Ida Spix: Die zerbrochenen Flöten
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Am Hof des Aztekenherrschers Montezuma spielt der Roman "Die zerbrochenen Flöten" von Ida Spix. Die Autorin schildert die Begegnung von Azteken und Spaniern und den Untergang des Aztekenreichs. Dabei ist ihr Leitfaden das Schicksal des jungen Kriegers Jadefisch, der als Gefangener den Göttern geopfert werden soll - und sich zu seiner Überraschung plötzlich selbst in der Rolle eines Gottes wiederfindet.
Jadefisch ist der Sohn des Herrschers Nachtjaguar aus Cholollan, einem Nachbarreich der Azteken. Als Krieger der "Blumenkriege", die die Völker in der Gegend untereinander führten, um Opfer für ihre Götter zu gewinnen, war er gefangen worden. Nun ist er einer der jungen Männer, die im Musikunterricht von Eins-Affe das Flötenspiel erlernen. Der beste Flötenspieler wird traditionell auserkoren als lebendes Abbild des Gottes Tezcatlipoca, "Rauchender Spiegel". Ein Jahr lang soll er als Ixiptla, "Abbild", den Gott verkörpern, bevor er feierlich geopfert wird und ein neues Abbild des Gottes gewählt wird.
Der beste und zugleich der schlechteste Flötenspieler
Jadefisch ist ein ganz besonderer Flötenspieler. Seine Lieder haben ebenjenen Zauber, der selbst den alten Musiklehrer fliegen und in höhere Sphären davongleiten lässt. Aber Jadefisch ist zugleich auch der schlechteste aller Flötenspieler, denn auf dem Höhepunkt seiner Lieder verirrt er sich immer wieder, falsche Töne zerreißen die Melodie, der Zauber zerbricht, der Hörer stürzt ab. Schlimmer noch: Er verspielt sich ausgerechnet an dem Tag auf besonders grausame Weise, als der Herrscher Montezuma - beziehungsweise Motecuzoma, denn die Autorin Ida Spix benutzt die aztekische Namensform - die Musikklasse besucht. Ja, es passiert sogar das denkbar Allerschlimmste: Während alle anderen den Blick demütig senken, schaut Jadefisch, selbst ja Spross eines Herrschergeschlechts, dem Herrn über Leben und Tod dreist ins Angesicht. Todsünde! Doch der schlimmste denkbare Frevel hat eine völlig unerwartete Folge. So dreist kann niemand dem Azteken-Herrscher begegnen, kommt es Motecuzoma in den Sinn, es sei denn, er ist selbst ein Gott. Allem Anschein nach hat der gewaltige "Rauchende Spiegel" sein Abbild für dieses Jahr bereits selbst gewählt und gezeichnet.
So wird Jadefisch zum neuen Ixiptla erklärt, wird in die Palasträume des Gottes geführt, gepflegt, gewaschen, gesalbt und mit den Kleidern und Insignien seiner Gotteswürde ausgestattet. Fortan kann er sich in der Stadt relativ frei bewegen, spielt Flöte, spricht mit Angehörigen aller Schichten, spendet Trost, gibt Weisheiten von sich und führt ein relativ angenehmes Leben. Wenn nicht das Damoklesschwert des bevorstehenden Opfertodes über ihm schweben würde.
Gottesabbild mit Narrenfreiheit
Ida Spix hat mit Jadefisch eine sehr interessante Figur geschaffen, durch dessen Augen der Leser das Aztekenreich und den Hof Motecuzomas sehr gut kennen lernen kann. Als Außenseiter und Fremder einerseits, als Jokerfigur und mit einer gewissen Narrenfreiheit ausgestattet andererseits, drittens schließlich als Vertrauter und Gesprächspartner des Herrschers hat der Ixiptla Zugang zu allen Bewohnern der Stadt und erhält die Gelegenheit, hinter die Kulissen zu blicken und die politischen Entscheidungen zu erfahren und mitzugestalten.
Intrigen am Aztekenhof
Zugleich steht Jadefisch im Zentrum mehrerer Intrigen am Aztekenhof und zwischen den Staaten. Denn Motecuzoma würde gern Jadefischs Vater Nachtjaguar als Verbündeten gewinnen und bietet ihm dafür das Leben seines Sohnes an. Ein Deal, den die Priesterschaft natürlich nicht zugeben kann, denn wie könnte man den Gott Rauchender Spiegel um das ihm zustehende Opfer betrügen wollen? Und so soll Jadefisch der Fallstrick werden, der den Aztekenherrscher stürzen lässt. Dass nun auch noch seltsame Fremde, vielleicht Götter, auftauchen und schier unbesiegbare Waffen mitgebracht haben, beschleunigt den Weg in die Katastrophe noch. Und dass sich Jadefisch auch noch in Motecuzomas Tochter verliebt, die längst einem anderen Bündnispartner als Frau versprochen ist, macht die Position des Ixiptla vollends lebensgefährlich.
Ida Spix kennt sich nicht nur mit Kultur und Geschichte des Aztekenreichs aus, sie versteht es auch, spannend zu erzählen, und nimmt den Leser mit in eine untergegangene Welt. So wurde "Die zerbrochenen Flöten" zu einem lehrreichen und fesselnden Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen kann, bis die letzte Seite erreicht ist.
Dass am Ende Cortes über Motecuzoma triumphiert, weiß man aus der Geschichte. Doch wie das Schicksal des lebenden Abbildes von "Rauchender Spiegel" und seiner Geliebten Maisblüte ausging - - - bitte selber lesen.
Fazit: Spannender und lehrreicher Roman über das Ende des Aztekenreichs, geschrieben von einer Autorin, die sich auskennt. Empfehlenswert. Und bitte mehr davon.
Ida Spix: Die zerbrochenen Flöten. Jadefisch und Motecuzoma. Hohenthann: TraumFänger Verlag, 2021. 393 S., Euro 16,90.
© Petra Hartmann