum Fantasy, ein paar Krimis, etwas über Astronomie, die Geschichte Afrikas, zwei Comic-Klassiker. Es sind wieder einige Helgolandica und Goslar-Bücher dabei und auch ein paar Hörbücher, die mich auf langen Autofahrten begleitet haben. Schaut halt mal durch, vielleicht ist etwas dabei für euch.
Hinweis:
Etwaige blau markierte Texte sind herausragende Spitzenbücher, rot steht für absoluten Mist, ein (e) hinter dem Titel bedeutet, dass ich den betreffenden Text in der eBook-Version gelesen habe, und hinter den Links verbergen sich ausführlichere Besprechungen innerhalb dieses Blogs.
April
Jürgen Hamel: Friedrich Wilhelm Herschel
Biographie des Astronomen und Uranus-Entdeckers, schon etwas angestaubt, eine antiquarische Entdeckung. 1988 in Leipzig erschienen in einer Buchreihe, die so ähnlich wie die Rowohlt-Monographien daherkommt. Sehr interessant. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass Herschel auch komponiert hat. Und man erfährt auch viel über seine Schwester Caroline, ebenfalls eine engagierte Astronomin, die unter anderem acht Kometen entdeckte. Sehr detailliert werden Herschels Versuche, immer bessere Teleskope zu entwickeln, geschildert. Hat mir gefallen.
Carl Ludwig Reuss: Dark Shadows - Schatten der Vergangenheit
Ich habe das Buch für die Goslarsche Zeitung gelesen und rezensiert. Der Artikel dazu ist hier zu finden.
Amandara M. Schulzke und Nadine Muriel (Hrsg): Met-Magie
Eine Anthologie rund um den Honigwein, in der ich mit der Geschichte "Die Blaubeerbrücke" vertreten bin. Da ich selbst die Finger drin habe, mag ich hier nicht in die Details gehen, aber soviel kann gesagt werden: Es ist ein lesenswertes Buch mit vielen Lieblingsautoren und sehr vielseitigen, gut erzählten Geschichten.
Nanata Mawatani: Nur ein Indianer
Ein altes Schneiderbuch, das ich antiquarisch erstanden habe. Nanata Mawatani war mir durch ihre Kinderbücher "Schwarzes Pferd und weißer Vogel" und "Weißer Vogel und kleiner Bär" über eine weiße Frau, die bei den Cheyenne lebt, bereits bekannt, und ich war neugierig auf weitere Werke von ihr.
Das vorliegende Buch handelt wie die beiden anderen von Indianern, allerdings geht es diesmal um eine moderne Geschichte und nicht um einen historischen Roman. Die Autorin erzählt von einem ungleichen Freundespaar: Der weiße Junge Chris, ein Kind reicher Eltern, materiell verwöhnt, aber von seinen Eltern fast immer allein gelassen, trifft auf Tony, einen jungen Indianer, dessen Stammeszugehörigkeit nicht erwähnt wird. Tony, beziehungsweise Schneller Hase, lebt in eher ärmlichen Verhältnissen, aber er hat vieles, um das ihn Chris beneidet, darunter eine liebevolle Mutter und sehr viel Erfahrung darin, sich in der Wildnis zurechtzufinden.
Die beiden Jungen gehen gemeinsam Angeln, erforschen eine geheimnisvolle Höhle, und Chris lernt viel von seinem neuen Freund. Aber dann erfährt Chris von den Geschäften seines Vaters. Der Mann hat durch miese Machenschaften und Ausnutzen von Notsituationen die Besitzrechte an großen Teilen des Indianerlandes an sich gebracht und will nun die Bewohner vertreiben, darunter auch Tonys Familie.
Eine Geschichte, wie sie immer wieder vorkam und vorkommt, Dass die Rettung so wie in diesem Kinderbuch vonstatten gehen kann, ist leider wenig wahrscheinlich ...
Wolfgang Beck, unter Mitarbeit von Markus Cottin: Die Merseburger Zaubersprüche. Eine Einführung
Eigentlich ein recht dünner Band, aber dafür (und nicht nur dafür) sehr inhaltsreich und sehr gediegen, auch sehr schön und reichhaltig bebildert. Man erfährt etwas über die Entdeckung und Erforschung der Merseburger Zaubersprüche, über die darin erwähnten Götter (und darüber, was man über diese Götter weiß und nicht weiß), es sind mehrere Übersetzungen enthalten, und die Verfasser berichten auch über die Wirkung der Zaubersprüche auf die unterschiedlichen Künste, denn sie dienten als Inspirationsquelle für zahlreiche Schriftsteller, bildende Künstler und Musiker. Sehr schön gemacht, empfehlenswert.
Michael Stoffers: Taschenkrebse mögen keine Milch
Ein vom Autor exklusiv für das Helgoländer Lesefestival erstellter Sonderdruck, der so nicht in den Handel gelangte. Das Büchlein hat 97 Seiten, und die Geschichte soll später einmal Teil eines Bandes mit mehreren Erzählungen werden, verriet der Autor bei seiner Lesung. Ich denke aber, dass das kleine Büchlein auch durchaus separat als Urlaubslektüre für Helgoland-Besucher seinen Markt finden könnte.
Es ist eine Art Krimi. Zwei Polizisten, ein männlicher alter Hase und ein weibliches Greenhorn, erhalten den Auftrag, einen Mann zu beschatten. Der ist Mitarbeiter einer IT-Firma, arbeitet an einem wichtigen Katastrophenschutz-System, hat sich aber durch das Googeln mit Schlüsselbegriffen wie "Anthrax" und "Anheuern eines Profikillers" oder "Rohrbomben" verdächtig gemacht. Plant der Mann ein Attentat? Das Ermittler-Duo, getarnt als frisch verheiratetes Liebespaar, erhält den Auftrag, den Verdächtigen zu überwachen. Ihr Pech: Die Zielperson nistet sich ausgerechnet auf Helgoland ein.
Eine zugleich spannende und lustige Geschichte über Ermittlungen auf engstem Raum, über die anstrengenden Versuche, eine Tarnung aufrecht zu erhalten, und natürlich über den Zauber der Insel, der vielleicht auch aus einem vermeintlichen Liebespaar ein echtes machen kann - nach ziemlich viel Ärger, versteht sich.
Pamela Hansen: Die Inselpastorin. Mein Leben mitten in der Nordsee
Pamela Hansen ist Pastorin auf Helgoland und schreibt über ihr "Leben mitten in der Nordsee". Das Buch bietet humorvolle und interessante Einblicke in das Leben im Pfarrhaus und in der Gemeinde, in Probleme, von denen die Kirchenverwaltung auf dem Festland gar nichts ahnen kann, und in die Welt der Helgoländer. Hansen hatte jahrelang in einer Stadt nahe Detroit ihren Pfarrdienst geleistet - und nun schickte sie ihr "Boss", wie sie Gott liebevoll betitelt, auf den roten Felsen. Sie erlebt Überfahrten auf der schwankenden Fähre, hängt bei einer Seenotrettungsübung unversehens am Haken eines Helikopters, transportiert eine große Schaukel auf die Insel, leitet winzig kleine Konfirmandengruppen ... Und wenn ich etwas gelernt habe für meine künftigen Helgolandaufenthalte: Niemals schwatzend am Pfarrgarten vorbeigehen. Im Strandkorb verborgen sitzt nämlich eine Pastorin mit gespitzten Ohren und amüsiert sich köstlich über den Blödsinn, den die Touristen von sich geben.
Hörbücher
Lutz van Dijk: Die Geschichte Afrikas
Ich hatte das Hörbuch irgendwann in den Nuller Jahren mal gehört und fand es nicht so toll. Nach dem Hörspiel über Nelson Mandela, das ich im März gehört hatte, wollte ich mich nun doch noch einmal intensiver mit Afrika befassen und habe mir diese Geschichte Afrikas nochmal reingezogen. Das Ergebnis ist immer noch enttäuschend. Nichts von den alten schwarzen Königreichen, nichts von afrikanischer Kultur und Tradition, sondern es geht nur um das kolonisierte Afrika und den Weg in die Freiheit oder eben um gescheiterte Revolutionen und Korruption. Fast so, als sei Afrika wirklich der "geschichtslose" Kontinent, als den es Hegel bezeichnet hat. Da war doch mal was, bevor die Europäer kamen, oder? Man muss nicht mal Ägypten und Karthago bemühen. Ich hätte mir etwas über die alten Kulturen von Eritrea und Äthiopien gewünscht, das Königreich von Aksum, Reiche wie Ghana und Kanem. Schade. Also: Dieses Hörbuch war zweimal nichts.
Guiseppe Thomasi di Lampedusa. Der Leopard
Beeindruckender, groß angelegter Roman um eine sizilianische Adelsfamilie im 19. Jahrhundert, ihre Konfrontation mit der Revolution und ihr Aufgehen im Bürgertum. "Der Leopard" ist der Beiname des Don Fabrizio, Patriarch des Fürstengeschlechts Salina, der zu Beginn des Romans auf dem Höhepunkt seiner Macht gezeigt wird. Eine sehr beeindruckende, kraftvolle Gestalt mit einer großen Schwäche: sein Neffe und Ziehsohn Tancredi, frech, bürgerlich bis proletarisch beziehungsweise bohemienhaft und mit Sympathien für die Revolution. Ein Zusammentreffen zweier sehr starker Charaktere mit zwar unterschiedlichem Habitus, aber doch einer sehr großen Sympathie füreinander. Man erlebt Reichtum, Prunk und Standesbewusstsein der Familie, aber auch Intrigen und Verhandlungen um Liegenschaften und Positionen, schließlich die Arrangements zur Eheschließung Tancredis mit seiner Geliebten Angelica, bürgerlich, aber auch reichem Hause. Ein sehr detailfreudiger Roman in sehr schöner Sprache, die auch in der Übersetzung von Burkhart Kroeber sehr schön herüberkommt. Sehr ansprechend gelesen von Thomas Loibl. Hat mich auch ein bisschen an die Buddenbrooks erinnert, war aber weniger verzweigt und verschlungen und hatte weniger Personal. Das Buch war mir ein sehr guter Begleiter auf der A7 und der B6.
Mai
Ingo Scharnewski: Der dreieckige Sarg (BunTES Abenteuer 50)
Geschichte eines interessanten Fundstücks in einem Schweizer Antiquariat. Der Ich-Erzähler entdeckt in einem alten Auftragsbuch eines Sagtischlers aus dem Inntal Hinweise auf einen gigantischen Sarg in Dreiecksform. Der in dieser Kiste Bestattete muss knapp 2,85 Meter lang gewesen sein und 1,31 Meter breit. Zusammen mit einem Freund mach sich der Ich-Erzähler auf die Suche nach Hinweisen auf das seltsame Artefakt, das irgendwann nach dem September 1879 in Auftrag gegeben und gebaut worden war. Die Geschichte ist reich an Details, und der Autor weiß viel an Hintergrund-Informationen über die besuchten Städte einzubringen. Auch die Hinweise auf einzelne sprachliche Besonderheiten, vor allem die rätoromanischen Einsprengsel, haben mir gut gefallen. Etwas weniger gelungen ist der Schluss. Nachdem der Autor sich so lange und detailreich auf das Ende zugetastet hat, kommt die Auflösung dann doch eher simpel daher. Der Rechercheur stößt auf einen, der weiß, was es mit dem Sarg auf sich hat, und der erzählt es ihm dann halt. Das kommt ziemlich plötzlich und ist nach der überlangen Vorbereitung dann einfach zu kurz und platt.
Rolf Krohn: Die Blitze (BunTES Abenteuer 1)
Eine sehr kurze Erzählung, 24 Seiten umfassend, die Nummer eins der TES-Reihe und wirklich ein würdiger erster Band. Wissenschaftler untersuchen ein Phänomen auf einem fremden Planeten: Ein Fels sendet immer wieder seltsame Blitze aus. Eine Botschaft einer fremden Zivilisation? Als einer der Experten eine Probe von dem Stein abschlägt, richtet er etwas Schreckliches an ... Sehr knapp und in ihrer Kompaktheit eine beeindruckende Geschichte. Böses Ende, gut geschrieben.
Hans-Martin Gutmann: Wendeblues
Der Theologe und Krimi-Autor Prof. Hans-Martin Gutmann ist gebürtiger Goslarer, daher habe ich seinen Roman "Wendeblues" für die Goslarsche Zeitung gelesen und besprochen. Außerdem verfasste ich ein Porträt des Autors.
https://www.goslarsc...id,2532499.html
https://www.goslarsc...id,2532742.html
Thomas Breuer: Leander und der Blanke Hans
Thomas Breuer habe ich schon vor einiger Zeit durch das Helgoländer Lesefestival kennen gelernt. Damals hatte er seinen Helgoland-Krimi "Leander und der Lummensprung" vorgestellt. Nun gibt es einen neuen Nordsee-Krimi, in dem Leander erneut als Ermittler in - zunächst nur einem - Mord tätig werden muss. Doch es bleibt nicht bei einer Leiche. Der Titelheld wird zwar diesmal "nur" auf Sylt und Föhr tätig, aber der Roman ist dennoch durch einen Brief eines geheimnisvollen "Hans Blank" mit Helgoland verbunden - im Buch und auch im realen Leben, wie der Autor beim diesjährigen Lesefestival während seiner Lesung erzählte.
Es geht um Flutkatastrophen und die zur Wiederauffütterung der Insel Sylt immer wieder angesetzten Sandaufspülungen. Vor allem aber geht es um Baufirmen, Konkurrenz um Aufträge, um nicht ganz sauber gewonnene Ausschreibungen und vor allem um sehr viel Geld. Leander findet nicht nur während einer verunglückten Wattwanderung eine Leiche, nein, auch bei einem Strandausflug mit seiner Lebensgefährtin und der extrem garstigen Tochter eines Bekannten wird ein weiterer Toter entdeckt. Die Art, wie Breuer diese Leichenfund gestaltet ist ... brrr ... einfach herrlich, grausam, bitterböse, unübertrefflich und hochverdient. Aber lest halt selbst, es ist echt ein verdammt geiler Stoff.
Hörbuch
Sonny Hennig: Rockmanns Erzählungen
Sonny Hennig erinnert sich an seine Zeit mit der legendären Deutschrockband "Ihre Kinder", die als erste Band (oder eine der ersten Bands) mit deutschen Texten auftrat, und erzählt von schrägen Erlebnissen und abenteuerlichen Zusammentreffen auf Tourneen oder Konfrontationen mit dem Establishment. Darunter sind so irre Erlebnisse wie grüner Urin oder eine Zusammenarbeit mit Klaus Kinski, die dann leider doch nicht die Auftrittsreife erlangte. Ein faszinierender Einblick in die deutsche Rockgeschichte der 1960er und 70er Jahre. Hat mir sehr gefallen.
Richard David Precht: Von der Pflicht
Hochinteressant. Precht geht dem etwas uncoolen und in Verruf geratenen Begriff der Pflicht nach, beginnend mit den alten Definitionen und Aufforderungen antiker Philosophen bis hin zur Verortung der Pflichterfüllung in modernen Gesellschaften. Besonders spannend fand ich seine im Schlussteil vorgetragene Idee, dass ein Mensch in seinem Leben zwei soziale Pflichtjahre für die Gemeinschaft leisten sollte. Das eine in seiner Jugend nach Beendigung der Schulzeit, das zweite nach dem Ende seiner Berufslaufbahn zum Beginn der Rentenzeit. Wobei letzteres nur geleistet werden sollte, wenn der betreffende Mensch dazu physisch und mental in der Lage ist. Precht fasst damit auch eine Diskussion zusammen, die er bereits vor einiger Zeit angestoßen hat, und geht Argumenten dafür, aber auch Gegengründen nach. Muss man nicht gleich unterschreiben, aber Stoff zum Nachdenken bietet es schon.
Juni
Horst Hoffmann: Insel im Nichts (Sternenlicht 1)
Start einer SF-Serie im Verlag Saphir im Stahl. Es geht um Weltraumabenteuer in der Nachfolge der legendären Orion-Crew. Allerdings schreibt die Menschheit inzwischen das Jahr 3166. Die Abenteuer von McLane und seiner Crew liegen über 160 Jahre zurück, das einst definierte menschliche Herrschaftsgebiet innerhalb einer Raumkugel von 900 Parsec Durchmesser ist zerbrochen in zahllose interplanetare Kleinstaaten, zu deren größeren die Sternenlicht-Vereinigung zählt und einen popeligen Durchmesser von gerade mal 10 Parsec hat. Die Raumschiffe tragen beeindruckende Namen wie "Winston Woodrow Wamsler", dessen Crew sich inzwischen den Ruf erarbeitet hat, legitime Nachfolger Cliff McLanes zu sein. Da passt es gut, dass der 19-jährige Praktikant Torben McLane, der sich mit dem Bordsystem hervorragend auskennt, für sich in Anspruch nimmt, ein Nachfahre des Orion-Commanders zu sein ...
Die Mannschaft der "3W" erlebt ein seltsames Abenteuer auf einem fremden Planeten, der von einer unbekannten Macht erfasst, aber nicht zerstört wurde. Es ist der bisher einzige Planet, der den Besuch dieses unbekannten Wesens/Volks/Wasauchimmer überlebte, gewöhnlich hinterlässt der Angreifer nur leblose Gesteinsbrocken. Die 3W-Crew will das sonderbare Phänomen erforschen, verliert zeitweise ein Besatzungsmitglied, die Zerstörung des Schiffs wird angekündigt, sofern es nicht innerhalb einer Frist den Planeten verlässt, gleichzeitig wird das Schiff durch eine unbekannte Kraft am Boden festgehalten. Dann stellt sich heraus: Die Außerirdischen wollen den Menschen etwas zeigen ...
Das Buch ist nicht schlecht geschrieben, und die Idee hat einiges Potenzial. Problematisch ist allerdings, dass der Autor zu Anfang sehr viel erklärt. Dem Leser werden haufenweise Informationen über die Entwicklung der Menschheit bzw. ihres Herrschaftsbereichs und der zerfallenen Einflusssphäre verpasst, außerdem gibt es zu Beginn sehr viele Personenbeschreibungen, die in dieser Menge schwer verdaulich und für den Leser auch schwer abzuspeichern sind. Wenn die Geschichte dann auch noch einsetzt mit einer Szene am Hof des Hunnenkönigs Etzel, in der Crewmitglied Astra Hannson in der Rolle der Brunhild auftaucht, ist die Verwirrung komplett. Astra hatte sich als Online-Rollenspielerin in einer virtuellen Welt aufgehalten und dabei glatt das Meeting in der Zentrale verpasst. Man muss sich schon ein wenig anstrengen, um in das Buch hineinzukommen ...
Jojo Vieira: Soko Mermaid (e)
E-Book, das ich auf meinen 9-Euro-Fahrt nach Nürnberg während eines unfreiwilligen Aufenthalts in Neudietendorf gelesen habe.
An der Lorelei wird eine Frauenleiche gefunden. Doch was die Polizisten zuerst für ein Meerjungfrauenkostüm halten, ist echt: Der Unterleib der Leiche besteht aus einem "Fischschwanz", jedenfalls soll das Knochenmaterial mit Walknochen verwandt sein. Um Himmelswillen, wenn davon die Presse Wind bekommt! Es stellt sich heraus, dass die Unbekannte mit Steinfischgift getötet wurde. Das bringt die Ermittler auf die Spur eines Mitarbeiters des Aquariums, der kürzlich einen Steinfisch mit nach Hause nahm ...
Ein sehr spannendes Setting, das zwei Genres kombiniert, die einander eigentlich widersprechen, die phantastische Welt der Meerjungfrauen und die rationale, analytische Welt der Ermittler. Wuchs hier etwas zusammen, das, wie bei einer Meerjungfrau Ober- und Unterkörper, gar nicht zusammen gehört?
Ein bisschen schade fand ich, dass der phantastische Aspekt dann doch gar nicht weiter ausgestaltet wurde. Nachdem die Beamten sich gehörig gewundert haben, laufen die Ermittlungen routiniert wie im samstäglichen Tatort-Krimi ab, man verhört Verdächtige, überprüft Alibis und so weiter. Einen Zusatzpunkt vergebe ich für die adelsstolze Mutter des Tatverdächtigen, die Frau war in ihrer verstaubten Blasiertheit einfach toll. Einen Punkt Abzug gibt es für die plötzliche und überraschend frühe Aufklärung des Verbrechens, die nicht gerade dem polizeilichen Scharfsinn geschuldet war. Ansonsten ist die Geschichte sehr kurz und kurzweilig, gerade recht, um sich einen unfreiwilligen Aufenthalt in Neudietendorf zu verkürzen.
Hal Forster: Prinz Eisenherz. Band 9, Jahrgang 1953/1954. (Bocola)
In diesem Doppelband ist es vor allem die christliche Seite des Titelhelden, die immer wieder die Handlung bestimmt. Schon zu Beginn geht es darum, einen heidnischen Wodans-Tempel zu zerstören und einen betrügerischen Priester zu entlarven. Später schließt Eisenherz Freundschaft mit dem Heiligen Patrick von Irland, zum Schluss unternimmt er sogar eine Pilgerfahrt nach Jerusalem. Das heißt allerdings nicht, dass Kriege und Kämpfe nun passé sind. So gilt es, erneut für König Artus in die Schlacht zu ziehen, als die Sachsen ins Land einfallen. Außerdem ist Aletas Herrschaft über die Nebelinsel in Gefahr. Ihr Schwager hat sich um Herrscher aufgeschwungen und versucht, die Königin auszubooten. Aber Aleta als Meisterin der Diplomatie und Intrige komplimentiert ihn geschickt aus ihrem Reich hinaus, und das sogar ohne Blutvergießen. Ein bezauberndes weibliches Gegenbild zum Kampfgetümmel, das Gawain und Eisenherz um sich herum entfalten.
Roger Leloup: Yoko Tsuno Sammelband 4: Vinea in Gefahr
- Die Titanen
- Der vergessene Planet
- Die Stadt des Abgrunds
Drei Abenteuer des japanischen Karategirls bei ihren Freunden auf dem Planeten Vinea. Im ersten Teil müssen Yoko und ihre Freunde sich mit einem Alienvolk auseinandersetzen, das optisch an riesenhafte Gottesanbeterinnen erinnert. Verständigung scheint zwischen Vineanern und Titanen nicht möglich, die Insektenwesen sind zu fremdartig, scheinen vollkommen gefühllos. Doch dann schließt Yoko mit einer der Riesengottesanbeterinnen Freundschaft, beide retten sich gegenseitig das Leben. Der Geschichte liegt die alte Weisheit zugrunde, dass letzten Endes auch der Feind menschliche Züge trägt, man muss nur danach suchen und dem Hass und der Furcht keinen Raum geben.
"Der vergessene Planet" konfrontiert die Vineaner mit ihren Urahnen. Ein seltsames Licht auf dem Mond Ixo führt Yoko und ihre Freunde an die Stätte, an denen die alten Vineaner gefährliche Chemikalien abbauen. Die gewonnene Energie senden sie mit einem gewaltigen Hohlspiegel in ihre Heimat, um ihrem zerstörten Planeten die Power für eine weitere Umkreisung ihrer Sonne zu verschaffen. Da die Sache für sie todgefährlich ist und die meisten bei den Arbeiten umkommen, werden die Arbeiter mit einem religiösen System für ihre Aufgabe fanatisiert ...
"Die Stadt des Abgrunds" schließlich bietet ein Unterwasserabenteuer auf Vinea. Optisch sehr beeindruckende Meereswelten, besonders Yokos Begegnungen mit dem Styr, einer Art Riesenmanta mit schlankeren Flügeln, ist faszinierend. Dann die "Erzengel" ... und dass sich Yoko tatsächlich in einen Androiden verliebt ...
Erneut ein sehr hochwertiges, reich ausgestattetes Hardcover-Album mit viel Hintergrundmaterial und Skizzen. Sehr beeindruckend immer wieder die Architektur und die Maschinen, die Lelloup entwirft, seine Phantasie und die Liebe zum Detail. Die Herausgabepraxis, die Alben nicht chronologisch, sondern nach Themen geordnet zusammenzustellen, ist allerdings noch immer gewöhnungsbedürftig.
Hörspiel
Berit Hempel: Abenteuer und Wissen: Frida Kahlo. Ein Leben voller Farbe
Geschichte einer beeindruckenden Frau, ihrer Farbenwelten und ihres Kampfes mit ihrem geschwächten, halb zerstörten Körper. Spannend erzählt und sehr gekonnt akustisch in Szene gesetzt. Ich habe viel Neues gelernt daraus.
Weitere Jahresrückblicke
Teil I: Januar bis März 2022
Teil III: Juli bis Oktober 2022
Teil IV: November 2022
Teil V: Dezember 2022
© Petra Hartmann